Leitsatz (amtlich)
Eine verwitwete Steuerpflichtige, deren zu versteuerndes Einkommen 24 000 DM übersteigt, aber unter 48 000 DM liegt, erhält die Arbeitnehmer-Sparzulage nicht, auch wenn ihre Einkommensteuer wegen der Berücksichtigung eines Kinderfreibetrags wie bei zusammenveranlagten Eheleuten nach dem Splittingtarif zu ermitteln ist.
Normenkette
EStG §§ 26b, 32a Abs. 2-3; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1; 3. VermBG (i. d. F. vom 27. Juni 1970)
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist seit dem Jahr 1958 verwitwet. Für das Streitjahr 1971 wurde sie mit einem zu versteuernden Einkommen von 25 658 DM zur Einkommensteuer veranlagt. Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) ermittelte die Einkommensteuerschuld gemäß § 32 a Abs. 3 Nr. 2 EStG nach dem Splittingtarif, da der Klägerin für ihre aus der Ehe hervorgegangene Tochter ein Kinderfreibetrag zustand. In dem Einkommensteuerbescheid wurde die gewährte Arbeitnehmer-Sparzulage zurückgefordert, weil der zu versteuernde Einkommensbetrag 24 000 DM überstieg.
Das FG hat die Klage abgewiesen. Seine Entscheidung ist in EFG 1973, 621 veröffentlicht. Das FG führte aus, für die Klägerin als Alleinstehende sei die in § 12 Abs. 1 Satz 1 3. VermBG genannte Begünstigungsgrenze von 24 000 DM maßgebend. Die für Eheleute gültige Höchstgrenze von 48 000 DM sei nicht anwendbar, wie sich aus der Verweisung auf § 26 b EStG ergebe. Die dort angesprochene Zusammenveranlagung sei bei der verwitweten Klägerin ausgeschlossen. Die Klägerin sei zwar bezüglich des Einkommensteuertarifs wie eine Verheiratete zu behandeln. § 12 des 3. VermBG enthalte aber keine Verweisung auf § 32 a Abs. 3 EStG, so daß Verwitwete für den Bereich der Vermögensbildung mit zusammenveranlagten Eheleuten nicht gleichgestellt seien. Die für die Besteuerung von Witwen mit Kindern maßgeblichen sozialen Überlegungen des Gesetzgebers könnten nicht ohne weiteres auf das Gebiet der Vermögensbildung übertragen werden. Eine gesetzesergänzende Auslegung des § 12 des 3. VermBG sei nicht zulässig.
Mit der von dem FG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassenen Revision rügt die Klägerin fehlerhafte Anwendung des § 12 des 3. VermBG und einen Verstoß gegen Art. 6 GG. Aus der Entwicklung der Vermögensbildung ergebe sich, daß die nach dem derzeitigen Rechtszustand zu gewährende Sparzulage nach ihrem materiellen Gehalt eine Steuertarifvergünstigung für geringer verdienende Einkommensgruppen darstelle. Der Unterschied zu der vorher geltenden Regelung bestehe nur in der gleichmäßigen Gewährung der Steuervergünstigung. Die Regelung in § 12 des 3. VermBG, die zur Bemessung der Einkommensgrenze auf den zu versteuernden Einkommensbetrag abstelle, der bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 b EStG 48 000 DM nicht übersteigen dürfe, könne deshalb nur bedeuten, daß die Höchstgrenze von 48 000 DM gelte, wenn für die Besteuerung des antragstellenden Arbeitnehmers das für Eheleute maßgebliche Steuerberechnungsverfahren des § 32 a Abs. 2 EStG anzuwenden sei. Die Auslegung des FG benachteilige ohne ersichtlichen Grund im Sinne des Art. 6 GG eine Gruppe von Familien (Witwer bzw. Witwen mit Kindern), die insbesondere des staatlichen Schutzes bedürften, weil diesen Familien ein Elternteil genommen worden sei.
