Entscheidungsstichwort (Thema)
Testamentsvollstrecker als Unternehmer
Leitsatz (NV)
Die sich über mehrere Jahre erstreckende Auseinandersetzungs-Testamentsvollstreckung, die zahlreiche Einzelhandlungen erfordert, ist eine unternehmerische Tätigkeit.
Normenkette
UStG 1980 § 2 Abs. 1
Tatbestand
Streitig ist, ob eine vom Kläger und Revisionsbeklagten (Kläger) durchgeführte Testamentsvollstreckung der Umsatzsteuer unterliegt.
Der Kläger war in den Streitjahren 1979 und 1980 als Geschäftsführer der . . . tätig. Nach der unter den Geschäftsführern vereinbarten Ressortverteilung war er für die Bereiche Personal und allgemeine Verwaltung sowie den Vertrieb und das Marketing zuständig.
Der Kläger ist ein Großneffe der am . . . 1978 verstorbenen Erblasserin X, deren Familie ehedem an der Z-GmbH beteiligt gewesen war. Er beriet die Erblasserin nach dem Tod ihres Ehemanns in privaten Angelegenheiten, insbesondere bei der Regelung des Nachlasses und der Abfassung des Testaments, jedoch nicht in Fragen der Verwaltung ihres Vermögens. Die Erblasserin bestimmte den Kläger zusammen mit zwei weiteren Personen im Testament vom 1. Mai 1976 als Testamentsvollstrecker.
Alleinerbe ist der Y-Verband mit der Auflage, den Nachlaß als unselbständige ,, . . .-Stiftung" je zur Hälfte für die Erforschung und Bekämpfung von . . . zu verwenden. Aufgrund von Vermächtnissen, mit denen drei Verwandte der Erblasserin, ein Altenheim und der . . . bedacht waren, waren Zahlungen in Höhe von insgesamt . . . DM zu leisten. Eine Eigentumswohnung in . . . war der dortigen Kirchengemeinde vermacht. Die Wohnungseinrichtung sollte die Klinik . . . in . . . erhalten. An persönlichen Gegenständen der Erblasserin waren ein Pelzmantel, ein Pelzbolero, ein Brillantring, eine Perlenkette und eine Brillantarmbanduhr an Angehörige der Erblasserin zu übergeben. Der Kläger selbst sollte aus dem Nachlaß einen Gobelin und ein Ölbild erhalten. Der Nachlaßwert belief sich am Todestag auf . . . DM. Der Nachlaß bestand u. a. aus Guthaben auf Kontokorrentkonten und Wertpapierdepots bei der B-Bank, bei der C-Bank . . ., bei der D-Bank in . . . , bei der E-Bank in . . . und bei der F-Bank in . . .
Ein Schließfach enthielt Werte in Höhe von . . . DM.
Etwa im Juni 1978 begaben sich die drei Testamentsvollstrecker zu Dr. H in . . . , dem Anwalt der Erblasserin, und suchten anschließend in Begleitung von Finanzbeamten die Wohnung der Erblasserin auf. Dort nahmen sie die Geschäftsunterlagen der Erblasserin in Besitz, während die Finanzbeamten ein Inventar anfertigten. Dr. H übergab den Finanzbeamten eine Übersicht über die Konten der Erblasserin und stellte ein Nachlaßinventar auf.
Die Testamentsvollstreckung erfolgte unter der Federführung des Klägers in der Weise, daß die Geldvermächtnisse aus den Beständen des Kontokorrents der Erblasserin an die Berechtigten überwiesen wurden und daß die persönlichen Gegenstände den Bedachten übergeben wurden. Ein Teil der Depots in . . . wurde auf Veranlassung des . . . verbands durch Verkauf aufgelöst und an den Verband überwiesen, während der Rest der Depots direkt auf diesen übertragen wurde.
In zwei Fällen gestaltete sich die Testamentsvollstreckung problematisch:
Die Erblasserin hatte noch zu Lebzeiten die nach dem Testament der Kirchengemeinde und der Klinik zugedachte Eigentumswohnung in . . . samt Einrichtung durch einen notariell beurkundeten Kaufvertrag an einen an dieser Klinik arbeitenden . . . Arzt verkauft. Die behördliche Genehmigung zum Erwerb war nicht erteilt worden. Der Eigentumswechsel war auch noch nicht im Grundbuch eingetragen. Der Arzt meldete sich nach dem Tode der Erblasserin und verklagte den durch Dr. H als Prozeßbevollmächtigten vertretenen Nachlaß auf Herausgabe der Wohnung. Nachdem er die Genehmigung zum Erwerb erhalten hatte, klagte die als Vermächtnisnehmerin eingesetzte Kirchengemeinde auf Aufhebung der Genehmigung; das Gericht, bei dem der Herausgabestreit anhängig war, setzte das Verfahren bis zur Entscheidung über die Genehmigung aus. Nachdem die Kirchengemeinde in dem Genehmigungsstreit obsiegt hatte, erledigte sich der Herausgabestreit im Sommer 1985 durch Klagerücknahme.
