Leitsatz (amtlich)
Die bei der Umwandlung einer GmbH auf den Alleingesellschafter entstehende Grunderwerbsteuer wird vom Wert der Gegenleistung berechnet. Der Wert der Gegenleistung bemißt sich hierbei nach dem Wert der auf den Alleingesellschafter übergehenden Gesellschaftsschulden und dem Wert des untergehenden Gesellschaftsanteils des bisherigen Alleingesellschafters.
Normenkette
GrEStG 1940 § 1 Abs. 1 Nr. 3, §§ 10-11; UmwG §§ 3, 5, 12, 15
Tatbestand
Der ursprüngliche Kläger (weiterhin als Kläger bezeichnet) war Alleingesellschafter der X GmbH. Aufgrund eines Umwandlungsbeschlusses vom Mai 1966 ist das Vermögen der GmbH mit der Eintragung dieses Beschlusses in das Handelsregister auf den Kläger übergegangen. Zu dem Vermögen der GmbH gehörten zwei Grundstücke.
Das beklagte Finanzamt (FA) hat den Vorgang der Grunderwerbsteuer unterworfen. Die Grunderwerbsteuer hat es nach einer angenommenen Gegenleistung in Höhe von ... DM auf ... DM festgesetzt. Der Einspruch des Klägers, mit dem er die Bemessung der Steuer nach dem Einheitswert der Grundstücke begehrte, ist ohne Erfolg geblieben.
Während des Klageverfahrens ist der Kläger gestorben und von der jetzigen Klägerin und Revisionsbeklagten beerbt worden. Der von ihr fortgeführten Klage hat das Finanzgericht (FG) stattgegeben und die Grunderwerbsteuer nach den Einheitswerten der Grundstücke, die im Zeitpunkt der Umwandlung der GmbH gehörten, berechnet und demgemäß auf ... DM herabgesetzt.
Entscheidungsgründe
Die vom FA eingelegte auf Abweisung der Klage gerichtete Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das FG (§ 126 Abs. 3 Nr. 2 der Finanzgerichtsordnung -FGO-).
1. Der Übergang des Grundstückseigentums von der GmbH auf den Kläger unterlag der Grunderwerbsteuer gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Grunderwerbsteuergesetzes (GrEStG) in der in Hessen geltenden Fassung (vgl. das Urteil des Senats vom 8. Februar 1978 II R 48/73, BFHE 124, 387, BStBl II 1978, 320). Denn dem Eigentumsübergang ist kein Rechtsgeschäft vorausgegangen, das einen Anspruch auf Übereignung begründete. Im vorliegenden Fall ist zwar der Eigentumsübergang die rechtliche Folge des Umwandlungsbeschlusses vom 9. Mai 1966, den die Geschäftsführer der GmbH zur Eintragung in das Handelsregister anzumelden hatten, wodurch die Eintragung in das Handelsregister und damit der Vermögensübergang auf den Kläger ausgelöst wurde (vgl. §§ 24, 3, 4, 5 des Gesetzes über die Umwandlung von Kapitalgesellschaften und bergrechtlichten Gewerkschaften [UmWG]). Der Umwandlungsbeschluß begründete aber keinen Anspruch auf Übereignung gemäß §§ 873, 925 BGB, wie dies für die Anwendung des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG erforderlich gewesen wäre.
2. Die Grunderwerbsteuer ist gemäß § 10 Abs. 1 GrEStG vom Wert der Gegenleistung zu berechnen. Eine Gegenleistung liegt vor. Zur Gegenleistung gehören (jeweils anteilig) die auf den Kläger im Zuge der Umwandlung übergegangenen Schulden der GmbH und die mit der Umwandlung verbundene Aufgabe der Geschäftsanteile durch den Kläger.
Die Annahme einer Gegenleistung scheitert nicht daran, daß die Steuerpflicht durch den Eigentumsübergang und nicht durch den vorangegangenen Umwandlungsbeschluß ausgelöst worden ist. Es entspricht der ständigen Rechtsprechnung des Senats, daß die Gegenleistung gegebenenfalls einem ersetzenden Rechtsakt (hier: dem Umwandlungsbeschluß) zu entnehmen ist, wenn nicht das den Eigentumsübergang auslösende Rechtsgeschäft, sondern der Eigentumsübergang selbst zur Steuerpflicht führt (vgl. die Urteile vom 28. Juli 1970 II 105/64, BFHE 100, 133, 136, BStBl II 1970, 816; vom 19. Januar 1977 II R 161/74, BFHE 121, 214, 220, BStBl II 1977, 359; vom 16. Februar 1977 II R 89/74, BFHE 122, 338, 342, BStBl II 1977, 671, und vom 8. Februar 1978 II R 48/73, BFHE 124, 387, 389, BStBl II 1978, 320).
