Leitsatz (amtlich)
Der vom Grundstückseigentümer an die Gemeinde zu zahlende Anliegerbeitrag zur nachhaltigen Verbesserung einer Ortsstraße führt nicht zum Erwerb eines selbständigen Wirtschaftsguts, sondern gehört zu den Aufwendungen auf den Grund und Boden.
Normenkette
EStG 1968 §§ 7, 9, 21
Tatbestand
Streitig ist, ob ein vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) geleisteter Straßenbaubeitrag als Aufwendung auf den Grund und Boden oder als Aufwand für den Erwerb eines selbständigen, der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgutes zu behandeln ist.
Der Kläger bezieht Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung seines an einer älteren Ortsstraße gelegenen Hofes. Als Werbungskosten machte er einen Anliegerbeitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Ortsstraße geltend, den die Gemeinde von ihm als Eigentümer des angrenzenden Grundbesitzes aufgrund ihrer Satzung über die Erhebung von Straßenbaubeiträgen für Erweiterungen und Verbesserungen an bereits hergestellten Erschließungsanlagen angefordert und im Streitjahr 1968 erhalten hatte (1 755 DM). Die Beitragsanforderung der Gemeinde gründete sich nach der Satzung auf Art. 9 des Gemeindeabgabengesetzes vom 20. Juli 1938 - GAG - (Bayerische Bereinigte Sammlung I S. 553). Gemäß dieser Vorschrift können die Gemeinden "zur Deckung des Aufwandes für öffentliche Einrichtungen von den Grundstückseigentümern..., denen die Einrichtungen ausschließlich oder in besonders hervorragendem Maße zugute kommen, Beiträge erheben".
Der Beklagte und Revisionskläger (FA) verneinte bei der Einkommensteuerveranlagung 1968 des Klägers die Abzugsfähigkeit des geltend gemachten Betrages, den er als Aufwand auf den der Abnutzung nicht unterliegenden Grund und Boden behandelte (Hinweis auf Urteil BFH vom 18. September 1964 VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85). Der Einspruch blieb erfolglos.
Die Klage drang zum Teil durch. Das FG sah in der Zahlung des Klägers eine Aufwendung für den Erwerb eines besonderen Wirtschaftsgutes, dessen Nutzungsdauer es auf zehn Jahre schätzte. Demgemäß ließ es 10 v. H. des Beitrages von 1 755 DM = 176 DM zum Abzug als Werbungskosten bei den Mieteinkünften zu (Einkommensteuerminderung: 44 DM). Nach den Feststellungen der Vorinstanz handelte es sich um eine nachhaltige Verbesserung (nicht Reparatur) der alten Ortsstraße, zu deren Finanzierung der Anliegerbeitrag erhoben und geleistet wurde. Die wegen dieser Verbesserung anzunehmende Werterhöhung des Grund und Bodens des Klägers, so führte das FG im einzelnen aus, sei jedoch nicht für dauernd eingetreten, weil die Gemeinde gemäß Art. 9 GAG nach gewisser Zeit wiederum Beiträge zur Erweiterung und Verbesserung der Ortsstraße fordern könne. Es fehle mithin an einer Werterhöhung des Grund und Bodens auf Dauer, in welcher der BFH nach der Entscheidung VI 100/63 S ein Hauptargument für die Zurechnung des Aufwandes zum Grund und Boden gesehen habe. Da eine Zurechnung zum Gebäudewert mangels Sachbezugs ebenfalls nicht in Betracht komme, bleibe nur die Möglichkeit, vom Erwerb eines selbständigen Wirtschaftsgutes auszugehen. Dessen Nutzungsdauer sei in Anbetracht der mit fortschreitender technischer Entwicklung zunehmenden Verkehrsbeanspruchung der Straße auf schätzungsweise zehn Jahre anzunehmen.
Die wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassene Revision des FA, die Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage beantragt, rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 2 Abs. 4 Nr. 2, § 9 EStG).
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und Abweisung der Klage.
