Leitsatz (amtlich)
Der Kommanditist haftet für die Rückzahlungsschuld der KG wegen zu Unrecht an diese ausgezahlte Vorsteuern bis zur Höhe seiner nicht geleisteten Einlage. Scheidet der Kommanditist aus der KG aus, so ist die Rückzahlungsschuld der KG insoweit als haftungsbegründend anzusehen, als deren Rechtsgrund bereits vor dem Ausscheiden gelegt worden ist. Dies ist in dem Umfang der Fall, in dem das FA vor dem Ausscheiden auf die von der KG geltend gemachten Vorsteuerüberschüsse Auszahlungen vorgenommen hat.
Orientierungssatz
1. Bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, die erst mit dem Zugang an den Empfänger wirksam werden, kommt es darauf an, wie dieser die Erklärung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verstehen dürfte (Literatur). Hier: Auslegung einer formularmäßigen "Beitrittserklärung" als Kommanditist.
2. Bei einer kapitalistisch ausgestalteten KG (sog. Publikums-KG) kann das Gesellschaftsverhältnis fristlos gekündigt werden, wenn die ordentliche Kündigung im Gesellschaftsvertrag (unter Fortsetzung der Gesellschaft selbst) vorgesehen ist oder wenn --ohne besondere Grundlage im Gesellschaftsvertrag-- der Gesellschafter infolge arglistiger Täuschung zum Eintritt in die Gesellschaft bestimmt worden war (vgl. BGH-Rechtsprechung).
Normenkette
HGB § 171 Abs. 1; AO 1977 §§ 37-38; UStG 1973 §§ 18, 16, 15; BGB § 133
Tatbestand
Der Kläger und Revisionskläger (Kläger), ein Zahnarzt, unterzeichnete am 14.Juli 1975 eine Beitrittserklärung als Kommanditist zu einer KG. Die in das Handelsregister einzutragende Haftsumme sollte 500 000 DM betragen. Der Kläger hat keine Zahlungen auf die Haftsumme geleistet.
An den Rand der von ihm auf einem vorgedruckten Formular ausgefüllten "Beitrittserklärung" hatte der Kläger folgenden Zusatz handschriftlich angebracht:
"Der Prospekt gilt als Grundlage der Zeichnung. Einzahlung erfolgt nach Anerkennung durch das Betriebsfinanzamt unter der Voraussetzung der gesicherten Finanzierung."
Eine weitere in dem Beitrittsvordruck enthaltene Spalte "Zahlungsplan" hatte der Kläger nicht ausgefüllt. Mit Schreiben vom 16.Juli 1975 bestätigte die KG den Eingang der Beitrittserklärung mit dem Bemerken, sie freue sich, den Kläger als Kommanditisten begrüßen zu können. Außerdem bat sie den Kläger um einen Zahlungsplan, damit dem Wohnsitzfinanzamt des Klägers der auf den letzteren entfallende Verlustanteil mitgeteilt werden könne.
Aufgrund einer Betriebsprüfung bei der KG im Jahre 1978 setzte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) mit Bescheid vom 2.März 1981 die Umsatzsteuer der KG für das Kalenderjahr 1976 auf ./. 14 724,05 DM fest.
Aus dem Bescheid, der bestandskräftig wurde, ergab sich zu Lasten der KG eine Abschlußzahlung von 28 737,11 DM. Diese hatte ihre Ursache darin, daß die KG auf die von ihr für das Jahr 1976 erklärten Vorsteuerbeträge (67 900,10 DM) bereits 43 461,16 DM ausgezahlt erhalten hatte, so daß eine Rückforderung des FA in Höhe von 28 737,11 DM (43 461,16 DM ./. 14 724,05 DM) bestehen blieb.
Da Vollstreckungsmaßnahmen bei der KG und deren Komplementären wegen dieser Rückforderung aussichtslos erschienen, nahm das FA den Kläger wegen der Rückforderung (28 737,11 DM) mit Haftungsbescheid vom 9.Juli 1981 als Haftungsschuldner in Anspruch (§ 191 Abs.1 der Abgabenordnung --AO 1977-- i.V.m. § 171 Abs.1 des Handelsgesetzbuches --HGB--).