Es ist auch nicht der von der Revisionsbeklagten im Anschluß an Merkert (Betriebs-Berater 1968 S. 826 - BB 1968, 826 -) vertretenen Auffassung zu folgen, daß bei gesellschaftsrechtlichen Übertragungsvorgängen eine Gegenleistung nicht vorliege, daß insbesondere weder in dem Entstehen von Gesellschaftsanteilen (bei der Gründung und der Kapitalerhöhung) noch in der Aufgabe von Gesellschaftsanteilen (bei Beendigung einer Kapitalgesellschaft) eine Gegenleistung zu sehen sei. Diese Auffassung steht nicht im Einklang mit dem Gesetzeswortlaut, mit der Zielsetzung des Grunderwerbsteuergesetzes, der historischen Entwicklung des Grunderwerbsteuergesetzes und der Regierungsbegründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940.
a) § 11 Abs. 1 GrEStG beschränkt sich darauf, die Gegenleistung für die wichtigsten Arten der Grundstücksgeschäfte näher zu umschreiben (vgl. die Regierungsbegründung im RStBl 1940, 387, 406 linke Spalte). Wenn § 11 Abs. 1 GrEStG auch von dem bürgerlich-rechtlichen Begriff der Gegenleistung ausgegangen ist (vgl. RStBl 1940, 405 rechte Spalte), so reicht der grunderwerbsteuerrechtliche Begriff der Gegenleistung gleichwohl über diesen Begriff hinaus, wie das Beispiel der Grundstücksschenkung unter Nießbrauchsvorbehalt zeigt (vgl. hierzu das Urteil des Senats vom 17. September 1975 II R 42/70, BFHE 117, 280, BStBl II 1976, 126). Die Definitionen und Zurechnungen des § 11 GrEStG müssen zwangsläufig sinngemäß auch für diejenigen Fälle gelten, die in der Aufzählung des § 11 GrEStG nicht ausdrücklich enthalten sind. Sie sind, wie aus § 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG zu schließen ist, auch auf "Austauschvorgänge" im gesellschaftsrechtlichen Bereich anzuwenden.
§ 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG ordnete an, daß die Grunderwerbsteuer 2 v. H. beträgt, soweit Grundstücke in eine Kapitalgesellschaft gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten eingebracht werden (vgl. früher § 19 a Abs. 1 Nr. 1 GrEStG i. d. F. der Notverordnung vom 1. Dezember 1930, RGBl 1930, 518, 586). Die Verknüpfung des Grundstückseinbringens mit der Gewährung von Gesellschaftsrechten durch das Wort "gegen" deutet auf ein vom Gesetzgeber angenommenes Austauschverhältnis hin, das zur Bejahung des Vorliegens einer grunderwerbsteuerrechtlichen Gegenleistung führt, mögen die Gesellschaftsrechte auch erst aufgrund des Gesellschaftsvertrags in der Person des Einbringenden entstehen. Dies ist auch die Auffassung der Regierungsbegründung zu § 13 GrEStG. Dort (RStBl 1940, 409) ist ausgeführt worden, daß ein Einbringungsvorgang gegen Gewährung von Gesellschaftsrechten auch dann vorliege, wenn als Entgelt zum Teil Gesellschaftsrechte, zum Teil Gegenleistungen anderer Art gewährt würden.
Für den hier vertretenen Standpunkt, daß bei gesellschaftsrechtlichen Vermögensübertragungen eine Gegenleistung vorliegen kann, spricht im übrigen auch § 1 Abs. 1 Nr. 3 des Hessischen Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiungen bei Änderung der Unternehmensform vom 4. Februar 1970 (Gesetz- und Verordnungsblatt I S. 93 - GVBl I, 93 -, BStBl I, 236), sowie § 27 Abs. 1 Nr. 2 des Umwandlungs-Steuergesetzes (UmwStG) 1977. Auch hinsichtlich der Gesellschaftsteuer geht das Gesetz davon aus, daß bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen eine Gegenleistung vorliegen kann (vgl. § 2 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Nr. 1 Buchst. a des Kapitalverkehrsteuergesetzes [KVStG] 1972). Desgleichen sieht das Kapitalverkehrsteuergesetz Einbringungsvorgänge und Auseinandersetzungsvorgänge bei einer Kapitalgesellschaft börsenumsatzsteuerrechtlich als entgeltliche Geschäfte an (vgl. § 18 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 KVStG).
