Entscheidungsstichwort (Thema)
Abfindungszahlungen an Miterben als Anschaffungskosten eines aufgrund einer Teilungsanordnung erworbenen Grundstücks
Leitsatz (NV)
Hat der Erblasser durch testamentarische Teilungsanordnung einem Miterben ein Grundstück zugewiesen, ihm jedoch auferlegt, dafür an andere Miterben Zahlungen zu leisten, so bilden diese Zahlungen Anschaffungskosten des Grundstücks.
Normenkette
EStG § 7; HGB § 255 Abs. 1; BGB § 2046 Abs. 1, § 2048
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) und ihr während des Revisionsverfahrens verstorbener Ehemann wurden für das Streitjahr 1984 zur Einkommensteuer zusammen veranlagt. Der Ehemann der Klägerin war neben anderen Miterben Erbe nach seinem 1983 verstorbenen Onkel. Dieser hatte in seinem Testament sein Barvermögen und sein Grundvermögen sowie Inventar und Möbel auf die einzelnen Miterben u.a. wie folgt verteilt: Seine beiden Enkel sollten je 50000 DM aus seinem Barvermögen erhalten. Deren Mutter sollte durch eine bereits zu Lebzeiten des Erblassers geleistete Zahlung abgefunden sein. Der Ehemann der Klägerin sollte ein näher bezeichnetes Wohngrundstück erhalten. Der Erblasser erlegte dem Ehemann der Klägerin jedoch auf, an die beiden Enkel jeweils weitere 50000 DM zu zahlen. Dies sei möglich, weil der Grundbesitz schuldenfrei und eine Vermietung des Hauses möglich sei. Die Enkel sollten damit - so bestimmte der Erblasser ausdrücklich - insgesamt je 100000 DM erhalten. Der Ehemann der Klägerin wurde außerdem zum Testamentsvollstrecker bestimmt. Er nahm zur Erfüllung der ihm gegenüber den beiden Enkelkindern des Erblassers auferlegten Zahlungsverpflichtungen ein Darlehen über 100000 DM auf und erklärte in seiner Eigenschaft als Testamentsvollstrecker die Auflassung des Wohngrundstücks an sich selbst.
Diesen Betrag von 100000 DM sah der Ehemann der Klägerin für das Streitjahr als Anschaffungskosten des Grundstücks an. Für einen anteiligen Gebäudewert von 80000 DM begehrte er beim Beklagten und Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) erfolglos den Abzug von Absetzungen für Abnutzung (AfA) in Höhe von 2,5 v.H. = 2000 DM. Das FA gewährte lediglich die AfA des Rechtsvorgängers in Höhe von 373 DM.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage ab. Der Erbfall sei als gesetzlicher Vermögensübergang keine Anschaffung, sondern ein unentgeltlicher Vorgang. Die Zahlungsverpflichtungen des Ehemanns der Klägerin beruhten auf einem Vermächtnis. Dieses sei durch den Erbfall ausgelöst. Die Erfüllung des Vermächtnisses sei nicht dazu bestimmt, die wirtschaftliche Verfügungsmacht über das Grundstück zu erhalten.
Mit der Revision rügt die Klägerin die Verletzung von § 7 des Einkommensteuergesetzes (EStG) i.V.m. § 255 Abs. 1 des Handelsgesetzbuches (HGB). Ihr Ehemann habe den Betrag von 100000 DM als Wertausgleich an andere Miterben zahlen müssen, um über seinen Erbteil hinaus unbelastetes Eigentum an dem Grundstück zu erwerben. Sie begehrt nun nur noch AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG in Höhe von 2 v.H. von 80000 DM = 1600 DM.
Während des Revisionsverfahrens hat das FA einen hinsichtlich des Grundfreibetrages vorläufigen Änderungsbescheid erlassen, in dem es die gemäß § 54 EStG i.d.F. des Steueränderungsgesetzes (StÄndG) 1991 vom 24. Juni 1991 (BGBl I, 1322, BStBl I, 665) erhöhten Kinderfreibeträge für zwei Kinder berücksichtigt hat.
Entscheidungsgründe
I. Der Änderungsbescheid vom 24. Juli 1992 ist durch den Antrag der Klägerin gemäß §§ 68, 121, 123 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) Gegenstand des Revisionsverfahrens geworden. Das Vorbringen der Klägerin läßt erkennen, daß sie - ausgehend von dem genannten Änderungsbescheid - den Abzug weiterer AfA von 1600 DM begehrt. Dieses Begehren ist zulässig (Senatsurteil vom 27. Oktober 1992 IX R 66/91, BFHE 170, 214, 215, BStBl II 1993, 591 m.w.N.).
II. Die Revision ist begründet. Gemäß § 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO ist das angefochtene Urteil aufzuheben und in der Sache zu entscheiden. Die Vorentscheidung verstößt gegen § 7 Abs. 4 EStG.
