Entscheidungsstichwort (Thema)
Ermäßigter USt-Satz für ein Annoncenblatt?
Leitsatz (NV)
1. Hängt die Anwendung des ermäßigten USt-Satzes für eine periodische Druckschrift von einer Einreihung derselben in den Zolltarif ab (so die Rechtslage vor dem 1.1. 1988) und nimmt das FG in seinem Urteil eine solche Zuweisung vor, liegt eine die zulassungsfreie Revision nach § 116 Abs. 2 FGO eröffnende Zolltarifsache vor.
2. Die Frage, ob ein Druck nach seiner Beschaffenheit und erkennbaren Zweckbestimmung überwiegend Werbezwecken dient, ist zolltariflich losgelöst von der Person des Werbungtreibenden allein nach dem Inhalt der Druckschrift zu beurteilen. Unter Anlegung des hiernach weitgespannten Werbungsbegriffs werden Werbezwecke sowohl mit der Geschäftswerbung als auch mit privaten Kleinanzeigen, die Verkaufs- oder ähnliche Angebote enthalten, verfolgt, nicht aber mit Suchanzeigen.
Normenkette
FGO § 116 Abs. 2; UStG 1980 Nr. 43b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1; GZT T Nr. 49.02; GZT T Nr. 49.11
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) gibt dieZeitschrift XY heraus. Diese besteht nahezu ausschließlich aus Anzeigen für den An- und Verkauf von Waren, Stellenanzeigen u.ä., die ihrer Art nach in Rubriken gegliedert sind. Die Auftraggeber sind Gewerbetreibende, die hierfür ein Entgelt bezahlen müssen, und Privatpersonen, deren Anzeigen kostenlos aufgenommen werden. Es überwiegen Anzeigen, die auf Zahlung eines Entgelts ausgerichtet sind. Die privaten Kleinanzeigen überwiegen die gewerblich/geschäftlichen Anzeigen. In geringem Umfang enthält die Zeitschrift verstreut unter den Anzeigen auch andere Informationen, z.B. über Gesundheit, Urlaub, Auto, Interviews, Verbrauchermitteilungen und Fernsehprogramme. Die Zeitschrift kostet etwa ... DM.
Entgegen den Anmeldungen der Klägerin setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) in den Umsatzsteuerbescheiden für die Jahre 1986 bis 1989 einen Umsatzsteuersatz von 14% an. Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg.
Das Finanzgericht (FG) sah die Zeitschrift als Annoncenblatt, das überwiegend Werbezwecken dient, der Zolltarif (ZT)-Nr. 49.11 an und schloß damit die Anwendung des ermäßigten Umsatzsteuer-Satzes nach Nr. 43b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1980 (periodische Druckschriften aus Nr. 49.02 des ZT) aus. Die wenigen Beiträge in der Zeitschrift, die nicht Inserate seien, gäben der Zeitschrift nicht das Gepräge, sondern lediglich eine gewisse Auflockerung. Auch wegen ihres geringen Umfangs sei es nahezu ausgeschlsosen, daß sie für den Käufer ein Motiv für den Kauf der Zeitschrift bildeten. Hingegen sei die gewerbliche Werbung erheblich stärker vertreten (Anzeigen von Gewerbetreibenden sowie Anzeigen mit gewerblichem Charakter). Immer wieder würden auch die privaten Anzeigen durch solche offensichtlich gewerbliche Anzeigen unterbrochen. Auch dürften sich unter den Anzeigen mit äußerlich privatem Charakter teilweise noch Werbeanzeigen befinden, was aus den gleichen Kontakt-Telefon-Nrn. zu schließen sei.
Auf die Revision der Klägerin hat der V.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) das Verfahren hinsichtlich der Umsatzsteuer ... abgetrennt und an den erkennenden Senat verwiesen; im übrigen hat er die Revision, da sie nicht zugelassen war, als unzulässig verworfen.
Zu entscheiden ist mithin noch über die Revision, soweit sie die Umsatzsteuer ... betrifft. Die Klägerin bringt hierzu im wesentlichen vor: Das FG habe den Begriff Werbung bzw. zu Werbezwecken unzulässig ausgedehnt, indem es mit der bisherigen Rechtsprechung auch private Kleinanzeigen darunter erfaßt habe. Das sei jedoch weder mit dem allgemeinen Sprachgebrauch noch mit der wissenschaftlichen bzw. gesetzessystematischen Terminologie zu vereinbaren. Insbesondere könne der Suchanzeigen-Teil der Zeitschrift schon begrifflich nicht der Werbung zugeordnet werden. Werbung fände ausschließlich im geschäftlichen Bereich statt; dabei sollten Kunden durch die Werbemaßnahmen im Sinne des Werbenden zum Erwerb von Gegenständen oder zur Inanspruchnahme von sonstigen Leistungen beeinflußt werden. Dieser Werbungsbegriff läge auch § 8 Abs. 1 Nr. 11 S. 1 UStG 1973 sowie § 6 der Postzeitungsordnung zugrunde. Im Gegensatz zur bisherigen Rechtsprechung des BFH lasse sich aus der Gegenüberstellung der beiden Alternativen in der Vorschrift 4 zu Kap. 49 ZT nicht ableiten, daß auch die private Werbung Werbung im Sinne des Zolltarifs sei.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist gemäß § 116 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung (FGO) zulassungsfrei eröffnet.
