Leitsatz (amtlich)
Ist durch einen unanfechtbar gewordenen Steuerbescheid der Erwerb eines Grundstücks einschließlich des möglicherweise auf fremdem Grund und Boden errrichteten Gebäudes besteuert worden, dann ist es unzulässig, einen Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude als zweiten Erwerbsvorgang gesondert zu besteuern.
Normenkette
GrEStG § 1 Abs. 1 Nr. 1; GrEStSWG ND 1966 § 1 Nr. 5; GrEStG § 2 Abs. 2 Nr. 3; BGB §§ 93-95
Tatbestand
Der Kläger und der Kaufmann X waren die Gesellschafter einer KG und zugleich einer GmbH, der Kläger mit je 90 v. H. Anteilen. Auf einem Grundstück der KG hatte die GmbH mit ihren Mitteln ein Wohnhaus errichtet, das der Kläger bewohnte.
Durch notariellen Vertrag vom 25. Mai 1956/30. August 1956 verkauften die KG und die GmbH - vertreten durch den Gesellschafter X - das Grundstück an den Kläger "mit allen darauf stehenden Gebäulichkeiten, Anlagen usw. zum Gesamtkaufpreis von 249 400 DM"; davon entfielen auf das Grundstück 33 400 DM, auf das Gebäude 216 000 DM. Das FA (Beklagter) forderte vom Kläger durch einen am 2. August 1957 für endgültig erklärten, unanfechtbar gewordenen Steuerbescheid vom 22. Juni 1956 (Steuerbescheid I) auf Grund des Vertrags vom 25. Mai 1956 aus einer Gegenleistung von 24 940 DM eine Grunderwerbsteuer von 1 745,80 DM an. Als Veräußerer ist eingangs die KG bezeichnet; in den Erläuterungen des Steuerbescheides I heißt es: "Auf den Erwerb des Grundstücks von den Firmen ... KG und ... GmbH findet die Vergünstigungsvorschrift des § 6 Abs. 2 GrEStG Anwendung ...".
Auf Grund einer Betriebsprüfung setzte der Beklagte durch Berichtigungsbescheid vom 24. April 1959 (Steuerbescheid II) eine höhere Steuer von 18 396 DM fest, dies außer wegen angeblich höheren Kaufpreises deshalb, weil § 6 Abs. 2 GrEStG nur auf den Erwerb des Grundstücks ohne Gebäude anzuwenden sei. Das FG hob den Steuerbescheid II durch rechtskräftig gewordenes Urteil III v 92/59 vom 28. April 1961 auf, da es das Vorliegen der Voraussetzungen des § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO verneinte.
Durch Steuerbescheid vom 26. Juli 1961 (Steuerbescheid III) forderte der Beklagte vom Kläger auf Grund des Vertrags vom 25. Mai 1956 aus einer Gegenleistung von 216 000 DM eine neue Grunderwerbsteuer von 15 120 DM an mit der Begründung, daß durch den Steuerbescheid I nur der Erwerb "des unbebauten Grundstücks" zur Steuer herangezogen worden sei und daß hiermit der Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude von der GmbH nachversteuert werde. Gleichzeitig berichtigte der Beklagte auf Weisung der Aufsichtsbehörde gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO durch unanfechtbar gewordenen Steuerbescheid vom 26. Juli 1961 (Steuerbescheid IV) den Steuerbescheid I, in dem es aus 3 340 DM = 1/10 der Gegenleistung für "den Erwerb des Grundstücks und der gärtnerischen Anlagen" eine Grunderwerbsteuer von 233,80 DM festsetzte.
Mit Einspruch und Berufung erstrebte der Kläger erfolglos die Aufhebung des Steuerbescheids vom 26. Juli 1961 (Steuerbescheid III).
Das FG teilte die Auffassung des Beklagten, daß durch den Steuerbescheid I nur der Erwerbsvorgang zwischen der KG und dem Kläger besteuert worden sei, so daß durch den Steuerbescheid IV der Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude von der GmbH erstmals dem Grund und der Höhe nach zutreffend zur Grunderwerbsteuer herangezogen worden sei.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Rechtsbeschwerde - jetzt Revision - ist begründet.
