Leitsatz (amtlich)
Erläßt das FA einen dinglichen Arrest, dem die Einkommensteueransprüche mehrerer Veranlagungszeiträume zugrunde liegen, so müssen die einzelnen -- ggf. geschätzten -- Einkommensteueransprüche angegeben werden.
Normenkette
AO 1977 § 324
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch Arrestanordnung vom 3. November 1981 ordnete der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt -- FA --) wegen "Einkommensteuer 1970 bis 1977" in Höhe von 3 Mio. DM den dinglichen Arrest in das bewegliche und unbewegliche Vermögen des Klägers und Revisionsbeklagten (Kläger) an und setzte die Hinterlegungssumme auf 3 Mio. DM fest. Die Hinterlegungssumme wurde zwischenzeitlich auf 2 Mio. DM reduziert. Die Arrestforderung leitete das FA aus dem Umstand her, daß nach den Aussagen eines Dr. X die Gesellschaft "E" wegen Rückdatierung des Darlehensvertrags über 100 Mio. Pesetas von 1972 nach 1970 die Voraussetzungen der §§ 1 und 11 des Entwicklungshilfe-Steuergesetzes vom 15. März 1968 (BGBl I, 217) i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 10. August 1971 -- EntwHStG 1968/1971 -- (BGBl I, 1266) nicht erfüllt habe. Da die Verluste der Gesellschaft von 6,8 Mio. DM für 1970 bis 1977 nachzuversteuern seien, schulde der Kläger Einkommensteuer von 1,5 Mio. DM und hafte wegen Steuerhinterziehung für die Einkommensteuerschuld des Mitgesellschafters in gleicher Höhe. Als Arrestgrund gab das FA die Gefahr einer Verschiebung des Vermögens ins Ausland an. Der Kläger, der gute Beziehungen zu einer Schweizer Bank in X unterhalte, werde versuchen, Gelder auf Schweizer Konten zu übertragen und seinen inländischen Grundbesitz zugunsten der Schweizer Bank zu belasten.
Gegen die Arrestanordnung vom 3. November 1981 hat der Kläger Sprungklage erhoben.
Die Klage hatte Erfolg; das Finanzgericht (FG) hob die Arrestanordnung auf.
Mit der Revision beantragt das FA, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage abzuweisen, hilfsweise die Sache an das FG zurückzuverweisen.
Der Wirksamkeit der Arrestanordnung stehe nicht entgegen, daß der Arrestanspruch nicht auf die einzelnen Jahre, auf die er bezogen ist, aufgeteilt sei. Der dem Anspruch zugrunde liegende Sachverhalt sei bei einem Arrest noch so wenig konkretisiert, daß das FA einem Angriff des Steuerpflichtigen hinsichtlich des einzelnen Jahresschuldbetrages nicht wirksam begegnen könne. Das gelte jedenfalls dann, wenn sich die steuerrelevanten Vorgänge über einen längeren Zeitraum hinweg bewegten und es bei Erlaß des Arrestes noch nicht feststehe, auf welche Zeitpunkte die Steuerverpflichtungen im einzelnen zu beziehen seien.
Der Kläger beantragt, die Arrestanordnung des FA mit dem auf 2 Mio. DM ermäßigten Arrestanspruch zum Gegenstand des Verfahrens zu machen und die Revision des FA als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
1. Die Revision ist zulässig.
Die Bestimmung des § 545 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO), wonach die Revision gegen ein die Aufhebung eines Arrestes betreffendes Urteil unzulässig ist, kann nicht sinngemäß nach § 155 der Finanzgerichtsordnung (FGO) angewendet werden. Die FGO läßt die Revision grundsätzlich gegen jedes Urteil eines FG zu und regelt die Ausnahmen abschließend, ohne dabei Urteile in Arrestsachen zu erwähnen.
2. Die Revision ist nicht begründet.
Das FG hat die Arrestanordnung im Ergebnis zu Recht aufgehoben. Die Arrestanordnung hat die Steueransprüche nicht hinreichend bezeichnet. Es fehlt die Angabe der Jahre, in denen die Ansprüche im einzelnen entstanden sein sollen.
