Leitsatz (amtlich)
Wird der Bau eines Geschäftshauses mit Mietvorauszahlungen und Bankdarlehen finanziert, so sind bei Berechnung des Finanzierungsbedarfs die Mieteinnahmen zunächst mit den laufenden Mietausgaben, sodann mit den Zinsverpflichtungen und der Rest der Mieteinnahmen mit dem Tilgungsdienst zu verrechnen. Ergibt sich bei einer solchen Berechnung eine Kapitallücke beim Zinsen- oder Tilgungsdienst, so kann in Schließung der Kapitallücke durch Gesellschaftermittel ein steuerpflichtiger Kapitalersatz liegen.
Normenkette
KVStG 1934 (1955) § 3
Tatbestand
Streitig ist, inwieweit für die Finanzierung eines Gebäudes Eigenkapital erforderlich ist.
Die Steuerpflichtige - Klägerin und Revisionsbeklagte - errichtete als Nießbraucherin in den Jahren 1952 und 1953 auf fremdem Grund und Boden ein Geschäftshaus mit einem Bauaufwand von 381 000 DM. Das Gebäude wurde Anfang 1953 fertiggestellt. Die Bausumme wurde durch Bankdarlehen und Mietvorauszahlungen aufgebracht. Die Bankdarlehen betrugen nach dem Stand vom 31. Dezember 1953 191 000 DM und die Mietvorauszahlungen im gleichen Zeitpunkt 164 070 DM. Das Anwesen liegt in hervorragender Geschäftslage und bringt der Steuerpflichtigen gute Mieterträge.
An Eigenmitteln stand der Steuerpflichtigen nur das eingezahlte Stammkapital von 5 000 DM zur Verfügung. Am Stammkapital von 20 000 DM sind beteiligt der Kaufmann W. mit 16 000 DM und seine Ehefrau mit 4 000 DM. Die Anteilseigner sind gleichzeitig Gesellschafter der W.-Kommanditgesellschaft - Immobilienmakler, Hausverwaltungen - (KG). Die KG hat der Steuerpflichtigen mit folgenden Beträgen ausgeholfen:
Büro- und Verrechnungs
Verwaltungs- konto-
kosten Vorlagen
31. Dezember 1953 3 000 DM 25 243 DM
31. Dezember 1954 19 600 DM 54 042 DM
31. Dezember 1955 31 400 DM 31 046 DM
31. Dezember 1956 43 200 DM 52 374 DM
31. Dezember 1957 55 000 DM 136 610 DM
31. Dezember 1958 66 800 DM 136 331 DM
Das FA nahm wegen dieser Schulden Forderungsstundungen als vorliegend an und forderte mit Steuerbescheid vom 3. August 1960 eine Gesellschaftsteuer von
3 % von 66 800 DM ./. 3 000 DM = 63 800 DM
3 % von 136 331 DM ./. 25 243 DM = 111 088 DM
zusammen 174 888 DM
= 5 246,60 DM
an.
In der Einspruchsentscheidung ermäßigte das FA die Steuerforderung auf 3 % von 152 000 DM = 4 560 DM mit der Erwägung, der Mindestkapitaleinsatz für das Bauvorhaben müsse mit rund 40 % der Baukosten von 381 000 DM = rund 152 000 DM angenommen werden.
Das FG gab dem Antrag der Steuerpflichtigen auf Freistellung mit folgender Begründung statt. Die den Gesellschaftern der Steuerpflichtigen zuzurechnende Forderungsstundung (§ 3 Abs. 3 in Verbindung mit § 4 KVStG) ersetze keine durch die Sachlage gebotene Kapitalzuführung. Die Gesellschafterkredite seien nicht für Investitionen gegeben worden, sondern seien erst lange nach Fertigstellung des Gebäudes als Betriebsmittelkredite gegeben worden. Der Ausnahmefall, daß ein Betriebsmittelkredit steuerpflichtig sei, liege nicht vor. Die Steuerpflichtige habe überzeugend und unwidersprochen dargelegt, daß während der Dauer des 20jährigen Nießbrauchs (bis zum 31. Dezember 1972) ein Überschuß von rund 400 000 DM zu erwarten sei. Die Steuerpflichtige sei ein durchaus gesundes Unternehmen, das sämtlichen Verpflichtungen auch mit ihrer geringen Kapitalausstattung nachkommen könne.
Das FA rügt in der Rb. unrichtige Rechtsanwendung. Es verweist darauf, daß die Baukosten zunächst kurzfristig finanziert seien, die endgültige Finanzierung sei durch Gesellschaftermittel erfolgt.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die nach Inkrafttreten der FGO als Revision zu behandelnde Rb. des FA führt zur Aufhebung der Vorentscheidung.
Der Senat hat bei Geschäftshausbauten, die von Hypothekenbanken als beleihbar anerkannt werden, einen Eigenkapitaleinsatz von 40 % gefordert (Urteil II 100/59 U vom 26. Oktober 1962, BFH 76, 22, BStBl III 1963, 9). Die in diesem Urteil angestellten Erwägungen sind für den Streitfall nicht anwendbar; denn das Nießbrauchsrecht ist keine Kreditgrundlage, da es weder gepfändet noch verpfändet noch mit einem Nießbrauch belastet werden kann (§ 1059b BGB). Beim steuerbegünstigten Wohnungsbau hat der Senat für die Zeit bis 1952 einen Eigenkapitalanteil von 30 bis 35 Prozent als angemessen bezeichnet; beim öffentlich geförderten Wohnungsbau hat er einen Eigenkapitalanteil von 15 % der Gesamtherstellungskosten als ausreichend erachtet (Urteile II 56/52 S vom 7. Mai 1952, BFH 56, 468, BStBl III 1952, 181; II 176/57 U vom 28. März 1962, BFH 74, 635, BStBl III 1962, 236).
