Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat hält daran fest, daß bei der Berechnung der Voraussetzungen für einen Erlaß der Vermögensabgabe wegen außerordentlichen Vermögensverfalls das sogenannte Restvermögen in keinem irgendwie gearteten Zusammenhang zum sogenannten Ausgangsvermögen zu stehen braucht.
2. Die Einkommensverhältnisse sind bei Prüfung der Voraussetzungen für einen Erlaß wegen Vermögensverfalls in aller Regel nicht zu berücksichtigen.
Normenkette
LAG §§ 16, 20 ff., § 203 Abs. 5; BGB §§ 279, 281 Abs. 1, § 818; AO § 131; AO a.F. § 307; AO § 309; FGO §§ 57, 61, 63, 115 Abs. 1, § 122 Abs. 1, § 184 Abs. 2 Nr. 2
Tatbestand
I. Sachverhalt
In dem gesamten der VA unterliegenden Vermögen des Abgabepflichtigen (Revisionsklägers zu 1) befand sich unter anderem ein Gesellschafteranteil an der Firma X. Die VA-Veranlagung wurde unanfechtbar. Ende 1956 sah sich der Abgabepflichtige genötigt, aus der Firma X auszuscheiden, weil er den finanziellen Verpflichtungen, die sich aus dem Gesellschafterbeschluß zur Sanierung der durch die Nachkriegsverhältnisse notleidend gewordenen Firma ergaben, nicht nachkommen konnte. Im Jahr 1959 beantragte der Abgabepflichtige Erlaß der VA. Das FA sprach daraufhin einen Erlaß der VA wegen Vermögensverfalls für den Erlaßzeitraum vom 1. Januar 1955 bis 31. Dezember 1957 aus. Dem Antrag auf Erlaß der VA-Raten des Erlaßzeitraums 1958 bis 1960 gab das FA dagegen nicht statt, weil die Zahlung der VA-Raten dem Abgabepflichtigen aufgrund seiner Einkommensverhältnisse zumutbar sei. Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
Die OFD vertrat die Ansicht, daß ein Erlaß von VA-Raten trotz Vorliegens eines außerordentlichen Verfalls im Streitfall nicht gerechtfertigt sei. Aus Tz. 3 der Verwaltungsanordnung des BdF vom 19. Juli 1954 – VAO – (BStBl I 1954, 380), wo der Begriff „Gesamtverhältnisse des einzelnen Falls” verwendet worden sei, werde deutlich, daß unter dem Blickwinkel des § 131 AO eine Würdigung der individuellen wirtschaftlichen Verhältnisse des einzelnen Falles vorgenommen werden solle. Der noch ledige Abgabepflichtige habe in den Jahren 1958 bis 1961 für den reinen Lebensunterhalt folgende Mittel zur Verfügung gehabt (nach Abzug von Steuern und Versicherungen):
1958 ca. 15 000 DM |
1960 ca. 19 000 DM |
1959 ca. 22 000 DM |
1961 ca. 22 000 DM |
Die jährliche Abgabeleistung betrage demgegenüber nur ca. 1 400 DM. Es sei dem Abgabepflichtigen deshalb auch im Hinblick auf den unter § 54 LAG fallenden Personenkreis durchaus zuzumuten, die VA aus seinen Einkünften zu entrichten. Außerdem hätte der Abgabepflichtige den Vermögensverfall mit Hilfe seiner nicht unwesentlichen Einkünfte durch Schaffung neuer Vermögenswerte beseitigen können. Insoweit sei auch bei Vorliegen eines Vermögensverfalls das Einkommen zu berücksichtigen, was den allgemeinen Billigkeitsgrundsätzen des § 131 AO entspreche. Unzutreffend sei die Auffassung des Abgabepflichtigen, das Stichtagsrestvermögen müsse in einem ursächlichen Zusammenhang stehen. Beim Restvermögen sei nicht entscheidend, ob es schon am 21. Juni 1948 vorhanden gewesen oder nach diesem Stichtag – gleichviel aus welchen Quellen – neu gebildet worden sei.
II. Entscheidung des Finanzgerichts (FG)
Die Berufung führte zur Aufhebung der Beschwerdeentscheidung und des den Erlaß ablehnenden Bescheids des FA. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens legte das FG voll der Staatskasse auf; von den Kosten des finanzgerichtlichen Verfahrens hatte die Staatskasse 63 v. H., der Abgabepflichtige 37 v. H. zu tragen.
