Leitsatz (amtlich)
Sind die beiden Gesellschafter einer Doppelgesellschaft an der Besitzpersonengesellschaft mit 50 : 50 und an der Betriebs-GmbH mit 88 : 12 beteiligt, so stehen die unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse der Annahme eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens bei beiden Unternehmen grundsätzlich nicht entgegen.
Normenkette
GewStG § 2 Abs. 1; GewStDV § 1 Abs. 1, § 9
Tatbestand
Streitig ist, ob die Verpachtungstätigkeit der früheren OHG im Kalenderjahr 1955 gewerbesteuerpflichtig war.
Die Revisionsbeklagten (Eheleute H. B. und E. B.) waren im Streitjahr an der OHG, die bis 1962 im Handelsregister eingetragen war, zu gleichen Teilen - jeweils 50 v. H. - beteiligt. Die Tätigkeit der OHG beschränkte sich auf die Verpachtung des Fabrikgrundstücks an die durch Betriebsaufspaltung 1948 entstandene GmbH, die ihren Betrieb im wesentlichen auf dem gepachteten Grundstück und in dessen Gebäuden ausübte. An der GmbH war H. B. mit 88 v. H., E. B. mit 12 v. H. beteiligt. H. B. war alleinvertretungsberechtigter Geschäftsführer der GmbH.
Im Anschluß an eine Betriebsprüfung vertrat der Revisionskläger (FA) die Auffassung, daß die OHG mit der Vermietung des Grundstücks an die GmbH ein Gewerbe betreibe, und setzte für 1955 einen Gewerbesteuermeßbetrag fest. Der Einspruch führte zu einer Ermäßigung des Gewerbesteuermeßbetrages, blieb im übrigen aber erfolglos.
Auf die Klage hob das FG die Einspruchsentscheidung und den Gewerbesteuermeßbescheid 1955 auf. Es führte aus: Treu und Glauben stünden einer Heranziehung zur Gewerbesteuer zwar nicht entgegen, weil das FA niemals zugesagt habe, daß es die OHG nicht gewerbesteuerpflichtig machen werde. Der BFH habe auch eine gewerbliche Tätigkeit in den Fällen der Betriebsaufspaltung angenommen, wenn ein bisher als Einzelunternehmen oder als Personengesellschaft betriebenes Unternehmen in eine Betriebskapitalgesellschaft und in ein wesentliche Teile des Anlagevermögens an die Kapitalgesellschaft verpachtendes Besitzunternehmen aufgeteilt werde, die verpachteten Wirtschaftsgüter notwendige Betriebsgrundlage der Kapitalgesellschaft bildeten und an beiden Unternehmen im wesentlichen dieselben Personen beteiligt seien. Das gelte auch, wenn Besitzunternehmen und Betriebsgesellschaft nicht durch Betriebsaufspaltung entstanden sondern als getrennte Unternehmen errichtet worden seien. Es bestehe auch kein Anlaß, daran zu zweifeln, daß der von der OHG der GmbH zur Verfügung gestellte Grundbesitz 1955 eine wesentliche Grundlage des Betriebs der GmbH gebildet habe und für deren Betriebsfortführung "wirtschaftlich Gewicht" besessen habe. Der BFH habe aber, zuletzt in seinem Urteil I R 108/66 vom 12. März 1970 (BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439) ausgesprochen, daß bei Beteiligung von Verschwägerten mit unterschiedlichen Anteilen an beiden Unternehmen die erforderliche wirtschaftliche Gleichheit der Beteiligungsverhältnisse grundsätzlich nicht anerkannt werden könne. Bei den Beteiligungsverhältnissen von 50 : 50 v. H. an der OHG und von 88 : 12 v. H. an der GmbH könne von einem "wirtschaftlich einheitlichen Unternehmen" nicht mehr gesprochen werden, zumindest nicht mehr im Streitfall, in dem nach der Gestaltung des Gesellschaftsvertrages der GmbH und dessen damit in Einklang stehender tatsächlicher Durchführung eine Einflußnahme des minderbeteiligten Gesellschafters auf die Betriebsgesellschaft praktisch nahezu ausgeschlossen sei. Die Klage wäre nach der ständigen Rechtsprechung des BFH zwar dennoch abzuweisen, weil nach ihr die Anteile naher Angehöriger, insbesondere von Ehegatten, zusammenzufassen seien. Dabei handele es sich in den meisten Fällen (nur) um die Beteiligung naher Angehöriger an der Betriebsgesellschaft, betrachtet aus dem Blickwinkel der Beherrschung des Betriebsunternehmens