Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Hat ein Handelsvertreter bei übernahme der Vertretung einer Firma seinem Vorgänger eine Abfindung gezahlt, die kein Entgelt für einen Firmenwert darstellt, so ist der Abfindungsbetrag zu aktivieren und durch Absetzungen zum Zwecke einer richtigen Periodenabgrenzung auf die Zeit seiner geschätzten Wirksamkeit zu verteilen.
Normenkette
EStG § 6 Abs. 1 Ziff. 2
Tatbestand
Der Steuerpflichtige (Stpfl.) ist Handelsvertreter. Er hat im Streitjahr 1957 zwei Firmenvertretungen von seinem Vorgänger gegen Zahlung einer Abfindung in Höhe von 7 000 DM übernommen. Von diesem Betrag hat der Stpfl. 3 750 DM über "Allgemeine Unkosten" verbucht und den Rest von 3 250 DM, der noch nicht bezahlt war, passiviert. Die Vertretung einer der von ihm übernommenen beiden Firmen hat der Stpfl. im Oktober 1959 ohne Entschädigung wieder aufgegeben.
Das Finanzamt hat die Gesamtsumme von 7 000 DM als Geschäftswert aktiviert, ohne eine Absetzung für Abnutzung (AfA) zuzulassen; das Finanzgericht hat sich dieser Rechtsansicht angeschlossen und ausgeführt, der Stpfl. habe durch den Erwerb der Vertretungen verschiedene wirtschaftliche Vorteile erworben (neuen Kundenkreis, neue Absatzmöglichkeiten und Gewinnaussichten u. ä.), die ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut darstellten und deshalb zu aktivieren seien. Nur wenn der Teilwert niedriger sei, könne dieser statt der Anschaffungskosten angesetzt werden. Das sei hier nicht der Fall. Wenn der Stpfl. eine der übernommenen Firmen zwei Jahre später ohne Entschädigung wiederaufgegeben habe, so treffe dies nicht das Streitjahr, sondern das Jahr der Aufgabe der Vertretung.
Der Stpfl. hat Rb. eingelegt und unrichtige Rechtsanwendung gerügt. Der Vorgänger habe kein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut "veräußern" können. Er habe allenfalls zwischen ihm und den vertretenen beiden Firmen mit dem Ziel vermitteln können, daß diese Firmen ihre Vertretungen ihm übertrugen. Er könne seinerseits die Vertretungen auch nicht auf einen Nachfolger übertragen, so daß ein bewertungsfähiges Wirtschaftsgut nicht vorliege. Er betreibe sein Geschäft ohne Mitarbeiter; die persönliche Bewährung und Leistung, das heißt seine Fähigkeit, sein Können und die Vertrauensstellung, die er sich bei den vertretenen Firmen erworben habe oder zu erwerben vermöge, seien entscheidend. Ihm sei nicht eine Handelsfirma übertragen worden; der Vorgänger habe ihm nur zwei Vertretungen vermittelt.
Entscheidungsgründe
Die Rb. führt zur Aufhebung der Vorentscheidungen.
Die Ansicht der Vorinstanz, der Betrag von 7 000 DM sei als Geschäfts- oder Firmenwert im Sinne des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG zu beurteilen, kann nicht gefolgt werden. Der Geschäftswert ist ein von den persönlichen Eigenschaften des Unternehmers losgelöster, dem Unternehmen als solchem innewohnender, im Geschäftsleben als Wirtschaftsgut anerkannter Wert, der mit dem Unternehmen veräußerlich und übertragbar ist (Urteil des Bundesfinanzhofs IV 62/60 U vom 10. November 1960, BStBl 1961 III S. 95, Slg. Bd. 72 S. 251). Bei Unternehmen deren Ertragslage allein auf der persönlichen Tüchtigkeit des Unternehmers beruht, wird darum im allgemeinen ein Geschäftswert nicht anzunehmen sein, es sei denn, daß sich die persönliche Tüchtigkeit in einem objektiven Mehrwert des Unternehmens niedergeschlagen hätte (Urteil des Bundesfinanzhofs I 33/60 S vom 2. Mai 1961, BStBl 1961 III S. 365, Slg. Bd. 73 S. 267).
Im vorliegenden Fall ist ein solcher Geschäftswert von dem Bf. nicht erworben worden. Der Bundesgerichtshof hat im Urteil IV ZR 239/61 vom 28. Februar 1962 (Der Betrieb 1962 S. 501) ausgesprochen, daß der Gewerbebetrieb des Handlungsagenten einen goodwill dann haben kann, wenn er einen immateriellen Wert besitzt, der mit den zum Betriebsvermögen gehörenden Rechten und Sachgütern unlöslich verbunden ist und der bei einer Veräußerung des Betriebs mit diesen materiellen Gütern zusammen auf den Erwerber übertragen werden kann. Das Gewerbe eines Handelsvertreters habe für diesen einen Wert sowohl wegen seiner Verbindung zu den Geschäftsherrn als auch wegen der zu den Kunden, die die Ware der Geschäftsherren kaufen. Es könne sein, daß der Handelsvertreter seine Agentur so aufgebaut habe, daß in der Kaufmannschaft ein Interesse daran bestehe, dieser Agentur ohne Rücksicht auf die Person des Inhabers die Vertretung zu übertragen. Sie habe dann einen goodwill. Dasselbe würde zutreffen, wenn der Betrieb der Agentur so eingerichtet wäre, daß auch die Kunden gerade mit Rücksicht auf diese Einrichtung des Betriebs ihre Käufe über diese Agentur abschließen. Beides werde nur in Ausnahmefällen zutreffen.