Die Auffassung des FG, der Kläger habe durch den Anliegerbeitrag ein selbständiges Wirtschaftsgut erworben, ist rechtlich nicht zu halten. Wirtschaftsgut ist jedes nach der Verkehrsanschauung im Wirtschaftsleben selbständig bewertbare Gut jeder Art, das in seiner Einzelheit von Bedeutung und bei einer Veräußerung greifbar ist (vgl. BFH-Entscheidungen vom 3. Februar 1969 GrS 2/68, BFHE 95, 31, BStBl II 1969, 291; vom 2. März 1970 GrS 1/69, BFHE 98, 360, BStBl II 1970, 382; vom 29. April 1965 IV 403/62 U, BFHE 82, 461, BStBl III 1965, 414). Entgegen der Ansicht der Vorinstanz ist hiernach die Annahme eines Wirtschaftsgutes nicht bereits dann gerechtfertigt, wenn der Anliegerbeitrag des Klägers und die mit ihm finanzierte nachhaltige Verbesserung der Ortsstraße zu einer nach Ansicht des FG nur vorübergehenden Erhöhung des Wertes des Grund und Bodens des Klägers geführt haben. Dieser Umstand läßt nicht die vom FG bejahte Sachbeziehung des Aufwandes und der Anlage zum Grund und Boden entfallen, noch schafft er für sich genommen ein besonderes Wirtschaftsgut. Das gilt auch bei fehlender Zurechenbarkeit des Aufwandes zur Bebauung. Selbst wenn indes das FG das von ihm angenommene Wirtschaftsgut in der tatsächlich nachhaltigen Verbesserung der Straße und entsprechend erleichterten tatsächlichen Zugangsmöglichkeit und Nutzbarkeit des Grundbesitzes gesehen haben sollte, ist seine Entscheidung nicht frei von Rechtsirrtum. Denn es fehlt insoweit die für die Annahme eines besonderen Wirtschaftgutes erforderliche selbständige Bewertbarkeit und Nutzbarkeit des erlangten Vorteils, weil dieser mit der Nutzung des angrenzenden Grundstückes untrennbar verbunden war (vgl. BFH-Urteil VI 100/63 S, BFHE 81, 233, BStBl III 1965, 85). Die Vorentscheidung, die auf einer anderen Auffassung beruht, ist deshalb wegen Verletzung materiellen Rechtes (§ 21 in Verbindung mit § 9 Abs. 1 Nr. 7, § 7 EStG) aufzuheben.
Eine höchstrichterliche Entscheidung zur steuerlichen Beurteilung eines von der Gemeinde erhobenen Anliegerbeitrages zur nachhaltigen Verbesserung einer bereits bestehenden Ortsstraße ist, soweit ersichtlich, noch nicht ergangen. Im Urteil VI 100/63 S handelte es sich um einen Anliegerbeitrag zur Erstanlage einer Straße, der als Aufwand auf den Grund und Boden behandelt wurde. Der IV. und VI. Senat des BFH sowie der erkennende Senat sind von der Richtigkeit dieser Entscheidung unter ausdrücklicher Bezugnahme auf sie bei Beurteilung von Anliegerbeiträgen zur Erstanlage einer öffentlichen Kanalisation ebenfalls ausgegangen und haben dementsprechend den Aufwand als den Wert des Grund und Bodens steigernd aufgefaßt, ohne eine Einkunftsminderung zuzulassen (BFH-Urteile vom 3. August 1966 IV 290/63, BFHE 86, 710, BStBl III 1967, 600; vom 24. November 1967 VI R 302/66, BFHE 91, 42, BStBl II 1968, 178; vom 18. Juli 1972 VIII R 43/68, BFHE 106, 516, BStBl II 1972, 931). Die Zahlung eines Anliegerbeitrags zur Erweiterung einer veralteten Kanalisation ist gleichfalls als den Grund- und Bodenwert des Anliegers erhöhend ohne Zulassung einer Einkunftsminderung angesehen worden (Urteil des erkennenden Senats vom 6. Juli 1972 VIII R 20/72, BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790). Im Urteil vom 29. Juni 1965 VI 253/64 U (BFHE 83, 219, BStBl III 1965, 580) hat der BFH ausgesprochen, daß der freiwillige Beitrag des Eigentümers eines verpachteten landwirtschaftlichen Besitzes zum Ausbau eines an sein Gut angrenzenden Weges dem Grund und Boden zuzurechnen und nicht als Werbungskosten abzugsfähig ist. Das BFH-Urteil IV 403/62 U (BFHE 82, 461, BStBl III 1965, 414) (freiwilliger betrieblicher Wegebeitrag eines Pächters zu übernormalem Straßenausbau in seinem Interesse) betrifft einen anderen Sachverhalt. Im nicht veröffentlichten Urteil vom 24. März 1966 IV 87/62, auf das das FG verwiesen hat, wurde eine einkunftsmindernde Wirkung von Beiträgen zu Ausbaukosten von Feldwegen, die der Steuerpflichtige sonst selbst zu tragen hatte, nicht zugelassen, abgesehen davon, daß es um einen betrieblichen Aufwand ging. Den vorliegenden Anliegerbeitrag zur nachhaltigen Verbesserung der Straße sieht der Senat in Fortentwicklung seiner Rechtsprechung ebenfalls als den Grund und Boden im Wert steigernde und eine Absetzung für Abnutzung oder Abschreibung nicht rechtfertigende Aufwendung an.