Daß bei gesellschaftsrechtlichen Vorgängen steuerrechtlich eine Gegenleistung vorliegen könne, war im übrigen bereits der Standpunkt des Reichsstempelgesetzes vom 3. Juli 1913 (RGBl, 639) im Anschluß an vergleichbare Landesstempelsteuergesetze. Beim Einbringen von Vermögen in eine Gesellschaft war die Stempelsteuer in erster Linie nach dem Entgelt einschließlich der auf der Einlage ruhenden, auf die Gesellschaft übergehenden Verbindlichkeiten und des Werts aller sonstigen ausbedungenen Leistungen zu berechnen (vgl. Tarifnr. 1 A d Spalte 4). Wurden Sachen oder Rechte seitens der Gesellschaft zum Sondereigentum an einen Gesellschafter übertragen, so war die Stempelsteuer in erster Linie nach dem Entgelt einschließlich des Werts der Nutzungen zu berechnen (Tarifnr. 1 A e Nr. 2 Spalte 4). Zum Entgelt beim Einbringen gehörten u. a. auch die ausgegebenen Aktien (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs - RFH - vom 30. Juni 1921 II A 270/21, RFHE 6, 162, 165, ferner Greiff, Reichsstempelgesetz, 2. Aufl., Tarifnr. 1 Anm. 187, 188).
Während der Geltungsdauer des Grunderwerbsteuergesetzes von 1919 trat allerdings die Frage nach der Gegenleistung in den Hintergrund. Steuermaßstab war grundsätzlich der gemeine Wert des Grundstücks (§ 11 GrEStG 1919). Der Veräußerungspreis trat nur dann an die Stelle des Werts, wenn er höher war (§ 12 Abs. 1 GrEStG 1919). Durch die Notverordnung vom 1. Dezember 1930 (RGBl 518, 585) trat dann an die Stelle des gemeinen Werts der Einheitswert, nicht zuletzt deshalb, um Schwierigkeiten bei der Wertermittlung und Streitigkeiten mit den Steuerpflichtigen zu vermeiden. Nach Auffassung der Regierungsbegründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 (RStBl 1940, 404) war auch diese Regelung nicht befriedigend; denn "die Einheitswerte eignen sich ihrem Wesen nach im allgemeinen nicht als Besteuerungsgrundlage für die Grunderwerbsteuer". Da die Grundstückspreise seit Jahren durchweg höher waren als die Einheitswerte, wurde die Regelvorschrift des § 11 GrEStG i. d. F. der Notverordnung vom 1. Dezember 1930 zu einer Ausnahmevorschrift. Deshalb ging das Grunderwerbsteuergesetz 1940 zur Gegenleistung als Regelbesteuerungsmaßstab über. Gleichwohl wurde der Einheitswert als Besteuerungsmaßstab für die Fälle beibehalten, in denen eine Gegenleistung nicht vorhanden oder nicht feststellbar war. Erklärlich dürfte diese Regelung nur aus der Überlegung sein, daß derartige Fälle "nicht sehr häufig vorkommen" (RStBl 1940, 405 linke Spalte). Angesichts des klaren Wortlauts des § 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG 1940 kann nicht angenommen werden, daß Vermögensübertragungen im gesellschaftsrechtlichen Bereich zu diesen Ausnahmefällen gehören sollten.
Hieran ändert sich auch dadurch nichts, daß die Regierungsbegründung zum Grunderwerbsteuergesetz 1940 davon ausging, beim Anfall von Vereinsvermögen bei Auflösung des Vereins (vgl. § 45 BGB) sei der Einheitswert Besteuerungsmaßstab. In diesen Fällen sind die Anfallberechtigten vielfach nicht mit den Vereinsmitgliedern identisch. Fällt das Vereinsvermögen an dritte Personen, so liegt zweifellos eine Gegenleistung nicht vor. Daß die Regierungsbegründung diesen fern liegenden Fall anführt, weist eher darauf hin, daß die Verfasser der Regierungsbegründung nicht der Auffassung waren, die häufigeren Vermögensübertragungen im gesellschaftsrechtlichen Bereich sollten ebenfalls unter § 10 Abs. 2 GrEStG fallen. Sonst hätten sie diese Fälle statt der relativ seltenen Fälle des § 45 BGB angeführt. Jedenfalls läßt sich aus der Erwähnung des § 45 BGB in der Regierungsbegründung angesichts des § 13 Abs. 2 Nr. 1 GrEStG und der Begründung zu dieser Vorschrift kein gesetzgeberischer Wille entnehmen, bei gesellschaftsrechtlichen Vermögensübertragungen das Vorliegen einer Gegenleistung generell zu verneinen.