Die Klägerin beantragt, unter Aufhebung des FG-Urteils und des in dem Einkommensteuerbescheid 1971 enthaltenen Rückforderungsbescheids das FA zu verpflichten, die zurückgeforderte Sparzulage von 187,20 DM zu erstatten, hilfsweise, die Streitsache dem BVerfG zur Entscheidung vorzulegen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Das FA hat von der Klägerin zu Recht die Arbeitnehmer-Sparzulage mit dem Einkommensteuerbescheid 1971 zurückgefordert, da deren zu versteuerndes Einkommen die für Alleinstehende maßgebliche Grenze von 24 000 DM überstiegen hat. Die von der Klägerin begehrte Anwendung der für zusammenveranlagte Eheleute gültigen Einkommensgrenze von 48 000 DM ist weder nach dem Wortlaut noch nach dem Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 1 des 3. VermBG gerechtfertigt.
Nach dem Wortlaut der Vorschrift erhält ein Arbeitnehmer die Arbeitnehmer-Sparzulage nur, wenn der von ihm zu versteuernde Einkommensbetrag (§ 32 Abs. 1 EStG) 24 000 DM nicht übersteigt. Die Einkommensgrenze ist personenbezogen und gilt grundsätzlich für den einzelnen Arbeitnehmer ohne Rücksicht auf seinen Familienstand. Dementsprechend ist sowohl für Alleinstehende als auch für einzelne Verheiratete, die getrennt veranlagt werden, die Grenze von 24 000 DM maßgebend (vgl. Fitting-Hentrich-Schwedes, 3. Vermögensbildungsgesetz, 8. Aufl., 1975, Anm. 36 zu § 12). Soweit Eheleute die gemeinsame Veranlagung wählen, sind ihre Einkünfte nach § 26 b Satz 2 EStG zusammenzurechnen. Dadurch ergibt sich bei der Veranlagung ein einheitlicher zu versteuernder Einkommensbetrag, der zwei Personen zuzurechnen ist. Dem hat der Gesetzgeber für den Bereich des Dritten Vermögensbildungsgesetzes dadurch Rechnung getragen, daß bei zusammenveranlagten Eheleuten entsprechend der Zusammenrechnung der Einkünfte auch die für Einzelpersonen gültigen Einkommensgrenzen zusammengerechnet werden.
Die Anwendung der für zusammenveranlagte Eheleute gültigen Einkommensgrenze auf verwitwete Personen mit Kindern ist in § 12 Abs. 1 des 3. VermBG nicht vorgesehen. Das ergibt sich daraus, daß die verdoppelte Einkommensgrenze ausdrücklich auf die Fälle der Zusammenveranlagung von Eheleuten nach § 26 b EStG beschränkt ist. Der Wortlaut des Gesetzes läßt die Anwendung auf verwitwete Personen mit Kindern nicht zu, da bei diesen als Alleinstehenden stets eine Einzelveranlagung durchzuführen ist. Aus der Verwendung der Worte "wenn der zu versteuernde Einkommensbetrag ... bei einer Zusammenveranlagung von Ehegatten nach § 26 b des Einkommensteuergesetzes 48 000 Deutsche Mark nicht übersteigt" kann nicht entnommen werden, daß damit die in § 32 a Abs. 2 EStG enthaltene, in gleicher Weise für zusammenveranlagte Eheleute und verwitwete Personen mit Kindern gültige Tarifvorschrift (Splitting) zur Voraussetzung für die Anwendung der verdoppelten Einkommensgrenze gemacht werden sollte. Die Tatsache, daß der Splittingtarif u. a. bei der Zusammenveranlagung anzuwenden ist (§ 32 a Abs. 2 EStG), rechtfertigt nicht die Annahme der Klägerin, daß der Gesetzgeber alle Veranlagungsfälle, bei denen der Splittingtarif anzuwenden ist, für den Bereich des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG als Fälle der Zusammenveranlagung angesehen haben könnte. Ein solches Verständnis der Vorschrift wird durch den eindeutigen Inhalt des Begriffs der Zusammenveranlagung, mit dem die Durchführung eines gemeinsamen Besteuerungsverfahrens für Eheleute bezeichnet wird (§§ 26, 26 b EStG), ausgeschlossen.
