Leitsatz (amtlich)
Dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs eines Pächters kann der Geschäftswert, der zu dem dem Pächter überlassenen Betriebsvermögen des Verpächters gehört, nur dann hinzugerechnet werden, wenn er durch von der Raumpacht eindeutig abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert ist. Diese Voraussetzung ist bei Pachtzahlungen, die in Vomhundertsätzen des Umsatzes bemessen werden, in der Regel nicht erfüllt.
Normenkette
GewStG § 12 Abs. 2 Nr. 1
Tatbestand
Streitig ist bei der Gewerbesteuerveranlagung 1967, ob dem Gewerbekapital des Pächters einer Apotheke ein Geschäftswert hinzuzurechnen ist ($ 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG).
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige) ist Apothekerin. Zum 1. Januar 1966 pachtete sie mit Vertrag vom 30. September 1965 eine Apotheke in B. "mit dem gesamten Kundenwert, der Einrichtung, sonstigem Zubehör und der Nutzung der Apothekenräumlichkeiten". Der Pachtzins beträgt 7 v. H. des Umsatzes der Apotheke. Der Vertrag wurde auf fünf Jahre geschlossen. Er verlängert sich jeweils um zwei Jahre.
Die Steuerpflichtige ermittelte den Gewinn durch Betriebsvermögensvergleich für das vom Kalenderjahr abweichende Wirtschaftsjahr vom 1. April bis 31. März. Für den Erhebungszeitraum 1967 erklärte sie einen gewerblichen Gewinn von 63 401 DM. Bei der Ermittlung des Gewerbeertrages rechnete sie die Hälfte der an den Verpächter gezahlten Pachtzinsen (24 345,93 DM) - 12 172,96 DM - hinzu. Das Gewerbekapital erklärte sie in Höhe des Einheitswerts ihres gewerblichen Betriebes, der auf den 1. Januar 1967 mit 34 000 DM festgestellt war.
Der Revisionsbeklagte (das FA) rechnete bei der Ermittlung des Gewerbekapitals dem Einheitswert des Betriebsvermögens die Werte gepachteter Wirtschaftsgüter hinzu, und zwar 3 000 DM für das Inventar und 63 000 DM für einen vom Verpächter überlassenen Geschäftswert. Die Sprungklage, mit der sich die Steuerpflichtige gegen die Hinzurechnung des Geschäftswerts wandte, blieb ohne Erfolg.
Das FG führte aus: Bei der Verpachtung eines Unternehmens könne ein Firmenwert realisiert werden, wenn der Pachtzins im Verhältnis zu den verpachteten Einzelgegenständen überhöht sei und somit eine Vergütung für die Überlassung eines Firmenwerts vorliege. Dann trete der Geschäftswert als "geldwerte Realität" hervor (Urteile des BFH III 65/62 U vom 27. Juli 1962, BFH 75, 460, BStBl III 1962, 436; III 342/61 U vom 19. Februar 1965, BFH 82, 1, BStBl III 1965, 248; III R 15/67 vom 28. August 1968, BFH 93, 486, BStBl II 1969, 2). Zwar könne der Hinzurechnung eines Geschäftswerts beim Verpächter - gleiches gelte für den Pächter, § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG - entgegenstehen, daß der Pachtzins ganz oder teilweise nicht als Entgelt, sondern als Versorgungsleistung gezahlt werde (vgl. BFH-Urteil III 65/62 U). Im Streitfall habe aber die Steuerpflichtige den Pachtzins nicht zur Versorgung des Verpächters bezahlt. Verwandtschaftliche Beziehungen zwischen den Vertragspartnern bestünden nicht. Der Inhalt des Vertrages sei, wie im Geschäftsverkehr zwischen Fremden üblich, unter Abwägung von Leistung und Gegenleistung festgelegt worden. Auch die Vertragsdauer von fünf Jahren mit Verlängerungsklausel stehe mit dem von der Steuerpflichtigen behaupteten Versorgungscharakter nicht in Einklang. Es habe sich um die Verpachtung einer gut eingeführten Apotheke gehandelt. Im Hinblick auf den Wert der Apothekeneinrichtung müsse der größte Teil des Pachtzinses als Abgeltung für einen Geschäftswert angesehen werden. Dieser sei vom FA zutreffend ermittelt worden. Bei Anwendung der sogenannten indirekten Methode zur Berechnung des Geschäftswerts (vgl. BFH-Urteil III 342/61 U) ergäbe sich sogar ein wesentlich höherer als der vom FA angesetzte Geschäftswert. Das FA habe zutreffend die Erfahrungssätze der Arbeitsgemeinschaft der Berufsvertretungen Deutscher Apotheken zugrunde gelegt. Nach ihnen betrage der Geschäftswert verpachteter Apotheken im Durchschnitt 25 bis 35 v. H. eines Jahresumsatzes (vgl. BFH-Urteil IV 372/60 S vom 26. September 1963, BFH 77, 669, BStBl III 1963, 565). Das FA sei von 25 v. H. des durchschnittlich in den Jahren von 1963 bis 1965 erzielten Jahresumsatzes (252 000 DM) ausgegangen. Der Umsatz der Steuerpflichtigen habe im ersten Rumpfwirtschaftsjahr (1. Januar bis 31. März 1966) rd. 75 000 DM und im Wirtschaftsjahr 1966/67 rd. 350 000 DM erreicht. Gegen die Berechnung des Geschäftswerts in Höhe von 63 000 DM bestünden daher keine Bedenken.