Ist dem Gesetz unter Heranziehung der Regierungsbegründung zu § 13 GrEStG eindeutig zu entnehmen, daß die Gegenleistung bei Sachgründung einer Kapitalgesellschaft in den "ausgegebenen" Gesellschaftsrechten und den von der Kapitalgesellschaft übernommenen Schulden besteht, so ist es zwingend, in dem umgekehrten Fall der Liquidation mit der Übertragung von Grundstücken auf die Gesellschafter die Gegenleistung in der "Aufgabe" der Gesellschaftsrechte und ggf. in der Übernahme von Verbindlichkeiten der Kapitalgesellschaft zu sehen. Erlischt die GmbH mit Durchführung der Liquidation, so erlöschen auch die Gesellschaftsanteile an der GmbH, die wie die Aktien die rechtliche Beteiligung an dem Gesamtvermögen der GmbH darstellen (vgl. hierzu Scholz, Kommentar zum GmbH-Gesetz, 4. Aufl., § 14 Anm. 2 mit weiteren Nachweisen).
Der Senat verkennt nicht, daß dann, wenn entstehende oder untergehende Gesellschaftsanteile nach den vorstehenden Ausführungen zur Gegenleistung zu rechnen sind, deren Wert letztlich wiederum vom Wert u. a. der übertragenen Grundstücke abhängig ist, für die der Wert der Gegenleistung gefunden werden soll. Dies hat seinerzeit Sauter zu dem Vorschlag veranlaßt, als Ausweg die Fiktion vorzuschlagen, daß ein Entgelt aus dem Einbringungsvertrag nicht hervorgehe und deshalb die subsidiäre Berechnung nach dem Wert des eingebrachten Vermögens eintreten müsse (vgl. Bankarchiv XII, 228, 230, zitiert bei Greiff, a. a. O., 2. Aufl, Tarifnr. 1, Anm. 187b). Auch diese Überlegung könnte im vorliegenden Fall jedoch nicht zur Anwendung der Einheitswerte führen. Denn es bliebe bei dem Grundsatz des § 10 Abs. 1 GrEStG, daß die Steuer vom Wert der Gegenleistung zu berechnen ist. Wegen der Schwierigkeiten der Berechnung der Gegenleistung darf nicht von dem Grundsatz des § 10 Abs. 1 GrEStG abgegangen werden, der allein eine zutreffende Besteuerung gewährleistet. Schon 1940 wurden die Einheitswerte als im allgemeinen ungeeignet als Steuermaßstab angesehen. Die Eignung der Einheitswerte als Steuermaßstab ist in der Zwischenzeit noch geringer geworden. Ihre Anwendung muß deshalb, wie dies der Auffassung der Regierungsbegründung zum Grunderwerbsteuergesetz entspricht, auf Ausnahmefälle beschränkt bleiben (vgl. in diesem Zusammenhang auch das Urteil des Senats vom 23. November 1972 II R 95/66, BFHE 108, 252, BStBl II 1973, 368). Zu diesen Ausnahmefällen gehören die Einbringungs- und Liquidationsfälle nicht.
b) Eine Gegenleistung ist entgegen der Auffassung der Revisionsbeklagten in Fällen gesellschaftsrechtlicher Vermögensübertragung auch dann anzunehmen, wenn die Vermögenübertragung auf den oder die Gesellschafter im Wege der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft nach den Vorschriften des Umwandlungsgesetzes erfolgt. Dies hat der Senat bereits für den Fall entschieden, daß eine GmbH auf eine KG umgewandelt wird, die von allen Gesellschaftern der GmbH im Zuge der Umwandlung neu errichtet worden ist (vgl. das Urteil vom 8. Februar 1978 II R 48/73, BFHE 124, 387, BStBl II 1978, 320). Dies gilt aber auch für den vorliegenden Fall der Umwandlung einer GmbH auf den Alleingesellschafter.
