Leitsatz (amtlich)
Der Begünstigung gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG-Bayern steht nicht entgegen, daß mehrere Personen das Grundstück, das sie entsprechend der Begünstigungsvorschrift bebauen wollen, zu Miteigentum nach Bruchteilen erwerben und das gemeinschaftliche Eigentum flächenmäßig in Alleineigentum umwandeln, wenn die Aufteilung bereits im Kaufvertrag beurkundet worden ist.
Normenkette
GrESWG-Bayern Art. 1 Nr. 1 Buchst. a
Tatbestand
Die Eheleute A sowie die Eheleute M (sämtliche Kläger und Revisionsbeklagte dieses Verfahrens) kauften mit Vertrag vom 19. November 1965 je einen Viertelmiteigentumsanteil an einem unbebauten Grundstück für insgesamt 72 000 DM. In Abschn. H des notariellen Kaufvertrags war vereinbart, daß das Baugrundstück, falls die Stadt dies genehmige, in zwei Hälften aufgeteilt, die eine Grundstückshälfte von den Eheleuten A und die andere Hälfte von den Eheleuten M zu je einem halben Miteigentum übernommen werden sollte. Dies geschah aufgrund eines weiteren notariellen Vertrages vom 3. Januar 1967.
Die Kläger verpflichteten sich gemäß Art. 3 Abs. 2 des Bayerischen Gesetzes über die Grunderwerbsteuerbefreiung für den sozialen Wohnungsbau i. d. F. des Änderungsgesetzes vom 12. November 1958 - GrESWG-Bayern - (GVBl 1958, 330) zur Erstellung je eines steuerbegünstigten Wohnhauses (Doppelhaus) auf der ihnen vereinbarungsgemäß zugewiesenen Grundstückshälfte. Das beklagte FA (Beklagter) stellte jedoch den Viertelanteilserwerb der Kläger jeweils nur zur Hälfte gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG-Bayern von der Grunderwerbsteuer frei und versteuerte ihn zur anderen Hälfte, indem es jeweils die Grunderwerbsteuer aus 9 000 DM auf 630 DM festsetzte.
Nach erfolglosen Einsprüchen hob das FG die angefochtenen Steuerbescheide samt Einspruchsentscheidungen ersatzlos auf. Die Miteigentumsanteile seien ideelle Anteile am Grundstück, die gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GrEStG selbst als Grundstücke anzusehen seien. Zwar sei die Absicht der Eheleute A und M beim Erwerb nur dahingegangen, jeweils eine Flächenhälfte in eigener Regie zu bebauen. Gleichwohl könne die Steuerfestsetzung nicht bestehenbleiben, weil beim Erwerb der jeweiligen Anteile bereits die Absicht bestanden habe, die Grundstücke flächenweise unter den Ehegatten aufzuteilen. Diese Aufteilung sei nach § 7 Abs. 1 GrEStG steuerfrei, weshalb auch die Absicht, nicht das ganze Grundstück zu bebauen, als unschädlich anzusehen sei.
Mit der Revision rügt der Beklagte die Verletzung des § 1 Abs. 1 und § 7 Abs. 1 GrEStG sowie des Art. 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a und Art. 4 GrESWG-Bayern.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Beklagten ist unbegründet.
Gemäß Art. 1 Nr. 1a GrESWG-Bayern ist "der Erwerb eines unbebauten Grundstücks ... zur Errichtung eines Gebäudes ..." von der Besteuerung ausgenommen. Dieser Tatbestand wurde im vorliegenden Falle von den Klägern verwirklicht. Die vor der Bebauung erfolgte Umwandlung des zunächst erworbenen Bruchteilseigentums in Flächeneigentum steht dem nicht entgegen.
Die flächenmäßige Aufteilung eines Grundstücks ist zwar nach der Systematik des Grunderwerbsteuergesetzes ein eigenständiger Erwerbsvorgang (vgl. zum Grunderwerbsteuergesetz 1919 Urteile des RFH vom 4. Februar 1921 II A 268/20, RFHE 5, 19, und vom 10. Februar 1922 II A 31/21, RFHE 8, 166). Er wird aber vom Gesetz gleichwohl nicht der Besteuerung unterworfen, soweit ein Beteiligter nicht mehr erhält als seiner bisherigen Berechtigung entspricht.
Erwerben mehrere Personen ein Grundstück zu Miteigentum nach Bruchteilen, um es entsprechend der Begünstigungsvorschrift des Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG-Bayern zu bebauen und ist dabei von vornherein die flächenmäßige Aufteilung vorgesehen und beurkundet worden, so stellt sich der Grundstückserwerb rechtlich wie wirtschaftlich als ein einheitlicher Vorgang dar. Der Begünstigung steht daher nicht entgegen, daß sich der einheitliche Erwerbsvorgang formal in zwei Teilakten vollzieht, nämlich zunächst in dem Erwerb des Grundstücks durch die mehreren Personen und in der flächenmäßigen Aufteilung des gemeinschaftlichen Eigentums auf die bisherigen Miteigentümer. Denn die Teilakte dienen insgesamt dem Erwerb des Grundstücks zur Errichtung des begünstigten Gebäudes.
