Entscheidungsstichwort (Thema)
Steuerbegünstigung nach § 10e EStG bei Nutzungsüberlassung an getrennt lebende Ehefrau
Leitsatz (amtlich)
Die Steuerbegünstigung nach § 10e EStG steht dem Eigentümer nicht zu für eine Wohnung, die er seiner dauernd von ihm getrennt lebenden Ehefrau unentgeltlich zur Nutzung überlassen hat.
Orientierungssatz
Leben die Ehegatten jeweils für sich in verschiedenen Wohnungen, kann eine eheliche Lebensgemeinschaft nur angenommen werden, wenn die Trennung durch äußere Umstände erzwungen wurde (z.B. durch eine Berufstätigkeit an einem anderen Ort) und die Ehegatten die Absicht haben, nach Wegfall des Hindernisses wieder zusammenzuleben.
Normenkette
EStG § 10e Abs. 1, § 52 Abs. 15 S. 2, § 26 Abs. 1; BGB § 1361 Abs. 4
Tatbestand
Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist verheiratet, lebt aber
seit 1984 von seiner Ehefrau getrennt. Er wohnt allein in einer Mietwohnung,
in der er polizeilich mit erstem Wohnsitz gemeldet ist. Seine Ehefrau lebte
zunächst in der ehemaligen Familienwohnung. Die gemeinsame Tochter hat 1988
mit einem Studium in M begonnen. Mit Hauptwohnsitz ist sie in der Wohnung des
Klägers gemeldet.
Ende 1988 erwarb der Kläger eine 50,6 qm große Eigentumswohnung, in die die
Ehefrau einzog. Am 20. Dezember 1988 meldete der Kläger diese Wohnung als
seinen Zweitwohnsitz an.
Im Lohnsteuerermäßigungsverfahren für 1988 und 1989 machte der Kläger jeweils
"Unterhaltsleistungen an den dauernd getrennt lebenden Ehegatten" in Höhe von
18 000 DM als Sonderausgaben nach § 10 Abs.1 Nr.1 des Einkommensteuergesetzes
(EStG) geltend, für die der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt
--FA--) Freibeträge auf den Lohnsteuerkarten gewährte. Ferner beantragte der
Kläger, für beide Jahre einen Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG für seine von
der Ehefrau bewohnte Eigentumswohnung als Freibetrag auf der Lohnsteuerkarte
einzutragen. Das FA lehnte die Eintragung ab, weil der Kläger die
Eigentumswohnung nicht zu eigenen Wohnzwecken genutzt habe.
Mit seinen Einsprüchen brachte der Kläger vor, bei der von ihm erworbenen
Eigentumswohnung handle es sich um eine Zweitwohnung, die von ihm und seiner
Familie bewohnt werde. Die Wohnung sei bis auf das Schlafzimmer mit seinen
Möbeln ausgestattet und auf seine Kosten versichert. Er kümmere sich um alle
Reparaturen und sehe dort Fernsehsendungen an, die er in seiner Mietwohnung
nicht empfangen könne. Außerdem wohne er dort bei Krankenhaus- und
Kuraufenthalten seiner Ehefrau. Auch verbringe er seit einiger Zeit die
Wochenenden bei seiner Ehefrau; man koche und esse dort gemeinsam. Die Ehefrau
habe die gemeinsame Tochter während einer Erkrankung in der Eigentumswohnung
gepflegt. Die Einsprüche waren erfolglos.
Das Finanzgericht (FG) stellte auf Antrag des Klägers fest, daß die Bescheide,
mit denen das FA die Eintragung eines Freibetrags nach § 10e Abs.1 EStG
abgelehnt habe, rechtswidrig seien. Es führte aus: Eine Wohnung werde zu
eigenen Wohnzwecken genutzt, wenn der Steuerpflichtige sie allein oder
gemeinsam mit seinen Familienangehörigen bewohne. Eine Wohnung könne auch
dadurch genutzt werden, daß sie einem Familienangehörigen unentgeltlich zur
Nutzung überlassen werde (Urteil des Bundesfinanzhofs --BFH-- vom 29. November
1983 VIII R 215/79, BFHE 140, 199, BStBl II 1984, 366). Dem stehe § 10e Abs.1
Satz 3 EStG nicht entgegen. Nach dieser Vorschrift liege eine Nutzung zu
eigenen Wohnzwecken auch vor, wenn Teile einer zu eigenen Wohnzwecken
genutzten Wohnung unentgeltlich zu Wohnzwecken überlassen werden. Daraus werde
geschlossen, daß es an einer Nutzung zu eigenen Wohnzwecken fehle, wenn eine
Wohnung insgesamt zu Wohnzwecken überlassen werde. Im Streitfall werde die
Eigentumswohnung aber nicht durch Überlassung an eine andere Person genutzt.