durch den allein oder doch überwiegend beteiligten Besitzunternehmer als Einzelperson. Im vorliegenden Falle müsse hingegen die Frage einer Beherrschung der Betriebsgesellschaft von der Sicht der Personen gesellschaft bzw. ihrer Gesellschafter her beurteilt werden, und zwar schon deshalb, weil es um deren Gewerbesteuerpflicht, nicht etwa um die eines einzelnen Gesellschafters gehe; seien die Gesellschafter bei beiden Unternehmen aber dieselben, so führe es unter dieser Sicht nicht weiter, nur einem Gesellschafter die Anteile des anderen an der Betriebsgesellschaft und/oder der Besitzpersonengesellschaft zuzurechnen, wobei offen bliebe, bei welchem Ehegatten die Zurechnung vorgenommen werden sollte. Sämtliche Anteile der Ehegatten könnten auch nicht zusammengefaßt werden. Das lasse sich weder aus der wirtschaftlichen Betrachtungsweise (§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG) noch aus einem sonstigen Gesichtspunkt herleiten. Auch die besonderen Verhältnisse des Einzelfalles sprächen nicht dafür, die Eheleute als Besitzunternehmer als gemeinsame Beherrscher der Betriebskapitalgesellschaft anzusehen. Die Einwirkungsmöglichkeit der E. B. sei entsprechend dem Gesellschaftsvertrag und der Regelung der Geschäftsführungsbefugnis nur gering gewesen. Die GmbH sei von H. B. beherrscht worden, nicht aber auch die OHG, an der beide Ehegatten im gleichen Verhältnis und mit gleichen Rechten teilgehabt hätten. Die Ehegatten könnten allein auf Grund des Ehestandes nicht anders behandelt werden als Fremde, ohne daß gegen Art. 3 Abs. 1 und 6 Abs. 1 GG verstoßen werde. Die OHG als Besitzpersonengesellschaft sei ein wirtschaftlich selbständiges, auf reine Vermögensverwaltung gerichtetes und demnach nicht der Gewerbesteuer unterliegendes Rechtsgebilde gewesen.
Mit der Revision macht das FA geltend, daß das FG die Zusammenrechnung der Beteiligungen der beiden Ehegatten entgegen der ständigen Rechtsprechung des BFH abgelehnt und dadurch Bundesrecht verletzt habe. Bei Zusammenrechnung der Beteiligungen sei Personenidentiät gegeben. Es beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Gewerbesteuerpflicht der Besitzgemeinschaft zu bejahen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage.
Die Vorentscheidung hat die OHG nicht als Gewerbebetrieb angesehen, weil sie aufgrund der unterschiedlichen Beteiligungsverhältnisse der Steuerpflichtigen bei beiden Unternehmen ein wirtschaftlich einheitliches Unternehmen der Doppelgesellschaft verneint hat. Die Auffassung der Vorinstanz entspricht den beiden Entscheidungen des I. Senats I 231/63 vom 3. Dezember 1969 (BFHE 97, 522, BStBl II 1970, 223) und I R 108/66 vom 12. März 1970 (BFHE 98, 441, BStBl II 1970, 439), auf die sie sich ausdrücklich bezieht. Diesen Entscheidungen des I. Senats ist aber der Große Senat des BFH im Beschluß Gr. S. 2/71 vom 8. November 1971 (BFHE 103, 440, BStBl II 1972, 63) nicht gefolgt. Er hat im Gegenteil hervorgehoben, daß im Falle der Betriebsaufspaltung die Bejahung der Gewerbesteuerpflicht des Besitzunternehmens nicht voraussetze, daß an beiden Gesellschaften die gleichen Beteiligungen derselben Personen bestünden, und es auch nicht darauf ankomme, ob die Besitzgesellschaft mit der Betriebs-GmbH wirtschaftlich ein enheitliches Unternehmen bilde. Entscheidend sei allein, ob die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen "einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen" hätten. Am klarsten tritt nach Auffassung des Großen Senats dieser einheitliche geschäftliche Betätigungswille zutage, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen im gleichen Verhältnis beteiligt sind, es genügt aber auch, daß die Person oder die Personen, die das Besitzunternehmen tatsächlich beherrschen, in der Lage sind, auch in der Betriebsgesellschaft ihren Willen durchzusetzen.
