Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein unverheirateter Arbeitnehmer, der nach einer beruflichen Versetzung an seinem neuen Beschäftigungsort möbliert wohnt und die von ihm vor der Versetzung allein bewohnte eigenmöblierte Wohnung beibehält, ohne sie zu benutzen, führt keinen doppelten Haushalt. Als Werbungskosten kommen in diesem Fall etwaige Mehraufwendungen in Betracht, die ihm durch die Beibehaltung der Wohnung erwachsen (insbesondere Miete), soweit ihm diese nicht ersetzt werden und ein Umzug an den neuen Dienstort noch nicht möglich ist.
Normenkette
EStG § 9/1; LStDV § 20/2
Tatbestand
Der im Jahre 1933 geborene unverheiratete Bf. war Steuerassistent bei dem Finanzamt X. Er wurde zum 1. September 1958 an das Finanzamt Y. versetzt. Im Zeitpunkt der Versetzung hatte er in X. in zwei Zimmern mit Kochgelegenheit einen eigenen Hausstand. Da er in Y. keine geeigneten Räume finden konnte, behielt er in X. seine bisherige Wohnung bei und mietete an seinem neuen Dienstort zunächst nur ein möbliertes Zimmer. Von seiner vorgesetzten Behörde erhielt er im Streitjahr bis Oktober einschließlich die Miete seiner Wohnung in X. in Höhe von 27,50 DM monatlich ersetzt. Im Juli 1959 machte er Aufwendungen für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 1.520,40 DM bei der Lohnsteuer des Jahres 1959 als Werbungskosten geltend. Das Finanzamt lehnte die Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags ab. Einspruch und Berufung hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht führte aus: Nach Abschn. 22 Abs. 4 Ziff. 2 Satz 2 LStR 1959 sei ein Wohnungswechsel nicht zumutbar, wenn in der üblichen Entfernung vom Beschäftigungsort eine geeignete Wohnung nicht zur Verfügung stehe. Wenn der Bf. nach seinen Angaben in Y. bisher noch keine Wohnung habe bekommen können, so sei ihm doch zuzumuten gewesen, in den Raum der benachbarten Großstadt Z. zu ziehen. Dort hätte er nach der von einem Wohnungsbüro erteilten Auskunft innerhalb eines Vierteljahres eine leere Zweizimmer- oder Einzimmerwohnung bei Zahlung eines Baukostenzuschusses erhalten können. Unter diesen Umständen sei anzunehmen, daß der Bf. seinen Wohnsitz in X. jedenfalls ab 1. Januar 1959 nicht aus zwingenden Gründen beibehalten habe. Nach dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 135/56 U vom 23. August 1957 (BStBl 1957 III S. 361, Slg. Bd. 65 S. 339) könnten Arbeitnehmern, die aus nicht zwingenden Gründen einen doppelten Haushalt führten, die dadurch entstandenen Mehrkosten bis zu dem Betrag als Werbungskosten berücksichtigt werden, der bei täglicher Heimfahrt mit den üblichen Verkehrsmitteln bis zu einer Entfernung von 40 km entstehen würde. Eine Monatskarte für diese Entfernung koste 57 DM. In dem Urteil des Bundesfinanzhofs VI 349/57 U vom 7. November 1958 (BStBl 1959 III S. 9, Slg. Bd. 68 S. 22) sei zwar der Grundsatz aufgestellt worden, daß für die Zurechnung von Aufwendungen, die durch die Berufsausübung entstehen, zu den Werbungskosten dann kein Raum sei, wenn eine gesetzliche oder verwaltungsmäßige Regelung über den Ersatz der einem Beamten im unmittelbaren dienstlichen Interesse erwachsenden Aufwendungen vorhanden sei. Bei einem privaten Arbeitnehmer seien nach Abschn. 26 Abs. 1 Satz 4 LStR 1959 die vom Arbeitgeber nicht ersetzten Mehraufwendungen der doppelten Haushaltsführung als Werbungskosten berücksichtigungsfähig. Es sei nicht einzusehen, warum jemand, der im öffentlichen Dienst stehe, anders behandelt werden solle. Die wegen doppelter Haushaltsführung grundsätzlich berücksichtigungsfähigen Mehraufwendungen seien demnach mit (12 x 57 =) 684 DM anzunehmen. Als Werbungskosten kämen sie allerdings nur in Betracht, soweit sie den von der Behörde ersetzten Mehraufwand mit 275 DM überstiegen. Die danach verbleibenden 409 DM seien aber nach Hinzurechnung der unstreitigen anderen Werbungskosten von 52 DM niedriger als der bei der Anwendung der Lohnsteuertabelle bereits berücksichtigte Pauschbetrag von 564 DM. Dem Bf. könne daher ein Lohnsteuerfreibetrag nicht gewährt werden.
