Leitsatz (amtlich)
Der Pauschsteuer nach § 6 StKapErhG 1961 unterliegen nicht nur Leistungen der Gesellschaft an die Gesellschafter, die bei diesen schon nach den allgemeinen Vorschriften steuerpflichtig wären.
Normenkette
StKapErhG 1961 § 6
Tatbestand
Die Revisionsbeklagte (Steuerpflichtige), eine GmbH, erhöhte durch Beschluß vom 28. Juni 1961 ihr Stammkapital von 90 000 DM auf 400 000 DM durch Umwandlung von Rücklagen in Nennkapital nach den Vorschriften des Gesetzes über die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und über die Gewinn- und Verlustrechnung vom 23. Dezember 1959 - KapErhG - (BGBl I 1959, 789). Die Kapitalerhöhung wurde am 26. Juli 1961 in das Handelsregister eingetragen. Durch notariellen Vertrag vom 6. September 1962 verkaufte einer der beiden Gesellschafter der Steuerpflichtigen seine Geschäftsanteile mit einem Nennbetrag von zusammen 80 000 DM zum Preis von 500 000 DM an die Steuerpflichtige. Der Kaufpreis war nach dem Vertrag wie folgt zu entrichten: 150 000 DM sofort, die restlichen 350 000 DM in Halbjahresraten von je 50 000 DM, beginnend am 1. März 1963 und endend am 1. März 1966. Der jeweilige Restbetrag war mit 6 v. H. jährlich zu verzinsen. Die Verzinsung begann am 1. September 1962. Nach vollständiger Zahlung des Kaufpreises sollte die Abtretung der Geschäftsanteile notariell beurkundet werden.
Der Revisionskläger (das FA) unterwarf den Kaufpreis von 500 000 DM bei der Steuerpflichtigen der Pauschbesteuerung nach § 6 des Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln und bei Überlassung von eigenen Aktien an Arbeitnehmer in der Fassung vom 2. Mai 1961 - StKapErhG 1961 - (BGBl I 1961, 1918, BStBl I 1961, 708).
Der Einspruch blieb ohne Erfolg.
Auf die Berufung hin setzte das FG die Pauschsteuer auf 0 DM herab.
Das FG, dessen Entscheidung in Entscheidungen der Finanzgerichte 1967 S. 90 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, § 6 Abs. 1 Satz 2 StKapErhG 1961 sei nach seinem Sinn und Zweck und ohne Bindung an den Wortlaut der Vorschrift so auszulegen, daß nur solche Leistungen der Gesellschaft zum Erwerb eigener Geschäftsanteile als Gewinnanteile zu gelten hätten, die beim Gesellschafter auch nach den allgemeinen Vorschriften steuerpflichtig seien. Das seien - vorausgesetzt, daß kein Spekulationsgewinn vorliege - nur Zahlungen für Anteile, die zum Betriebsvermögen des Gesellschafters gehörten oder nach § 17 EStG eine wesentliche Beteiligung darstellten.
Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des FA mit dem Antrag, das angefochtene Urteil aufzuheben, den Steuerbescheid vom 29. Mai 1963 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 26. November 1963 wiederherzustellen.
Die Steuerpflichtige beantragt, die Revision zurückzuweisen. Vorsorglich stellt sie den Hilfsantrag, unter Aufhebung des angefochtenen Urteils die Sache zur weiteren Aufklärung an das FG zurückzuverweisen. Sie wiederholt ihr Vorbringen vor dem FG, das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen sei bereits am 2. Januar 1961 auf die Steuerpflichtige übergegangen. Das FG habe die dafür angebotenen Beweise nicht erhoben.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist begründet. Das FA hat mit Recht den Kaufpreis von 500 000 DM, den die Steuerpflichtige an den Gesellschafter für die eigenen Geschäftsanteile zu zahlen hatte, der Pauschbesteuerung nach § 6 StKapErhG 1961 unterworfen.