Daß die Vermögensübertragung im vorliegenden Fall im Wege der Gesamtrechtsnachfolge erfolgt ist, steht der Annahme einer Gegenleistung nicht entgegen. Auch wenn es das Ziel des Umwandlungsgesetzes ist, bestehende wirtschaftliche Einheiten auf möglichst einfache Weise in eine andere Rechtsform zu überführen, so handelt es sich im vorliegenden Fall gleichwohl nicht um eine formwechselnde Umwandlung unter Wahrung der Identität der GmbH. Es liegt vielmehr, wie bereits in der Begründung zum Umwandlungsgesetz 1934 dargelegt worden ist (vgl. RStBl 1934, 803), eine Vermögensübertragung auf den Alleingesellschafter vor, der im vorliegenden Fall eine natürliche Person war, und zwar ohne Liquidation und unter gleichzeitiger Auflösung der GmbH. Die Vermögensübernahme durch den Alleingesellschafter ist das angestrebte Ziel des Umwandlungsvorgangs, dessen Erreichung durch die vom Gesetz vorgesehene Gesamtrechtsnachfolge erleichtert wird. Der Übergang des Vermögens im Wege der Gesamtrechtsnachfolge ist das auslösende Moment für die Auflösung und den Untergang der umgewandelten Kapitalgesellschaft. Ob der Senat an seinem zur Börsenumsatzsteuer ergangenen Urteil vom 19. Dezember 1973 II R 172/72 (BFHE 112, 78, 83, BStBl II 1974, 400) in jeder Hinsicht festhalten könnte, ist in diesem Rechtsstreit nicht zu entscheiden.
Die Gesamtrechtsnachfolge ist im vorliegenden Fall somit eine besondere Form der Vermögensübertragung von seiten der GmbH auf den Alleingesellschafter. Von einem Vermögensübergang kraft Gesetzes (losgelöst von dem Willen des Alleingesellschafters) kann nicht die Rede sein (so schon das Reichsgericht - RG - in seinem Urteil vom 27. September 1912 Rep VII 181/12, RGZ 80, 168, 171, bei Beurteilung eines Fusionsvorgangs). Daß die willentliche Vermögensübertragung durch Gesamtrechtsnachfolge bewirkt worden ist, ist unter diesen Umständen kein Argument gegen die Annahme einer Gegenleistung (anders Tipke, Der Betrieb - DB -, Beilage Nr. 17/1968).
Soweit die Revisionsbeklagte auf die Nähe der Gesamtrechtsnachfolge bei der Umwandlung zur Erbfolge hinweist und auch deshalb zur Verneinung des Vorliegens einer Gegenleistung gelangt (vgl. hierzu auch Wohlschlegel, Steuer und Wirtschaft 1976 S. 361, 369 - StuW 1976, 361, 369 -), vermag ihr der Senat ebenfalls nicht zu folgen. Die Gesamtrechtsnachfolge ist ein Rechtsinstitut, das vom Gesetz zu unterschiedlichen Zwecken verwendet wird. Zwar findet sowohl im Erbfall als auch bei der Umwandlung eine Gesamtrechtsnachfolge statt. Beide Fälle unterscheiden sich jedoch in wesentlichen Punkten.
Im Erbfall wird die Gesamtrechtsnachfolge durch den Tod und den damit eintretenden Wegfall einer natürlichen Person ausgelöst. Die Folge des Todes des Erblassers ist der Übergang seines Vermögens auf die Erben. Der Fall der Gesamtrechtsnachfolge bei der Umwandlung einer Kapitalgesellschaft liegt insofern anders, als die Gesamtrechtsnachfolge dort ausschließlich in den Dienst der beabsichtigten Vermögensübertragung gestellt wird. Der Untergang der juristischen Person ist hier die Folge der durch Gesamtrechtsnachfolge bewirkten Vermögensübertragung und nicht wie beim Tod einer natürlichen Person, das die Gesamtrechtsnachfolge auslösende Ereignis. Dies zeigt deutlich § 24 i. V. m. §§ 5, 6 UmwG. Mit der Eintragung der Umwandlung geht das Vermögen der GmbH einschließlich der Schulden über. Die GmbH ist damit aufgelöst. Mit der Auflösung der GmbH erlischt die Firma (und auch die GmbH als solche).
