Entscheidungsstichwort (Thema)
Umsatzsteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Gastwirt ist hinsichtlich des in seinem Gastwirtschaftsgebäude im Auftrage einer Brauerei durchgeführten Verkaufes von Flaschenbier umsatzsteuerrechtlich dann Vermittler und nicht Eigenhändler, wenn er den Abnehmern gegenüber eindeutig erkennbar im Namen der Brauerei auftritt.
Normenkette
UStG § 1 Ziff. 1
Tatbestand
Der Steuerpflichtige, der eine Gastwirtschaft mit Metzgerei betreibt, vereinbarte 1956 mit einer Brauerei die Einrichtung eines Flaschenbierdepots. Er verpflichtete sich, dieses Depot für die Brauerei zu verwalten, das Flaschenbier fachgerecht aufzubewahren und im Namen der Brauerei an die Bewohner des Ortes abzugeben. Das hierauf von der Brauerei dem Steuerpflichtigen überlassene Flaschenbier wurde in einem Kühlraum, der sich im Gebäude der Gastwirtschaft des Steuerpflichtigen befindet, gelagert. Dort verwahrte der Steuerpflichtige auch Bier und andere Getränke, die er zum Ausschank in seiner Gastwirtschaft erworben hatte.
An der Außenseite der Türe des Kühlraumes ist ein Schild angebracht, das darauf hinweist, daß sich dort das Bierauslieferungslager der Brauerei befindet. Den Abnehmern wird das Flaschenbier, das nur kastenweise abgegeben wird, am Eingang des Kühlraumes ausgehändigt. Jeder Abnehmer bescheinigt den Empfang des Bieres auf einem vorgedruckten "Lieferschein / Empfangsschein", der im Kopf die Firma der Brauerei trägt. Diesen Schein hat der Steuerpflichtige in der mit "Unterschrift der Auslieferung" gekennzeichneten Zeile zu unterschreiben. Der Kunde, der den Kaufpreis sofort an den Steuerpflichtigen oder später an die Brauerei entrichten kann, erhält eine Durchschrift dieses Lieferscheins. Der von den Kunden zu entrichtende Kaufpreis liegt unter dem allgemein im Einzelhandel für Flaschenbier zu zahlenden Preise.
Das Finanzamt zog den Steuerpflichtigen für 1958 mit den vollen von den Abnehmern des Flaschenbieres gezahlten Entgelten zur Umsatzsteuer heran. Nach seiner Auffassung hat der Steuerpflichtige das Flaschenbier an die Abnehmer im eigenen Namen und nicht im Namen der Brauerei geliefert.
Auf die Sprungberufung hin ermäßigte das Finanzgericht die Steuerfestsetzung des Finanzamts. Es verneinte das Vorliegen von unmittelbaren Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den Abnehmern des Flaschenbieres und unterwarf lediglich die Vergütungen der Umsatzsteuer, die der Steuerpflichtige von der Brauerei für seine Aufbewahrungs- und Auslieferungstätigkeit erhalten hat.
Mit der Rb. rügt der Vorsteher des Finanzamts unrichtige Anwendung des bestehenden Rechts. Ferner beanstandet er die Beweiswürdigung des Finanzgerichts. Das Finanzgericht habe zu Unrecht der Ausstellung des Lieferscheins ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es habe nicht hinreichend den Willen der der ländlichen Bevölkerung angehörenden Kunden berücksichtigt. Nach der Ansicht des Finanzamts wollten diese bei dem Steuerpflichtigen, der ihnen als Gastwirt entgegentrat, kaufen. Dem Firmenschild der Brauerei am Lagerraum sowie der Tatsache, daß der Empfang des Bieres schriftlich zu bestätigen sei, hätten sie keine besondere rechtliche Bedeutung beigemessen. Das Finanzgericht habe daher zu Unrecht den Steuerpflichtigen entgegen der von der Rechtsprechung vertretenen Beweisregel über den Verkauf von Waren im eigenen Laden als Vermittler behandelt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. des Vorstehers des Finanzamts kann keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung darüber, ob das Finanzamt den Steuerpflichtigen zu Recht mit den gesamten von den Abnehmern des Flaschenbieres gezahlten Entgelten zur Umsatzsteuer herangezogen hat, hängt davon ab, ob unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den