In ihrer Revision beantragt die Steuerpflichtige, die Vorentscheidung aufzuheben und bei der Festsetzung des Gewerbekapitals von der Hinzurechnung eines Geschäftswerts abzusehen. Sie macht geltend, sofern überhaupt ein Geschäftswert vorliege, sei er vom Pächter geschaffen und nicht vom Verpächter überlassen. Er stehe in engem Zusammenhang mit dem Umsatz. Dieser aber sei von der persönlichen Leistung des Apothekers abhängig. Das FG habe vor allem grundlegende apothekenrechtliche Gesichtspunkte außer acht gelassen. Nach dem Gesetz über das Apothekenwesen (ApG) vom 20. August 1960 (BGBl I 1960 S. 697) stelle die Apothekenverpachtung eine auf standesrechtlichen und berufsethischen Erwägungen beruhende Versorgungseinrichtung für einen engbegrenzten Personenkreis dar ($ 9 des Gesetzes). Der Pachtzins werde nicht als Gegenleistung für die Überlassung von Wirtschaftsgütern gezahlt. Im übrigen werde bestritten, das eine gepachtete Apotheke, die in gemieteten Räumen betrieben werde, überhaupt einen Geschäftswert besitzen könne. In diesem Falle seien die Ertragsaussichten besonders unsicher.
Das FA beantragt die Zurückverweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur anderweiten Festsetzung der Gewerbesteuer.
Nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GewStG werden dem Einheitswert des gewerblichen Betriebs hinzugerechnet "die Werte (Teilwerte) der nicht in Grundbesitz bestehenden Wirtschaftsgüter, die dem Betrieb dienen, aber im Eigentum eines Mitunternehmers oder eines Dritten stehen, soweit sie nicht im Einheitswert des gewerblichen Betriebs enthalten sind". Die Ausnahmevorschrift des Satzes 2 kommt hier nicht in Betracht, weil sie sich nur auf die Fälle bezieht, in denen die Wirtschaftsgüter zum Gewerbekapital des Vermieters oder Verpächters gehören, bei diesem also der Gewerbesteuer unterliegen (vgl. BFH-Urteil IV 234/60 U vom 27. Juli 1961, BFH 73, 563, BStBl III 1961, 470). Die Betriebsverpachtung bildet jedoch grundsätzlich - so auch im Streitfall - keinen der Gewerbesteuer unterliegenden Gewerbebetrieb (§ 2 Abs. 1 GewStG, § 1 GewStDV; vgl. Urteil des BFH Gr.S. 1/63 S vom 13. November 1963, BFH 78, 315, BStBl III 1964, 124).