Die nach erfolglosem Einspruchsverfahren (Einspruchsentscheidung vom 26.August 1981) mit dem Begehren der Aufhebung des Haftungsbescheids erhobene Klage hat das Finanzgericht (FG) abgewiesen. Es hat ausgeführt: Der Kläger sei mit der von ihm am 14.Juli 1975 ausgefüllten "Beitrittserklärung" rechtswirksam als Kommanditist in die KG eingetreten. Der von ihm am Rand des ausgefüllten Vordrucks angebrachte Vermerk ("Der Prospekt gilt als Grundlage der Zeichnung. Einzahlung erfolgt nach Anerkennung durch das Betriebsfinanzamt unter der Voraussetzung der gesicherten Finanzierung") ändere hieran nichts. Dieser Vermerk beinhalte insbesondere keine aufschiebende Bedingung dergestalt, daß der Kläger einen Eintritt in die KG und damit seine Aufnahme als deren Kommanditist von der Verwirklichung des im Prospekt genannten Vorhabens der KG oder von der gesicherten Finanzierung des von der KG verfolgten Zwecks abhängig gemacht habe. Denn bei einer Auslegung nach dem objektivierten Empfängerhorizont, d.h. dem für einen unbefangenen Dritten maßgeblichen Verständnis des Randvermerks könne dieser in keiner der beiden Richtungen als aufschiebende Bedingung in bezug auf den Eintritt des Klägers in die KG aufgefaßt werden. Bei dem Hinweis auf den "Prospekt als Grundlage der Zeichnung" ergebe sich dies schon daraus, daß die KG als Abschreibungsgesellschaft den Beitritt der Kommanditisten gerade benötigt habe, um den von ihr verfolgten Zweck zu verwirklichen. Der weitere Vermerk "Einzahlung erfolgt nach Anerkennung durch das Betriebsfinanzamt unter der Voraussetzung der gesicherten Finanzierung" beziehe sich seinem Wortlaut nach lediglich auf den Zeitpunkt der Einzahlung, nicht aber den des Eintritts in die KG.
Auch bei einer Würdigung des gesamten Inhalts der Beitrittserklärung komme ihr keine andere Bedeutung zu. Da der Kläger die Spalte "Zahlungsplan" nicht ausgefüllt habe, habe ein verständiger Dritter den Randvermerk auch aus diesem Grund dahin verstehen müssen, daß sich der Kläger lediglich hinsichtlich des Einzahlungszeitpunktes bei Abgabe der Beitrittserklärung noch nicht habe festlegen wollen.
Der Umstand, daß der Kläger der KG unstreitig am 11.Mai 1977 mitgeteilt habe, er stehe nicht mehr zu seiner Beitrittserklärung, habe an dem tatsächlich vollzogenen Eintritt in die KG nichts mehr ändern können, weil dem Kläger ein Rücktrittsrecht oder ein anderes Recht zur Rückgängigmachung seines Beitritts nicht zugestanden hätte. Er hafte daher den Gläubigern der KG bis zur Höhe seiner Einlageverpflichtung unmittelbar (§ 171 Abs.1 HGB).
Mit der Revision verfolgt der Kläger das Klagebegehren weiter. Er rügt unrichtige Anwendung materiellen Rechts und fehlerhafte Auslegung des mit dem Randvermerk auf dem Beitrittsformular vom 14.Juli 1975 zum Ausdruck gebrachten Vorbehalts und --damit im Zusammenhang stehend-- unrichtige Anwendung von § 171 Abs.1 HGB.
Der Kläger beantragt, die Vorentscheidung, den Haftungsbescheid und die Einspruchsentscheidung aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet.