Ein weiterer entscheidender Unterschied zwischen der Gesamtrechtsnachfolge bei der Umwandlung auf den Alleingesellschafter und dem Erbfall besteht darin, daß der Alleingesellschafter, auf den umgewandelt wird, an der umzuwandelnden GmbH beteiligt ist. Diese Beteiligung verkörpert auch eine Beteiligung am Gesellschaftsvermögen, wenn auch die GmbH selbst Eigentümerin dieses Vermögens ist. Die Übertragung des Gesellschaftsvermögens im Wege der Umwandlung auf den Alleingesellschafter ist, wie ausgeführt worden ist, als Austausch des Gesellschaftsvermögens gegen die bestehenden Gesellschaftsanteile zu deuten. Eine vergleichbare Konstruktion wäre im Falle der Erbfolge nicht möglich. Im übrigen ist zu erwähnen, daß der Eigentumsübergang im Wege der Erbfolge durch § 3 Nr. 2 GrEStG von der Grunderwerbsteuer ausgenommen ist und zwar deshalb, weil dieser Vermögensübergang der Erbschaftsteuer unterliegt. Vergleichbares gilt nicht für die Gesamtrechtsnachfolge in Vollzug eines Umwandlungsbeschlusses.
Die von der Revisionsbeklagten zitierten Urteile des RG und des Bundesgerichtshofs - BGH - (vgl. das Urteil des RG vom 12. Februar 1929, RGZ 123, 289, 294, und das Urteil des BGH vom 11. April 1957 II ZR 182/55, BGHZ 24, 106, 111) stehen dieser Auffassung nicht entgegen. Wenn das RG und der BGH den Untergang einer Gesellschaft im Zuge der Verschmelzung bzw. der Umwandlung mit dem Tode einer natürlichen Person verglichen haben, so war dies für die jeweils entschiedenen Fälle (Anwendung des § 177 HGB bei der Verschmelzung, Fortdauer der Testamentsvollstreckung hinsichtlich der Aktien nach Umwandlung einer AG in eine KG) durchaus folgerichtig. Dies schließt jedoch nicht aus, daß es im vorliegenden Fall hinsichtlich der Frage nach dem Vorliegen einer Gegenleistung gerade auf die Punkte ankommt, in denen sich der Übergang des Vermögens infolge Umwandlung von dem Vermögensübergang bei der Erbfolge unterscheidet. Daß im Einzelfall gesetzliche Regeln, die für den Fall des Todes einer Person gelten, auch dann anwendbar sind, wenn eine Gesamtrechtsnachfolge infolge Umwandlung oder Verschmelzung stattfindet, führt nicht zu der Schlußfolgerung, daß Erbfolge einerseits und Verschmelzung und Umwandlung andererseits in allen rechtlichen Beziehungen übereinstimmend behandelt werden müssen.
Der erkennende Senat hat in seinem Urteil vom 28. Juli 1970 II 105/64 (BFHE 100, 133, 137 BStBl II 1970, 816) zur Verschmelzung von Genossenschaften die Auffassung vertreten, daß die Übernahme der Verbindlichkeiten der erlöschenden Gesellschaft nur gesetzliche Folge der Vereinigung der beiden Rechtspersonen, aber keine Leistung der übernehmenden Genossenschaft an die Übertragende sei. Diese Auffassung berücksichtigt nicht, daß die Annahme einer Gegenleistung nicht dadurch ausgeschlossen wird, daß der Übergang von Verbindlichkeiten mit der Übertragung des Eigentums an Grundstücken von Gesetzes wegen verbunden ist. Die Grunderwerbsteuer ist von der Gegenleistung für das unbelastete Grundstück zu erheben (Ausnahme: dauernde Lasten, vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 2 GrEStG). Deshalb gehören folgerichtig auch die Belastungen eines Grundstücks zur Gegenleistung, die ohne weiteres Zutun der Beteiligten mit dem Grundstück übergehen (vgl. § 11 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 GrEStG). Der darin zum Ausdruck kommende Rechtsgedanke hat allgemeine Bedeutung. Er gilt nicht nur im Bereich des § 11 Abs. 1 GrEStG, sondern in allen Fällen, in denen die Steuer nach der Gegenleistung zu berechnen ist. Ist der Erwerb eines Aktivvermögens, zu dem ein Grundstück gehört, wie bei der Umwandlung nur dann möglich, wenn zugleich die Verbindlichkeiten übergehen, so ändert dies nichts daran, daß in dem Übergang der Verbindlichkeiten eine Gegenleistung zu sehen ist.