Zu den in § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG bezeichneten Wirtschaftsgütern kann auch ein Geschäftswert gehören (vgl. BFH-Urteil IV 145/63 vom 22. Oktober 1964, HFR 1965, 171, betreffend Verpachtung einer Apotheke mit früherer Realkonzession). Der BFH führte dort aus, daß es auch im bewertungsrechtlichen Sinn keinen Unterschied mache, obschon bei Abschluß des Pachtvertrages nur ein unveräußerliches und unvererbliches Apothekenbetriebsrecht vorgelegen habe, dem die Vertragsparteien gleichwohl einen in der Höhe des Pachtzinses zum Ausdruck kommenden Wert beigemessen hätten (vgl. BFH-Urteil III 65/62 U) oder ob ein bewertungsfähiges Realrecht vorliege, in welchem ein Geschäftswert enthalten sei, der nach der Aushöhlung des Realrechts allein noch übriggeblieben sei. Die Entscheidung IV 145/63 stützte sich auf den letzteren Gesichtspunkt. Er trifft im Streitfall nicht zu, da nach den Feststellungen des FG keine ausdrückliche Verpachtung eines besonderen Apothekenbetriebsrechts vorlag, was sich schon daraus erklärt, daß der Pachtvertrag vom 30. September 1965 zu einer Zeit geschlossen wurde, als sich die Gewerbefreiheit auf dem Gebiete des Apothekenwesens bereits voll ausgewirkt hatte (vgl. dazu BFH-Urteil IV 372/60 S, a. a. O.).
Für die Entscheidung kommt es deshalb darauf an, ob die bewertungsrechtlichen Grundsätze, die in dem Urteil III 65/62 U im Anschluß an die Rechtsprechung des RFH entwickelt wurden, den Ansatz eines Geschäftswerts nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG gebieten. Nach dieser Rechtsprechung wird grundsätzlich durch eine Betriebsverpachtung ein Geschäftswert konkretisiert, der bei der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens des Verpächters anzusetzen ist, sofern der Geschäftswert nämlich in der Höhe des Pachtzinses als "geldwerte Realität" in Erscheinung tritt. Dieser Grundsatz wurde inzwischen in mehreren weiteren Entscheidungen des III. Senats des BFH bestätigt (vgl. Urteile III 342/61 U; III R 15/67). Nun ist zwar anerkannt, daß für den Begriff des Wirtschaftsguts im Sinn des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG die Vorschriften des BewG maßgebend sind (vgl. RFH-Urteil I 53/40 vom 1. Oktober 1940, RFH 49, 236 [238], RStBl 1940, 1063; BFH-Urteil IV R 20/67 vom 29. April 1970, BFH 99, 485, BStBl II 1970, 726; GewStR Abschn. 77 Abs. 1). Der Grundsatz bedarf indessen einer Klarstellung dahin, daß die Bewertungsfähigkeit im Sinne des § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG jedenfalls nicht weiter reichen kann, als für die Annahme eines Wirtschaftsguts im Sinn der Vorschrift des § 8 Nr. 7 GewStG Raum wäre. Der Begriff des Wirtschaftsguts im Sinn dieser Vorschrift ist nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen zu beurteilen (vgl. BFH-Urteil I R 159/66 vom 23. April 1969, BFH 95, 399, BStBl II 1969, 439). Daraus folgt, daß, wenn bei der Anwendung des § 8 Nr. 7 GewStG das Vorliegen eines Wirtschaftsguts zu verneinen ist, auch eine Hinzurechnung nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG nicht in Betracht kommen kann.
Der IV. Senat des BFH entschied hierzu in dem Urteil IV R 20/67, daß die sich aus der Geschäftslage gepachteter gewerblicher Räume ergebenden Vorteile (z. B. Kundenstamm, Konkurrenzlage, allgemeine Absatzmöglichkeiten) keine Wirtschaftsgüter im Sinn von § 8 Nr. 7 und § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG seien, wenn sie nicht durch von der Raumpacht abgrenzbare Pachtzahlungen konkretisiert seien. Nur wenn ein auf diese Vorteile entfallender Pachtzinsanteil klar ausscheidbar wäre, könnte von einer Überlassung immaterieller Wirtschaftsgüter und deren Bewertungsfähigkeit im Sinne des Einkommensteuerrechts die Rede sein. Diesen Grundsätzen stimmt der erkennende Senat zu. Sie treffen in verstärktem Maße zu, wenn es sich um den Ansatz eines Geschäftswerts handelt. Sie tragen der auch sonst im Ertragsteuerrecht verschiedentlich anzutreffenden Erwägung Rechnung, daß - von den klaren Fällen des entgeltlichen Erwerbs eines Geschäftswerts oder den erwähnten Fällen früherer Apothekenberechtigungen abgesehen - bei dem Ansatz von Geschäftswerten wegen der großen Schwierigkeiten, die sich bei der Bemessung eines Geschäftswerts ergeben, besondere Zurückhaltung zu üben ist (vgl. BFH-Urteil I 39/65 S vom 29. Mai 1956, BFH 63, 76, BStBl III 1956, 226).
