Leitsatz (amtlich)
1. Zur Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus.
2. Der Beurteilung von zwei Wohneinheiten als selbständige Wohnungen i.S. von § 75 Abs.5 und 6 BewG stehen gemeinsame Verkehrsflächen dann entgegen, wenn sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von beiden Wohnbereichen nicht vollständig getrennt sind (Ergänzung zu BFH-Urteil vom 5.Oktober 1984 III R 192/83).
Orientierungssatz
Bei Wohneinheiten in Einfamilienhäusern oder Zweifamilienhäusern, die baulich getrennt und in sich abgeschlossen sind, reicht eine Gesamtwohnfläche von knapp 15 qm nach heutigen Wohngepflogenheiten nicht aus, um einen selbständigen Haushalt zu führen. Bereits in der Entscheidung vom 24.11.1978 III R 81/76 hat der Senat für Wohnungen in Einfamilienhäusern oder Zweifamilienhäusern eine Gesamtwohnfläche von mehr als 23 qm gefordert.
Normenkette
BewG 1965 § 75 Abs. 5-6; BewG 1974 § 75 Abs. 5-6
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eigentümer eines im Jahre 1980 bezugsfertig errichteten Wohngrundstücks. Eine Raumeinheit, die nach Auffassung der Kläger eine Einliegerwohnung darstellt, liegt im Erdgeschoß und besteht aus einem Wohn-/Schlafraum mit kompletter Küchenzeile und einem unmittelbar angrenzenden Duschbad mit WC. Die Gesamtfläche beträgt 14,35 qm, wovon 3,6 qm auf das Bad entfallen. Der Zugang zu dem Wohngebäude erfolgt über die Hauseingangstür in einen Windfang, von dem nach rechts eine Tür unmittelbar in den Wohn-/Schlafraum des als Einliegerwohnung bezeichneten Wohnbereichs führt. Gegenüber diesem Raum befindet sich die Küche der Hauptwohnung, die ihrerseits eine Verbindung zu dem Hauptwohnbereich hat. Geradeaus gelangt man durch einen Türabschluß in die weiteren Räume im Erdgeschoß. Die Baugenehmigung für die "Einliegerwohnung" war unter zahlreichen Befreiungen bzw. Ausnahmen von baurechtlichen Vorschriften und mit der Auflage erteilt worden, diese Räume nur an Familienmitglieder zu vermieten.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) stellte im Wege der Nachfeststellung zum 1.Januar 1981 die Grundstücksart Einfamilienhaus fest. Einspruch und Klage hiergegen blieben erfolglos. Das Finanzgericht (FG) führte zur Begründung seiner Entscheidung aus: Die von den Klägern als Einliegerwohnung angesehenen Räume seien nach ihrer baulichen Gestaltung nicht eindeutig von den anderen Wohnräumen abgeschlossen. Räumlichkeiten von knapp 15 qm, die aus baurechtlichen Gründen nicht an fremde Personen vermietet werden dürften, könnten nach der Verkehrsauffassung nicht als selbständige Wohnung betrachtet werden.
Mit der Revision rügen die Kläger Verletzung von § 75 Abs.5 und 6 des Bewertungsgesetzes 1965 (BewG). Das Merkmal der baulichen Abgeschlossenheit sei bislang nicht als unabdingbar für den Wohnungsbegriff gefordert worden. Die Gesamtfläche der Wohneinheit sei nach den örtlichen Verhältnissen ausreichend für ihre Beurteilung als selbständige Wohnung.