Etwa ein halbes Jahr vor ihrem Tode hatte die Erblasserin ihrer Bank in . . . den Auftrag erteilt, . . . Gold aus ihrem Depot auf das Konto eines Dritten bei der C-Bank zu überweisen. Infolge eines Versehens der Bank wurde die Überweisung aber auf ein Konto der Erblasserin bei der C-Bank ausgeführt. Dort befand sich das Gold am Todestag als Bestandteil des Nachlasses. Der Dritte wandte sich etwa in der zweiten Hälfte 1978 an die Bank mit der Nachfrage nach dem Verbleib des Goldes. Daraufhin wies die Bank den Kläger auf ihren Fehler hin. Der Kläger widersprach der Übertragung des Goldes auf den Dritten und beauftragte in Abstimmung mit dem . . . verband Dr. H mit der Führung eines Prozesses auf Rückübertragung des Goldes. Dieser Prozeß wurde bis etwa 1982 durch drei Instanzen geführt und schließlich gewonnen.
Im Rahmen dieser Prozesse hielt der Kläger einerseits durch Besprechungen, Telefonate und Briefverkehr mit Dr. H Verbindung und andererseits ,,zu seiner Rückendeckung" telefonischen Kontakt mit dem . . . verband.
Im Mai 1980 war die Testamentsvollstreckung nach Ansicht des . . . verbandes im wesentlichen abgeschlossen. Die Vermächtnisse waren erfüllt und die wesentlichen Vermögenswerte auf den . . . verband übertragen. Die noch offenen Fragen hinsichtlich der Eigentumswohnung und deren Einrichtung sowie bezüglich des Eigentums an dem Gold und der Entrichtung von staatlichen Abgaben und der Anwaltshonorare sollten nach den Vorstellungen des . . . verbandes weiter von den Testamentsvollstreckern erledigt werden. Der . . . verband schlug dem Kläger seinerzeit einen Anteil an der Gesamtvergütung der Testamentsvollstrecker in Höhe von . . . DM vor. Der Kläger hatte bereits 1979 . . . DM erhalten. 1980 flossen ihm weitere . . . DM zu.
Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt - FA -) sah die Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker als umsatzsteuerpflichtig an und setzte gegen ihn für 1979 Umsatzsteuer in Höhe von . . . DM und für 1980 von . . . DM fest. Der Einspruch hatte nur insoweit Erfolg, als das FA die Vergütungen als Bruttoentgelt behandelte und deshalb die Umsatzsteuer für 1979 auf . . . DM und für 1980 auf . . . DM herabsetzte.
Die Klage hatte Erfolg. Nach Auffassung des Finanzgerichts (FG) war der Kläger bei der Testamentsvollstreckung nicht nachhaltig i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) 1973/1980 tätig. Entscheidend sei, so meinte es, daß der Kläger nur eine einzige Testamentsvollstreckung durchgeführt habe. Daß die Erledigung dieses Auftrages vielfache Einzelhandlungen erfordert habe, führe nicht zu der Annahme mehrfacher Leistungen. Leistung im umsatzsteuerrechtlichen Sinne sei die Testamentsvollstreckung als solche, nicht die zu deren Erledigung erforderlichen Einzelhandlungen. Um eine ,,Dauerleistung" handle es sich - anders als bei einer Verwaltungstestamentsvollstreckung - nicht. Der Kläger sei vor allem aus privaten Gründen, nicht aufgrund einer besonderen beruflichen Qualifikation, als Testamentsvollstrecker eingesetzt worden. Soweit eine berufliche Qualifikation zur Interessenwahrung erforderlich gewesen sei, habe sich der Kläger der Dienste des Dr. H bedient.
Mit der Revision rügt das FA Verletzung des § 2 Abs. 1 UStG 1973/1980. Der Kläger sei unternehmerisch, insbesondere auch nachhaltig, tätig geworden.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage (§ 126 Abs. 3 Nr. 1 der Finanzgerichtsordnung - FGO -).
Der Kläger erbrachte als Testamentsvollstrecker umsatzsteuerpflichtige Leistungen. Er war hierbei unternehmerisch tätig i. S. des § 2 Abs. 1 UStG 1973/1980.