Nach den vom FG einwandfrei getroffenen, von den Beteiligten nicht angegriffenen Tatsachenfeststellungen, an die der Senat gebunden ist (§ 118 Abs. 2 FGO), handelte es sich im Streitfalle um einen öffentlich-rechtlichen Anliegerbeitrag, der nach der auf Art. 9 GAG gestützten Satzung der Gemeinde unabhängig von der Grundstücksbebauung vom Kläger als Grundstückseigentümer zur nachhaltigen Verbesserung (nicht Reparatur) der alten Ortsstraße erhoben und geleistet wurde. Es handelte sich demnach nicht um Reparatur- oder Erhaltungsaufwand, sondern um die Finanzierung einer Straßenbaumaßnahme, die als wesentliche Verbesserung der Infrastruktur der Gemeinde anzusehen ist und als werterhöhendes Merkmal den Anliegergrundstücken, insbesondere auch dem des Klägers, nachhaltig zugute kam. Die Annahme einer Werterhöhung des anliegenden Grundbesitzes scheidet nicht etwa deshalb aus, weil eine Ortsstraße minderer Qualität bereits zuvor bestand. Denn - anders als bei der bloßen Erhaltung der bisherigen Straßenverhältnisse durch Erneuerungs-(Reparatur-) Arbeiten - wurde die Orststraße in ihrer Anlage nachhaltig verbessert (unstreitig u. a. Auftrag einer staubfreien Decke), ein Umstand, der im Wirtschaftsverkehr sich günstig für die Anlieger auswirkt und auch vom Erwerber bei Bemessung des Kaufpreises seine Berücksichtigung findet. Insoweit besteht auch kein Streit.
Zutreffend ist ferner die Ansicht des FG, daß wegen der vorliegenden Unabhängigkeit der Beitragserhebung von der Bebauung ein entscheidender Sachbezug des erhobenen Beitrages und der mit ihm finanzierten Straßenverbesserung ausschließlich zum Grund und Boden bestand. Das zeigt auch der Umstand - worauf das FG zutreffend hingewiesen hat -, daß ein Erwerber des Grundstücks der verbesserten Verkehrslage trotz Abbruchs der aufstehenden Gebäude im Kaufpreis Rechnung tragen würde. Richtig ist überdies, daß ein künftiger Grundstückserwerber den Grundstückskaufpreis regelmäßig auch von dem jeweiligen Zustand der Ortsstraße zur Zeit des Kaufes abhängig machen würde. Die in dieser Weise auftretenden Wertschwankungen in dem der Abnutzung nicht unterliegenden Grund und Boden können jedoch entgegen der Ansicht des FG bei Ermittlung der vorliegenden Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung nicht Berücksichtigung finden, weil sie in der einkommensteuerneutralen Vermögenssphäre anfallen. Insbesondere kommt auch eine Absetzung wegen außergewöhnlicher technischer oder wirtschaftlicher Abnutzung (§ 7 Abs. 1 letzter Satz EStG) nicht in Betracht, weil nach dem Erörterten weder der für die Erstanlage der Straße etwa geleistete Anliegerbeitrag eines Rechtsvorgängers des Klägers noch der von diesem für die Straßenverbesserung entrichtete Beitrag zum Erwerb eines selbständigen, der Abnutzung unterliegenden Wirtschaftsgutes geführt haben (vgl. BFH-Urteile VIII R 43/68, BFHE 106, 516, BStBl II 1972, 931; VIII R 20/72, BFHE 106, 311, BStBl II 1972, 790). Sofort abzugsfähiger Erhaltungsaufwand des Klägers für die Straßenverbesserung liegt unstreitig nicht vor. Demnach kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen später einmal ein weiterer Beitrag des Klägers zur Straßenanlage zu leisten sein wird oder nicht. Entgegen der Meinung des FG ist in den Ausführungen des BFH-Urteils VI 100/63 S ein entscheidendes Gegenargument nicht zu finden.
Nach alledem entfällt eine steuermindernde Berücksichtigung des als Aufwand auf den Grund und Boden zu beurteilenden Straßenbaubeitrags. Die Klage war deshalb abzuweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 70836 |
BStBl II 1974, 337 |
BFHE 1974, 496 |