Leitsatz (amtlich)
1. Eine Entnahme liegt bereits dann vor, wenn eine eindeutige Entnahmehandlung festgestellt ist; auf die Vorstellungen des Steuerpflichtigen im Hinblick auf die spätere Verwendung des entnommenen Wirtschaftsguts kommt es nicht an.
2. Die Übertragung betrieblicher Gelder auf ein Privatkonto ist eine eindeutige Entnahmehandlung; "gemischte Bankkonten" sind steuerrechtlich nicht zulässig. Die Buchung ist in diesen Fällen für die Beurteilung des Vorgangs unbeachtlich.
Normenkette
EStG § 10a Abs. 2, § 4 Abs. 1 S. 2
Tatbestand
Streitig ist bei der Einkommensteuerveranlagung 1964 der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), ob ein auf ein Postsparbuch übertragenes betriebliches Postscheckguthaben dem Betriebsvermögen entnommen ist und insoweit, als diese Beträge den im Veranlagungszeitraum erzielten Gewinn übersteigen, als Mehrentnahmen der Nachversteuerung unterliegen (§ 10 a Abs. 2 Satz 1 EStG).
Die Klägerin hatte bis einschließlich des Veranlagungszeitraums 1963 die Begünstigung des nicht entnommenen Gewinns (§ 10 a EStG) in Anspruch genommen. Der für die Nachversteuerung in Betracht kommende Betrag war im Rahmen der Einkommensteuerveranlagungen 1961 bis 1963 mit insgesamt 9 853 DM besonders festgestellt worden.
Im Laufe des Jahres 1964 hatte die Klägerin zunächst 27 525,64 DM als Privatentnahme gebucht. Mit dieser Buchung wurden u. a. auch die Übertragung von insgesamt 14 500 DM von einem betrieblichen Postscheckkonto auf ein Postsparkonto erfaßt, das auf den Namen der Klägerin lautete. Einen Teil des auf diesem Postsparkonto angesammelten Guthabens wies die Klägerin erstmals in der am 3. Januar 1966 dem Beklagten und Revisionsbeklagten (FA) eingereichten berichtigten Bilanz zum 31. Dezember 1963 aus (insgesamt 3 000 DM). Im Rahmen der Abschlußbuchungen bei der Erstellung der am selben Tage eingereichten Bilanz zum 31. Dezember 1964 aktivierte die Klägerin - mit der Umbuchung "Postsparbuch an Privatentnahmen" - auch den bisher als Privatentnahme behandelten Betrag von 14 500 DM. Damit wies die Bilanz zum 31. Dezember 1964 einen Teilbetrag des gesamten Postsparguthabens von 17 500 DM aus. Sämtliche Zinserträge des Postsparguthabens wurden als private Einnahmen behandelt.
Aufgrund dieses bei einer Betriebsprüfung festgestellten Sachverhalts rechnete das FA die den Gewinn des Jahres 1964 um 6 362,97 DM übersteigenden Entnahmen dem Einkommen zum Zweck der Nachversteuerung zu (§ 10 a Abs. 2 Satz 1 EStG). Demgegenüber machte die Klägerin geltend, sie habe diese Gelder allein wegen der höheren Verzinsung vom betrieblichen Postschekkonto auf das Postsparbuch überführt; sie seien stets für betriebliche Zwecke bereitgehalten worden. Die Ausbuchung über das Privatkonto beruhe auf einem Formfehler, aus dem keine rechtlichen Konsequenzen gezogen werden dürften. Wirtschaftlich habe das Geld das Betriebsvermögen nie verlassen.
Einspruch und Klage blieben erfolglos. Das FG hielt auch den Hilfsantrag der Klägerin, die Hälfte der Mehrentnahme des Jahres 1964 der Nachversteuerung zu unterwerfen, für nicht begründet.
Mit der Revision beantragt die Klägerin, die Vorentscheidung aufzuheben und der Klage stattzugeben. Sie rügt Verletzung materiellen Rechts (§ 10 a Abs. 2 EStG); insbesondere sei der Begriff der Entnahme in § 10 a Abs. 2 EStG nicht mit dem in § 4 Abs. 1 EStG verwendeten identisch.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Dem Einkommen der Klägerin sind im Streitjahr insgesamt 6 362 DM Mehrentnahmen hinzuzurechnen; sie unterliegen im vollen Umfang der Nachversteuerung.