Das FG hat den vom Ehemann der Klägerin an die Enkel des Erblassers gezahlten Betrag von 100000 DM zu Unrecht nicht als Anschaffungskosten des Grundstücks angesetzt.
Nach der Definition des § 255 Abs. 1 HGB, die auch für den Begriff der Anschaffungskosten i.S. von § 7 EStG maßgebend ist (Urteile des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Juli 1992 IX R 14/89, BFHE 169, 313, 316, BStBl II 1993, 484; vom 21. Juli 1992 IX R 72/90, BFHE 169, 317, 321, BStBl II 1993, 486; vom 15. Dezember 1992 IX R 323/87, BFHE 169, 386, 387, BStBl II 1993, 488), sind Anschaffungskosten die Aufwendungen, die geleistet werden, um einen Vermögensgegenstand zu erwerben und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, soweit sie dem Vermögensgegenstand einzeln zugeordnet werden können. Diese Voraussetzungen sind hinsichtlich des streitigen Betrages von 100000 DM erfüllt. Denn es handelt sich um Zahlungen, die der Ehemann der Klägerin im Rahmen der Erbauseinandersetzungen zum Zwecke des Wertausgleichs an andere Miterben leisten mußte, um das ihm zugedachte Grundstück aus dem Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft zu erwerben.
1. Nach der neueren Rechtsprechung des BFH ist die zivilrechtliche Unterscheidung zwischen Erbfall und Erbauseinandersetzung auch einkommensteuerrechtlich maßgebend. Aus dem Nachlaß sind zunächst die Nachlaßverbindlichkeiten, u.a. Vermächtnisse, zu erfüllen (§ 2046 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -). Wird das Gesamthandsvermögen der Erbengemeinschaft sodann bei der Auseinandersetzung entsprechend den Erbanteilen real geteilt, erwirbt der einzelne Miterbe unentgeltlich i.S. von § 11d Abs. 1 Satz 1 der Einkommensteuer-Durchführungsverordnung (EStDV). Soweit ein Miterbe in der Erbauseinandersetzung aber mehr an Vermögen erlangt als der Wert seines Erbanteils ausmacht und dafür an andere Miterben Abfindungszahlungen leisten muß, bilden diese für ihn Anschaffungskosten (Entscheidung des Großen Senats vom 5. Juli 1990 GrS 2/89, BFHE 161, 332, 346f., BStBl II 1990, 837; BFH-Urteile vom 28. November 1991 XI R 2/87, BFHE 166, 263, 264, BStBl II 1992, 381; vom 29. April 1992 XI R 3/85, BFHE 167, 529, 531, BStBl II 1992, 727). Diese Grundsätze gelten auch dann, wenn die Abfindungszahlungen in einer Teilungsanordnung des Erblassers nach § 2048 BGB vorgeschrieben sind (L.Schmidt, Einkommensteuergesetz, § 16 Anm. 124a, m.w.N.). Die Teilungsanordnung tritt insoweit an die Stelle der ansonsten erforderlichen Auseinandersetzungsvereinbarung unter den Miterben (vgl. dazu Großer Senat in BFHE 161, 332, 346, BStBl II 1990, 837; BFH in BFHE 166, 263, 264, BStBl II 1992, 381).
Demgegenüber führt die Erfüllung eines Vermächtnisses grundsätzlich nicht zu Anschaffungskosten (Großer Senat in BFHE 161, 332, 346, BStBl II 1990, 837; BFH-Urteile vom 17. Oktober 1991 IV R 97/89, BFHE 166, 149, 156f., BStBl II 1992, 392; vom 28. April 1992 IX R 178/88, BFH/NV 1992, 658, 659).
2. Das FG ist zunächst zutreffend von diesen Rechtsgrundsätzen ausgegangen. Es hat aber den vom Ehemann der Klägerin an die Enkel des Erblassers gezahlten Betrag von 100000 DM zu Unrecht nicht als durch die Teilungsanordnung vorgeschriebenen Wertausgleich zugunsten der Miterben, sondern als Vermächtnis beurteilt.
a) Die Würdigung des FG, es handele sich um ein Vermächtnis, weil den Enkelkindern keine Verfügungsrechte und keine Anteile an dem Grundstück zustehen sollten, ist schon deshalb nicht zutreffend, weil Miterben ohnehin keine Verfügungsrechte an einzelnen Nachlaßgegenständen haben, sondern bis zur Auseinandersetzung Gesamthandseigentümer aller Gegenstände des gesamten Nachlasses sind (§ 2032 Abs. 1 BGB). Daß die Klägerin die Einordnung der Zahlungsverpflichtung ihres Mannes als Vermächtnis nicht ausdrücklich angegriffen hat, ist für die Auslegung des Testaments nicht maßgebend.