Auch Sinn und Zweck des § 12 Abs. 1 Satz 1 des 3. VermBG gebieten nicht die von der Klägerin angestrebte Auslegung. Die steuerliche Förderung nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz dient der Vermögensbildung der Arbeitnehmer (vgl. § 1 Abs. 1) Ziel der staatlichen Maßnahmen ist es, "den Aufbau persönlichen Vermögens bei Nichtunternehmern aus gesellschaftspolitischen Erwägungen und im Interesse der Kapitalbildung der Volkswirtschaft zu fördern" (Begründung zum Regierungsentwurf des Ersten Vermögensbildungsgesetzes, Bundestags-Drucksache III/2390 unter 3.). Im Gegensatz zu den früheren Vermögensbildungsgesetzen, die für vermögenswirksame Leistungen steuerliche Entlastungen vorsahen (§ 10 des 1. VermBG, § 12 des 2. VermBG), soll nach dem Dritten Vermögensbildungsgesetz die Förderung der Vermögensbildung durch eine einheitliche Sparzulage verwirklicht werden. Auf diese Weise kommen alle Begünstigten in demselben Umfang in den Genuß der staatlichen Leistungen, während die vorher maßgebliche Steuerbefreiung der vermögenswirksamen Leistungen (§ 12 Abs. 1 des 2. VermBG) wegen der Abhängigkeit von der Höhe des Einkommens zu unterschiedlichen Vergünstigungen führte und deshalb insbesondere für die Bezieher kleiner Einkommen als unbefriedigend empfunden wurde (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf des Dritten Vermögensbildungsgesetzes, Bundestags-Drucksache VI/601, Teil A).
Die Sparzulage wird grundsätzlich jedem Arbeitnehmer gewährt. Eheleute, die sich beide in einem Arbeitsverhältnis befinden, können deshalb beide eine Zulage erhalten. Das Prinzip der besonderen Begünstigung jedes einzelnen Arbeitnehmers ist bei zusammenveranlagten Eheleuten insoweit durchbrochen, als für sie eine gemeinsame Höchstgrenze des zu versteuernden Einkommensbetrags gilt, so daß bei unterschiedlich hohen Einkommen auch der Ehegatte, dessen Anteil an dem gemeinsamen zu versteuernden Einkommensbetrag 24 000 DM übersteigt, die Zulage bekommt. Außerdem gilt die Höchstgrenze von 48 000 DM auch dann, wenn nur ein Ehegatte Arbeitslohn bezogen hat. Die Anwendung der verdoppelten Höchstgrenze ist hier deshalb berechtigt, weil das Einkommen des erwerbstätigen Ehegatten unter Berücksichtigung der innerfamiliären Aufgabenteilung im Ergebnis auf die Tätigkeit beider Ehegatten, also von zwei Personen, zurückzuführen ist.
