Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundstückserwerb im Beitrittsgebiet; Grundstücksverkehrsgenehmigung nach Einspruchsentscheidung
Leitsatz (NV)
1. Auf einem ein Grundstück im Beitrittsgebiet betreffenden Grundstückskaufvertrag, der zwar während des zeitlichen Geltungsbereichs des GrEStG-DDR abgeschlossen wurde, für den aber eine erforderliche behördliche Genehmigung erst im zeitlichen Anwendungsbereich des GrEStG 1983 wirksam erteilt wurde, ist insgesamt das GrEStG 1983 anzuwenden.
2. Wird die erforderliche behördliche Genehmigung erst nach der Einspruchsentscheidung erteilt, sind Grunderwerbsteuerbescheid und Einspruchsentscheidung rechtswidrig.
Normenkette
GrEStG-DDR § 1 Abs. 1; GrEStG 1983 § 1 Abs. 1, § 14 Nr. 2
Verfahrensgang
Tatbestand
Durch notariell beurkundeten Kaufvertrag vom 29. Oktober 1990 erwarb der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) eine noch zu bildende Teilfläche aus einem Grundstück im Beitrittsgebiet. Der Kaufpreis betrug 180000 DM. Die erforderliche Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsordnung der ehemaligen DDR wurde am 18. Oktober 1991 erteilt.
Durch Bescheid vom 23. Januar 1991 setzte der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) gegen den Kläger Grunderwerbsteuer in Höhe von 12600 DM fest. Er ging dabei von der Anwendbarkeit des Grunderwerbsteuergesetzes der ehemaligen DDR vom 18. September 1970 - GrEStG-DDR - (Gesetzblatt - GBl - der DDR, Sonderdruck Nr. 677) aus und wandte deshalb einen Steuersatz von 7 v.H. an. Das dagegen eingelegte Rechtsmittel wies das FA durch Einspruchsentscheidung vom 6. März 1991 als unbegründet zurück.
Hiergegen richtete sich die Klage, mit der geltend gemacht wurde, daß auf den Kaufvertrag das Grunderwerbsteuergesetz 1983 (GrEStG 1983) anzuwenden sei.
Das Bezirksgericht - Senat für Finanzrecht - hat der Klage stattgegeben und den Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Der Erwerb des Grundstücks falle in den zeitlichen Geltungsbereich des GrEStG 1983. Das Fehlen einer dem § 14 GrEStG 1983 entsprechenden Regelung im GrEStG-DDR zum maßgeblichen Zeitpunk sei eine offene Regelungslücke, die durch das Gericht geschlossen werden müsse. Diese Lücke sei dahin zu schließen, daß der Kaufvertrag grunderwerbsteuerrechtlich so behandelt werde, als ob eine dem § 14 GrEStG 1983 entsprechende Regelung im GrEStG-DDR enthalten wäre. Da der angegriffene Grunderwerbsteuerbescheid i.d.F. der Einspruchsentscheidung vor Erteilung der Genehmigung und damit der Entstehung der Steuer ergangen sei, sei er aufzuheben. Für den Erlaß eines neuen Grunderwerbsteuerbescheids wies das Bezirksgericht darauf hin, daß nach dem GrEStG 1983 ein Steuersatz von 2 v.H. für den Streitfall maßgeblich sei.
Hiergegen richtet sich die Revision des beklagten FA. Gerügt wird die Verletzung materiellen Rechts.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA ist unbegründet.
Das Bezirksgericht hat zu Recht den angefochtenen Grunderwerbsteuerbescheid und die diesen bestätigende Einspruchsentscheidung aufgehoben. Zum Zeitpunkt der letzten Verwaltungsentscheidung (Einspruchsentscheidung) war Grunderwerbsteuer für den Kaufvertrag noch nicht entstanden, da die erforderliche behördliche Genehmigung des Vertrags (noch) nicht erteilt war.