b) Die Unterscheidung zwischen Teilungsanordnung und Vermächtnis zugunsten eines Miterben hängt davon ab, ob der Erblasser dem begünstigten Miterben über seinen Erbteil hinaus etwas zuwenden will (dann Vermächtnis) oder ob die Regelung sich in der Verteilung der Nachlaßgegenstände im Rahmen der Erbteile erschöpft, mit Wertausgleich, soweit zugewandte Nachlaßgegenstände ihrem Wert nach den Erbteil der jeweiligen Miterben übersteigen (zur Abgrenzung vgl. Palandt/Edenhofer, Bürgerliches Gesetzbuch, 53. Aufl. 1994, § 2048 Rn.5f. m.w.N.; Schreiben des Bundesministers der Finanzen - BMF - vom 11. Januar 1993 IV B 2-S 2242-86/92, BStBl I 1993, 62, 76 in Tz. 77).
c) Gegen die Annahme eines Vermächtnisses und für eine Teilungsanordnung mit Wertausgleich spricht im Streitfall nicht nur, daß alle bedachten Personen als Erben bezeichnet sind, sondern vor allem, daß der Erblasser, statt Erbquoten festzusetzen, den gesamten Nachlaß gegenständlich auf verschiedene Miterben verteilt und dabei die Mutter der Enkel als Erbin ausdrücklich ausgeschlossen hat. Auch die Bestimmung, daß die Enkel insgesamt je 100000 DM erhalten sollten, läßt auf einen Erbteil in dieser Höhe schließen. Dagegen bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Erblasser - wie das FG angenommen hat - seine beiden Enkel über einen Erbteil von je 50000 DM hinaus zusätzlich durch ein Vermächtnis hat begünstigen wollen. Dementsprechend sollte der Ehemann der Klägerin einen Erbteil in Höhe des Grundstückswerts abzüglich 100000 DM bekommen. Dieser Betrag war nicht - wie im Falle eines Vermächtnisses - vorab aus dem Nachlaß zu entnehmen, sondern, wie der Hinweis auf die Schuldenfreiheit und Vermietbarkeit des Grundstücks zeigt, vom Ehemann der Klägerin selbst aufzubringen. Die Zahlung des Wertausgleichs aufgrund der testamentarischen Teilungsanordnung stellt, da der Begriff der Anschaffungskosten nach wirtschaftlichen Maßstäben zu bestimmen ist (vgl. BFH-Urteil vom 14. November 1989 IX R 197/84, BFHE 158, 546, 558, BStBl II 1990, 299), ebenso Anschaffungskosten dar wie ein Spitzenausgleich aufgrund einer Vereinbarung der Erben im Rahmen einer Erbauseinandersetzung.
3. Da das FG seiner Entscheidung eine andere Rechtsauffassung zugrunde gelegt hat, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. Die Sache ist spruchreif.
a) Der Ehemann der Klägerin hat das Grundstück anteilig in Höhe von 100000 DM entgeltlich und im übrigen unentgeltlich erworben (vgl. Senatsurteil vom 9. Juli 1985 IX R 49/83, BFHE 144, 366, BStBl II 1985, 722). Für die anteilig auf das Gebäude entfallenden Anschaffungskosten, die unstreitig 80000 DM betragen, stehen der Klägerin somit AfA nach § 7 Abs. 4 Nr. 1 EStG in Höhe von 2 v.H. von 80000 DM = 1600 DM zu. Die vom FA nach § 11d EStDV gewährte AfA des Rechtsvorgängers (373 DM) ist dementsprechend anteilig zu kürzen, soweit der Erwerb entgeltlich war. Nach den Feststellungen des FG hat die Bewertungsstelle des Lagefinanzamts den Bodenwertanteil im Zeitpunkt des Erbfalls auf 51000 DM geschätzt. Diese Schätzung haben die Beteiligten nicht in Zweifel gezogen. Unter Berücksichtigung des ebenfalls unstreitigen Prozentsatzes für den Bodenanteil von 20 v.H. ergibt sich der Wert des gesamten Grundstücks in Höhe von 255000 DM. Der entgeltlich erworbene Anteil (100000 DM) beträgt 39 v.H. dieses Grundstückswerts. Dementsprechend ist die gemäß § 11d EStDV gewährte AfA um 39 v.H. = 145 DM zu kürzen.
b) Für die Festsetzung der Einkommensteuer hat der Senat von dem Änderungsbescheid vom 24. Juli 1992 auszugehen, mit dem das FA die Steuer bereits aufgrund der rückwirkenden Anhebung der Kinderfreibeträge herabgesetzt hatte. Die weitere Herabsetzung der Steuer durch den Senat hält sich im Rahmen des Antrags der Klägerin, weil dieser sich nach §§ 68, 121, 123 Satz 2 FGO gegen den Änderungsbescheid richtet (Senatsurteil in BFHE 170, 214, 215f., BStBl II 1993, 591 m.w.N.). Danach ergibt sich folgende Steuerberechnung...
Fundstellen
Haufe-Index 65176 |
BFH/NV 1994, 847 |