Entscheidungsstichwort (Thema)
Gegenstand des Erwerbsvorgangs bei mehreren Verträgen; Grundstück mit noch zu errichtendem Gebäude
Leitsatz (NV)
1. Der enge sachliche Zusammenhang zwischen den Verträgen auf Übertragung des Grundstücks und auf Errichtung eines Gebäudes auf diesem kann sich daraus ergeben, daß der Gebäudeerrichtungsvertrag vor dem Grundstückskaufvertrag abgeschlossen wird.
2. Sind die aus den Verträgen Verpflichteten nicht identisch, so wird damit der enge sachliche Zusammenhang nicht notwendigerweise ausgeschlossen.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1, § 8 Abs. 1, § 9 Abs. 1 Nr. 1
Verfahrensgang
Schleswig-Holsteinisches FG |
Tatbestand
Durch schriftlichen Vertrag vom 19. März 1986 beauftragten die Kläger die Firma A mit der Errichtung eines Reihenhauses ,,lt. beigefügtem Plan auf dem Grundstück in . . ." Die Bebauung sollte entsprechend beigefügten Plänen und einer Baubeschreibung zu einem Festpreis von . . . DM erfolgen. Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 13. Mai 1986 (Angebot), 6. Juni 1986 (Annahme) erwarben die Kläger von der B-Gesellschaft als Miteigentümer je zur Hälfte 1/7 Miteigentumsanteil an dem im schriftlichen Vertrag vom 19. März 1986 bezeichneten Grundstück. Dem Grundstückskaufvertrag war als Anlage ein Lageplan der Firma A über die Errichtung von Reihenhäusern beigefügt, auf dem der auf die Kläger entfallende Flächenanteil gekennzeichnet war. Der Bauantrag für die Errichtung des Reihenhauses der Kläger war bereits am 7. Februar 1986 von der Firma A gestellt worden. Dieser wurde die Baugenehmigung am 5. Mai 1986 erteilt.
Das beklagte Finanzamt (FA) setzte durch Bescheide vom 19. September 1986 gegen jeden der Kläger Grunderwerbsteuer fest. Es bezog dabei den ,,Kaufpreis" für das Gebäude in die Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer mit ein. Die Bescheide ergingen unter dem Vorbehalt der Nachprüfung.
Mit der Klage wurde - sinngemäß - geltend gemacht, daß nur der für das Grundstück selbst entrichtete Kaufpreis Bemessungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer sei.
Das Finanzgericht (FG) hat der Klage stattgegeben und unter Abänderung der Grunderwerbsteuerbescheide in Gestalt der Einspruchsentscheidung die Grunderwerbsteuer auf jeweils . . . DM festgesetzt. Die Unterscheidung des Kaufs eines unbebauten von dem eines bebauten (noch zu bebauenden) Grundstücks könne nur nach den Merkmalen des bürgerlichen Rechts getroffen werden. Gegenstand des Kaufvertrags sei im Streitfall nur das Grundstück ohne Gebäude. Der Werkvertrag sei mit dem Grundstückskaufvertrag nicht verknüpft.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung der §§ 1, 8 und 9 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) 1983.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
1. Das FG hat den grunderwerbsteuerrechtlichen Begriff des Gegenstandes des Erwerbsvorgangs verkannt.
Der notariell beurkundete Vertrag über den Erwerb der Miteigentumsanteile an dem Grundstück ist ein (jeweils) der Grunderwerbsteuer unterliegender Rechtsvorgang i. S. v. § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983. Die Steuer dafür bemißt sich nach dem Wert der Gegenleistung (§ 8 Abs. 1 GrEStG 1983). Als Gegenleistung gelten bei einem Kauf der Kaufpreis einschließlich der vom Käufer übernommenen sonstigen Leistungen und der dem Verkäufer vorbehaltenen Nutzungen (§ 9 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG 1983).
