Entscheidungsstichwort (Thema)
Kraftfahrzeugsteuerrechtliche Änderungsfestsetzung
Leitsatz (NV)
1. Zu den Voraussetzungen einer verbösernden kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Änderungsfestsetzung im Hinblick auf die Frage der Rechtserheblichkeit einer neuen Tat sache.
2. Kraftfahrzeugsteuerrechtlicher Maßstab zur Abgrenzung zwischen Pkw und anderen Fahrzeugen.
Normenkette
AO 1977 § 173 Abs. 1 Nr. 1; KraftStG § 8
Tatbestand
Der Kläger, Revisionskläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist Halter eines ursprünglich als Personenkraftwagen zugelassenen Fahrzeugs "LandCruiser", das nach einer Umrüstung am 11. Januar 1993 verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen anerkannt und dann auch von dem beklagten, revisionsbeklagten und revisionsklagenden Finanzamt (FA) kraftfahrzeugsteuerrechtlich entsprechend behandelt wurde (Steuerbescheide vom 10. Februar 1993 und 20. Februar 1995). Aufgrund einer Überprüfung anhand einer technischen "Gesamtinformation" (Juni 1995) wurde dem FA deutlich, daß es sich bei dem Fahrzeug um einen umgebauten Geländewagen handelte. Dieser wurde nunmehr wieder als Personenkraftwagen besteuert, und zwar rückwirkend ab 11. Januar 1993 bis zu einer zwischenzeitlich erfolgten Abmeldung Mitte Dezember 1994 (Steueränderungsbescheid 1) sowie ab Wiederanmeldung Ende Januar 1995 bis zum 25. April 1996 (Steueränderungsbescheid 2, beide Änderungsbescheide vom 22. November 1995, bestätigt durch Einspruchsentscheidungen vom 13. Juni 1996). Im Klageverfahren hob das Finanzgericht (FG) den Bescheid 1 auf und wies die Klage gegen den Bescheid 2 ab. Es entschied, das Fahrzeug sei auch nach seiner Umrüstung kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Personenkraftwagen anzusehen, mit der Folge, daß die entsprechende Änderungsbesteuerung für den Zeitraum von Ende Januar 1995 bis April 1996 gerechtfertigt sei, doch scheide eine weitergehende Änderung zum Nachteil des Klägers auch unter Berücksichtigung des zur Steuerfestsetzung vom 10. Februar 1993 am 5. Januar 1995 ergangenen Endbescheids aus, da es insoweit an der Rechtserheblichkeit der der Besteuerung zugrunde gelegten neuen Tatsache (§ 173 Abs. 1 Nr. 1 der Abgabenordnung -- AO 1977 --) -- genaue, im Juni 1995 bekannt gewordene Fahrzeugdaten -- fehle. Auf die in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1997, 499 bis 504 wiedergegebenen Gründe der Vorentscheidung wird verwiesen.
Gegen diese Entscheidung haben beide Beteiligte jeweils Revision eingelegt.
Das FA (VII R 10/97) trägt mit seiner Revision vor, das FG habe hinsichtlich des Bescheides 1 die Voraussetzungen einer Änderung gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 zu Unrecht für nicht gegeben erachtet. Von der Zulassungsstelle sei 1993 im Wege des Datenträgeraustausches nur die verkehrsrechtliche Einstufung des Fahrzeugs übermittelt worden, nicht dessen Typ (J 6), der erst die Entschlüsselung erlaube. Auch wenn der verkehrsrechtlichen Einordnung in der Regel gefolgt würde, so bestehe doch kraftfahrzeugsteuerrechtlich keine Bindung. Schon früher seien demgemäß umgebaute, verkehrsrechtlich als Lastkraftwagen anerkannte Personenfahrzeuge zutreffend besteuert worden (PKW). Bei Kenntnis wäre die richtige Besteuerung erfolgt.
Das FA beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, soweit stattgebend, aufzuheben und die Klage auch im übrigen abzuweisen.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Revision des FA zurückzuweisen.
Er trägt zur Begründung seiner eigenen Revision (VII R 11/97) vor, selbst bei fehlender Bindungswirkung der verkehrsrechtlichen Bewertung sei nicht nachvollziehbar, daß umgebaute Geländewagen kraftfahrzeugsteuerrechtlich als Personenkraftwagen behandelt würden. Das äußere Erscheinungsbild sei ein untaugliches Kriterium der Abgrenzung. Erforderlich seien gesetzliche Abgrenzungsmaßstäbe.
Der Kläger beantragt sinngemäß, die Vorentscheidung, soweit klageabweisend, und den vom FG für rechtmäßig gehaltenen Steueränderungsbescheid aufzuheben.
Das FA beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision, über die gemeinsam entschieden wird (§ 121, § 73 Abs. 1 der Finanzgerichtsordnung -- FGO --), sind unbegründet. Die Vorentscheidung ist nicht zu beanstanden. Der Senat entscheidet in diesem Sinne durch Urteil ohne mündliche Verhandlung; das erforderliche Einverständnis der Beteiligten (§ 121, § 90 Abs. 2 FGO) liegt vor. Der Kläger hat sein Einverständnis nicht nur in der Sache VII R 11/97, sondern auch in der Sache VII R 10/97 erklärt.