Wird bei einer Betriebsverpachtung ein einheitlicher Pachtzins vereinbart, so fehlt es in der Regel an der klaren Trennbarkeit des auf einen Geschäftswert entfallenden Pachtzinsanteils. So ist z. B. bei einer Apothekenverpachtung der anteilige Wert der Raumpacht um so höher zu veranschlagen, je günstiger die Lage der Apotheke und die durch sie bedingten Umsatzmöglichkeiten sind. Die Ertragsaussichten beeinflussen - im Gegensatz zum bloßen Mietwert der Räume - somit oft schon die Höhe der Raumpacht, ohne daß es möglich wäre, zu festen Abgrenzungen zu gelangen. Hiernach genügt es für die Hinzurechnung eines Geschäftswerts jedenfalls nicht, daß die Pachtzahlungen im Verhältnis zu dem Wert des überlassenen Inventars zu hoch erscheinen. Grundsätzlich kommt deshalb der Ansatz eines Geschäftswerts nur in Frage, wenn entweder schon die Vertragsparteien eine Aufteilung der Pachtzahlungen vorgenommen haben (vgl. z. B. BFH-Urteil IV 145/63) oder wenn sonstige Umstände eine klare und eindeutige Aufteilung gestatten. Die bloße Möglichkeit, mit Hilfe von Erfahrungssätzen, etwa auf der Grundlage der durchschnittlichen Jahresumsätze, einen Geschäftswert im Schätzungswege anzugeben, kann für die hier zu entscheidende gewerbesteuerliche Hinzurechnung nicht als ausreichend erachtet werden. Ob und inwieweit darüber hinaus nach einkommensteuerrechtlichen Grundsätzen, vor allem unter dem Gesichtspunkt der Gewinnrealisierung, der Ansatz eines Geschäftswerts in Betracht kommt, ist hier nicht zu erörtern.
Der Senat braucht auch nicht auf die Frage einzugehen, ob nach den oben angeführten bewertungsrechtlichen Grundsätzen im Rahmen der Einheitsbewertung des Betriebsvermögens ein Geschäftswert aufgrund höherer Pachtzahlungen als konkretisiert anzusehen wäre und daher angesetzt werden müßte, wovon das FG ausging. Denn eine rechtliche Bindung bestünde für die Ermittlung des Gewerbekapitals nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG selbst dann nicht, wenn für das dem Pächter überlassene Betriebsvermögen des Verpächters ein Einheitswert festgestellt wäre, der einen Geschäftswert enthielte (vgl. BFH-Urteil IV 234/60 U vom 27. Juli 1961, BFH 73, 563, BStBl III 1961, 470, und die dort angeführten Entscheidungen).
Nach alledem ist es für die Entscheidung nicht erheblich, ob und inwieweit den von dem Apothekenpächter geleisteten Pachtzahlungen aus Gründen, die auf dem Gebiete des Apothekenrechts liegen, der Charakter von Versorgungsleistungen zugesprochen werden muß und ob etwa schon aus diesem Grunde, wie die Steuerpflichtige meint, der Ansatz eines Geschäftswerts zu unterbleiben hätte.
Schließlich hat der Senat auch nicht darauf einzugehen, ob und inwieweit bei der Hinzurechnung der Hälfte der Miet- und Pachtzinsen nach § 8 Nr. 7 GewStG eine Kürzung deshalb veranlaßt sein könnte, weil auch im Sinn dieser Vorschrift - wie ausgeführt - ein Geschäftswert nicht angenommen werden dürfte. Denn die Steuerpflichtige begehrte lediglich, den Geschäftswert bei der Bemessung des Gewerbekapitals nach § 12 Abs. 2 Nr. 2 GewStG außer Ansatz zu lassen. Der Senat kann nicht über den Revisionsantrag hinausgehen (§ 96 Abs. 1 Satz 2, § 121 FGO).
Die Vorentscheidung, die von anderen rechtlichen Erwägungen ausging, ist aufzuheben. Die Gewerbesteuer 1967 wird festgesetzt auf 8 772 DM.
Fundstellen
Haufe-Index 69270 |
BStBl II 1971, 28 |
BFHE 1971, 407 |