Vielmehr halte sich die Nutzung durch die Ehefrau im Rahmen der Nutzung durch
die Familie des Klägers, die wie eine Selbstnutzung für eigene Wohnzwecke
i.S. des § 10e EStG angesehen werde. Das FG Berlin (Urteil vom 8. Dezember
1987 VII 140/87, Entscheidungen der Finanzgerichte --EFG-- 1988, 308) habe
dementsprechend für den Fall einer "intakten" Ehe angenommen, daß der
Eigentümer einer Wohnung diese gemäß § 21 Abs.2 EStG selbst nutze, auch wenn
sie vom Ehegatten bewohnt werde. Im Rahmen des § 10e EStG komme es für die
Beurteilung der Selbstnutzung nicht darauf an, ob die Eheleute nach zivil-
oder steuerrechtlichen Grundsätzen getrennt lebten. Denn auch im Falle des
Getrenntlebens sei die Ehefrau solange eine Familienangehörige, bis die Ehe
durch rechtskräftiges Scheidungsurteil aufgelöst worden sei. Eine Nutzung der
Wohnung durch die Ehefrau sei aber eine Form der Eigennutzung des Klägers
durch Überlassung der Wohnung an seine Familie.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 10e Abs.1 EStG.
Es beantragt, die Vorentscheidung aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Er führt aus, er sei in der mündlichen Verhandlung vor dem FG ausführlich auf
die vom FA geforderte eheliche Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft
eingegangen. Das FG habe --von seiner Rechtsauffassung aus zu Recht-- diesen
Sachverhalt nur kursorisch erwähnt. Er habe damals im einzelnen vorgetragen,
daß er tägliche Kontakte zu seiner Ehefrau pflege. Es könne daher nicht von
einem Getrenntleben im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) ausgegangen
werden, so daß die Revisionsbegründung schon deshalb ins Leere gehe. Im
übrigen sei die rechtliche Würdigung des FG sachgerecht und entspreche dem
Gebot der Einzelfallgerechtigkeit.
Das dem Verfahren beigetretene Bundesministerium der Finanzen (BMF) hat keinen
Antrag gestellt.
Es führt zur Sache aus: Der Eigentümer nutze eine Wohnung nur dann zu eigenen
Wohnzwecken, wenn er sie selbst bewohne. Zur Eigennutzung gehöre auch die
Mitbenutzung der Wohnung durch die mit dem Eigentümer in einer
Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen (BFH-Urteil vom 21. Juli
1988 IX R 86/84, BFHE 154, 108, BStBl II 1988, 938). Liege jedoch wie im
Streitfall keine Haushaltsgemeinschaft vor, weil die Ehegatten dauernd
getrennt lebten, nutze der Eigentümer-Ehegatte, die dem anderen Ehegatten
aufgrund unterhaltsrechtlicher Verpflichtung überlassene Wohnung nicht zu
eigenen Wohnzwecken. Eine Auslegung des Tatbestandsmerkmals "eigene
Wohnzwecke", die auch eine "mittelbare" Eigennutzung in Form
unterhaltsrechtlich begründeter Wohnungsüberlassung umfasse, lasse sich weder
mit dem Wortlaut noch mit dem Zweck der Vorschrift vereinbaren.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung
der Klage.
Dem Kläger steht für die an die getrennt lebende Ehefrau überlassene Wohnung
kein Abzugsbetrag nach § 10e Abs.1 EStG zu.
1. Die Inanspruchnahme der Steuerbegünstigung nach § 10e Abs.1 EStG setzt u.a.
voraus, daß der Eigentümer die angeschaffte oder hergestellte Wohnung zu
eigenen Wohnzwecken nutzt. Der Begriff "eigene Wohnzwecke" ist mehrdeutig.