Das FG hat rechtlich und tatsächlich den langfristigen Finanzierungsbedarf als durch die abgeschlossenen Verträge gedeckt angesehen. Es hat die hier streitigen Gesellschafterforderungen ohne weiteres als reine Betriebsmittelkredite behandelt. Das FG hätte prüfen müssen, ob nicht im Wege der Umfinanzierung kurzfristige Investitionskredite durch Gesellschaftermittel abgelöst sind.
Es ist denkbar, daß ein Bauherr die Finanzierungsverträge äußerst günstig abschließt und derartig langfristig gestundete Mietvorauszahlungen und sonstige langfristig vorgelegte Gelder erhält, daß durch die laufenden jährlichen Mieteinnahmen die Tilgung aller Darlehen und auch die Begleichung aller laufenden jährlichen Hausunkosten gesichert erscheinen. In einem solchen Falle kann es gerechtfertigt sein, eine geringere Eigenkapitalquote als 40 % zu fordern. Es ist jedoch entgegen der Meinung des FG nicht angängig, eine Eigenkapitaldeckung überhaupt nicht zu fordern. Das geringe Eigenkapital von 5 000 DM kann nach Lage des Falles als bereits anderweitig gebunden bei der Berechnung ausgeschieden werden.
Das FG hat keine Feststellungen darüber getroffen, in welchem Zeitraum die Mietvorauszahlungen mit den Mieteinnahmen zu verrechnen sind und wie die Bankdarlehen von der Bauherrin zu tilgen waren. Es hat weiter nicht geprüft, ob die laufenden Mieteinnahmen die laufenden Tilgungsraten und die laufenden Bewirtschaftungskosten laufend decken würden. Die Gewährung von Vorschüssen durch die KG, an der die Gesellschafter beteiligt waren, spricht zunächst dafür, daß die erwähnten Aufwendungen durch die laufenden Mieteinnahmen nicht voll abgedeckt werden konnten. In einem solchen Falle können die zunächst bereitgestellten Mittel zu Zwischenfinanzierungsmitteln werden mit der Folge, daß den Gesellschaftern nach § 4 Satz 2 KVStG zuzurechnende Forderungsstundungen steuerpflichtig sein können (§ 3 KVStG). Die Steuerpflicht derartiger Forderungsstundungen kann nicht dadurch vermieden werden, daß eine vorhandene Kapitallücke dadurch als Lücke bei den Betriebsmitteln ausgewiesen wird, daß die laufenden Mieteinnahmen vorab zur Tilgung der Bauaufwendungen und zum sonstigen Kapitaldienst verwendet werden und die verbleibenden, nicht bezahlten sonstigen Mietaufwendungen durch neue Kredite der Gesellschafter abgedeckt werden. Für die gesellschaftsteuerliche Kapitalbedarfsrechnung sind die Mieteinnahmen zunächst für die laufenden Mietausgaben bereitzustellen. Die danach verbleibenden Mieteinnahmen sind zunächst für den Zinsendienst und dann erst für den Tilgungsdienst zu verwenden. Ergibt eine solche Berechnung eine Kapitallücke beim Zinsen- und Tilgungsdienst, so kann in der Schließung dieser Kapitallücke durch Gesellschaftermittel ein steuerpflichtiger Kapitalersatz liegen.
Nach dem Nießbrauchsvertrage zwischen der Steuerpflichtigen und den Eigentümern von Grund und Boden scheint das jährliche Nießbrauchsentgelt von 30 000 DM die Kapitalverzinsung für Grund und Boden darzustellen. Da das Geschäftshaus nach 20 Jahren entschädigungslos an die Eigentümer von Grund und Boden fällt, ist der Wert des Geschäftshauses im Zeitpunkt des Ablaufs des Nießbrauchs (31. Dezember 1972) noch eine weitere Entschädigung für die Benutzung von Grund und Boden. Danach scheint nach dem Stand der Akten der Wert des Grund und Bodens die Herstellungskosten des Bauwerks von 381 000 DM zu übersteigen. Ein außerordentlich hoher Anteil der durchschnittlichen Jahresmiete 1953 bis 1958 von 104 000 DM ist daher bereits durch den Dienst für den hohen Bodenwertanteil gebunden. Wird weiter in Betracht gezogen, daß die Steuerpflichtige sämtliche Bewirtschaftungs- und Instandhaltungskosten zu tragen hatte, so durfte das FG die Behauptung der Steuerpflichtigen nicht ohne weiteres als richtig hinnehmen, daß bei einem Überschuß von 400 000 DM während des Nießbrauchs Eigenmittel für die Errichtung des Geschäftshauses nicht erforderlich seien.
Die Sache wird an das FG zurückverwiesen, das unter Beachtung der obigen Ausführungen die Höhe des Kapitalbedarfs festzustellen hat.
Fundstellen
Haufe-Index 67975 |
BStBl II 1968, 391 |
BFHE 1968, 496 |