Das FG hat über eine zolltarifliche Frage entschieden, weil es den im Streitfall für die Jahre ... zutreffenden Umsatzsteuersatz erst aufgrund einer Einordnung der betreffenden Ware in das Zolltarifschema ermitteln konnte. Die für diese Jahre noch maßgebliche Fassung der Nr. 43b der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 macht nämlich die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für periodische Druckschriften davon abhängig, daß sie unter die ZT-Nr. 49.02 eingereiht werden können (Zeitungen und andere periodische Druckschriften ... aus Nr. 49.02 des Zolltarifs). Dies hat das FG verneint und das Annoncenblatt unter Berücksichtigung der (Abgrenzungs-)Vorschrift 4 zu Kap. 49 der ZT-Nr. 49.11 zugewiesen. Folglich handelt es sich bei der Streitigkeit um eine Zolltarifsache i.S. des § 116 Abs. 2 FGO, zu deren Entscheidung nach dem Geschäftsverteilungsplan der erkennende Senat berufen ist.
2. Die Revision ist auch begründet. Sie führt zur Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 FGO). Der Senat entnimmt dem Urteil der Vorinstanz, daß es auch sog. Suchanzeigen von Privaten als zu Werbezwecken dienend angesehen hat. Damit wird aber der Begriff Werbezweck unzulässig weit ausgelegt. Der Senat kann indessen nicht abschließend entscheiden, weil sich aufgrund der bisherigen Feststellungen nicht beurteilen läßt, ob die von der Klägerin herausgegebene Druckschrift überwiegend Werbezwecken dient.
a) Soweit die Revision Privatanzeigen schlechthin aus dem hier maßgeblichen Werbebegriff ausschließen will, kann sie nicht durchdringen. Wie der Senat bereits wiederholt entschieden hat (vgl. die Urteile vom 20. Februar 1990 VII R 172/84, BFHE 160, 342, BStBl II 1990, 760, und vom 26. Februar 1991 VII R 127/89, BFH/ NV 1991, 779), richtet sich die Auslegung der Anlage zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 UStG 1980 allein nach zolltariflichen Vorschriften und Begriffen, soweit die Verweisung auf den Zolltarif reicht. Die hier einschlägige Nr. 43 Buchst. b dieser Anlage verweist auf den Zolltarif (aus Nr. 49.02 des Zolltarifs) und damit auch auf die (Abgrenzungs-) Vorschrift 4 zu Kap. 49 des Gemeinsamen Zolltarifs - GZT - (Senat, Urteile vom 20. Februar 1990 VII R 121/86, BFHE 160, 79, 81, BStBl II 1990, 761, und BFH/NV 1991, 779). In diesen Urteilen hat der Senat erkannt, daß auch die nichtgeschäftliche private Werbung von der zweiten Alternative der Vorschrift 4 zu Kap. 49 GZT (Drucke, die überwiegend Werbezwecken dienen) erfaßt wird und damit als der Tarifst.49.11 B zugehörig nicht steuerbegünstigt ist.
Das Vorbringen der Revision gibt keinen Anlaß, von dieser Auffassung abzuweichen. Nicht maßgeblich ist zunächst, wie der Begriff Werbung außerhalb des Zolltarifs, etwa im UStG 1973 oder in der Postzeitungsordnung, ggf. verstanden wird. Aber auch soweit sich die Revision gegen die vom Senat für richtig erachtete Auslegung der zweiten Alternative der Vorschrift 4 zu Kap. 49 GZT, insbesondere deren Abgrenzung zur ersten Alternative, wendet, kann sie nicht überzeugen. Bereits nach dem Wortlaut der Vorschrift kommt es in der zweiten Alternative - im Gegensatz zur ersten - auf die Person des Werbungtreibenden (im Sinne eines Wirtschaftsunternehmens) nicht an; entscheidend ist vielmehr, daß ein Druck nach seiner Beschaffenheit und seiner erkennbaren Zweckbestimmung überwiegend Werbezwecken dient (vgl. BFH-Urteil vom 28. September 1988 X R 49/81, BFHE 155, 200, 203, BStBl II 1989, 208). Das ist losgelöst von der Person des oder der Werbungtreibenden allein nach dem Inhalt der Druckschrift zu beurteilen.