Im vorliegenden Fall sind die hinter beiden Gesellschaften stehenden Personen identisch. Unterschiedlich sind nur ihre Beteiligungsverhältnisse bei beiden Gesellschaften. Die Feststellung der Vorinstanz, daß aufgrund der unterschiedlichen Beteiligungen die GmbH tatsächlich vom Ehemann H. B. allein beherrscht wurde, während die OHG H. B. und E. B. durch ihre gleichen Beteiligungen und ihre gleichen Rechte zusammen beherrschten, könnte trotz der völligen Personenidentität bei beiden Gesellschaften gegen den einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen sprechen, wenn es richtig wäre, daß bei der Frage, ob es dieselben Personen sind, die faktisch ihren Willen in beiden Unternehmen durchsetzen können, von der beherrschenden Stellung von Einzelpersonen oder durch besondere Vereinbarungen hinsichtlich des Stimmrechts usw. zum einheitlichen Handeln verbundenen Personen in den beiden Gesellschaften auszugehen wäre.
Eine solche Betrachtungsweise wird jedoch den tatsächlichen Verhältnissen in den Fällen der Betriebsaufspaltung nicht gerecht. Nach den Grundsätzen des erkennenden Senats, die er in dem Urteil IV 87/65 vom 2. August 1972 (BFHE 106, 325, BStBl II 1972, 796) näher dargelegt hat, müssen H. B. und E. B., unabhängig von der Tatsache, daß sie Eheleute sind und unabhängig von der Frage der Beherrschung einer Gesellschaft im Rechtssinne durch einen oder beide von ihnen als eine geschlossene Personengruppe angesehen werden, deren gemeinsames Handeln - im ganzen gesehen - durch ihre gleichen Interessen gesichert ist. Daß H. B. und E. B. einheitlich handeln und entscheiden müssen, ergibt sich bei der von ihnen gewählten gespaltenen Unternehmensform schon aus wirtschaftlicher Notwendigkeit. Das Gegenteil würde praktisch das Ende der Doppelgesellschaft bedeuten. Von ihrer Einheit muß deshalb auch ohne besondere Verbindungsverträge ausgegangen werden. Als Einheit stellen aber die Eheleute H. B. und E. B. eine in beiden Gesellschaften identische Personengruppe dar, der auch alle Anteile an den beiden Gesellschaften gehören. Sie garantieren deshalb in besonders klarer Weise einen einheitlichen Betätigungswillen bei beiden Unternehmen.
Demgegenüber können sich die Eheleute B. nicht darauf berufen, das FG habe festgestellt, eine gleichgerichtete wirtschaftliche Interessenlage habe zwischen ihnen nicht bestanden, und deshalb könnten nicht allein die vorhandenen Beteiligungsverhältnisse maßgebend sein. Das ergebe sich aus dem Beschluß des Großen Senats des BFH Gr. S. 2/71, nach dem für die Frage, ob ein gleichgerichteter geschäftlicher Betätigungswille vorliege, unter Anlegung strenger Maßstäbe auf den Einzelfall abzustellen sei. Die Annahme des FG, eine gleichgerichtete Interessenlage habe zwischen den Eheleuten B. nicht bestanden, beruht auf Erwägungen, die an die Ausgestaltung und Durchführung des Gesellschaftsvertrags des Betriebsunternehmens anknüpfen. Sie ist als rechtliche Würdigung für den Senat nicht bindend. Es haben weder die Eheleute B. Tatsachen vorgetragen, noch hat das FG Tatsachen festgestellt, die das Aufeinanderprallen widerstreitender wirtschaftlicher Interessen in konkreten Situationen hätten belegen können. Dabei kann offenbleiben, ob der Nachweis ständiger Interessenkollisionen der an dem Besitz- und an dem Betriebsunternehmen beteiligten Personen im Einzelfall dazu führen kann, den einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen dieser Personen zu verneinen. Grundsätzlich geht der Senat davon aus, daß das Bestehen der Doppelgesellschaft einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen erfordert, der durch Meinungsverschiedenheiten bei konkreten Anlässen und durch die besondere Gestaltung der Gesellschaftsverträge hinsichtlich der Stellung einzelner Gesellschafter nicht in Frage gestellt werden kann. Er weicht insoweit von der im Urteil I R 184/70 vom 18. Oktober 1972 (BFHE 107, 142 BStBl II 1973, 27) geäußerten Rechtsansicht des I. Senats des BFH ab, nach der in jedem Falle der Nachweis möglich sei, daß trotz eines entsprechenden Anteilsbesitzes aufgrund der besonderen Gestaltung der Gesellschaftsverträge oder der Vereinbarungen über Stimmrecht und Geschäftsführung ein einheitlicher geschäftlicher Betätigungswille und damit eine Beherrschung der Gesellschaft bzw. der Gesellschaften nicht bejaht werden könne. Der erkennende Senat braucht den Großen Senat des BFH deshalb aber nicht nach § 11 Abs. 3 FGO anzurufen, weil diese Rechtsansicht für den vom I. Senat entschiedenen Fall nicht entscheidungserheblich war.