Die Klägerin kann sich zur Begründung ihrer Auffassung auf diese zuletzt genannte Ausnahme nicht berufen. Es ist dabei ohne Bedeutung, daß sie ebenso wie ein alleinverdienender Ehegatte allein das Familieneinkommen erzielt. Entscheidend ist, daß bei der alleinstehenden Klägerin die zweite Bezugsperson, an die der Gesetzgeber die Anwendung der verdoppelten Höchstgrenze knüpft, nicht vorhanden ist. Der Umstand, daß das von der Klägerin erarbeitete Einkommen auch dem Unterhalt ihres Kindes dient, kann die Anwendung der für Eheleute gültigen Bestimmungen des Dritten Vermögensbildungsgesetzes nicht rechtfertigen. Das Gesetz gewährt dem Arbeitnehmer eine Sparzulage grundsätzlich ohne Berücksichtigung vorhandener Kinder. Nur wenn ein Arbeitnehmer Kinderfreibeträge für drei oder mehr Kinder erhält, erfolgt - einheitlich für alle Zulagebegünstigten - eine Erhöhung des Zulagesatzes. Die Gründe, die bei der Einkommensteuerveranlagung eines Verwitweten zur Anwendung des für Eheleute gültigen Splittingtarifs führen können, nämlich die Verwitweteneigenschaft und der Anspruch auf einen Kinderfreibetrag, spielen somit für die Frage, welche Höchstbetragsgrenze für die Gewährung der Sparzulage maßgebend ist, keine Rolle. Daß der Gesetzgeber bei der Zulagenregelung des Dritten Vermögensbildungsgesetzes bezüglich der Verwitweten mit Kindern nicht an die Tarifregelung des Einkommensteuergesetzes angeknüpft hat, erklärt sich aus der unterschiedlichen Zielsetzung der Bestimmungen: Während § 32 a Abs. 3 Nr. 2 EStG an die Ehe anknüpft und deren früheren Bestand mit Rücksicht auf die wirtschaftliche Belastung durch die aus der Ehe hervorgegangenen Kinder beachtet, soll nach § 12 Abs. 1 des 3. VermBG in erster Linie eine Verbesserung der sozialen Stellung des einzelnen Arbeitnehmers, unabhängig von seinem Familienstand, durch Förderung der Vermögensbildung im Rahmen bestimmter Einkommensgrenzen angestrebt werden.
§ 12 Abs. 1 Satz 1 des 3. VermBG verstößt in der oben dargestellten Auslegung nicht gegen Art. 6 Abs. 1 GG. Art. 6 GG stellt Ehe und Familie unter den besonderen Schutz der staatlichen Ordnung und wirkt sich im Rahmen einer freiwilligen Förderungsmaßnahme des Staates dahin aus, daß Verheiratete nicht allein deshalb, weil sie verheiratet sind, schlechter gestellt werden dürfen als Ledige (vgl. Beschluß des BVerfG vom 12. Februar 1964 1 BvL 12/62, BVerfGE 17, 210 [217]). Unter diesem Gesichtspunkt ist die Klägerin nicht benachteiligt, da sie entsprechend ihrem tatsächlichen Personenstand als Alleinstehende behandelt worden ist. Es kann dahinstehen, ob auch die Gemeinschaft eines verwitweten Elternteils mit den aus der Ehe hervorgegangenen Kindern als Familie im Sinne des Art. 6 Abs. 1 GG anzusehen ist. Selbst wenn man davon ausgehen würde, liegt eine Benachteiligung dieser "Familie". die nur auf der Gemeinschaft mit Kindern beruht, nicht vor, da § 12 Abs. 1 des 3. VermBG bei der Bestimmung der maßgeblichen Einkommenshöchstgrenze weder bei Alleinstehenden noch bei Verheirateten auf das Vorhandensein von Kindern abstellt.
Die vorstehende Auslegung des § 12 Abs. 1 des 3. VermBG verstößt auch nicht gegen den Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG). Die unterschiedliche Behandlung von Familien, bei denen noch beide Ehegatten leben, und solchen, die nur auf der Gemeinschaft eines Elternteils mit den Kindern beruhen, ist nicht willkürlich, sondern sachlich begründet, da im ersten Fall eine Person mehr als Empfänger der staatlichen Leistung vorhanden ist. Der Gesetzgeber ist gerade im Bereich der darreichenden Verwaltung frei, Art und Umfang staatlicher Hilfen zu bestimmen, soweit er die Grenzen des Willkürverbots beachtet. Da der Senat § 12 Abs. 1 des 3. VermBG für verfassungsgemäß hält, kommt die von der Klägerin begehrte Vorlage an das BVerfG nicht in Betracht (Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG).
Fundstellen
BStBl II 1976, 546 |
BFHE 1977, 102 |