Nach Auffassung der Finanzverwaltung wird durch die Beifügung des Wortes
"eigen" zum Ausdruck gebracht, daß die Nutzung auf die Wohnzwecke des
Eigentümers selbst bezogen sein müsse. Zur Eigennutzung in diesem Sinne gehöre
daher die Nutzung durch den Eigentümer und die Mitbenutzung der Wohnung durch
die mit ihm in einer Haushaltsgemeinschaft lebenden Familienangehörigen, nicht
dagegen die "mittelbare" Eigennutzung, die durch eine unterhaltsrechtlich
begründete unentgeltliche Wohnungsüberlassung entstehe.
Der erkennende Senat hat im Urteil vom 26. Januar 1994 X R 94/91
(BFHE 173, 345) ausgeführt, auch die Überlassung einer Wohnung
aufgrund unterhaltsrechtlicher Verpflichtung gegenüber Kindern könne nach dem
Wortsinn noch als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken aufgefaßt werden. Aufgrund
des mit der Steuerbegünstigung nach § 10e EStG verfolgten Zwecks, insbesondere
Familien mit Kindern den Erwerb von Wohneigentum zu ermöglichen, hat der Senat
eine Nutzung zu eigenen Wohnzwecken des Eigentümers angenommen, wenn dieser
die Wohnung einkommensteuerlich zu berücksichtigenden Kindern i.S. des § 32
Abs.1 bis 5 EStG zum Wohnen überläßt.
Eine andere Beurteilung ist dagegen geboten, wenn der Eigentümer seiner von
ihm getrennt lebenden Ehefrau eine Wohnung zur Verfügung stellt. Besteht die
zum Wesen der Ehe gehörende Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer
nicht mehr und überläßt der unterhaltsverpflichtete Eigentümer der von ihm
getrennt lebenden Ehefrau an Stelle des Barunterhalts eine Wohnung zur
unentgeltlichen Nutzung, wird die Wohnung aus der Sicht des überlassenden
Ehegatten nicht zu eigenen, sondern zu fremden Wohnzwecken genutzt.
Haben Eltern einem unverheirateten Kind Unterhalt zu gewähren, können sie
grundsätzlich die Art des Unterhalts --Geld oder Naturalunterhalt-- bestimmen
(§ 1612 Abs.2 Satz 1 BGB). Die Eltern entscheiden also darüber, ob das Kind im
elterlichen Haushalt oder außerhalb der Familienwohnung wohnt. Dieses
Bestimmungsrecht ermöglicht den Eltern, in gewissem Umfang auch noch auf
volljährige Kinder Einfluß zu nehmen und deren Lebensführung zu überwachen
(vgl. Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 53.Aufl., § 1612 Rz.5). Kommt eine
Unterbringung im elterlichen Haushalt, z.B. aufgrund der räumlichen
Verhältnisse oder weil das Kind an einem anderen Ort ausgebildet wird, nicht
in Betracht, gehört das Kind im allgemeinen gleichwohl noch zur
Familiengemeinschaft, so daß die Nutzung einer den Eltern gehörenden Wohnung
durch ein Kind den Eltern als Nutzung zu eigenen Wohnzwecken zugerechnet
werden kann.
Bei dauernd getrennt lebenden Ehegatten hingegen hat der
Unterhaltsverpflichtete Unterhalt durch Zahlung einer Geldrente zu gewähren (§
1361 Abs.4 BGB). Er kann an Stelle des Barunterhalts auch Sachleistungen
--z.B. durch Überlassung einer Wohnung-- erbringen, sofern der
Unterhaltsberechtigte damit einverstanden ist. Infolge der fehlenden Lebens-
und Wirtschaftsgemeinschaft kann aber das Bewohnen einer Wohnung durch den
dauernd getrennt lebenden Ehegatten dem unterhaltsverpflichteten Ehegatten
nicht als eigenes zugerechnet werden.
Der Gesetzgeber hat mit der Regelung des Realsplittings in § 10 Abs.1 Nr.1
EStG zu erkennen gegeben, daß die steuerrechtliche Berücksichtigung von
Unterhaltsleistungen an den geschiedenen oder getrennt lebenden Ehegatten
gegenständlich begrenzt sein soll.