Das FG führte aus: Die volle Einziehung der Vierteljahrsbeträge sei im Streitfalle eine unbillige Härte, der die Finanzverwaltungsbehörden gemäß § 131 AO durch den Erlaß der VA-Leistungen entsprechend dem eingetretenen Vermögensverfall hätten Rechnung tragen müssen. Die Finanzverwaltungsbehörden hätten insofern ermessensfehlerhaft gehandelt, als sie mit Rücksicht auf die Höhe des vom Abgabepflichtigen in den Streitjahren erzielten Einkommens den Erlaß der VA versagt hätten, obwohl unstreitig ein Vermögensverfall im Sinne der VAO von mindestens 63 v. H. eingetreten sei. Wenn auch in dem Urteil des BVerfG 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (BStBl I 1961, 63 ff.) angedeutet sei, daß bei „außergewöhnlich hohem Einkommen”, aus dem die VA mühelos aufzubringen wäre, dieser Umstand einen Billigkeitserlaß der VA trotz des Vermögensverfalls auszuschließen geeignet sein könnte, so lägen die Voraussetzungen hierfür nicht vor, da das Einkommen des Abgabepflichtigen im Erlaßzeitraum nicht außergewöhnlich hoch gewesen sei. Auch in sonstiger Hinsicht führe die Würdigung der Gesamtverhältnisse des Falles nicht zu einer Versagung des Erlasses in Höhe des eingetretenen Vermögensverfalls. Dagegen sei das weitere Begehren des Abgabepflichtigen auf vollen Erlaß der streitigen Vierteljahrsbeträge unbegründet. Unter Restvermögen im Sinne der VAO falle auch später erworbenes Vermögen.
III. Revision des Abgabepflichtigen und der OFD
Gegen das Urteil legten sowohl der Abgabepflichtige als auch die OFD Rechtsbeschwerden ein, die nach dem Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandeln sind.
1. Die Revision des Abgabepflichtigen wird auf unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts gestützt. Er hält das Begehren auf Freistellung von allen Vierteljahrsbeträgen des Erlaßzeitraums ab 1. Januar 1958 für begründet. Nach einem völligen Vermögensverfall seien alle weiteren Vierteljahrsbeträge, zu denen er als Abgabepflichtiger herangezogen werde, keine Abgaben mehr im Sinne des Gesetzes über den Lastenausgleich, sondern Vermögenszuwachssteuern, die der gesetzlichen Grundlage entbehrten. Als solche verstießen sie gegen den Gleichheitssatz des Art. 3 des GG. Die Verwaltungsanordnungen des BdF hätten den Wesensgehalt der VA verändert und die vom Gesetzgeber vorgegebenen Normen, nämlich § 203 Abs. 5 LAG in Verbindung mit § 131 AO, verletzt. Die Verwaltung habe damit ihre Kompetenz überschritten und die notwendige Entscheidung des Gesetzgebers durch Verwaltungsanordnungen ersetzt. Schließlich seien die Ermessensentscheidungen der Verwaltungsbehörden wegen unrichtiger Auslegung des Begriffs „Restvermögen” und wegen unrichtiger Anwendung des § 131 AO fehlerhaft. Aus dem Wesen der VA, wie sie der Gesetzgeber gewollt habe, folge, daß die VA eine Substanzabgabe sei, und daß deshalb bei einem Vermögensvergleich zwischen dem Ausgangsvermögen und dem Restvermögen begriffsnotwendig ein Kausalzusammenhang bestehen müsse. Entgegen der Auffassung des FG lasse die Neufassung in der Verwaltungsanordnung über den Erlaß von VA bei außerordentlichem Vermögensverfall vom 19. November 1963 – VerfVAO 1964 – (BStBl I 1963, 798 ff.) erkennen, daß der BdF den Wesensgehalt des § 131 AO verändert habe. Dies ergebe sich insbesondere aus Tz. 2 VerfVAO 1964. Der BdF versuche durch den neuen Tatbestand der Tz. 2 VerfVAO 1964 einen Erlaß aus Billigkeitsgründen wegen eines außerordentlichen Vermögensverfalls nur noch dann zuzulassen, wenn sowohl in den persönlichen Verhältnissen als auch in der Sache selbst die Voraussetzungen des § 131 AO vorlägen. Die VerfVAO 1964 bringe also nicht nur Klarstellungen, sondern beinhalte auch neue Tatbestände. Diese ständen nicht mehr in Einklang mit den Kompetenzen, die der Gesetzgeber dem BdF im Rahmen des § 203 Abs. 5 LAG gegeben habe. Demgegenüber gehe aus der Tz. 20a VAO unmißverständlich hervor, daß ein Kausalzusammenhang zwischen dem Ausgangsvermögen und dem Restvermögen bestehen müsse. Ein Abgabepflichtiger, der einen totalen Vermögensverlust erlitten habe, dürfe von diesem Zeitpunkt an wegen sachlicher Härte nicht mehr zur VA herangezogen werden. Ein solcher Abgabepflichtiger könne seinen Lebensunterhalt zunächst nur aus unfundiertem Einkommen bestreiten. Soweit er dieses Einkommen nicht in vollem Umfange zu seinem Lebensunterhalt benötige, könne er es insoweit zur Bildung neuen Vermögens zurücklegen. Dieses neue Vermögen unterscheide sich aber in nichts von den Vermögen, die erst nach dem 21. Juni 1948 entstanden seien, d. h. von den