1. Die Klägerin hat den auf das Postsparbuch übertragenen Betrag von 14 500 DM aus ihrem Betriebsvermögen entnommen.
a) Was unter Entnahme i. S. des § 10 a EStG zu verstehen ist, ist in dieser Vorschrift nicht näher erläutert. § 10 a EStG will die Bildung betrieblichen Eigenkapitals fördern. Eine Entnahme setzt deshalb voraus, daß ein bisher zum Betriebsvermögen gehöriges Wirtschaftsgut für betriebsfremde Zwecke verwendet wird. Die von der Rechtsprechung zur näheren Bestimmung des Entnahmebegriffs in § 4 Abs. 1 Satz 2 EStG entwickelten Grundsätze sind deshalb für die Auslegung des § 10 a Abs. 2 EStG jedenfalls insoweit zu beachten, als sie sich auf die Abgrenzung des betrieblichen vom privaten Bereich beziehen (vgl. z. B. Urteil des Senats vom 25. Juli 1972 VIII R 41/68, BFHE 107, 115, BStBl II 1973, 13; Entscheidung des BFH vom 7. Februar 1964 VI 19/63 U, BFHE 79, 264, BStBl III 1964, 328). Es bedarf danach grundsätzlich einer Entnahme handlung, die die Verknüpfung des Wirtschaftsguts mit dem Betriebsvermögen löst (vgl. BFH-Beschluß vom 7. Oktober 1974 GrS 1/73, BFHE 114, 189, BStBl II 1975, 168, mit weiteren Nachweisen). Liegt eine solche Entnahmehandlung vor, so kommt es bei gewillkürtem Betriebsvermögen weder auf die weiterbestehende objektive Eignung des Wirtschaftsguts, dem Betrieb zu dienen - wie sie bei Barmitteln oder Bankguthaben regelmäßig gegeben ist (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 30. Juli 1964 IV 20/63 U, BFHE 80, 274, BStBl III 1964, 574; vom 6. November 1973 VIII R 12/71, BFHE 110, 552, BStBl II 1974, 67; Littmann, Das Einkommensteuerrecht, 11. Aufl. 1974, §§ 4/5 Tz. 258) -, noch darauf an, welche Pläne der Steuerpflichtige mit dem Wirtschaftsgut hat (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 3. Dezember 1964 IV 419/62 U, BFHE 81, 254, BStBl III 1965, 92; vom 26. September 1958 VI 153/56 U, BFHE 67, 447 BStBl III 1958, 444; vom 18. März 1965 IV 61/62 U, BFHE 82, 207, BStBl III 1965, 320, für die Entnahme von Bausparbeiträgen). Es ist entgegen der Ansicht der Klägerin unerheblich, welche Vorstellungen sie hinsichtlich der späteren Verwendung der entnommenen Wirtschaftsgüter - hier: Bildung einer Liquditätsreserve für den Betrieb - hatte (zur Unbeachtlichkeit des Motivs für die Beurteilung einer Einlage vgl. BFH-Urteil vom 18. Januar 1972 VIII R 125/69, BFHE 104, 419, BStBl II 1972, 344). Die Überführung betrieblicher Geldbestände in das Privatvermögen ist für den Steuerpflichtigen aus verschiedenen Gründen erwägenswert. Sie können sich - z. B. die Minderung der Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer nach dem Gewerbekapital - auch auf eine nur vorübergehende Entnahme aus dem Betriebsvermögen beziehen. Die notwendige betriebliche Bindung eines zum gewillkürten Betriebsvermögen geeigneten Wirtschaftsgutes besteht nur so lange fort, als eine Entnahmehandlung fehlt (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. August 1972 IV R 104/71, BFHE 107, 132, BStBl II 1972, 942; vgl. auch Urteil des Senats vom 14. November 1972 VIII R 100/69, BFHE 108, 304, BStBl II 1973, 289).
b) Die Feststellungen des FG lassen den Schluß auf das Vorliegen einer Entnahmehandlung zu.
aa) Können bisher als Betriebsvermögen ausgewiesene Wirtschaftsgüter weiterhin als Betriebsvermögen behandelt werden, so darf der Steuerpflichtige wählen, ob er diese Wirtschaftsgüter als Privatvermögen oder Betriebsvermögen behandeln will. Wie der Steuerpflichtige von seinem Wahlrecht Gebrauch gemacht hat, kann - insbesondere wenn die hierauf gerichtete Willensäußerung aus einer Willensbetätigung zu erschließen ist (vgl. dazu z. B. Flume, Allgemeiner Teil des Bürgerlichen Rechts, 2. Bd., 2. Aufl. 1975, S. 76 f.) - im Einzelfall zweifelhaft sein. Erforderlich ist eine eindeutige Entnahmehandlung (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 7. Oktober 1965 IV 346/61 U, BFHE 83, 462, BStBl III 1965, 666; vom 12. November 1964 IV 99/63 S, BFHE 81, 128, BStBl III 1965, 46; vom 18. April 1973 I R 57/71, BFHE 109, 505, BStBl II 1973, 700, und die im Beschluß GrS 1/73 angeführten Entscheidungen). Ob und wann eine solche vorliegt, ist durch Würdigung aller Umstände des Einzelfalles zu ermitteln (vgl. BFH-Urteil vom 27. März 1968 I 154/65, BFHE 92, 217, BStBl II 1968, 522, mit weiteren Nachweisen).