1. Der Kaufvertrag vom 29. Oktober 1990 hat nicht dazu geführt, daß Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG-DDR entstanden ist. Zum Zeitpunkt des Abschlusses des Kaufvertrags war allerdings das GrEStG-DDR im Beitrittsgebiet noch anzuwenden. Dies folgt aus Art. 8 i.V.m. Anlage I, Kap. IV, Sachg.B, Abschn. II Nr. 14 Abs. 1 des Einigungsvertrags. Nach Satz 1 dieser Vorschrift trat das Recht der Bundesrepublik Deutschland (Bundesrepublik) u.a. auf dem Gebiet des Rechts der Besitz- und Verkehrsteuern einschließlich der Einfuhrumsatzsteuer (erst) am 1. Januar 1991 in Kraft. Für die Steuern, die vor dem 1. Januar 1991 entstanden, war nach Satz 2 der Regelung das bis zum 31. Dezember 1990 im Beitrittsgebiet geltende Recht weiter anzuwenden. Diese Regelung erfaßt auch die Grunderwerbsteuer. Diese bundesgesetzliche Anordnung der (befristeten) Weiteranwendung des GrEStG-DDR ist als solche verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden (vgl. II. 3. a des Senatsurteils vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630).
Der Kaufvertrag im Streitfall bedurfte nach § 2 der Verordnung über den Verkehr mit Grundstücken (Grundstücksverkehrsordnung) der ehemaligen DDR vom 15. Dezember 1977 (GBl 1978 I 5 S. 73) der Genehmigung. Die Grundstücksverkehrsverordnung galt i.d.F. des Einigungsvertrags nach dem 3. Oktober 1990 fort (Anlage II, Kap. III, Sachg.B, Abschn. II Nr. 1 des Einigungsvertrags). Genehmigungsbedürftig war nach dem Wortlaut des § 2 Abs. 1 Buchst. a der Grundstücksverkehrsverordnung in der damals geltenden Fassung zumindest auch die schuldrechtliche Verpflichtung zur Eigentumsübertragung. Ohne diese Genehmigung ist daher der Grundstückskaufvertrag schwebend unwirksam, d.h., die Parteien sind zwar gebunden, es bestehen aber keine Erfüllungsansprüche (vgl. Senatsurteil vom 9. Juni 1993 II R 69/92, BFHE 171, 365, BStBl II 1993, 682). Ohne die erforderliche Genehmigung des Kaufvertrags konnte nach dem GrEStG-DDR - das als revisibles Recht i.S. des § 118 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) der Überprüfung durch den Senat unterliegt (vgl. II. 3. b des Senatsurteils vom 19. Mai 1993 II R 29/92, BFHE 171, 351, BStBl II 1993, 630) - eine Grunderwerbsteuer nicht entstehen. Der Tatbestand des § 1 Abs. 1 Nr. 1 GrEStG-DDR ist dahingehend auszulegen, daß er nur erfüllt ist, wenn die zur Wirksamkeit eines Grundstückskaufvertrags erforderliche Genehmigung erteilt ist (vgl. II 2. b des Senatsurteils vom 19. Mai 1993 II R 23/92, BFHE 171, 357, BStBl II 1993, 628). Da im Streitfall bis zum Ablauf des Jahres 1990 die Genehmigung nicht erteilt wurde, ist eine Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG-DDR nicht entstanden.
2. Bis zum Ergehen der Einspruchsentscheidung ist auch eine Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG 1983 nicht entstanden; Bescheid und Einspruchsentscheidung waren daher rechtswidrig (vgl. Senatsurteil vom 20. Mai 1981 II R 52/79, BFHE 134, 54, BStBl 1981, 737). Auf einen ein Grundstück im Beitrittsgebiet betreffenden Grundstückskaufvertrag, der zwar während des zeitlichen Geltungsbereichs des GrEStG-DDR abgeschlossen wurde, für den aber eine erforderliche behördliche Genehmigung erst im zeitlichen Anwendungsbereich des GrEStG 1983 wirksam erteilt wurde, ist insgesamt das GrEStG 1983 anzuwenden (vgl. das Senats-Urteil vom 19. Mai 1993 II R 71/92, BFHE 171, 361, BStBl II 1993, 633). Nach § 14 Nr. 2 GrEStG 1983 entsteht die Steuer, wenn ein Erwerbsvorgang einer Genehmigung bedarf, mit der Genehmigung. Diese Vorschrift findet auch Anwendung auf behördliche Genehmigungen. Die Genehmigung nach der Grundstücksverkehrsverordnung im Streitfall hat daher grunderwerbsteuerrechtlich keine Rückwirkung. Die mit 2 v.H. zu berechnende Grunderwerbsteuer nach dem GrEStG 1983 ist vielmehr erst zum Zeitpunkt der Erteilung der Genehmigung im Oktober 1991 entstanden.
Fundstellen
Haufe-Index 419717 |
BFH/NV 1994, 737 |