Zur Gegenleistung rechnet jede Leistung, die der Erwerber als Entgelt gewährt für den Erwerb des Grundstücks in dem Zustand, in dem es Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist (ständige Rechtsprechung, vgl. Entscheidung des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. Dezember 1988 II B 47/88, BFHE 155, 419, BStBl II 1989, 333). Entscheidend für die Bestimmung der zutreffenden Besteuerungsgrundlage ist grundsätzlich nicht, in welchem Zustand sich das Grundstück im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses befindet, sondern in welchem Zustand das Grundstück erworben werden soll. Zwar kann ein Grundstück nicht in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht werden, der nicht mehr besteht (und auch nicht wieder herbeigeführt werden soll), es kann jedoch in einem Zustand zum Gegenstand des Erwerbsvorgangs gemacht werden, in den es erst zu versetzen ist (vgl. Boruttau / Egly / Sigloch, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 12. Aufl., Vorbemerkungen, Rdnrn. 588 ff.).
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs wird zunächst durch das den Steuertatbestand erfüllende (zivilrechtliche) Verpflichtungsgeschäft bestimmt. Ergibt sich die Verpflichtung zur Übereignung des Grundstücks und zur Errichtung eines Gebäudes zwar aus zwei (oder mehreren) an sich selbständigen Verträgen, sind diese Verträge jedoch aufgrund ihres rechtlichen Zusammenhangs als einheitlicher Vertrag anzusehen, so ist grunderwerbsteuerrechtlich Gegenstand des Erwerbsvorgangs das Grundstück in bebautem Zustand (vgl. z. B. BFH-Urteil vom 4. Mai 1983 II R 6/82, BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609). Die (zivilrechtliche) Verbindung der Verträge kann sich daraus ergeben, daß sie in ihrer Gültigkeit ausdrücklich voneinander abhängig gemacht werden (vgl. Entscheidung des Bundesgerichtshofs - BGH - vom 24. November 1983 VII ZR 34/83, Neue Juristische Wochenschrift - NJW - 1984, 869). Ein rechtlicher Zusammenhang zwischen den Verträgen besteht aber auch dann, wenn die Vereinbarungen - ohne eine solche ausdrückliche Bestandsverknüpfung - nach dem Willen der Parteien derart voneinander abhängig sind, daß sie miteinander ,,stehen oder fallen" sollen. Auch wenn nur einer der Vertragspartner einen solchen Einheitswillen erkennen läßt und die andere Partei ihn anerkennt oder zumindest hinnimmt, kann ein einheitliches Vertragswerk vorliegen (vgl. BGH in NJW 1984, 869; für die Grunderwerbsteuer vgl. z. B. BFH-Entscheidungen vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741, und vom 21. Dezember 1982 II R 124/79, BFHE 135, 217, BStBl II 1982, 330).
Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist das Grundstück in bebautem Zustand schließlich auch, wenn die Verträge zwar nicht durch den Willen der Parteien rechtlich verknüpft sind, zwischen den Verträgen jedoch ein so enger sachlicher Zusammenhang besteht, daß der Erwerber bei objektiver Betrachtungsweise als einheitlichen Leistungsgegenstand (vgl. dazu BFH-Entscheidungen vom 29. Juni 1988 II R 258/85, BFHE 154, 149, BStBl II 1988, 898, und vom 18. September 1985 II B 24-29/85, BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627) das bebaute Grundstück erhält. Dies ist der Fall, wenn dem Erwerber aufgrund einer in bautechnischer und finanzieller Hinsicht ganz konkreten und bis (annähernd) zur Baureife gediehenen Vorplanung (vgl. dazu BFH-Entscheidungen in BFHE 144, 280, BStBl II 1985, 627, und in BFHE 138, 480, BStBl II 1983, 609) ein bestimmtes Gebäude auf einem bestimmten Grundstück zu einem im wesentlichen feststehenden Preis angeboten wird und er dieses Angebot als einheitliches annimmt oder nur insgesamt annehmen kann. Zur Begründung dieser Auslegung verweist der Senat auf seine Entscheidungen vom 18. Oktober 1989 II R 85/87 (BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181) und II R 143/87 (BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183) sowie vom 24. Januar 1990 II R 94/87 (BFHE 160, 284, BStBl II 1990, 590).