Vermögen, die – weil sie neues Vermögen darstellen – nicht der VA unterworfen werden könnten. Nach Ansicht des Abgabepflichtigen lasse sich seine Rechtsansicht darüber hinaus noch durch das im gesamten Zivilrecht geltende Rechtsprinzip der Surrogation stützen. Da Zivilrecht und Steuerrecht einer einheitlichen Rechtsordnung angehörten, sei auch das Surrogationsprinzip zu berücksichtigen. Aus der Gesetzesanalogie zu den §§ 281 Abs. 1, 818 BGB ergebe sich, daß Ausgangsvermögen und Restvermögen korrespondierende Vermögensmassen seien und vergleichbare Größen darstellten. Die VAO regele in Tz. 12 den Umfang des Vermögensverfalls und in Tz. 24 die Höhe des Erlaßbetrages. Der Umfang des Vermögensverfalls werde in Analogie zu den Bereicherungsgrundsätzen nach der Saldotheorie ermittelt. Der Unterschied zwischen dem Ausgangsvermögen und dem Restvermögen sei der Vermögensverlust. Dieser Unterschied zwischen den Vermögensmassen entspreche dem Überschuß der Aktivposten über die Passivposten, also dem Saldo bei der Ermittlung der ungerechtfertigten Bereicherung. Nach diesen Grundsätzen des BGB hafte ein Schuldner nur für den geschuldeten Gegenstand und das Surrogat. Eine darüber hinausgehende Leistungsverpflichtung bzw. einen darüber hinausgehenden Herausgabeanspruch kenne das BGB nicht. Es sei nicht einzusehen, daß das Steuerrecht von dem im Zivilrecht herrschenden Prinzip der Surrogation abweichen dürfe, wenn es darum gehe, ob ein Abgabepflichtiger auch dann noch zur VA herangezogen werden könne, wenn nicht nur sein Ausgangsvermögen, sondern darüber hinaus auch sein Restvermögen unverschuldet auf ein Nichts zusammengeschmolzen seien. Neues Vermögen und unfundiertes Einkommen seien nach einem totalen Vermögensverfall keine Surrogate, weil keine Kausalverknüpfungen mehr zu irgendwelchen Vermögenswerten, Wirtschaftsgütern oder sonstigen geldwerten Vorteilen, die vor dem totalen Vermögensverfall vorhanden gewesen seien, gegeben sein könnten. Restvermögen sei nicht mehr denkbar, wenn sich nach einem totalen Vermögensverfall wieder Vermögenswerte ansammelten, die aber, weil kein ursächlicher Zusammenhang zu einem Ausgangsvermögen gegeben sei, neues Vermögen darstellten. Diese neuen Vermögenswerte könnten aber, analog zu demjenigen Vermögen, das sich erst nach dem 21. Juni 1948 gebildet habe, nicht mehr der VA unterworfen werden. Eine solche VA hätte den Charakter reiner Vermögenszuwachsbesteuerung. Aus diesen Darlegungen ergebe sich, daß der Abgabepflichtige ab 1. Januar 1958 von den VA-Vierteljahrsbeträgen wegen Unbilligkeit in der Sache selbst gemäß § 131 AO freigestellt werden müsse. Ein solcher Erlaß in vollem Umfang und ohne Prüfung der persönlichen Verhältnisse entspreche den tatsächlichen Gegebenheiten und damit auch dem Rechtsgrundsatz der Billigkeit. Nur dadurch werde dem Grundsatz der Gleichmäßigkeit der Besteuerung und damit auch dem verfassungsrechtlichen Gleichheitssatz entsprochen.
Die Prozeßbevollmächtigten des Abgabepflichtigen, die die Vertretung erst im Laufe des Revisionsverfahrens übernommen hatten, haben beantragt,
- die Revision der OFD als unzulässig zu verwerfen, hilfsweise als unbegründet zurückzuweisen,
- auf die Revision des Abgabepflichtigen das angefochtene Urteil des FG dahin abzuändern, daß die Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse in vollem Umfang auferlegt werden.
Zur Begründung ihrer Auffassung über die Unzulässigkeit der von der OFD eingelegten Revision trugen sie vor, nicht die OFD, die ja Beschwerdeinstanz gewesen sei, habe ein Rechtsmittel einlegen können, sondern nur der Vorsteher des FA, das den VA-Erlaß abgelehnt hatte. Sachlich schließen sie sich der im angefochtenen Urteil vertretenen Auffassung an, daß ein Vermögensverlust zum Erlaß führe, es sei denn, es bestehe zwischen dem Vermögensverlust und der aus dem Einkommen folgenden wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ein krasses Mißverhältnis. Ein Einkommen von jährlich 15 000 bis 22 000 DM sei aber weder sehr hoch, noch könne daraus eine Abgabe von jährlich rd. 1 400 DM mühelos gezahlt werden. Im übrigen werde gerügt, daß die Kostenentscheidung des FG unrichtig sei. Das FG habe zu Recht einen Ermessensmißbrauch bei Ablehnung des Erlaßantrages durch die Finanzverwaltung bejaht und deshalb den ablehnenden Bescheid samt der Beschwerdeentscheidung aufgehoben. Damit aber sei die Berufung des Abgabepflichtigen in vollem Umfang erfolgreich gewesen. Infolgedessen hätten die Kosten des Berufungsverfahrens der Staatskasse in vollem Umfang auferlegt werden müssen.