bb) Als wesentliches Beweisanzeichen hat die Rechtsprechung die Ausbuchung des Wirtschaftsgutes angesehen (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 17. März 1966 IV 186/63, BFHE 86, 21, BStBl III 1966, 350, mit weiteren Nachweisen), wobei der Darstellung in der laufenden Buchführung besonderes Gewicht zukommt (vgl. Littmann, a. a. O., §§ 4/5 Tz. 268). Solche erläuternden Auslegungen muß der Steuerpflichtige wegen ihres engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhangs mit der Entnahmehandlung in der Regel als Selbstinterpretation seiner Handlung gegen sich gelten lassen. Der Indizwert einer Buchung in diesem Sinne und damit ihre Maßgeblichkeit für die Beurteilung, ob eine Entnahmehandlung vorliegt, entfällt jedoch, wenn sie den zu beurkundenden Geschäftsvorfall zweideutig oder - wie insbesondere bei eigener rechtlicher Beurteilung des Vorgangs durch den Steuerpflichtigen - unzutreffend wiedergibt. In diesem Fall ist sie ggf. im Rahmen der Abschlußbuchungen zu berichtigen (zur Bilanz berichtigung in solchen Fällen vgl. z. B. BFH-Urteil vom 21. Juni 1972 I R 189/69, BFHE 106, 422, BStBl II 1972, 874).
cc) Die Berichtigung setzt voraus, daß eine Entnahmehandlung sich zweifelsfrei aus den objektiv erkennbaren Umständen ergibt, unter denen sie vorgenommen wurde. Die Übertragung von betrieblichen Bankguthaben auf ein Privatkonto ist ein solcher eindeutig auf eine Entnahmehandlung hinweisender Umstand, weil regelmäßig eine andere als diese Deutung nicht ernsthaft in Betracht kommt: "Gemischte Bankkonten", auf denen sowohl den privaten als auch den betrieblichen Vermögen zugehörige Guthaben ausgewiesen werden, sind steuerrechtlich nicht zulässig. Bankguthaben sind zwar als Wertschuld der Bank gegenüber ihrem Darlehensgeber bürgerlich-rechtlich teilbar und deshalb mit einem beliebigen Teilbetrag dem Gewerbebetrieb des Gläubigers zurechenbar. Ein gemischtes Bankkonto ermöglicht aber nicht die klare und eindeutige Erfassung des Betriebsvermögens und der Vermögensverschiebungen zwischen dem Betriebsvermögen und dem Privatvermögen, ohne die die steuerliche Gewinnermittlung nicht möglich ist. Dem Erfordernis der Abgrenzbarkeit beider Vermögensbereiche entspricht die Zuordnungsfunktion privater und betrieblicher Konten. Werden betriebliche Gelder auf ein Privatkonto übertragen, so weist das grundsätzlich auf eine Entnahmehandlung hin. Privatentnahmen durch Abbuchung von betrieblichen Konten werden üblicherweise in dieser Form vorgenommen; mit diesem Erklärungsinhalt sind sie deshalb dem Steuerpflichtigen zuzurechnen. Davon ist insbesondere dann auszugehen, wenn solche Übertragungen vom Steuerpflichtigen selbst in der Vergangenheit als Privatentnahmen mit allen damit verbundenen Folgewirkungen behandelt worden sind. Die für die Annahme eines hiervon abweichenden Erklärungsinhalts nolwendige Deutlichkeit der Erklärung kann grundsätzlich nur durch die Übertragung der Guthaben auf ein betriebliches Sparkonto erzielt werden.