Diese Vorschrift soll Mißbräuche verhindern (Entwurf eines Gesetzes über steuerrechtliche Maßnahmen bei Erhöhung des Nennkapitals aus Gesellschaftsmitteln, Begründung zu § 5, Bundesratdrucksache 101/58). Den Mißbrauch sieht das Gesetz aber nicht, wie das FG offenbar meint, darin, daß die Einkommensteuer vermieden wird, die durch die Veräußerung der Geschäftsanteile bei dem Gesellschafter anfällt, der die Geschäftsanteile in seinem Betriebsvermögen oder als wesentliche Beteiligung gehalten hat (§§ 4, 5, 6, 17 EStG). Denn diese Einkommensteuer wird durch die vorher durchgeführte Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln nicht berührt. Um sie sicherzustellen, hätte es daher, wie das FA mit Recht bemerkt hat, keiner besonderen gesetzlichen Regelung bedurft. § 6 StKapErhG 1961 will gerade die Fälle treffen, in denen "an sich" keine Einkommensteuerpflicht des Gesellschafters besteht oder in denen es zweifelhaft erscheint, ob durch die Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln und eine kurze Zeit darauf durchgeführte Kapitalherabsetzung mit Rückzahlungen an die Gesellschafter oder einen kurze Zeit darauf durchgeführten Erwerb eigener Geschäftsanteile durch die Gesellschaft in mißbräuchlicher Ausnutzung der beiden aufeinanderfolgenden Vorgänge die Steuerpflicht des Gesellschafters umgangen wird. Gemeint ist damit die Steuerpflicht des Gesellschafters für Gewinnausschüttungen nach § 20 EStG. Der Gesetzgeber sah eine Gefahr darin, daß die Gesellschaften Gewinne, die sie in den Rücklagen angesammelt hatten, in der Weise steuerfrei an die Gesellschafter ausschütteten, daß sie diese Rücklagen vorher in Nennkapital umwandelten und dann im Wege der Herabsetzung des Nennkapitals oder des Erwerbs eigener Geschäftsanteile Beträge an die Gesellschafter auszahlten (vgl. Wilhelmi-Friedrich, Kleine Aktienrechtsreform, § 5 StKapErhG, Anm. 1; Bühler-Paulick, Einkommensteuer, Körperschaftsteuer, 2. Aufl., § 6 StKapErhG, Anm. 1). Da es im Einzelfall schwierig sein kann, zu beurteilen, ob in der Auszahlung von Beträgen an die Gesellschafter nach einer Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln eine mißbräuchliche Umgehung der Einkommensteuer für ausgeschüttete Gewinne (§ 6 StAnpG) oder eine verdeckte Gewinnausschüttung (§ 20 Abs. 2 Nr. 1 EStG) liegt, hat der Gesetzgeber durch § 6 StKapErhG 1961 vorgeschrieben, unter welchen Voraussetzungen und in welchem Umfang Gewinnausschüttungen anzunehmen sind. Wenn es in dieser Vorschrift heißt, als Gewinnanteile gelten auch Beträge, die die Gesellschaft innerhalb von fünf Jahren nach der Erhöhung des Nennkapitals für den Erwerb eigener Anteile aufwendet, so liegt darin, wie das FA zutreffend ausgeführt hat, eine gesetzliche Fiktion, die nicht widerlegt werden kann (vgl. Rosenberg, Die Beweislast, 4. Aufl., S. 213 f.). Das bedeutet, daß der Tatbestand einer Gewinnausschüttung zugrunde zu legen ist, ohne Rücksicht darauf, ob eine solche nach den allgemeinen Vorschriften (§ 20 EStG) vorliegt oder bei Anwendung des § 6 StAnpG zugrunde zu legen wäre.
Ob § 6 StKapErhG 1961 in jeder Beziehung zweckmäßig ist und in jedem Fall zu einem gerechten Ergebnis führt, hat der Senat nicht zu prüfen (vgl. die Kritik von Thiel Rudolf, Der Betriebs-Berater 1961 S. 1004, 1006 f., und Thiel Jochen, Die steuerliche Behandlung eigener Anteile von Kapitalgesellschaften, S. 88 ff., sowie die Rechtfertigung der Vorschrift durch Leingärtner, Steuer und Wirtschaft 1968 Sp. 333). Der Senat braucht auch nicht auf die Frage einzugehen, ob die Pauschbesteuerung nach § 6 StKapErhG 1961 die Einkommensteuer, die beim Gesellschafter nach §§ 4, 5, 6 und 17 EStG anfallen würde, völlig verdrängt (Leingärtner, a. a. O., Sp. 342) oder nur auf sie anzurechnen ist (Wilhelmi-Friedrich, a. a. O., Anm. 6).
Der Kaufpreis, den die Steuerpflichtige für den Erwerb der eigenen Geschäftsanteile zu zahlen hatte, gilt somit im Streitfall als Gewinnanteil des Gesellschafters. Denn auch die weiteren Voraussetzungen des § 6 StKapErhG 1961 sind erfüllt. Die Nennbeträge der eigenen Geschäftsanteile, die die Steuerpflichtige erworben hat, übersteigen nicht den Betrag der Erhöhung des Stammkapitals. Die Steuerpflichtige hat ferner den Kaufpreis innerhalb von fünf Jahren nach der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln, die am 26. Juli 1961 wirksam wurde (§ 8 KapErhG), für den Erwerb eigener Anteile aufgewendet. Rechtlich zutreffend hat das FG festgestellt, daß die Steuerpflichtige das wirtschaftliche Eigentum an den Geschäftsanteilen nicht vor dem Abschluß des notariellen Kaufvertrags erworben habe. Die Tatsachen, die die Steuerpflichtige im Verfahren vor dem FG unter Beweis gestellt hat, vermögen den rechtlichen Schluß auf einen früheren Übergang des wirtschaftlichen Eigentums, den die Steuerpflichtige zieht, nicht zu rechtfertigen.
Schließlich ist noch zu bemerken, daß der ganze Kaufpreis von 500 000 DM, nicht etwa nur ein nach dem Anteil des Verkäufers an der Kapitalerhöhung aus Gesellschaftsmitteln bemessener Teil, nach § 6 StKapErhG 1961 als Gewinnanteil gilt und damit der Pauschbesteuerung unterliegt. Insoweit wird auf das rechtskräftige Urteil des FG München VI 221/66 vom 26. Oktober 1967 (EFG 1968, 142) Bezug genommen.
Fundstellen
Haufe-Index 68580 |
BStBl II 1969, 504 |
BFHE 1969, 504 |