2. Die OFD hat mit ihrer Revision beantragt, die Entscheidung des FG aufzuheben und die Rechtsbehelfe des Revisionsbeklagten als unbegründet zurückzuweisen. Aus der Tatsache, daß das Stichtagsvermögen eines Abgabepflichtigen verlorengegangen sei, lasse sich eine objektive Unbilligkeit nicht ableiten. Schon aus dem sogenannten Stichtagsprinzip ergebe sich, daß sich die Veränderungen des Vermögens nach dem Stichtag auf die Erhebung der Abgabe nicht auswirken sollten. Wenn ein Vermögensverfall ausreichen würde, in der Einziehung der Abgabe eine objektive Unbilligkeit zu sehen, dürften die Einkommensverhältnisse des Abgabepflichtigen, auch wenn sie noch so günstig seien, überhaupt keine Rolle spielen. Die Weisungen des BdF in den Tzn. 1, 2 und 3 VAO ließen aber erkennen, daß der Vermögensverfall eine besondere Spielart der subjektiven Unbilligkeit im Sinne des § 131 AO darstelle. Wann die Einziehung einer Abgabe subjektiv unbillig sei, lasse sich nur unter Berücksichtigung der gesamten wirtschaftlichen Lage des Abgabeschuldners beurteilen. Es könne daher nicht nur auf die Vermögenslage ankommen, vielmehr komme den Einkommensverhältnissen mindestens die gleiche Bedeutung zu. Dementsprechend habe der BdF in der Tz. 3 VAO folgerichtig die Weisung erteilt, daß bei dem Erlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls die Gesamtverhältnisse des einzelnen Falles zu würdigen seien. Darüber hinaus sei auch die voraussichtliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse abzuwägen. Unter Beachtung dieser Grundsätze könne dem FG nicht darin gefolgt werden, daß die Einkommensverhältnisse bei Billigkeitsmaßnahmen bei der Vermögensabgabe nur dann berücksichtigt werden dürften, wenn es sich um ein außergewöhnlich hohes Einkommen handle. Das Urteil des BVerfG vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) stehe der Auffassung der OFD nicht entgegen. Würde man nur auf den Vermögensverfall abstellen, käme man zu dem merkwürdigen Ergebnis, daß unter Umständen VA-Leistungen erlassen werden müßten, obwohl die Einkommensverhältnisse des Abgabeschuldners nach dem Vermögensverfall wesentlich besser seien als vorher. Dieses Ergebnis stände sowohl mit dem Sinn und Zweck des § 131 AO als auch mit der VAO in Widerspruch. Daß neben dem Vermögensverfall auch die Einkommensverhältnisse zu würdigen seien, komme auch in der ab 1. Januar 1964 geltenden VerfVAO 1964 zum Ausdruck. Dort heiße es, daß durch den Erlaß der eingetretenen Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage des Abgabeschuldners Rechnung getragen werden müsse mit dem Ziel, seine wirtschaftliche Lebensfähigkeit zu erhalten. Im gleichen Sinne sei die Tz. 3 VAO auszulegen. Die Frage, was unter „sehr hohem” Einkommen zu verstehen sei, müsse nach einem Vergleich der Einkommensverhältnisse am Ende des Erlaßzeitraums mit der Situation des Abgabeschuldners vor Eintritt des Vermögensverfalls beantwortet werden. Stelle man bei diesem Vergleich fest, daß die Einkünfte trotz des Vermögensverfalls höher seien als vor dem Vermögensverfall, so seien sie in Anbetracht des Vermögensverfalls „sehr hoch”, und zwar deswegen sehr hoch, weil in der Regel nach einem Vermögensverfall die Einkünfte niedriger seien als vorher. Die Frage, ob Vierteljahrsbeträge aus dem Einkommen „mühelos” aufgebracht werden könnten, sei ebenfalls nicht von einer beständigen Einkommenshöhe abhängig. Ob ein Abgabeschuldner etwas mühelos aufbringen könne, hänge davon ab, ob er im Fall der Zahlung seinen gewohnten Lebensstandard senken müßte oder nicht. Im Hinblick auf die Höhe seines Einkommens sei es dem Abgabeschuldner auch zuzumuten, Teile seines Vermögens zu verwerten und daraus die VA zu bezahlen. Schließlich sei noch zu bedenken, daß die Nichtberücksichtigung des Einkommens zu einer ungleichen Behandlung der Abgabepflichtigen führen würde. Wenn die Auffassung des FG richtig wäre, müßten demjenigen Abgabepflichtigen, der sein (nicht ungewöhnlich hohes) Einkommen laufend verbrauche – der es also vermeide, neues Vermögen anzusammeln –, die Vierteljahrsbeträge ständig erlassen werden, während einem anderen Abgabepflichtigen, der aus seinem gleichhohen Einkommen wieder Vermögen ansammele und damit seinen Vermögensverfall beseitige, der Erlaß versagt bliebe. Außerdem habe der Abgabeschuldner noch ein Restvermögen, das überwiegend aus leicht verwertbaren Vermögensteilen bestehe. Unter diesen Gesichtspunkten entspreche die Ablehnung des Erlasses den Grundsätzen des pflichtmäßigen Ermessens und werde durch die für den streitbefangenen Zeitraum geltende VAO gedeckt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