Auf der Veräußererseite können auch mehrere Personen als Vertragspartner auftreten (vgl. BFH-Urteil vom 23. Juni 1982 II R 155/80, BFHE 136, 427, BStBl II 1982, 741). Es ist dabei nicht ausschlaggebend, daß der Grundstücksübereignungsanspruch und der Anspruch auf Errichtung des Gebäudes sich zivilrechtlich gegen verschiedene Personen richten. Entscheidend ist vielmehr, daß (auch) der den Grundstücksübereignungsanspruch begründende Vertrag in ein Vertragsgeflecht miteinbezogen ist, das unter Berücksichtigung aller Umstände darauf gerichtet ist, dem Erwerber als einheitlichen Leistungsgegenstand das Grundstück in bebautem Zustand zu verschaffen (vgl. BFH in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183, m. w. N.).
Der Gegenstand des Erwerbsvorgangs ist nach den dargelegten Grundsätzen im Einzelfall unter Heranziehung aller relevanten Umstände zu bestimmen. Für eine derartige Abwägung aller Umstände des Einzelfalles enthalten die Entscheidungen des Senats in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181 und in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183 beispielgebende Hinweise. Danach kann sich der enge sachliche Zusammenhang zwischen mehreren Verträgen daraus ergeben, daß die Erwerber sich bereits vor Abschluß des Kaufvertrags über das Grundstück hinsichtlich der zur Errichtung des Gebäudes auf diesem Grundstück erforderlichen Verträge zivilrechtlich gebunden haben (vgl. Urteil in BFHE 158, 483, BStBl II 1990, 181). Diese Voraussetzung ist im Streitfall erfüllt. Bereits vor dem Abschluß des Grundstückskaufvertrags haben die Kläger den Vertrag über die Errichtung des Reihenhauses abgeschlossen. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Grundstückskaufvertrags waren sie daher in ihrer Entscheidung über das ,,ob" und ,,wie" einer Bebauung nicht mehr frei. Der dadurch indizierte objektive enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen wird nicht dadurch ausgeschlossen, daß sich die Kläger in der Folge von den Verträgen über die Errichtung des Gebäudes rechtlich wieder hätten lösen können - ggf. unter Hinnahme von rechtlichen Nachteilen -, ohne daß dadurch notwendigerweise der Bestand des Grundstückskaufvertrags berührt würde. Derartige möglicherweise nachträglich eintretende Umstände sind erst dann zu berücksichtigen, wenn sie tatsächlich eintreten (vgl. § 16 GrEStG 1983).
Der Grundstücksveräußerer und die Verpflichteten aus den Verträgen über die Errichtung des Hauses sind im Streitfall rechtlich nicht identisch. Dadurch ist der enge sachliche Zusammenhang zwischen den beiden Verträgen jedoch nicht ausgeschlossen. Nach Auffassung des Senats kann ein solcher gleichwohl zwischen den Verträgen dann bestehen, wenn die auf der Veräußererseite auftretenden Personen aufgrund einer vertraglichen Abrede (z. B. Maklervertrag) bei der Veräußerung zusammenarbeiten und durch abgestimmtes Verhalten auf den Abschluß der beiden Verträge hinzielen (vgl. Urteil in BFHE 158, 477, BStBl II 1990, 183). Im Streitfall hat das FG - ausgehend von seiner Rechtsauffassung - keine Feststellungen über das Bestehen einer derartigen vertraglichen Verbindung zwischen Grundstücksveräußerer und den zur Errichtung des Reihenhauses Verpflichteten getroffen. Die negative Feststellung des FG, es lägen keine Hinweise vor für eine ,,Verflechtung" der beiden auf der Veräußererseite auftretenden Unternehmen, versteht der Senat dahin, daß damit lediglich das Vorliegen einer gesellschaftsrechtlichen oder personellen Verbindung zwischen beiden Unternehmen als ausgeschlossen betrachtet wird, nicht aber das Bestehen einer vertraglichen Abrede im dargelegten Sinne.
2. Die Entscheidung des FG geht von anderen Rechtsgrundsätzen aus. Sie ist daher aufzuheben. Die Sache ist jedoch nicht spruchreif. Das FG hat nicht alle Umstände festgestellt, die ausgehend von der Rechtsauffassung des erkennenden Senats entscheidungserheblich sind. Die Sache ist daher zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurückzuverweisen.
Fundstellen
Haufe-Index 417629 |
BFH/NV 1992, 55 |