1. Revision des Klägers (VII R 11/97)
Keinen Erfolg hat die Revision des Klägers. Da zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen der Revision auch gehört, daß deren Begründung -- § 120 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 2 FGO -- eine wenigstens kurze Auseinandersetzung mit der Vorentscheidung enthält (hierzu etwa Gräber/Ruban, Finanzgerichtsordnung, 4. Aufl., 1997, § 120 Anm. 32), kann sich bereits fragen, ob die Begründung des Klägers diesem Erfordernis genügt. Der Senat sieht indessen in der Revisionsbegründung eine noch genügende ansatzweise Befassung mit den insoweit tragenden Erwägungen der Vorentscheidung und hält das Rechtsmittel des Klägers demzufolge für zulässig. Die Revision ist jedoch nicht begründet. Das FG hat mit ausführlichen Gründen rechtsfehlerfrei erkannt, daß das Fahrzeug des Klägers nach kraftfahrzeugsteuerrechtlichen Maßstäben trotz der erfolgten Umbauten (EFG 1997, 499, 502) ein der Hubraumbesteuerung unterliegender Personenkraftwagen -- § 8 Nr. 1 des Kraftfahrzeugsteuergesetzes (KraftStG) -- geblieben und kein nach Gewicht zu besteuerndes "anderes" Fahrzeug -- § 8 Nr. 2 KraftStG --, hier: Lastkraft wagen, geworden ist. Die Rechtsgrundsätze, von denen das FG bei dieser Bestätigung des Bescheides 2 führenden Beurteilung ausgegangen ist, stimmen mit denjenigen überein, die der erkennende Senat in seiner Rechtsprechung -- insbesondere für Umbaufälle -- entwickelt hat; auf das BFH-Urteil vom 29. April 1997 VII R 1/97 BStBl II 1997, 627 betreffend die Kraftfahrzeugbesteuerung eines Fahrzeugs gleicher Art -- Abschn. II Nr. 1 --, wird verwiesen. An diesen Grundsätzen ist festzuhalten. Die Revision gibt zu einer abweichenden Beurteilung keine Veranlassung. Soweit das FG ausgesprochen hat, daß das FA bei Kenntnis der Fahrzeugbeschaffenheit im Februar 1995 zu einer anderen Besteuerungsentscheidung gelangt wäre (EFG 1997, 499, 504), § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 für diese Änderungsbesteuerung mithin herangezogen werden kann, sind Rechtsfehler weder gerügt worden noch ersichtlich.
2. Revision des FA (VII R 10/97)
Unbegründet ist auch die Revision des FA. Die Entscheidung des FG, die rückwirkende verbösernde Änderungsfestsetzung sei ausgeschlossen, weil die Unkenntnis der genauen Fahrzeugdaten bei der Steuerfestsetzung im Jahre 1993 nicht, wie für die Anwendung von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 erforderlich, ursächlich gewesen ist, begegnet aus den Gründen des BFH-Urteils VII R 12/97 vom 26. Juni 1997 (BFH/NV 1997, 810) -- Abschn. II Nr. 2 -- keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Die Entscheidung in VII R 12/97 ist zwar nicht in einem "Umbaufall", sondern in einer Streitsache ergangen, in der das betreffende Fahrzeug von vornherein als Lastkraftwagen zugelassen gewesen war, doch gilt auch hier, daß aufgrund der vom FG getroffenen Feststellungen und ihrer tatsächlichen Bewertung (EFG 1997, 499, 503), die möglich und mithin revisionsrechtlich bindend ist (§ 118 Abs. 2 FGO), von der mangelnden Rechtserheblichkeit der "neuen" Tatsache auszugehen ist. Der Bescheid 1 ist demzufolge mangels Anwendbarkeit von § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 richtigerweise aufgehoben worden. Damit erledigte sich zugleich der insoweit erlassene Endbescheid (§ 12 Abs. 2 Nr. 3 KraftStG), dessen Ergehen erst nach erlangter Kenntnis von der Problematik der Umbaufälle, wie vom FG ausgeführt (EFG 1997, 499, 504) und von der Revision des FA nicht angegriffen, eine andere Beurteilung hinsichtlich der Rechtserheblichkeit nicht gebot. Ob die Feststellungen der Vorinstanz es auch gerechtfertigt hätten, den Rückgriff auf § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO 1977 wegen mangelnder finanzamtlicher Ermittlung auszuschließen -- verneint vom FG (a. a. O.), bejaht vom Senat in VII R 1/97 Abschn. II Nr. 2 (Umbaufall) --, bedarf im Streitfall keiner Beurteilung.
3. Die Kostenentscheidung ist nach dem Grundsatz der einheitlichen Kostenverteilung nach Quoten der Gesamtkosten zu treffen, wenn -- wie hier -- beide Beteiligte Revision eingelegt haben (Gräber/Ruban, a. a. O., § 136 Anm. 4). Die Kostenverteilung ergibt sich nach dem Maße des Obsiegens bzw. Unterliegens (§ 136 Abs. 1 Satz 1 FGO).
Fundstellen
Haufe-Index 422381 |
BFH/NV 1997, 906 |