IV. Entscheidung des Senats
1. Die Revision des Abgabepflichtigen (Revisionsklägers zu 1) ist in der Hauptsache nicht begründet.
Gemäß § 20 LAG ist die VA in voller Höhe am Währungsstichtag entstanden. Zwar ist das Vermögen Bemessungsgrundlage; die VA ist jedoch als rein persönliche Abgabeschuld ausgestaltet. Dies ergibt sich eindeutig aus den §§ 16 und 21 ff. LAG. Die VA unterscheidet sich dadurch grundlegend von den beiden anderen Lastenausgleichsabgaben, der HGA und der KGA. Die HGA stellt eine öffentliche Last dar, die KGA eine reine Betriebsschuld. Aus der Ausgestaltung der VA als einer rein persönlichen Abgabeschuld und aus der Vorschrift, daß diese Abgabeschuld mit Beginn des 21. Juni 1948 als entstanden gilt, ist klargestellt, daß der rechtliche Bestand dieser in Vierteljahrsbeträgen zu entrichtenden Abgabeschuld grundsätzlich unabhängig von dem Schicksal des der VA unterliegenden Vermögens ist, das dieses Vermögen nach dem Währungsstichtag erleidet. Das spätere Schicksal des der Abgabe unterworfenen Vermögens kann weder zu einer Erhöhung noch zu einer Ermäßigung der Abgabeschuld führen. Lediglich im Rahmen von Billigkeitsmaßnahmen kann ein nachträglich eingetretener Vermögensverlust Berücksichtigung finden. Grundlage für Billigkeitsmaßnahmen im Steuer- und Abgabenrecht ist § 131 AO. Gemäß § 203 Abs. 1 LAG gelten für die Lastenausgleichsabgaben grundsätzlich die Vorschriften der AO und ihrer Nebengesetze über Steuern. Demnach gilt auch § 131 AO für Lastenausgleichsabgaben. Wenn in § 203 Abs. 5 LAG ausdrücklich vorgeschrieben ist, daß die Anwendung des § 131 AO durch besondere Verwaltungsanordnungen des BdF geregelt wird, so ist dieser Auftrag des Gesetzgebers nur dahin zu verstehen, daß der BdF kraft seiner Weisungsbefugnis gegenüber den die Lastenausgleichsabgaben verwaltenden Behörden für eine einheitliche und gleichmäßige Handhabung des § 131 AO zu sorgen hat. Bei der aufgrund der Ermächtigung des § 203 Abs. 5 LAG erlassenen VAO handelt es sich nicht um objektives Recht. Ihre Einzelbestimmungen können auch nicht als Rechtsvorschriften mit Rechtsnormwirkung angesehen werden und sind deshalb für die Steuergerichte nicht bindend. Unter dem Gesichtspunkt der Gleichmäßigkeit der Besteuerung können sie aber auch für die Steuergerichte von Bedeutung sein. Der Nachprüfung der Gerichte unterliegt einmal, ob sich die einzelne Regelung der Verwaltungsanordnung innerhalb der Grenzen hält, die das Gesetz der Ausübung des Ermessens zieht, und – im Falle der Bejahung – ob die Verwaltungsbehörde bei dem angefochtenen Verwaltungsakt die Bestimmungen der Verwaltungsanordnung richtig angewendet hat.