Nach den für die Auslegung des Zolltarifs nach ständiger Rechtsprechung als wichtiges Erkenntnismittel heranzuziehenden Erläuterungen (ErlZT) gehören Anzeigen dem Bereich der Werbung an (vgl. ErlZT zu Tarifnr.49.02 Teil I Rz. 3 und 6). Dabei wird nicht nach der Art der Anzeige - geschäftlich oder privat - differenziert. Auch wenn es sich nur oder überwiegend um private Kleinanzeigen handelt, ist die betreffende Druckschrift, sofern hauptsächlich zu diesem Zweck herausgegeben, der TNr. 49.11 zuzuordnen (BFHE 160, 79, 82; BFH/NV 1991, 779, 780). Gestützt auf diese Erläuterungen hielt es der Senat für geboten, für die Bestimmung des Begriffs Werbung im Sinne der Vorschrift 4 zu Kap. 49 GZT den weitgespannten Werbungsbegriff zugrunde zu legen, den die Rechtsprechung des BFH entwickelt hat (BFHE 155, 200). Daran ist festzuhalten. Verfassungsrechtliche Bedenken gegen die Besteuerung von Drucken in solchen Fällen mit dem vollen Umsatzsteuersatz bestehen nicht (BFH/NV 1991, 779, 780 m.w.N.).
b) Allerdings - und insoweit hat die Revision Erfolg - werden Suchanzeigen nicht von dem hier maßgeblichen Begriff der Werbung erfaßt. Werbung zielt auch nach dem weitgespannten Werbungsbegriff darauf ab, den Werbeadressaten zur Inanspruchnahme von entgeltlichen Waren oder Dienstleistungen zu veranlassen (BFH/NV 1991, 779, 780 m.w.N.). Das ist bei Verkaufsanzeigen der Fall, nicht aber bei der Nachfrage nach Gütern oder Dienstleistungen. Deshalb hat der Senat auch entschieden, daß mit Suchanzeigen keine Werbezwecke verfolgt werden (BFH/NV a.a.O.). Sie dürfen bei der Beurteilung, ob ein Druck überwiegend Werbezwecken dient, nicht als Werbung berücksichtigt werden.
Das FG hat zwar festgestellt, daß die Zeitschrift u.a. auch Anzeigen für den Ankauf von Waren, also Suchanzeigen, enthält. Es hat aber bei der Beurteilung, ob Werbezwecke überwiegen, ersichtlich alle Inserate von Privatpersonen dem Bereich der Werbung zugeordnet, ohne zu unterscheiden, ob es sich dabei um Verkaufsangebote oder Kaufgesuche (Suchanzeigen) handelt. Da nicht auszuschließen ist, daß das FG bei Aussonderung der Suchanzeigen zu einer anderen Beurteilung des Überwiegens von Werbezwecken gekommen wäre, war das Urteil der Vorinstanz aufzuheben.
3. Die Sache ist nicht spruchreif, da Feststellungen des FG zum Umfang der Suchanzeigen und zu ihrem Verhältnis gegenüber den Verkaufsanzeigen fehlen und dem Senat eigene Feststellungen hierzu verwehrt sind. Das FG wird im zweiten Rechtsgang die entsprechenden Feststellungen nachzuholen haben. Dabei ist von folgendem auszugehen: Ob Werbezwecke überwiegen, ist nach der Beschaffenheit und der erkennbaren Zweckbestimmung der Druckschrift zu beurteilen (BFHE 155, 200, 203 m.w.N.). Werbezwecke werden mit der Geschäftswerbung (einschließlich etwaiger Eigenwerbung) sowie mit privaten Kleinanzeigen, die Verkaufs- oder ähnliche Angebote enthalten, verfolgt, nicht aber mit Suchanzeigen. Das Raumverhältnis zwischen werbendem und anderem Text ist nicht unmittelbar maßgebend. Ergibt sich etwa aus der Aufmachung, dem Inhalt oder auch dem Herausgabezweck der Druckschrift, daß die Werbung im Vordergrund steht, so würde selbst ein nennenswerter Anteil von Suchanzeigen den Werbecharakter nicht entfallen lassen. Bei Zweifeln kann indessen auch das Raumverhältnis bei der Beurteilung von Beschaffenheit oder Zweck der Schrift herangezogen werden.
Fundstellen