a) Das Erfordernis der Verteilung der Ansprüche auf die einzelnen Streitjahre entspricht der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs (RFH) und des Bundesfinanzhofs -- BFH -- (vgl. RFH-Urteil vom 9. März 1922 III A 67/22, Mrozek-Kartei, Reichsabgabenordnung, § 351, Rechtsspruch 32, und BFH-Urteil vom 21. Februar 1952 IV 429/51 U, BFHE 56, 225, BStBl III 1952, 90, zu dem ähnlich gelagerten Fall, daß das beklagte FA die Steuerforderungen nur der Höhe nach bezeichnet, die Verteilung auf einzelne Steuerarten in der Arrestanordnung jedoch nur dem Grunde nach angibt bzw. die Arrestanordnung wegen "diverser Steuern" erläßt). Die Beitreibungsordnung vom 23. Juni 1923 (Reichsministerialblatt S. 595) schrieb in § 77 Abs. 3 Nr. 2 vor, daß eine Arrestverfügung, die mehrere Geldansprüche umfaßt, die Beträge, auf die die einzelnen Ansprüche sich belaufen, gesondert (nicht in einem Gesamtbetrag) anzuführen habe. Das Urteil in BFHE 56, 225, BStBl III 1952, 90 stellt auf die Erfordernisse ab, die § 77 der Beitreibungsordnung verlangt. Die bisherige Rechtsprechung des BFH kann im Rahmen des § 324 der Abgabenordnung (AO 1977) herangezogen werden, obwohl sie sich auf § 378 der Reichsabgabenordnung bezog; denn insoweit ist durch § 324 AO 1977 keine Änderung der Rechtslage eingetreten (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 10. Aufl., § 324 AO 1977 Tz. 12).
Der Arrest dient der Sicherung der Vollstreckung von Geldforderungen nach den §§ 249 bis 323 AO 1977. Besteht die Geldforderung in einem Einkommensteueranspruch, so ist sie nach der gesetzlichen Ausgestaltung der Einkommensteuer auf einen bestimmten Abschnitt (Veranlagungszeitraum) bezogen (vgl. §§ 25, 36 des Einkommensteuergesetzes).
b) Fragen, die in den dem Arrestverfahren möglicherweise nachfolgenden Verfahren (Rechtsbehelfsverfahren, Vollstreckungsverfahren) auftreten, bestätigen die Rechtsauffassung des erkennenden Senats, daß die Arrestsumme auf die einzelnen Einkommensteueransprüche -- ggf. im Schätzungswege -- aufgeteilt werden muß.
Wird die Arrestanordnung nach erfolglosem Beschwerdeverfahren beim FG mit der Klage angefochten, ergehen während des Klageverfahrens Einkommensteuerbescheide über einzelne der in die Arrestanordnung einbezogenen Veranlagungszeiträume, und tilgt der Steuerschuldner diese nunmehr festgesetzte Einkommensteuerschuld, so vermag das FG nicht zu erkennen, welcher Teil der Arrestanordnung nunmehr in der Hauptsache erledigt ist, wenn die Arrestsumme lediglich in einem zusammengefaßten Betrag angegeben wird.
Ähnliche Schwierigkeiten ergeben sich in dem sich an das Arrestverfahren möglicherweise anschließenden Vollstreckungsverfahren. Der Arrestanordnung folgt regelmäßig der Arrestvollzug. Auf ihn finden die §§ 930 bis 932 ZPO entsprechende Anwendung (§ 324 Abs. 3 Satz 4 AO 1977). Z. B. wird der Arrest in bewegliches Vermögen durch Pfändung (§ 930 ZPO), der Arrest in Grundstücke durch Eintragung einer Sicherungshypothek bewirkt (§ 932 ZPO). Eine Verwertung der gepfändeten Gegenstände ist im Arrestverfahren ausgeschlossen.
Erläßt das FA nach Vollziehung des Arrestes nur für einzelne der in die Arrestanordnung einbezogenen Veranlagungszeiträume Einkommensteuerbescheide und tilgt der Steuerschuldner die von ihm nunmehr geforderten Beträge, so ist bei einer nur pauschal angesetzten Arrestsumme nicht zu erkennen, inwieweit der Arrestgrund durch Tilgung entfallen ist. Ergehen dann weitere Einkommensteuerbescheide und tilgt der Steuerpflichtige die darin festgesetzten Einkommensteuerschulden nicht, so läßt sich nicht feststellen, inwieweit das Arrestverfahren in das Vollstreckungsverfahren übergeleitet werden kann. Daraus folgt, daß die Arrestanordnung von vornherein so bestimmt sein muß, daß die Überleitung des Arrestes in das Vollstreckungsverfahren reibungslos vonstatten gehen kann.
3. Das FA hat im Streitfall darauf hingewiesen, daß sich die steuerrelevanten Vorgänge über einen längeren Zeitraum hinweg bewegten und es bei Erlaß des Arrestes nicht festgestanden habe, auf welche Zeitspanne sich die Steuerverpflichtungen im einzelnen bezögen. Damit gibt das FA zu erkennen, daß es nicht in der Lage war, das Entstehen der Steueransprüche wenigstens schätzungsweise zu ermitteln. Diese Schwierigkeit geht zu Lasten des FA.
Fundstellen
Haufe-Index 74629 |
BStBl II 1983, 441 |
BFHE 1983, 148 |