Billigkeitsregelungen der Verwaltung sind Ermessensentscheidungen, denen ein verhältnismäßig weiter Spielraum eigentümlich ist, so daß allein schon aus diesem Grunde nicht verlangt werden kann, eine Billigkeitsmaßnahme müsse nur so und dürfe nicht anders getroffen werden, sofern sich nur die getroffene Regelung oder Maßnahme im gesetzlichen Rahmen des Ermessens bewegt. Die für den Streitfall in Betracht kommenden Textziffern der VAO halten sich innerhalb der Grenzen, die das Gesetz der Ausübung des Ermessens gezogen hat. Sie berücksichtigen, daß die VA nicht auf einem bestimmten, am Währungsstichtag vorhandenen Vermögensgegenstand ruht, daß sie vielmehr eine rein persönliche Abgabeschuld ist (Tzn. 9 ff.). Selbst der völlige Verlust des Ausgangsvermögens ändert nichts an dem Bestand der Abgabeschuld. Diesem Wesen der VA als persönlicher Abgabeschuld entspricht es, bei Erlaß der VA wegen außerordentlichen Vermögensverfalls den Vermögensverlust durch Gegenüberstellung des Ausgangs- und des Restvermögens zu berechnen (Tzn. 12 ff.). Dies entspricht auch den Rechtsgrundsätzen des § 131 AO für einen Erlaß aus Billigkeitsgründen, der grundsätzlich nur dann gewährt werden kann, wenn die Leistungsfähigkeit eines Abgabepflichtigen so sehr gemindert wurde, daß ihm die Aufbringung des vollen Abgabebetrages nicht mehr zugemutet werden kann. In Übereinstimmung hiermit bestimmt die Tz. 18 VAO, daß als Restvermögen grundsätzlich jedes Wirtschaftsgut und jeder geldwerte Vorteil außer den in § 68 Nrn. 1 bis 6 BewG bezeichneten Ansprüchen und außer dem Hausrat zu berücksichtigen ist. Deshalb ist es nicht möglich, für diesen Vermögensvergleich bestimmte Vermögensteile beim Ausgangsvermögen oder beim Restvermögen auszuschalten und den Vermögensvergleich nur auf einzelne Vermögensteile zu beschränken. Es muß vielmehr auch das im Vergleichszeitpunkt vorhandene übrige Vermögen, insbesondere auch das sonstige Vermögen, einbezogen werden. Ein innerer Zusammenhang zwischen dem Ausgangsvermögen und dem Restvermögen in der Weise, daß als Restvermögen immer nur der Rest des ursprünglich vorhanden gewesenen Ausgangsvermögens angesetzt werden könne, ist in den genannten Anordnungen nicht vorgesehen und brauchte auch – entgegen der vom Abgabepflichtigen vertretenen Ansicht – im Hinblick auf den Charakter der Vermögensabgabe als persönlicher Abgabeschuld nicht vorgesehen zu werden.
Der Umstand, daß ein Abgabepflichtiger, der am Währungsstichtag vorhandenes Vermögen verloren und später wieder neues Vermögen erworben hat, abgabepflichtig ist, während jemand, der nach dem Währungsstichtag erstmals Vermögen erworben hat, nicht abgabepflichtig ist, führt zu keiner anderen Beurteilung. Derjenige, der erstmals nach dem Währungsstichtag Vermögen erworben hat und somit nicht schon abgabepflichtiges Vermögen besaß, ist nie Abgabepflichtiger im Sinne des LAG gewesen, während der andere abgabepflichtig geworden und geblieben ist. Ein Abgabepflichtiger muß aber grundsätzlich die Abgabeschuld erfüllen. Eine Verletzung des Gleichheitssatzes kann hierin nicht erblickt werden, weil verschiedene Sachverhalte vorliegen.
Es trifft auch nicht zu, daß, wie der Abgabepflichtige meint, durch Berücksichtigung eines etwaigen späteren Vermögenszuwachses nach vorausgegangenem Vermögensverfall der Charakter der VA in eine Vermögenszuwachssteuer verändert würde. Denn ein etwaiges Wiederanwachsen des Vermögens eines Abgabepflichtigen nach vorausgegangenem Vermögensverfall kann weder rechtlich noch tatsächlich auf die Entstehung und Festsetzung der VA und ihrer Vierteljahrsbeträge rückwirkend Einfluß haben und an ihrem Wesen etwas ändern. Die genannten Umstände sind vielmehr nur dafür von Bedeutung, ob und inwieweit geschuldete Vierteljahrsbeträge erlassen werden könnten oder nicht. Aus dem Urteil des BVerfG 1 BvR 314/60 vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) ergibt sich nichts anderes; es läßt vielmehr erkennen, daß das BVerfG die Regelung in der VAO nicht beanstanden wollte, sondern sie seinen kritischen Ausführungen über die Zusammenrechnung der Vermögen von Ehegatten als insoweit zutreffend zugrunde legte.
Aus dem Umstand, daß die VA als persönliche – nicht objektbezogene – Abgabeschuld entstanden war und geschuldet wird, folgt aber auch weder die unmittelbare noch die analoge Anwendbarkeit der vom Abgabepflichtigen herangezogenen zivilrechtlichen Grundsätze über Surrogation, Unmöglichkeit der Leistung und Bereicherung des BGB, zumal die VA als Steuerschuld eine Geldsummenschuld und damit eine Gattungsschuld ist (§ 279 BGB).
Vorinstanz:
Das FG hat das Begehren des Abgabepflichtigen, über den nach der VAO bei einem Vermögensverfall von mindestens 63 v. H. zu gewährenden VA-Teilerlaß hinaus den vollen Erlaß der VA-Vierteljahrsbeträge des ab 1. Januar 1958 beginnenden Erlaßzeitraums auszusprechen, ebenfalls zutreffend als unbegründet bezeichnet. Die Einziehung der VA ist insoweit nicht unbillig, weil an den maßgeblichen Stichtagen des Erlaßzeitraums noch sogenanntes Restvermögen im Sinne der VAO vorhanden war. Es entspricht daher dem Sinn und Zweck des § 131 AO, die Erlaßmaßnahmen je nach der Höhe des eingetretenen und wieder ausgeglichenen Vermögensverlustes der Höhe nach zu staffeln. Es würde eine durch nichts zu rechtfertigende Besserstellung des Abgabepflichtigen bedeuten, wenn bei ihm statt des für ihn bei einem Vermögensverlust von 63 v. H. in Betracht kommenden Teilerlasses ein Vollerlaß ausgesprochen würde. Gerade solche ungleichen Behandlungen von Abgabepflichtigen sollten durch den Erlaß der VAO vermieden werden.
