Leitsatz (amtlich)
1. Der Senat tritt der Auffassung des Reichsfinanzhofs in seinem Urteil IV A 136/31 vom 22. Juli 1931 bei, daß auch auf Unterbrechungshandlungen im Sinne des § 147 AO seitens eines unzuständigen Finanzamts § 79 AO anzuwenden ist.
2. Werden Zollfahndungsstellen außerhalb ihres Bezirkes tätig, weil ein von ihnen in ihrem Bezirk aufgegriffener Fall dies erforderlich macht oder weil durch Ermittlungen in einem zunächst verfolgten Falle gleichgelagerte Steuerfälle aufgedeckt werden, die sich im Bezirk anderer Zollfahndungsstellen ereignet haben, so bleiben die Zollfahndungsstellen insoweit für die von ihnen in den anderen Bezirken vorgenommenen Amtshandlungen örtlich zuständig.
3. Zur Frage der Ermittlung des Steuerwertes eingeführter Leuchtmittel.
Normenkette
AO §§ 79, 147; FVG § 19; LeuchtmStG § 4 Abs. 3
Tatbestand
Streit besteht über den Steuerwert von ausländischen Leuchtstoffröhren, die die Beschwerdeführerin (Bfin.) in den Monaten Juni bis November 1952 in drei Sendungen über das Zollamt S. aus Belgien, Schweden und der Schweiz eingeführt hat. Nachdem das Zollamt zunächst die leuchtmittelsteuer und die Ausgleichsteuer entsprechend den von der Bfin. angemeldeten Steuerwerten festgesetzt hatte, forderte es mit Steuerbescheid vom 28. April 1954 von der Bfin. Eingangsabgaben in Höhe von 850,35 DM nach. Dieser Betrag setzte sich zusammen aus einer Zollnachforderung von 61,70 DM wegen zu geringer Anmeldung des Rechnungspreises für zwei Sendungen und aus Nachforderungen für Leuchtmittelsteuer und Ausgleichsteuer, weil bei der ursprünglichen Berechnung dieser Steuern auf Grund von Ermittlungen der Zollfahndungsstelle A der Steuerwert der ausländischen Leuchtmittel zu niedrig angesetzt worden war. Mit Steuerbescheid vom 25. August 1954 hob das Zollamt seinen Steuerbescheid vom 28. April 1954 wegen verschiedener sachlicher Mängel auf und setzte die Abgabenschuld der Bfin. auf 861,70 DM fest. Schließlich berichtigte es mit Änderungsbescheid vom 17. Oktober 1956 seinen Bescheid vom 25. August 1954, indem es den Steuerwert der eingeführten Leuchtmittel niedriger festsetzte und nunmehr nur noch 652,20 DM an Eingangsabgaben von der Bfin. nachforderte.
Die gegen den Steuerbescheid vom 25. August 1954 und seine Berichtigung durch den Bescheid vom 17. Oktober 1956 eingelegte Anfechtung blieb erfolglos.
Entscheidungsgründe
Die ohne weitere Begründung eingelegte Rechtsbeschwerde (Rb.) hat ebenfalls keinen Erfolg.
Im Anfechtungsverfahren hat die Bfin. den Einwand der Verjährung erhoben und die örtliche Unzuständigkeit der Zollfahndungsstelle A. gerügt. Der Nichtablauf der Verjährungsfrist stellt im Steuerrecht nach ständiger Rechtsprechung eine Prozeßvoraussetzung dar, die in jeder Lage des Verfahrens -- mithin auch im Rechtsbeschwerdeverfahren -- zu prüfen ist. Diese Prüfung, die im Streitfalle nach dem Urteil des Senats V z 75/54 S vom 25. November 1954 (Slg. Bd. 60 S. 173, Bundessteuerblatt -- BStBl -- 1955 III S. 66, Bundeszollblatt -- BZBl -- 1955 S. 58) in Verbindung mit § 7 Abs. 2 des Gesetzes über Maßnahmen auf dem Gebiet der Finanzgerichtsbarkeit vom 22. Oktober 1957 (Bundesgesetzblatt -- BGBl -- I S. 1746, BZBl 1957 S. 683) auch in tatsächlicher Hinsicht durchzuführen ist, ergibt folgendes:
In den Jahren 1952 und 1953 führte die Zollfahndungsstelle A. gegen eine Reihe von Firmen, die ausländische Leuchtmittel eingeführt hatten, Ermittlungen wegen zu niedriger Anmeldung des Steuerwertes der Leuchtmittel durch. Im Zuge dieser Ermittlungen vernahm ein Beamter dieser Zollfahndungsstelle den Inhaber der Bfin. am 11. Dezember 1952 in H. wegen der Kleinverkaufspreise der von ihm eingeführten Leuchtmittel. Im Laufe des Januar 1953 wurde er auf Ersuchen der Zollfahndungsstelle A. durch die Zollfahndungsstelle H. nochmals gehört. Außerdem ermittelte die Zollfahndungsstelle A. im Laufe des Jahres 1953 die Kleinverkaufspreise inländischer Hersteller gleichartiger Leuchtmittel. Nach § 147 der Reichsabgabenordnung (AO) unterbrechen Maßnahmen, die das zuständige Hauptzollamt (einschließlich seiner nachgeordneten Zollämter als Hilfsstellen) zur Feststellung des Steueranspruchs vornimmt, die Verjährung. In seinem Urteil V z 18/55 S vom 31. Januar 1956 (Slg. Bd. 62 S. 315, BStBl 1956 III S. 116, BZBl 1956 S. 338) hat der erkennende Senat entschieden, daß seit dem Gesetz über die Finanzverwaltung (FVG) vom 6. September 1950 (BGBl 1950 S. 448) auch Handlungen der Zollfahndungsstellen, die diese von sich aus vornehmen und die zur Feststellung des Steueranspruchs oder des Verpflichteten dienen, die Verjährung unterbrechen. Nach § 147 AO unterbrechen nur Handlungen des zuständigen Finanzamts die Verjährung. Die Unterbrechungshandlungen des örtlich unzuständigen Finanzamts sind nach der Vorschrift des § 79 Abs. 1 AO, die auch auf Unterbrechungshandlungen des § 147 AO seitens eines unzuständigen Finanzamts anzuwenden ist, nicht unwirksam (vgl. Urteil des Reichsfinanzhofs IV A 136/31 vom 22. Juli 1931, Slg. Bd. 29 S. 128). Die örtliche Unzuständigkeit des Finanzamts kann aber nach § 79 Abs. 2 AO bis zum Ablauf der Einspruchs-, Anfechtungs- und Beschwerdefrist geltend gemacht werden mit der Folge, daß dann die Vorentscheidung aufgehoben und der Steuerpflichtige gegebenenfalls wegen Verjährung des Steueranspruchs von Abgaben freigestellt werden muß.
Im Streitfalle wurden, was unbestritten ist, Unterbrechungshandlungen von der Zollfahndungsstelle A. im Zuge eigener, nicht von dem Zollamt veranlaßter Ermittlungen vorgenommen. Die Bfin. hat die örtliche Unzuständigkeit der Zollfahndungsstelle A. im Anfechtungsverfahren fristgerecht nach § 79 Abs. 2 AO gerügt. Die Vorinstanz hat die Maßnahmen der Zollfahndungsstelle A. deshalb als wirksame Unterbrechungshandlungen angesehen, weil die Zollfahndungsbeamten zur Durchführung von Ermittlungshandlungen im gesamten Bundesgebiete befugt seien, hat also die örtliche Zuständigkeit der Zollfahndungsstelle A. im Streitfalle bejaht. Dem stimmt der Senat zu. Nach § 19 Abs. 1 FVG ist es Aufgabe der Zollfahndungsstellen, bei der Erforschung und Nachprüfung von Steuerfällen beim Vorliegen des Verdachtes eines Steuervergehens mitzuwirken. Den Zollfahndungsstellen ist zwar nach § 19 Abs. 2 und § 12 FVG ein Bezirk zugewiesen. Innerhalb dieses Bezirkes haben die Zollfahndungsstellen zunächst im Rahmen ihres Aufgabenkreises tätig zu werden. Soweit es dabei die Durchführung ihrer Aufgaben erfordert, können sie aber auch außerhalb ihres Bezirkes Amtshandlungen vornehmen, wenn entweder der aufgegriffene Fall selbst über den engeren örtlichen Bezirk hinaus ein Tätigwerden erforderlich macht, oder wenn durch die Ermittlungen in dem zunächst verfolgten Falle gleichgelagerte Steuerfälle aufgedeckt werden, die sich im Bezirk anderer Zollfahndungsstellen ereignet haben. In beiden Fällen ist es unumgänglich, daß die Zollfahndungsstellen ungehindert und mit voller rechtlicher Wirkung innerhalb des gesamten Bundesgebietes -- also auch außerhalb ihres engeren Bezirkes -- tätig werden können. Für Handlungen, die sie hierbei außerhalb ihres eigentlichen Bezirkes vornehmen, bleiben sie insoweit örtlich zuständig.