1. Das FG hat zutreffend entschieden, daß der Kläger mit der Ausfüllung des als "Beitrittserklärung" überschriebenen Formularvordrucks sowie der Abgabe seiner Unterschrift auf diesem seinen Eintritt in die KG erklärt hatte. Was den von ihm auf dem Vordruck handschriftlich angebrachten Vermerk betrifft, so hat das FG das Vorliegen einer aufschiebenden Bedingung hinsichtlich des Beitritts in die KG in Anwendung der von der herrschenden Meinung im Zivilrecht zur Auslegung von Willenserklärungen vertretenen Grundsätze zutreffend verneint. Diese Grundsätze lassen sich dahin zusammenfassen, daß es bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen, die --wie hier-- erst mit dem Zugang an den Empfänger wirksam werden, darauf ankommt, wie dieser die Erklärung nach dem Grundsatz von Treu und Glauben verstehen durfte (vgl. Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, 11.Aufl., Rdnr.12 zu § 133, mit Hinweisen). Es ist m.a.W. derjenige Erklärungssinn zu ermitteln, mit welchem die Erklärung bei gehöriger Aufmerksamkeit vom Erklärungsempfänger verstanden werden konnte (vgl. Staudinger, Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 12.Aufl., Rdnr.30 zu § 133). Dabei ist vom Wortsinn auszugehen, für den der allgemeine Sprachgebrauch maßgeblich ist (vgl. Soergel, a.a.O., Rdnr.22). Bei Anwendung dieser Grundsätze auf den vorliegenden Fall bezieht sich der handschriftliche Vorbehalt des Klägers eindeutig auf seine Einzahlungsverpflichtung hinsichtlich der übernommenen Kommanditeinlage, nicht aber auf den Beitritt oder die Aufnahme in die KG als Kommanditist. Für diese Auslegung bedarf es nicht der Heranziehung des Umstandes, daß der Kläger die Vordruckspalte "Zahlungsplan" unausgefüllt gelassen hat. Diese Auslegung findet dadurch ihre Bestätigung, daß der Kläger das Antwortschreiben der KG vom 16.Juli 1975 ("Betreff: Ihre Beteiligung an unserer Gesellschaft"), mit dem diese die "Beitrittserklärung" des Klägers angenommen und ihn damit als Kommanditisten aufgenommen hat, unbeantwortet ließ. Hätte der Kläger, wie nunmehr seit Beginn des Verfahrens --auch in der Revision-- vorgetragen, seinen Beitritt nur unter einer aufschiebenden Bedingung erklärt oder aufgefaßt wissen wollen, so hätte er spätestens bei Erhalt der genannten Annahmebestätigung dieser in erkennbarer Weise widersprechen müssen. Das ist nicht geschehen. Von einem Dissens, d.h. einem subjektiven Mißverständnis hinsichtlich der Beitrittserklärung des Klägers und deren Annahme durch die KG (vgl. Soergel, a.a.O., Rdnr.21, mit Hinweisen) kann somit keine Rede sein. Der Kläger ist mit der Annahme seiner Beitrittserklärung durch das Schreiben der KG vom 16.Juli 1975 rechtswirksam als Kommanditist in die KG eingetreten und hat damit --unbeschadet der Nichteintragung seines Eintritts in das Handelsregister-- die Rechtsstellung eines Kommanditisten erlangt (vgl. Brüggemann/Würdinger, Handelsgesetzbuch, Großkommentar, Anm.13 zu § 8 und Anm.21 zu § 176; vgl. auch Heymann/Kötter, Handelsgesetzbuch, 21.Aufl., Anm.1 zu § 8).
2. Das Schreiben des Klägers vom 11.Mai 1977, in dem dieser der KG mitgeteilt hatte, daß er "zu seiner Beitrittserklärung vom 14.Juli 1975 nicht mehr stehe", hat das FG für unerheblich erachtet, weil dem Kläger jedenfalls ein Rücktrittsrecht oder ein anderes Recht zur Rückgängigmachung seines Beitritts nicht zugestanden habe. Das FG hat hierbei unberücksichtigt gelassen, daß das genannte Schreiben des Klägers --bei objektiver Bewertung seines erklärten Inhalts (vgl. hierzu Soergel, a.a.O., Tz.24 der Vorbemerkungen vor § 620, mit Hinweisen)-- eine Kündigung seines Gesellschaftsverhältnisses beinhaltete. Ein solches fristloses Kündigungsrecht hat die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (BGH) bei kapitalistisch ausgestalteten KG der hier vorliegenden Art (sog. Publikums-KG) anerkannt, wenn die ordentliche Kündigung im Gesellschaftsvertrag (unter Fortsetzung der Gesellschaft selbst) vorgesehen ist (Urteil vom 27.Februar 1975 II ZR 77/73, Neue Juristische Wochenschrift --NJW-- 1975, 1700) oder wenn --ohne besondere Grundlage im Gesellschaftsvertrag-- der Gesellschafter infolge arglistiger Täuschung zum Eintritt in die Gesellschaft bestimmt worden war (Urteile vom 19.Dezember 1974 II ZR 27/63, BGHZ 63, 338, 345, und vom 9.Februar 1976 II ZR 65/75, NJW 1976, 894; vgl. auch Sauer, Die Publikums-Kommanditgesellschaft, Erich Schmidt Verlag, S. 83 ff., mit Hinweisen). Das FG hat nicht festgestellt, ob diese Voraussetzungen für die Kündigung des Gesellschaftsverhältnisses im Streitfall gegeben sind. Der Senat kann deshalb ohne ergänzende Feststellungen über die Wirksamkeit der Kündigung nicht entscheiden.