Die Frage, ob eine durch gleichgerichtete Interessen verbundene Personengruppe hinter beiden Unternehmen steht und die hinter beiden Unternehmen stehenden Personen einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen haben, kann gerade im Hinblick auf die vom Großen Senat des BFH geforderte Einzelfallbetrachtung nur dann objektiv entschieden werden, wenn auf die Beteiligungsverhältnisse bei beiden Unternehmen abgestellt wird. Wollte man im Einzelfall besondere persönliche Interessen eines Beteiligten gerade an einem der beiden Unternehmen, persönliche Differenzen aus einem konkreten Anlaß oder tatsächliche "wirtschaftliche Zwänge" für die Verneinung eines einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillens genügen lassen (vgl. BFH-Urteil I R 15/70 vom 19. April 1972, BFHE 105, 495, BStBl II 1972, 634), so würde das, wie der Senat in seinem Urteil IV 87/65 bereits ausgeführt hat, dazu führen, daß die gewerbliche Tätigkeit des Besitzunternehmens in den einzelnen Jahren je nach dem, ob solche besonderen Vorkommnisse eingetreten sind, bejaht oder verneint werden müßte.
Die vom Großen Senat des BFH gleichfalls geforderten strengen Maßstäbe bei der Einzelfallbetrachtung sind bei der Entscheidung darüber anzulegen, ob das Vorliegen bestimmter Beteiligungsverhältnisse noch die Annahme einer durch gleichgerichtete Interessen geschlossenen, hinter beiden Unternehmen stehenden Personengruppe rechtfertigt. Das ist hier der Fall; denn die Eheleute H. B. und E. B. waren am Besitzunternehmen mit 50 : 50 und am Betriebsunternehmen mit 88 : 12, also keiner von ihnen nur ganz unbedeutend beteiligt.
Etwas anderes könnte nur gelten, wenn H. B. und E. B. an beiden Gesellschaften konträr beteiligt wären, d. h., wenn der eine am Besitzunternehmen mit weniger als 50 v. H. und am Betriebsunternehmen mit mehr als 50 v. H. beteiligt wäre und wenn es sich beim anderen Gesellschafter umgekehrt verhielte. Bei derartigen Beteiligungsverhältnissen könnten sich in extremen Fällen Interessenlagen ergeben, die im Ergebnis wirtschaftlich einer Fremdverpachtung des Besitzunternehmens entsprechen würden. Denn eine echte Identität wäre dann möglicherweise nicht mehr gegeben. Ein solcher Fall liegt jedoch hier nicht vor. Da beide Eheleute am Besitzunternehmen mit je 50 v. H. beteiligt waren, hätte keine Person für sich allein die nach den Grundsätzen des Senats im angeführten Urteil IV 87/65 für die faktische Durchsetzbarkeit seines Willens in der Besitzgesellschaft notwendige Mehrheit der Anteile gehabt. Eine vom einheitlichen Willen in beiden Unternehmen abweichende Entscheidung bei der OHG wäre schon deshalb nicht möglich gewesen.
Da der Senat davon ausgeht, daß die Eheleute B. schon dann, wenn sie als einander fremde Personen behandelt werden, einen einheitlichen geschäftlichen Betätigungswillen hatten, braucht er nicht dazu Stellung zu nehmen, ob entsprechend dem Urteil des I. Senats des BFH I 184/70 die Anteile von Eheleuten zusammenzurechnen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 70322 |
BStBl II 1973, 247 |
BFHE 1973, 44 |