Der Bf. wendet sich mit der Rb. dagegen, daß das Finanzgericht die Möglichkeit des Umzugs in eine geeignete Wohnung im Raum von Z. auf Grund einer allgemein gehaltenen Auskunft eines privaten Wohnungsvermittlers bejaht habe. Ob eine Wohnung "geeignet" sei, könne ausschließlich nach den persönlichen Verhältnissen des Wohnungssuchenden, insbesondere seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit bestimmt werden. Er habe in Z. bei verschiedenen Wohnungsmaklern vorgesprochen. Bei sämtlichen Angeboten sei die Zahlung eines Baukostenzuschusses zwischen 1.500 DM und 3.000 DM verlangt worden. Die Miete hätte auch nach Verrechnung mit dem Zuschußbetrag in keinem Fall unter 90 DM gelegen. Zusammen mit den erforderlichen Straßenbahn- und Eisenbahnkosten hätte sich für ihn eine monatliche Belastung von 140 DM bis 180 DM ergeben. Dadurch wäre etwa die Hälfte seines Monatsgehalts aufgezehrt worden. Da er den verlangten Baukostenzuschuß nur durch einen Kredit hätte beschaffen können, wäre die finanzielle Belastung durch die Tilgung und Verzinsung des Kredits noch größer geworden. Ein Wohnungstausch sei nicht möglich, weil die Wohnung in X. von einem Bekannten mitbewohnt werde.
Entscheidungsgründe
Die Rb. ist nicht begründet.
Der Antrag des Bf. auf Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags setzt voraus, daß ihm durch die Beibehaltung seiner Wohnung in X. Mehraufwendungen erwachsen sind, die nicht auf Gründen der privaten Lebenshaltung beruhen. Der Hinweis des Bf. auf die in Abschn. 26 LStR 1959 getroffene Regelung bei doppelter Haushaltsführung ist nicht ausreichend, um den Antrag auf Zubilligung eines Freibetrags wegen erhöhter Werbungskosten zu begründen. Ohne daß zu der rechtlichen Tragweite dieser Verwaltungsregelung Stellung genommen zu werden braucht, ist festzustellen, daß eine doppelte Haushaltsführung des Bf. überhaupt nicht vorliegt. Eine solche ist regelmäßig anzunehmen, wenn ein verheirateter Arbeitnehmer, der mit seiner Familie eine gemeinsame Wohnung hat, bei einer beruflichen Versetzung bis zur Erlangung einer geeigneten Familienwohnung seine Familie zunächst in der bisherigen Familienwohnung zurückläßt und selbst am neuen Beschäftigungsort im Hotel oder in einem möblierten Zimmer wohnt. Sie kann auch vorliegen bei einem Unverheirateten, wenn er mit Angehörigen vor der Versetzung einen gemeinsamen Hausstand gehabt hat, der bis zur übersiedlung an den neuen Beschäftigungsort von den Angehörigen aufrechterhalten wird. Das gleiche kann anzunehmen sein, wenn der unverheiratete Arbeitnehmer eine im Haushalt lebende Haushälterin hat, die nach seiner Versetzung die bisherige Wohnung ebenso wie bereits vorher betreut, während er selbst an seinem neuen Dienstort zunächst möbliert wohnt. Hat ein unverheirateter Arbeitnehmer jedoch vor seiner Versetzung an einen anderen Dienstort für sich allein einen eigenen Haushalt unterhalten, so kann von einer doppelten Haushaltsführung nicht gesprochen werden, wenn er selbst an dem neuen Dienstort im Hotel oder in einem möblierten Zimmer lebt und seine bisherigen Wohnräume an dem früheren Beschäftigungsort lediglich der Aufbewahrung seiner Möbel und seines sonstigen dort verbliebenen Eigentums dienen. Da eine doppelte Haushaltsführung begrifflich voraussetzt, daß an zwei verschiedenen Orten die einem Steuerpflichtigen zur Verfügung stehenden Räume tatsächlich benutzt werden, kann bei einem Sachverhalt wie dem vorliegenden eine doppelte Haushaltsführung steuerlich nicht anerkannt werden.