Abnehmern zustande gekommen sind. Unmittelbare Rechtsbeziehungen zwischen dem Steuerpflichtigen und den Abnehmern sind dann zu verneinen, wenn der Steuerpflichtige diese Flaschenbierverkäufe nur für die Brauerei vermittelt hat. Für die Frage, ob ein Steuerpflichtiger in umsatzsteuerlichem Sinne als Vermittler oder Eigenhändler zu behandeln ist, kommt es ausschlaggebend auf das Außenverhältnis, also auf das Auftreten gegenüber den Abnehmern der Ware, an. Mit Recht hat daher das Finanzgericht geprüft, ob der Steuerpflichtige den Abnehmern gegenüber als Verkäufer des Flaschenbieres aufgetreten ist. Das Finanzgericht hat die von einem Richter des Finanzgerichts in der die gleiche Rechtsfrage betreffenden Berufungssache des Steuerpflichtigen wegen Umsatzsteuer 1957 verfaßte Niederschrift über eine Augenscheinseinnahme des Betriebes des Steuerpflichtigen eingehend gewürdigt. Wenn das Finanzgericht daraufhin zu dem Ergebnis gelangt ist, den Abholern sei bekannt gewesen, daß sie das Flaschenbier unmittelbar von der Brauerei kauften und daß der Steuerpflichtige lediglich als Vermittler in diese Verkaufsgeschäfte eingeschaltet war, so vermag der Senat diese auf tatsächlichem Gebiete liegende Feststellung nicht zu beanstanden. Das Finanzgericht stützt diese Folgerung mit Recht insbesondere darauf, daß der Steuerpflichtige bei Einrichtung des Brauereidepots den Bewohnern des Ortes erklärt hat, er verkaufe nunmehr das Flaschenbier nur noch für Rechnung und im Namen der Brauerei. Ferner hebt das Finanzgericht zur Begründung seiner Auffassung zutreffend hervor, daß der Steuerpflichtige den Bewohnern des Ortes gegenüber darauf hingewiesen hat, das Bier könne nur deshalb so preiswert abgegeben werden, weil die Brauerei unmittelbar an die Verbraucher verkaufe. Schließlich vermochte das Finanzgericht seine Folgerung daraus herzuleiten, daß jeder Abnehmer von Flaschenbier auf einem vorgedruckten "Lieferschein / Empfangsschein" der Brauerei den Empfang des Bieres zu bestätigen hatte und daß er den Kaufpreis auch unmittelbar an die Brauerei entrichten konnte. Diese Tatsachenwürdigung des Finanzgerichts läßt keinen im Rechtsbeschwerdeverfahren zu beachtenden Mangel erkennen. Der Senat ist daher gemäß § 288 Ziff. 1 in Verbindung mit § 296 Abs. 1 AO an die tatsächlichen Feststellungen des Finanzgerichts gebunden.
Zu einer anderen Beurteilung kann auch nicht der Hinweis des Finanzamts auf die ständige Rechtsprechung des Senats zur Frage des Verkaufes von Waren im eigenen Laden führen. Allerdings ist der Verkauf von Waren im eigenen Laden in der Regel ein wichtiges Beweisanzeichen für das Auftreten im eigenen Namen. Daher ist auch allgemein bei einem Gastwirt, der Flaschenbier verkauft, von der Vermutung auszugehen, daß er diese Geschäfte im eigenen Namen durchführt. Der Bundesfinanzhof hat jedoch bereits mehrfach in seinen Entscheidungen hervorgehoben, daß Ausnahmen von dieser Vermutung möglich sind. Im vorliegenden Falle hat das Finanzgericht eine derartige Ausnahme in nicht zu beanstandender Weise bejaht. Das Finanzamt übersieht, daß die Abnehmer den Empfang der Ware auf einem Vordruck der Brauerei bescheinigten, eine Durchschrift dieses Scheines, aus dem hervorgeht, daß der Steuerpflichtige nur die Auslieferung der Ware vornimmt, erhielten und darüber hinaus auch die Möglichkeit hatten, das Bier unmittelbar bei der Brauerei zu bezahlen. Diese Umstände lassen selbst einen in Geschäftssachen nicht sehr erfahrenen Käufer ohne Schwierigkeiten erkennen, daß - wie das Finanzgericht angenommen hat - der Steuerpflichtige das Flaschenbier im Namen der Brauerei verkaufte.
Somit ist der Vorentscheidung beizutreten und der Rb. des Vorstehers des Finanzamts der Erfolg zu versagen.
Fundstellen
Haufe-Index 410419 |
BStBl III 1962, 229 |
BFHE 1962, 621 |
BFHE 74, 621 |