Im vorliegenden Fall besaß der Rechtsvorgänger kein Geschäft mit einem goodwill, den er hätte veräußern können. P. hatte nicht die Macht, seine Vertretungen an den Bf. abzugeben; denn die übernahme der Vertretung war nur durch den Vertrag mit den Lieferfirmen möglich, und P. konnte nur versprechen, den Bf. bei diesen - ebenso wie bei den Abnehmerfirmen - zu empfehlen. Die vertretene Firma konnte ihrerseits prüfen, ob sie der Empfehlung folgen wollte. Es war ihr durch die Zahlung des Bf. an den Vorgänger nicht verwehrt, einen anderen Handelsvertreter als den Bf. zu wählen. Auch die Abnehmerfirmen sind kein Kundenstamm des Handelsvertreters, den er übertragen könnte, sondern der Kundenstamm der Lieferfirma. Wie der Bf. zutreffend ausführt, hat er kein "Geschäft" von P. übernommen, so daß ihm auch kein aktivierungspflichtiger Geschäftswert übertragen worden ist.
Dem Bf. kann aber nicht darin gefolgt werden, daß die Zahlung nicht aktivierungspflichtig und sofort als Unkosten des Jahres der Zahlung bzw. des Versprechens gewinnmindernd behandelt werden könnte. Sicher ist der Betrag von 7 000 DM eine Betriebsausgabe - wie der Bf. immer wieder betont -, da sie durch den Betrieb veranlaßt worden ist. Das hindert aber nicht anzunehmen, daß durch die Zahlung ein Wirtschaftsgut erworben worden ist, das dem Bf. einen über das laufende Wirtschaftsjahr hinausreichenden Nutzen gebracht hat (vgl. § 7 EStG). Der Begriff "Wirtschaftsgut" ist nach bilanzrechtlichen Gesichtspunkten zu beurteilen (Urteil des Reichsfinanzhofs VI A 2002/29 vom 21. Oktober 1931, RStBl 1932 S. 305, Slg. Bd. 30 S. 142), wobei auch der Grundsatz richtiger Periodenabgrenzung Beachtung verdient; er umfaßt alle Vorteile eines Betriebs einschließlich tatsächlicher Zustände. Nach dem eigenen Vortrag des Bf. hat er eine Reihe von Beziehungen zu den von ihm vertretenen Firmen und zu den von ihm bedienten Kunden erworben. Durch das Eintreten des Vorgängers für den Bf. bei den vertretenen Firmen und bei den Abnehmern hat der Bf. einen Wert erworben, der zu einer Erweiterung des Vertretergeschäfts führte. Der Betrag ist darum zunächst im Augenblick der Zahlung bzw. mit der Einbuchung als Schuld (soweit er nicht bezahlt war) zu aktivieren und durch Absetzungen auf die Zeit seiner geschätzten Wirksamkeit zu verteilen. Nichts anderes ergibt sich, wenn man mit dem Bf. die Zahlung als Provision für die Vermittlung eines geschäftlichen Wirkungskreises oder als kapitalisierten Vorgriff des P. auf die Provisionen nach übergabe der Vertretungen wertet. Ein Herabgehen auf den niedrigeren Teilwert ist in jedem Fall gestattet, wenn eine der erworbenen Vertretungen wiederaufgegeben wird.
Eine Teilwertabschreibung kommt hier für das Streitjahr nicht in Frage, weil die von dem Bf. vorgetragene Aufgabe einer der zwei übernommenen Vertretungen erst zwei Jahre später erfolgt ist.
Nach dem Inhalt der Akten ist die Annahme gerechtfertigt, daß sich der Wert der erkauften Fürsprache in den folgenden drei Jahren verflüchtigt hat. Da nach dem Vertrag vom Dezember 1956 die übernahme der Vertretungen mit dem Januar 1957 erfolgte, kann im Jahre 1957 ein Drittel der 7 000 DM zu Lasten des Gewinns abgeschrieben werden, während der Rest auf die Jahre 1958 und 1959 zu verteilen ist.
Fundstellen
Haufe-Index 411156 |
BStBl III 1964, 423 |
BFHE 1964, 521 |
BFHE 79, 521 |
BB 1964, 996 |
DB 1964, 1174 |
DStR 1964, 461 |