Der Beklagte vertritt nunmehr die Auffassung, daß dem notariellen Vertrag vom 25. Mai 1956 zwei getrennte Erwerbsvorgänge zugrunde lägen, nämlich der Erwerb des "unbebauten Grundstücks" von der KG und der Erwerb der Verwertungsbefugnis von der GmbH. Durch den Steuerbescheid I habe er nur den erstgenannten Vorgang besteuert; deshalb habe der Erwerb der Verwertungsbefugnis am Gebäude von der GmbH gemäß § 1 Abs. 2 GrEStG noch nachträglich erstversteuert werden müssen.
Diese Auffassung geht zurück auf die Rechtsmeinung des FG in dem Urteil vom 28. April 1961. Dieses Urteil ist zwar insoweit in Rechtskraft erwachsen, als es unter Aufhebung des Berichtigungsbescheids II den hiermit geltend gemachten Mehrsteueranspruch verneinte; die Rechtskraftwirkung dieses Urteils erstreckte sich aber nicht auf die in dessen Gründen dargelegten obigen Rechtsausführungen. Der Senat vermag sich diesem - vom Beklagten nachträglich vertretenen - Rechtsstandpunkt nicht anzuschließen.
Es mag unterstellt werden, daß die GmbH tatsächlich die sogenannte Verwertungsbefugnis am Gebäude im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG hatte (zur Problematik, insbesondere des sogenannten wirtschaftlichen Eigentums einer Personengesellschaft an einem Grundstück s. Urteil des Senats II 72/65 vom 27. Oktober 1970, BFH 101, 126, BStBl II 1971, 278) und daß unter dieser Voraussetzung das Gebäude ein solches auf fremdem Grund und Boden im Sinne des § 2 Abs. 2 Nr. 3 GrEStG war. Die GmbH hatte nach dem Vorspruch des vom FG in Bezug genommenen notariellen Vertrags vom 25. Mai 1956 auf dem Grundstück ein Wohnhaus errichtet, das der Kläger bewohnt. Es ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, daß das Gebäude nur zu einem vorübergehenden Zweck oder in Ausübung eines Rechts an dem Grundstück von der GmbH errichtet worden wäre. Der Notar hat vielmehr in dem Vorspruch zu dem notariellen Vertrag vom 25. Mai 1956 ausdrücklich festgestellt, daß die Voraussetzungen des § 95 BGB nicht vorlagen. Unter diesen Umständen ist davon auszugehen, daß das Gebäude als wesentlicher Bestandteil des Grundstücks (§ 94 BGB) nicht Gegenstand besonderer Rechte sein konnte (§ 93 BGB); damit stimmt überein, daß hinsichtlich des Gebäudes nur von der Übertragung der Verwertungsbefugnis - § 1 Abs. 2 GrEStG - die Rede ist, während bei Übertragung eines sonderrechtsfähigen Gebäudes die Vorschrift des § 1 Abs. 1 GrEStG in Betracht käme (vgl. Boruttau/Klein, Grunderwerbsteuergesetz, Kommentar, 9. Aufl., § 2, Tzn. 52 ff., 55). Somit war im bürgerlich-rechtlichen Sinn alleiniger Eigentümer des Grundstücks (§ 903 ff. BGB) einschließlich des Gebäudes (§ 946 BGB) die KG. Nur sie konnte das Eigentum auch am Gebäude auf den Kläger übertragen (§ 873 BGB) und die Auflassung erklären (§ 925 BGB).
Nur in diesem Sinne ist auch der notarielle Kaufvertrag vom 25. Mai 1956 dahin zu deuten, daß der Anspruch des Klägers auf Übertragung des rechtlichen Eigentums am Grundstück einschließlich des Gebäudes (§ 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG) nur gegen die KG begründet werden sollte und begründet worden ist.
Auch wenn man also davon ausgeht, daß der Steuerbescheid I nur den Erwerbsvorgang zwischen dem Kläger und der KG betrifft, so umfaßt bereits dieser Steuerbescheid I das auf den zivilrechtlichen Erwerb des Grundstücks einschließlich des Gebäudes gerichtete Rechtsgeschäft. Des (zusätzlichen) Erwerbs der tatsächlichen Verwertungsbefugnis im Sinne des § 1 Abs. 2 GrEStG durch den Kläger von der GmbH bedurfte es - jedenfalls in einem solchen Fall, in dem nur ein Erwerber bereits den Rechtsanspruch auf das das Gebäude umfassende Grundstück erwirbt - nicht (vgl. auch - bei ohnehin unverändertem Kaufpreis - den grunderwerbsteuerrechtlichen Rechtsgedanken des § 1 Abs. 5 Satz 3 GrEStG). Für die Beantwortung der grunderwerbsteuerrechtlich erheblichen Frage, was Gegenstand eines Erwerbsvorganges (vgl. Überschrift vom § 1 GrEStG) ist und von wem ein Grundstück erworben wird, sind in einem solchen Falle die Rechtsbeziehungen zwischen dem Grundstückseigentümer und dem Errichter eines Gebäudes auf ihm fremdem Grund und Boden (zunächst) unwesentlich. Diese Rechtsbeziehungen und ihre möglichen grunderwerbsteuerrechtlichen Auswirkungen wegen des Gebäudes sind nicht Gegenstand dieses nur den Kläger als Erwerber betreffenden Rechtsstreits; deren Prüfung ist hier außer Betracht zu lassen.