Im Streitfalle hat die Zollfahndungsstelle A. auf Grund von Ermittlungen, die sie im Anschluß an eine bei einer Zollstelle in A. stattgefundene Verzollung von Leuchtstoffröhren durch eine Firma in F. wegen des Verdachts der Steuerverkürzung angestellt hatte, solche auch bei der Bfin., die mit der Firma in F. in Geschäftsverbindung stand, hinsichtlich ihrer gleichartigen Einfuhren über das Zollamt S. vorgenommen. Im Zuge dieser Ermittlungen wurde der Inhaber der Bfin., wie oben ausgeführt, in den Jahren 1952 und 1953 durch die Zollfahndungsstelle A. bzw. in deren Auftrage durch die Zollfahndungsstelle H. über die Kleinverkaufspreise der von der Bfin. eingeführten Leuchtstoffröhren gehört. Außerdem stellte die Zollfahndungsstelle A. im Jahre 1953 bei inländischen Herstellungsbetrieben deren Kleinverkaufspreise für gleichartige inländische Leuchtmittel fest. Durch diese Handlungen der nach vorstehenden Ausführungen zuständigen Zollfahndungsstelle A. wurde die Verjährung der Steueransprüche unterbrochen. Im Zeitpunkt des zollamtlichen Steuerbescheids vom 25. August 1954 waren daher die mit diesem geltend gemachten Steuerforderungen nicht verjährt (§§ 144, 147 AO).
Die Vorinstanzen haben der Berechnung des Steuerwertes der eingeführten ausländischen Leuchtstoffröhren nicht die von der Bfin. angemeldeten Verkaufspreise, sondern die Kleinverkaufspreise zugrunde gelegt, zu denen inländische Hersteller in dem in Betracht kommenden Zeitraum ihre gleichartigen Erzeugnisse im Handel an Einzelverbraucher abgegeben haben. Das entspricht der Regelung des Leuchtmittelsteuergesetzes (LeuchtmStG) vom 9. Juli 1923 in der im Zeitpunkt der Einfuhren durch die Bfin. gültigen Fassung. Nach § 4 Abs. 3 LeuchtmStG stimmt der Steuerwert für eingeführte Leuchtmittel mit dem Steuerwerte für gleichartige inländische Erzeugnisse überein. Als Steuerwert für inländische Leuchtmittel -- mit Ausnahme der Hochspannungs-Entladungslampen für Werbezwecke -- gilt nach § 4 Abs. 1 Ziff. 1 LeuchtmStG zwar der listenmäßig festgesetzte Preis, wie er bis Ende des Krieges für die wichtigsten Leuchtmittel amtlich einheitlich für das gesamte Reichsgebiet festgesetzt worden war. Nach Wegfall der gebundenen Listenpreise haben als Steuerwerte die Kleinverkaufspreise zu gelten, die die einzelnen inländischen Leuchtmittelhersteller selbst festsetzten und den Zollstellen mitteilten (vgl. auch die Neufassung des § 4 Abs. 1 Ziff. 1 und Abs. 2 LeuchtmStG durch das Verbrauchsteueränderungsgesetz -- Art. 1, Achter Abschn. -- vom 10. Oktober 1957, BGBl 1957 I S. 1704, BZBl S. 512, 516). Dies entspricht dem Sinn und Zweck des § 4 Abs. 3 LeuchtmStG, der dahin geht, eine möglichst gleichmäßige Steuerbelastung der inländischen und ausländischen Leuchtmittel zu gewährleisten und nicht den Wettbewerb billiger ausländischer Erzeugnisse durch eine steuerliche Besserstellung zu erleichtern. Bei den von der Bfin. eingeführten 40-Watt-Röhren stimmt der von den Vorinstanzen der Nachforderung zugrunde gelegte Kleinverkaufspreis überein mit dem Kleinverkaufspreise von mehreren inländischen Herstellern gleichartiger Erzeugnisse. Bei den von der Bfin. eingeführten 20-Watt-Röhren haben die Vorinstanzen den Kleinverkaufspreis aus dem Durchschnitt der Kleinverkaufspreise von drei führenden inländischen Leuchtmittelherstellern für gleichartige Erzeugnisse ermittelt. Diese Art der Berechnung steht nicht im Widerspruch mit dem angeführten Zweck und Sinn des § 4 Abs. 3 LeuchtmStG und ist daher nicht zu beanstanden.
Fundstellen
BStBl III 1958, 340 |
BFHE 1959, 181 |