Im gegebenen Fall sind beide Rechtsvorgänge in einem Zuge verwirklicht worden. Sowohl der Kaufvertrag als auch der Vertrag der Käufer untereinander über die Teilung des Grundstücks kamen erst nach einheitlicher Verlesung und Genehmigung mit der Unterschrift des beurkundenden Notars zustande. Die Verbindung beider Geschäfte wird nicht dadurch beeinträchtigt, daß die Teilung des Grundstücks der Genehmigung bedurfte und zufolge § 3 Abs. 5 Nr. 5 Buchst. b StAnpG erst zu einem späteren Zeitpunkt der Steuer unterlag. War auch eine Einheitlichkeit nicht in dem Sinne gegeben, daß die Wirksamkeit des Vertrags mit den Verkäufern von der - zunächst noch aufschiebend bedingten - Wirksamkeit der allein unter den Käufern vereinbarten Teilung abhängen sollte, so war das Ergebnis doch kein anderes, als wenn die Käufer als Gesamtschuldner des Kaufpreises (vgl. § 427 BGB) für jedes der Ehepaare eine abgeteilte Hälfte des Grundstücks (die Ehepaare unter sich zu ideellen Bruchteilen) gekauft hätten, und nur für den Fall, daß die zur Teilung erforderliche Genehmigung versagt oder nicht unverzüglich erteilt würde, den Verkäufern für die Übernahme des ganzen Grundstücks je zu ideellen Vierteln eingestanden wären.
Die zivilrechtliche Problematik dieser Lösung - im besonderen für das Eintragungserfordernis bestimmter und unbedingter Auflassung (§ 925 BGB) - braucht nicht vertieft zu werden. Denn jedenfalls haben die Kläger mit der Teilung des Grundstücks und dessen Bebauung je zur Hälfte der Fläche durch jedes der beiden Ehepaare genau den Zweck erfüllt, zu dem sie das Grundstück erworben haben und um dessentwillen ihr Erwerb gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG befreit war. Dieser Zweck lag nicht außerhalb des Kaufvertrags, sondern war mit diesem zu einem auf seiten der Käufer einheitlichen Geschäft verbunden. Diese Einheitlichkeit des Erwerbs und des Erwerbszwecks kann nicht für die Besteuerung in zwei Vorgänge zerlegt werden. Denn für die Verkäufer war es, sofern ihnen die Käufer als Gesamtschuldner haften, gleich, in welcher Weise sich diese das Grundstück real oder ideell aufteilten.
Für diese Auslegung spricht auch, daß sich sozial schwächeren Bauinteressenten häufig kein anderer Weg bietet, als gemeinsam mit anderen Personen ein Grundstück zu Bruchteilseigentum zu erwerben, das entsprechend einem vorgefaßten Plan nach Maßgabe der baurechtlichen und sonstigen öffentlich-rechtlichen Genehmigungen unter den Erwerbern aufgeteilt und bebaut werden soll. Denn die Veräußerer größerer Grundstücke lehnen es oft aus ertragsteuerrechtlichen Gründen (insbesondere um nicht als Gewerbetreibende angesehen zu werden) ab, selbst die erforderlichen Genehmigungen zu erwirken und das Grundstück aufgeteilt an die einzelnen Interessenten zu veräußern. Würde in diesen Fällen die zugleich mit dem Kauf vereinbarte Umwandlung von Bruchteilseigentum in Flächeneigentum z. T. als Aufgabe des steuerbegünstigten Zwecks angesehen werden, könnten gerade diejenigen nicht in den Genuß der Steuerbefreiung gelangen, denen diese am ehesten zugedacht war.
Die Voraussetzungen, unter denen der Grundstückserwerb gemäß Art. 1 Nr. 1 Buchst. a GrESWG-Bayern begünstigt ist, sind im vorliegenden Fall erfüllt. Der notariell beurkundete Kaufvertrag sah von vornherein die Übertragung des Grundstücks je zur Hälfte auf jedes der beiden Ehepaare vor, wie sich aus Abschn. H des Kaufvertrages ergibt. Nur im Falle der Verweigerung der behördlichen Genehmigung zur Aufteilung sollte die Bruchteils-Gemeinschaft beider Ehepaare Bestand haben. Dementsprechend vollzog sich der Grundstückserwerb für jedes Ehepaar in zwei Teilakten, die rechtlich wie wirtschaftlich als einheitlicher Vorgang zu beurteilen waren.
Fundstellen
Haufe-Index 71202 |
BStBl II 1975, 148 |
BFHE 1975, 117 |