3. Der Senat weicht entgegen der Auffassung der Revisionsbeklagten im vorliegenden Falle nicht von der Rechtsprechung anderer Senate des Bundesfinanzhofs (BFH) in einer Weise ab, die ihn zur Anrufung des Großen Senats gemäß § 11 Abs. 3 FGO nötigt. Der I. Senat (vgl. das Urteil vom 1. Oktober 1975 I R 198/73, BFHE 117, 231, BStBl II 1976, 113) und der VIII. Senat (vgl. das Urteil vom 19. April 1977 VIII R 23/75, BFHE 122, 453, BStBl II 1977, 712) haben über andere Rechtsfragen entschieden, als sie der erkennende Senat im vorliegenden Fall zu entscheiden hatte.
Der I. Senat hatte darüber zu entscheiden, ob ein im Wege der Gesamtrechtsnachfolge bei der Umwandlung übergegangenes Wirtschaftsgut als angeschafft im Sinne des § 1 der Ersten Konjunkturverordnung vom 10. Februar 1967 (BGBl I, 190) galt. Diese Frage hat er verneint und vor allem mit der Zielsetzung der Ersten Konjunkturverordnung begründet. Wenn er in diesem Zusammenhang auch ausgeführt hat, daß ein Umwandlungsvorgang sich vom normalen Tausch- oder Erwerbsgeschäft dadurch unterscheide, daß es an einer an einen Dritten zu erbringenden Gegenleistung fehle, vielmehr ein gesellschaftsrechtlicher Vorgang vorliege, bei dem der Gesellschafter durch die Umwandlung seine Beteiligung zum Erlöschen bringe, so ist darin keine Aussage enthalten, die für die Entscheidung der Frage von Bedeutung sein könnte, ob bei einem der Grunderwerbsteuer unterliegenden gesellschaftsrechtlichen Vorgang im grunderwerbsteuerlichen Sinne eine Gegenleistung anzunehmen ist oder nicht.
Der VIII. Senat hatte die Frage zu entscheiden, ob die Übertragung eines Grundstücks im Zuge der Liquidation einer GmbH als Anschaffung im Sinne des § 23 des Einkommensteuergesetzes (EStG) anzusehen sei. Er hat diese Frage verneint und dem Urteil des I. Senats vom 21. September 1965 I 331/62 U (BFHE 83, 459, BStBl III 1965, 665) zugestimmt, daß die Vermögensverteilung bei der Liquidation einer GmbH ohne jegliche Gegenleistung der Gesellschafter erfolge. Diese Aussage bleibt im Rahmen der Auslegung des § 23 EStG. Sie präjudiziert nicht die Frage, ob im vorliegenden Fall im grunderwerbsteuerrechtlichen Sinn eine Gegenleistung anzunehmen sei.
Die Revisionsbeklagte berücksichtigt nicht, daß die Frage nach der Gegenleistung jeweils nach den Besonderheiten des jeweiligen Steuergesetzes zu entscheiden ist. Dies hat auch schon der VI. Senat in dem ebenfalls von der Revision zitierten Urteil vom 9. Oktober 1964 VI 294/62 U (BFHE 81, 547, BStBl III 1965, 198) anerkannt. Er hat dort ausgeführt, daß die Behandlung der Umwandlung als entgeltlicher Vorgang dort berechtigt sei, wo es um die Erfassung stiller Reserven gehe, die durch die Umwandlung nicht endgültig der Besteuerung entzogen werden dürften. Bei der Auslegung des § 8 Nr. 2 des Gewerbesteuergesetzes hingegen könne man nicht daran vorbeigehen, daß die Übertragung aufgrund einer Umwandlung nicht die gleiche wirtschaftliche Bedeutung habe wie die entgeltliche Übertragung an einen fremden Käufer.
4. Nach allem ist die Revision des FA begründet.
Die Sache ist jedoch nicht spruchreif, weil das FG bisher keine Veranlassung hatte, die Frage zu prüfen, ob die Gegenleistung vom FA in dem angefochtenen Steuerbescheid richtig ermittelt worden ist.
Fundstellen
Haufe-Index 73239 |
BStBl II 1979, 692 |
BFHE 1979, 476 |
DNotZ 1980, 398 |