Aus § 52 Abs.15 Satz 2 EStG ist ersichtlich, daß nach der Wertung des
Gesetzgebers nicht jedwedes Zurverfügungstellen von Wohnraum in Erfüllung
einer Unterhaltspflicht die "eigenen Wohnzwecke" berührt. Diese Vorschrift,
die zwischen der Nutzung durch den Steuerpflichtigen "zu eigenen Wohnzwecken"
und "Wohnzwecken des Altenteilers" unterscheidet, läßt darauf schließen, daß
im Sinne des EStG "eigene" Wohnzwecke nur erfüllt werden, wenn
unterhaltsberechtigte Personen typischerweise zur Lebens- und
Wirtschaftsgemeinschaft des Steuerpflichtigen gehören.
2. Ehegatten leben dauernd getrennt, wenn die zum Wesen der Ehe gehörende
Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft auf Dauer nicht mehr besteht. Wesentliches
Merkmal der ehelichen Lebensgemeinschaft ist das Zusammenleben der Ehegatten
(z.B. BFH-Urteil vom 15. Juni 1973 VI R 150/69, BFHE 109, 363, BStBl II 1973,
640). Leben die Ehegatten jeweils für sich in verschiedenen Wohnungen, kann
eine eheliche Lebensgemeinschaft nur angenommen werden, wenn die Trennung
durch äußere Umstände erzwungen wurde (z.B. durch eine Berufstätigkeit an
einem anderen Ort) und die Ehegatten die Absicht haben, nach Wegfall des
Hindernisses wieder zusammenzuleben.
3. Da das FG von anderen Grundsätzen ausgegangen ist, ist die Vorentscheidung
aufzuheben. Die Sache ist spruchreif. Der Kläger ist 1984 aus der
Familienwohnung ausgezogen und hat in derselben Stadt eine Wohnung für sich
gemietet und sich dort mit Hauptwohnsitz polizeilich gemeldet. Gründe dafür,
daß es sich nur um eine vorübergehende, auf äußere Umstände zurückzuführende
Trennung handelt, hat der Kläger nicht vorgetragen. Er hat auch nicht erklärt,
in Zukunft wieder einen gemeinsamen Haushalt mit seiner Ehefrau führen zu
wollen. Dem entsprechen seine Anträge auf Lohnsteuerermäßigung, in denen er
jeweils begehrte, Unterhaltsleistungen an die getrennt lebende Ehefrau in dem
nach § 10 Abs.1 Nr.1 EStG zulässigen Höchstbetrag als Freibetrag auf der
Lohnsteuerkarte einzutragen. Das FA hat den Anträgen jeweils entsprochen. Die
vom Kläger geschilderten Kontakte zu seiner Ehefrau reichen nicht aus, um eine
Lebens- und Wirtschaftsgemeinschaft annehmen zu können.
Ein Abzugsbetrag für die von der dauernd getrennt lebenden Ehefrau bewohnte
Wohnung steht ihm daher nicht zu. Die Ablehnung des FA, hierfür einen
Freibetrag auf den Lohnsteuerkarten für 1988 und 1989 einzutragen, war somit
rechtmäßig.
Fundstellen
Haufe-Index 64977 |
BFH/NV 1994, 35 |
BStBl II 1994, 542 |
BFHE 173, 352 |
BFHE 1994, 352 |
BB 1994, 778 |
BB 1994, 914 |
BB 1994, 914-915 (LT) |
DB 1994, 817818 (LT) |
DStR 1994, 577-578 (KT) |
DStZ 1994, 379 (KT) |
HFR 1994, 320-321 (LT) |
StE 1994, 214 (K) |
WPg 1994, 584-585 (L) |
StRK, R.21 (LT) |
FR 1994, 295-296 (KT) |
Information StW 1994, 379 (KT) |
NJW 1994, 2504 |
NJW 1994, 2504 (LT) |
KFR, 1/94, S 169-170 (H 6/1994) (LT) |
NWB, Fach 3 9009-9011 (19/1994) (T) |
BRAK-Mitt 1994, 232 (L) |
FamRZ 1994, 831 (L) |
MittBayNot 1994, 481-482 (LT) |
FuL 1994, 195 (K) |