c) Bei Berücksichtigung dieser Grundsätze kam es auf die - möglicherweise irrtümliche - Buchung des Vorgangs im Streitfall nicht an. Das Sparkonto gehörte bisher zum Privatvermögen der Klägerin. Sparkonten, die auf den Namen eines Steuerpflichtigen lauten, unter dem er auch im Geschäftsverkehr tätig wird, können zwar dem Privatbereich nicht schon stets aufgrund der Kontenbezeichnung zugerechnet werden (zur Indizwirkung der Kontenbezeichnung vgl. Canaris, Neue Juristische Wochenschrift 1973 S. 825 f.). Im Streitfall hat die Klägerin jedoch die auf diesem Konto angesammelten Guthaben als Privatvermögen, insbesondere auch sämtliche Zinserträge als Einkünfte aus Kapitalvermögen behandelt (zum Indizwert einer solchen Behandlung vgl. auch BFH-Urteile vom 16. November 1962 VI 148/61, Steuerrechtsprechung in Karteiform, Einkommensteuergesetz, § 10 Abs. 1 Nr. 2, Rechtsspruch 62; vom 22. Juni 1965 I 412/62, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1966 S. 7). Das weist eindeutig darauf hin, daß die Klägerin zur Abgrenzung gegenüber ihrem Geschäftskonto unter ihrem Namen ein privates Konto unterhalten wollte.
Das Guthaben wurde auch weder ganz noch teilweise durch eine Einlagehandlung zum Betriebsvermögen der Klägerin. Die Klägerin hat gleichzeitig mit der Bilanz zum 31. Dezember 1964 eine berichtigte Bilanz zum 31. Dezember 1963 eingereicht, in der sie erstmals einen Teil des Postsparguthabens aktivierte. Dieser Ausweis in der Bilanz ändert an der Zuordnung der Guthaben zum Privatvermögen im Streitjahr nichts. Die Klägerin hat weder im Streitjahr 1963 noch im Jahr 1964 tatsächliche Maßnahmen getroffen, die als Einlagehandlung angesehen werden und die Zuordnungswirkung des Privatkontos verändern könnten. Rückwirkende Einlagehandlungen als fiktive Geschäftsvorfälle gibt es nicht (vgl. z. B. BFH-Urteile vom 22. Juni 1967 I 192/64, BFHE 90, 114, BStBl II 1968, 4; vom 18. Januar 1972 VIII R 125/69, BFHE 104, 419, BStBl II 1972, 344; vom 4. April 1973 I R 159/71, BFHE 109, 337, BStBl II 1973, 628).
2. Die Entnahme kann nicht rückgängig gemacht werden. Das gilt nicht nur für den tatsächlichen Vorgang als solchen, sondern auch für die darauf beruhenden steuerlichen Auswirkungen. Ob und inwieweit diese Auswirkungen, von der ausgleichenden Wirkung einer entsprechenden Einlage im Veranlagungszeitraum abgesehen, auch bei nachgewiesenem Irrtum über die steuerrechtlichen Folgen der Entnahmehandlung rückwirkend beseitigt werden können (zu den Voraussetzungen einer solchen Rückgängigmachung vgl. z. B. BFH-Urteile I 192/64 und I R 57/71), braucht der Senat im Streitfall nicht zu entscheiden. Denn diese Voraussetzungen liegen nicht vor. Die Entnahmehandlung hat sich nicht nur - hinsichtlich der Zinserträge - auf die Höhe des gewerblichen Gewinns, sondern auch anderweitig bei der Gewerbesteuer und dem an die Mehrentnahme anknüpfenden Nachversteuerungstatbestand des § 10 a Abs. 2 EStG ausgewirkt. Auch die Möglichkeit einer Manipulation läßt sich nicht ausschließen. Ob und inwieweit eine Nachversteuerung durchzuführen ist, läßt sich erst nach Kenntnis des Jahresgewinns feststellen. In einem Zeitpunkt, in dem diese Auswirkung abzusehen ist, ist eine Einflußnahme auf den Steuertatbestand nicht mehr zulässig (vgl. z. B. Urteil des RFH vom 14. April 1931 VI A 2079/29, RStBl 1931, 348; auch BFH-Urteil vom 5. Februar 1970 IV 186/64, BFHE 99, 26, BStBl II 1970, 492).
3. Für die mit dem Hilfsantrag geltend gemachte Besteuerung der Hälfte des Mehrentnahmebetrages bietet das Gesetz keine Handhabe. Gemäß § 10 a Abs. 1 EStG ist zwar steuerbegünstigt nur der Gewinn bis zu 50 v. H. der Summe der nicht entnommenen Gewinne; diese Regelung bezieht sich jedoch nicht auf die in § 10 a Abs. 2 EStG vorgesehene Nachversteuerungspflicht.
Fundstellen
Haufe-Index 71530 |
BStBl II 1975, 811 |
BFHE 1976, 478 |