Aus den vorstehenden Erwägungen ist es auch unerheblich, daß und weshalb in der notariellen Urkunde vom 25. Mai 1956 auch die - durch denselben Gesellschafter wie die KG vertretene - GmbH als "Verkäuferin" des Grundstücks mit allen Gebäulichkeiten aufgeführt ist. Dies kann ein Akt notarieller Vorsicht gewesen sein; vielleicht sollte auch nur klargestellt werden, daß der Kläger den auf das Gebäude entfallenden, der KG gebührenden Kaufpreisanteil auf Grund der Vereinbarungen zwischen KG und GmbH unmittelbar an die GmbH zur Abgeltung von deren Ausgleichsansprüchen gegen die KG abführen sollte. Das alles kann - wie gesagt - offen bleiben. Entscheidend ist allein, daß der Beklagte durch den Steuerbescheid I den bürgerlich-rechtlichen Rechtserwerb des Grundstücks einschließlich des Gebäudes durch den Kläger von der KG umfaßt. Damit stimmt einerseits überein, daß der Beklagte - in Übereinstimmung mit der Veräußerungsanzeige des Notars - als Veräußerer (nur) die KG bezeichnet hat; das ergibt sich außerdem eindeutig vor allem daraus, daß der Beklagte als Wert der Gegenleistung den vollen - wenn auch wegen Anwendung des § 6 Abs. 2 GrEStG nur mit 10 v. H. angesetzten -, d. h. auch den auf das Gebäude entfallenden Kaufpreis angesetzt hat, und zwar in einer Summe. Diese Berechnung wäre in sich unverständlich, wenn der Beklagte mit dem Steuerbescheid I nur einen Erwerb des Grund und Bodens hätte besteuern wollen.
Bei dieser Betrachtung ist auch die weitere rechtliche Folgerung des Beklagten richtig gewesen, daß auf den Erwerb des Grundstücks einschließlich des Gebäudes nur von der KG als Veräußerin die Vergünstigung des § 6 Abs. 2 GrEStG in vollem Umfang anzuwenden war. Wenn der Beklagte nunmehr durch den Steuerbescheid IV den Steuerbescheid I "berichtigt" hat und als Wert der Gegenleistung nur den (mit 10 v. H. angesetzten) auf den Grund und Boden entfallenden Kaufpreisanteil von 33 400 DM angenommen hat, so liegt auch hierin die Bestätigung, daß bereits der Steuerbescheid I auch den Erwerb des Gebäudes von der KG erfaßt hatte.
Bei dieser Rechtslage war es unzulässig, den gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG bereits unanfechtbar besteuerten Erwerb des Grundstücks einschließlich des Gebäudes durch den, wenn auch auf § 1 Abs. 2 GrEStG gestützten, aber ebenfalls das Gebäude betreffenden Steuerbescheid III ein zweites Mal zu besteuern. Somit war der Steuerbescheid III unter Aufhebung des angefochtenen FG-Urteils und der Einspruchsentscheidung des Beklagten aufzuheben (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 FGO).
An diesem Ergebnis ändert sich auch dadurch nichts, daß der Beklagte gleichzeitig den Steuerbescheid I durch den Steuerbescheid IV in der beschriebenen Weise gemäß § 222 Abs. 1 Nr. 4 AO zugunsten des Klägers berichtigt hat. Die Steuerbescheide I und IV sind nicht Gegenstand dieses Verfahrens; der Steuerbescheid IV ist überdies unanfechtbar geworden.
Fundstellen
Haufe-Index 69549 |
BStBl II 1971, 692 |
BFHE 1972, 11 |