Soweit sich die Revision gegen die Kostenentscheidung des FG richtet, ist sie begründet. Wie die Prozeßbevollmächtigten des Abgabepflichtigen zutreffend ausführten, hat der Kläger im Streitfall die Aufhebung sowohl der Beschwerdeentscheidung der OFD als auch des den Erlaß ablehnenden Bescheides des FA in vollem Umfang erreicht mit der Folge, daß die Verwaltungsbehörden nunmehr erneut über den Erlaßantrag zu entscheiden haben. Damit hat es dem Klagebegehren im finanzgerichtlichen Verfahren in vollem Umfang stattgegeben; die beklagte OFD ist im Verfahren vor dem FG unterlegen mit der Folge, daß die Staatskasse gemäß § 307, § 309 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung (jetzt § 135 Abs. 1 FGO) die Kosten voll zu tragen hat. Die Voraussetzungen für eine Kostenteilung gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2 AO a. F. (jetzt § 136 Abs. 1 Satz 1 FGO) waren nicht gegeben.
2. Die Revision der OFD ist zulässig, aber nicht begründet.
Der erkennende Senat teilt nicht die Bedenken der Prozeßbevollmächtigten des Revisionsklägers, die OFD könne als Beschwerdeinstanz keine Revision einlegen. Das finanzgerichtliche Verfahren wurde ebenfalls von der OFD als der auf der Gegenseite alleinigen Beteiligten betrieben. Dies entsprach der Rechtsprechung des BFH, nach der die OFD am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt war und auch Rechtsbeschwerde einlegen konnte (vgl. die Entscheidungen des BFH IV 350/51 U vom 13. März 1952, BFH 56, 264, BStBl III 1952, 104; VII 57/63 U vom 4. Februar 1964, BFH 79, 130, BStBl III 1964, 279; VII 225/63 U vom 17. März 1964, BFH 79, 139, BStBl III 1964, 282, sowie in ständiger Rechtsprechung auch die Entscheidungen des erkennenden Senats – siehe u. a. III 186/62 vom 25. November 1966, BFH 87, 491, BStBl III 1967, 193 –). Zwar richtet sich unter dem Geltungsbereich der FGO eine Klage immer gegen die Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen oder den Erlaß eines Verwaltungsakts abgelehnt hat, also meist gegen das FA (§ 63 FGO), während die OFD in der Regel neben dem Beklagten (§ 57 Nr. 2 FGO) nur über §§ 57 Nr. 4, 61 FGO Beteiligte sein kann. Sie kann allerdings als am Klageverfahren Beteiligte auch Revision einlegen (§ 115 Abs. 1 FGO). In diesem Fall wäre die Rechtsmittelklägerin und wären die übrigen am Klageverfahren Beteiligten ebenfalls am Revisionsverfahren beteiligt (§ 122 Abs. 1 FGO). Da die OFD am finanzgerichtlichen Verfahren beteiligt war und sie sowohl nach altem als auch nach neuem Recht befugt war, Revision einzulegen, hat der Senat keine Bedenken, daß das Verfahren zwischen dem Abgabepflichtigen und der OFD ohne Beiziehung des bisher nicht beteiligten FA weitergeführt werden kann. Daß dies dem Willen des Gesetzgebers entspricht, läßt auch § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO erkennen, der für die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen Entscheidungen, die vor Inkrafttreten der FGO ergangen sind, bisheriges Recht für anwendbar erklärt. Der Begriff der Zulässigkeitsvoraussetzungen im Sinne dieser Bestimmung ist im Interesse der reibungslosen Fortführung anhängiger Verfahren weit auszulegen (so auch der BFH im Urteil IV 178/65 vom 10. Februar 1966, BFH 84, 477, BStBl III 1966, 174).