3. Die Entscheidung der Frage, ob der Kläger aufgrund seines Kündigungsschreibens vom 11.Mai 1977 aus der KG ausgeschieden ist, ist rechtserheblich, weil sich hierdurch eine Begrenzung seiner Haftung für die ausgezahlten bzw. verrechneten Vorsteuerbeträge ergeben kann. Dabei ist davon auszugehen, daß der einer Haftung als Kommanditist (§ 171 Abs.1 HGB) zugrunde liegende Primäranspruch hier ein Erstattungsanspruch des FA nach § 37 Abs.2 AO 1977 ist (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 21.Mai 1985 VII R 191/82, BFHE 143, 412, BStBl II 1985, 488). Die in der Literatur unterschiedlich beantwortete Frage, ob dieser Erstattungsanspruch bei zu Unrecht ausgezahlten Vorsteuerbeträgen generell bereits mit der Auszahlung entsteht (so Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 12.Aufl., Tz.11 zu § 37 AO 1977) oder erst mit dem Erlaß eines nach der Auszahlung --erstmals oder geändert-- ergangenen Steuerbescheids (so Kühn/Kutter/Hofmann, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, 14.Aufl., Anm.6 zu § 37 AO 1977), kann im vorliegenden Fall auf sich beruhen. Denn nach der Rechtsprechung des BGH (Urteil vom 21.Dezember 1970 II ZR 258/67, BGHZ 55, 267, 269, mit Hinweisen; vgl. auch Baumbach/Duden, Handelsgesetzbuch, 25.Aufl., § 128 Anm.5 c), der der Senat folgt, sind beim Ausscheiden eines Kommanditisten diejenigen Schuldverpflichtungen der KG als vor dem Ausscheiden entstanden anzusehen, deren Rechtsgrundlage bereits vor diesem Zeitpunkt gelegt worden ist. So liegt hier der Fall hinsichtlich der vor dem 11.Mai 1977 vom FA --sei es aufgrund widerspruchsloser Übernahme der Umsatzsteuervoranmeldungen (§ 168 AO 1977), sei es aufgrund erlassener Umsatzsteuervorauszahlungsbescheide (§ 18 Abs.3 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes 1973)-- vorgenommenen Auszahlungen auf die tatsächlich nicht bestehenden Vorsteuerüberschüsse. Ist aber, wie ausgeführt, der Erstattungsanspruch des FA (§ 37 Abs.2 AO 1977) und damit die Rückzahlungsverpflichtung der KG für die vor dem 11.Mai 1977 ausgezahlten Vorsteuern als in diesem Zeitpunkt entstanden anzusehen, so gilt dies wegen der Akzessorietät der Haftung --der Abhängigkeit von dem Primäranspruch (vgl. Kühn/Kutter/Hofmann, a.a.O., Anm.I vor § 69 AO 1977; Tipke/Kruse, a.a.O., Tz.7 vor § 69 AO 1977)-- auch für die Haftung des Kommanditisten nach § 191 AO 1977 i.V.m. § 171 Abs.1 HGB.
Sollte der Kläger daher zufolge seines Kündigungsschreibens vom 11.Mai 1977 aus der KG als Kommanditist ausgeschieden sein, so käme eine Haftung für die erst nach diesem Zeitpunkt aufgrund später ausgezahlter Vorsteuerbeträge entstandene Rückzahlungsverpflichtung der KG nicht in Betracht. In diesem Umfang wäre der Kläger von der Haftung freizustellen.
4. Da der erkennende Senat über die Frage eines Ausscheidens des Klägers im Mai 1977 mangels ausreichender Feststellungen des FG nicht entscheiden kann, geht die nicht spruchreife Sache unter Aufhebung des finanzgerichtlichen Urteils zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG zurück (§ 126 Abs.3 Nr.2 der Finanzgerichtsordnung --FGO--).
Fundstellen
Haufe-Index 61259 |
BStBl II 1986, 872 |
BFHE 147, 200 |
BFHE 1987, 200 |
DB 1986, 2419-2420 |
DStR 1986, 801-802 (ST) |
HFR 1986, 622-623 (ST) |