Mehraufwendungen, die dem Steuerpflichtigen durch die Beibehaltung seiner Wohnung in diesen Fällen entstehen, können jedoch trotzdem Werbungskosten sein. Mehraufwendungen für Verpflegung, die der Bf. in seinem Vortrag in der mündlichen Verhandlung in den Vordergrund gestellt hat, scheiden hierbei allerdings aus; denn die Aufwendungen für die Ernährung sind grundsätzlich nach § 12 Ziff. 1 EStG bei der Einkommensteuer (Lohnsteuer) nichtberücksichtigungsfähige Kosten der privaten Lebensführung. Der durch eine berufliche Versetzung anfallende Mehraufwand kann ausnahmsweise bei Führung eines doppelten Haushalts zu den Werbungskosten gehören. Da ein solcher bei dem Bf. nicht vorliegt, kann bei der Besteuerung nicht berücksichtigt werden, daß der Bf. an seinem Dienstort mehr für seine Verpflegung aufwenden muß als an dem früheren, wo er sein Essen nach seiner Angabe im wesentlichen selbst zubereitet hat. In Betracht kommt vielmehr vor allem die Wohnungsmiete, solange eine Wohnung am neuen Dienstort nicht beschafft werden kann und ein Umzug deshalb nicht möglich ist. Ebenso können die Kosten für gelegentlich notwendig werdende Fahrten zu dem früheren Wohnort als Werbungskosten anzusehen sein, insbesondere wenn sie erforderlich sind zur Regelung der mit der Wohnung zusammenhängenden Angelegenheiten. Selbst wenn man - was bei den gegenwärtigen Wohnverhältnissen geboten ist - bei der Abgrenzung der hiernach berücksichtigungsfähigen Mehrkosten nicht kleinlich verfährt, kann dem Antrag des Bf. auf Gewährung eines Lohnsteuerfreibetrags nicht stattgegeben werden. Der Arbeitgeber des Bf. hat diesem im Streitjahr für die Monate Januar bis Oktober die Miete ersetzt. Insoweit sind dem Bf. daher keine Mehraufwendungen erwachsen. Selbst wenn man die nicht ersetzten Mietaufwendungen der Monate November und Dezember 1959 mit insgesamt 55 DM, sowie die Kosten für gelegentliche Fahrten nach X. zur Erledigung dringender Wohnungsangelegenheiten als Werbungskosten ansieht, sind diese Beträge keinesfalls so hoch, daß sie zusammen mit den unstreitigen anderen Werbungskosten (52 DM) den bei der Jahreslohnsteuertabelle bereits berücksichtigten Pauschbetrag von 564 DM übersteigen und nach § 20 Abs. 1 LStDV zur Zubilligung eines Lohnsteuerfreibetrags führen können.
Das vom Finanzgericht angeführte Urteil des Senats VI 135/56 U, das zuläßt, daß unter Umständen die Kosten einer Monatskarte der Bundesbahn für eine Entfernung von 40 km als Werbungskosten berücksichtigt werden können, auch wenn der Arbeitnehmer nicht täglich zu seiner Wohnung zurückkehrt, läßt eine andere Beurteilung nicht zu. Es besteht keine Veranlassung, zu den Ausführungen des Finanzgerichts im einzelnen Stellung zu nehmen. Aus dem Rechtssatz dieses Urteils geht eindeutig hervor, daß es nur Bedeutung hat für die Fälle, in denen ein Steuerpflichtiger tatsächlich einen doppelten Haushalt führt. Da dies nach den obigen Ausführungen im Streitfall nicht anzunehmen ist, können schon aus diesem Grunde aus dem Urteil keine für den Bf. günstigen Folgerungen gezogen werden.
Da die Vorentscheidung im Ergebnis nicht zu beanstanden ist, kann die gegen sie gerichtete Rb. keinen Erfolg haben.
Fundstellen
Haufe-Index 409985 |
BStBl III 1961, 169 |
BFHE 1961, 461 |
BFHE 72, 461 |