Die Revision der OFD ist jedoch nicht begründet. Das FG hat zutreffend festgestellt, daß die Verwaltungsbehörden, insbesondere die beklagte OFD, die einen Erlaß der VA wegen Vermögensverfalls deshalb abgelehnt haben, weil der Abgabepflichtige aus seinen Einkünften die VA-Raten mühelos hätte zahlen können, ermessensfehlerhaft gehandelt haben. Die aufgrund des § 203 Abs. 5 LAG erlassene VAO regelt eine Reihe von Anwendungsfällen des § 131 AO. Der BdF hat in dem dort geregelten Erlaß der VA wegen außerordentlichen Vermögensverfalls (Tzn. 9 bis 26 VAO) die Entscheidung auf die Entwicklung und den Stand der Vermögensverhältnisse des Abgabepflichtigen abgestellt und damit einen gegenüber den allgemeinen Anwendungsfällen des § 131 AO engeren Rahmen für die Erlaßvoraussetzungen geschaffen, und zwar einen Rahmen, der der besonderen Bedeutung der VA für den Lastenausgleichsfonds einerseits und dem Wesen der VA als persönlicher auf das Stichtagsprinzip abstellender langjähriger Abgabeschuld andererseits gerecht werden soll. Der BdF hebt in Tz. 3 VAO zwar hervor, daß bei der Gewährung des Erlasses wegen Vermögensverfalls die Gesamtverhältnisse des einzelnen Falles zu würdigen und dabei nicht nur die Verhältnisse im Zeitpunkt der Antragstellung bzw. der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen und bei der endgültigen Entscheidung über den Erlaßantrag auch die voraussichtliche Entwicklung der wirtschaftlichen Verhältnisse abzuwägen seien. Diese ebenfalls dem Sinn und Zweck des § 131 AO gerecht werdenden Anweisungen sind jedoch in erster Linie auf die Voraussetzungen zu beziehen, die in den genannten Tzn. 9 bis 24 VAO geregelt werden sollten. Diese besonderen Voraussetzungen aber stellen nur auf eine ungünstige Vermögensentwicklung ab, die in bestimmten Zeitabständen geprüft werden soll. An ihr soll die steuerliche Leistungsfähigkeit oder Leistungsunfähigkeit gemessen werden. Liegen diese Voraussetzungen nicht vor, dann haben die Verwaltungsbehörden, wie der erkennende Senat in ständiger Rechtsprechung hervorgehoben hat, immer noch die Pflicht zu prüfen, ob ein Billigkeitserlaß aus allgemeinen Gründen des § 131 AO in Betracht kommen kann. Müßten die allgemeinen Erlaßvoraussetzungen des § 131 AO, zu denen im ganz besonderen Maße auch die Einkommens- und sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse eines Steuer- oder Abgabepflichtigen gehören, in jedem Fall geprüft werden und gegeben sein, dann hätte es nicht der eingehenden Regelung der Erlaßvoraussetzungen wegen Vermögensverfalls bedurft. In diesem Sinne hat auch das BVerfG im Urteil vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) ausgeführt, daß der Erlaß wegen Vermögensverfalls nicht sozialer, von den Bedürfnissen des Steuerschuldners bestimmter Art ist, sondern eine an die Entwicklung des Steuerobjekts knüpfende Erwägung der Steuergerechtigkeit. Nur weil die in der Höhe des Restvermögens zum Ausdruck kommende steuerliche Leistungsfähigkeit des Abgabeschuldners an den beiden Stichtagen des Erlaßzeitraums entscheidender Ausgangspunkt für die Anwendung des § 131 AO und damit auch für die der VAO ist, haben Verwaltungsbehörden und Steuergerichte so entscheidenden Wert auf die richtige Berechnung des Restvermögens und des Vermögensverlustes zu legen. Würden die Einkommensverhältnisse ebenfalls einen Erlaßgrund wegen Vermögensverfalls darstellen, dann hätte der BdF nicht umhin können, auch insoweit eine ins einzelne gehende Regelung zu treffen, um einer ungleichen Behandlung der Abgabepflichtigen vorzubeugen. Dies ist jedoch nicht geschehen, insbesondere nicht in der VerfVAO 1964.
Aus diesen Erwägungen ergibt sich, daß die Einkommensverhältnisse bei der Prüfung der Voraussetzungen für einen Erlaß wegen Vermögensverfalls in aller Regel nicht zu berücksichtigen sind. Diese Auffassung entspricht sowohl der Entscheidung des BVerfG vom 21. Februar 1961 (a. a. O.) als auch der Rechtsprechung des erkennenden Senats. Ob ein außergewöhnlich hohes Einkommen ausnahmsweise bei der Entscheidung über einen Antrag auf Erlaß wegen außerordentlichen Vermögensverfalls zu berücksichtigen ist, braucht hier nicht untersucht zu werden; denn auch im Streitfall hat der Abgabepflichtige im Erlaßzeitraum nicht über ein so hohes Einkommen verfügt, daß dessen Nichtberücksichtigung eine Unbilligkeit gegenüber anderen Abgabepflichtigen mit außerordentlichem Vermögensverfall bedeuten würde. Das FG hat daher mit Recht die Verwaltungsentscheidungen aufgehoben, weil die Verwaltungsbehörden die ermessensgerechte Regelung in der VAO nicht angewendet und dadurch im Hinblick auf die Wahrung der Gleichmäßigkeit der Heranziehung der Abgabepflichtigen zur VA ermessensfehlerhaft gehandelt haben.
Fundstellen
Haufe-Index 557284 |
BStBl II 1970, 402 |
BFHE 1970, 287 |