Die Kläger beantragen sinngemäß, die Vorentscheidung aufzuheben und das Grundstück unter Änderung des Einheitswertbescheides vom 27.Oktober 1981 in Gestalt der Einspruchsentscheidung vom 16.Dezember 1981 als Zweifamilienhaus zu bewerten.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Nach § 75 Abs.5 und 6 BewG ist für die Abgrenzung der Grundstücksarten Ein- und Zweifamilienhaus entscheidend, ob eine oder zwei Wohnungen in dem betreffenden Wohngrundstück enthalten sind. Zum Wohnungsbegriff i.S. von § 75 Abs.5 und 6 BewG hat der Senat in der Entscheidung vom 5.Oktober 1984 III R 192/83 (BFHE 142, 5O5, BStBl II 1985, 151) Stellung genommen und die Merkmale des bewertungsrechtlichen Wohnungsbegriffs --teilweise abweichend von der bisherigen Rechtspraxis-- enger gefaßt. Danach ist --jedenfalls für Stichtage ab 1.Januar 1974-- für die Annahme einer Wohnung u.a. wesentlich, daß die Zusammenfassung von mehreren Räumen eine von anderen Wohnungen oder Räumen, insbesondere Wohnräumen, baulich getrennte, in sich abgeschlossene Wohneinheit bildet. Grundsätzlich müssen die Räume Wohnzwecken dienen oder zu dienen bestimmt sein. Es muß ein eigener Zugang bestehen. Darüber hinaus müssen die Räume eine bestimmte Mindestfläche aufweisen. Außerdem ist grundsätzlich erforderlich, daß die für die Führung eines selbständigen Haushalts notwendigen Nebenräume vorhanden sind. Die Grundstücksart Zweifamilienhaus setzt voraus, daß beide Wohneinheiten diese Voraussetzungen erfüllen.
2. Die Anwendung der Grundsätze der Senatsentscheidung III R 192/83 auf den Streitfall ergibt, daß das Wohngrundstück der Kläger zu dem hier streitigen Fortschreibungszeitpunkt nur eine Wohnung enthält. Es fehlt an dem eindeutigen baulichen Abschluß zwischen den beiden Wohnbereichen. Der Windfang ist nicht allein der sog. Einliegerwohnung zuzurechnen, da von hier aus ungehindert auch die Küche und die anderen Wohnräume der Hauptwohnung zu erreichen sind. Der Annahme von zwei selbständigen Wohnungen steht auch entgegen, daß nur ein Zugang vorhanden ist. Der Windfang im Erdgeschoß dient sowohl als Zugang zu den Räumen der Hauptwohnung als auch zu der angeblichen Einliegerwohnung. Zwar schließt das Vorhandensein von gemeinsamen Zugangs- und Verkehrsflächen die Annahme von zwei selbständigen Wohnungen nicht ohne weiteres aus. Sind --wie im Streitfall-- solche gemeinsamen Verkehrsflächen vorhanden, müssen sie nach ihrer baulichen Lage und Funktion von den beiden Wohnbereichen vollständig getrennt sein. Ihrer baulichen Funktion nach dürfen solche Räume nur dem Zugang zu den einzelnen Wohneinheiten dienen. Diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Der Windfang stellt nämlich auch eine räumliche Verbindung zwischen dem Wohnbereich der Hauptwohnung und der dazugehörenden Küche dar.
Auf die Frage, ob der Bewertung des Wohngrundstücks als Zweifamilienhaus auch die geringe Gesamtfläche entgegensteht, kommt es danach nicht mehr an. Der Senat ist indes der Auffassung, daß bei Wohneinheiten in Ein- oder Zweifamilienhäusern, die --anders als im Streitfall-- baulich getrennt und in sich abgeschlossen sind, eine Gesamtwohnfläche von knapp 15 qm nach heutigen Wohngepflogenheiten nicht ausreicht, um einen selbständigen Haushalt zu führen. Bereits in der Entscheidung vom 24.November 1978 III R 81/76 (BFHE 126, 565, BStBl II 1979, 255) hat der Senat für Wohnungen in Ein- oder Zweifamilienhäusern eine Gesamtwohnfläche von mehr als 23 qm gefordert. Nur in abgeschlossenen Appartements in Altenwohnheimen bzw. Altenheimen ließ er, wegen der vorhandenen zentralen Versorgungseinrichtungen, eine Fläche von über 20 qm genügen (vgl. Urteil des Bundesfinanzhofs vom 30.April 1982 III R 33/80, BFHE 136, 293, BStBl II 1982, 671).
Fundstellen
Haufe-Index 60689 |
BStBl II 1985, 496 |
BFHE 144, 72 |
BFHE 1986, 72 |
BB 1985, 1588-1589 (ST) |
DB 1985, 2128-2128 (ST) |
DStR 1985, 579-579 (ST) |
DStZ, Beihefter zu Nr 5/1986 (S) |
HFR 1986, 556-557 (ST) |
Information StW 1985, 452-452 (ST) |
DStZ/E 1985, 286-286 (ST) |
FWW 1985, 151-151 (S) |