Unternehmer ist nach § 2 Abs. 1 Satz 1 UStG 1973/1980, wer eine gewerbliche oder berufliche Tätigkeit selbständig ausübt. Gewerblich oder beruflich ist jede nachhaltige Tätigkeit zur Erzielung von Einnahmen, auch wenn die Absicht, Gewinn zu erzielen, fehlt (§ 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973/1980).
Daß der Kläger bei der Testamentsvollstreckung selbständig tätig war, ist zu Recht zwischen den Parteien nicht streitig. Er war auch nachhaltig tätig.
Die Frage, ob im Einzelfall jemand nachhaltig i. S. des § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG 1973/1980 tätig geworden ist, ist nach dem Gesamtbild der Verhältnisse zu entscheiden (Senatsurteil vom 18. Juli 1991 V R 86/87, BStBl II 1991, 776). Nach dieser Entscheidung kann sich die Nachhaltigkeit aus einer Reihe unterschiedlicher Kriterien ergeben.
Die Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker war nachhaltig.
Der Kläger war von 1978 bis 1980 als Testamentsvollstrecker tätig. Als solcher hatte er planmäßig im Rahmen der ihm vom Gesetz als Testamentsvollstrecker auferlegten Aufgaben (vgl. §§ 2197 ff. des Bürgerlichen Gesetzbuches - BGB -) zu handeln. Die Auseinandersetzung des sehr umfangreichen und wertvollen Nachlasses erforderte nach den Feststellungen des FG zahlreiche Einzelhandlungen und deshalb eine nicht unerhebliche Arbeitsintensität.
Letztere wird nicht dadurch in Frage gestellt, daß der Kläger sich - insbesondere bei der Führung der Prozesse - fachlicher Hilfe bediente und daß noch zwei weitere Testamentsvollstrecker bestellt waren. Der Kläger war bei der Testamentsvollstreckung nach den Feststellungen des FG federführend tätig.
Die Nachhaltigkeit der Tätigkeit des Klägers als Testamentsvollstrecker ist nicht etwa im Hinblick darauf zu verneinen, daß der Kläger nur in dem der Streitsache zugrunde liegenden Fall zum Testamentsvollstrecker ernannt wurde und nicht auch für andere Nachlässe. Das Merkmal einer auf Wiederholung angelegten Tätigkeit kann nicht allein daran gemessen werden, ob ein Testamentsvollstrecker wiederholt in mehreren Erbfällen Testamentsvollstrecker ist (so aber Urteil des Reichsfinanzhofs vom 17. Oktober 1941 V 121/41, RStBl 1942, 13). Es liegt vielmehr auch dann vor, wenn unter Ausnutzung derselben Gelegenheit oder desselben Verhältnsises tatsächlich mehrere aufeinanderfolgende gleichartige Einzelhandlungen vorgenommen werden (vgl. für die von einem gemeinnützigen Flugsportverein während eines Flugtages und eines mehrtägigen Hallenfestes betriebene Restauration Urteil des Bundesfinanzhofs - BFH - vom 21. August 1985 I R 60/80, BFHE 145, 33, BStBl II 1986, 88; für Arbeitsgemeinschaft des Baugewerbes BFH-Urteil vom 23. Februar 1961 IV 313/59 U, BFHE 72, 533, BStBl III 1961, 194; für eine ererbte Steuerberaterkanzlei, die mit dem Ziel der baldigen Veräußerung betrieben wird, BFH-Urteil vom 30. November 1989 I R 19/87, BFHE 159, 162, BStBl II 1990, 246). Dementsprechend kann eine auf Wiederholung angelegte Tätigkeit auch darin gesehen werden, daß der Testamentsvollstrecker mit der Übernahme des Testamentsvollstreckeramts ein auf mehrere Jahre angelegtes Rechtsverhältnis eingeht. Die Bedeutung der Tätigkeit wird nicht durch den (einmaligen) Akt der Übernahme, sondern durch die Vielzahl der durch die Aufgabenstellung des Amtes bedingten Handlungen bestimmt, die der Testamentsvollstrecker in Erfüllung der übernommenen Verpflichtung erbringt (so auch BFH-Urteil vom 7. August 1975 V R 43/71, BFHE 117, 113, BStBl II 1976, 57 für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Verwaltungs-Testamentsvollstreckung).
So war es beim Kläger. Er hat sich mit der Übernahme des Testamentsvollstreckeramts in ein ungefähr zwei Jahre andauerndes Rechtsverhältnis begeben, das von ihm angesichts des umfangreichen und wertvollen Nachlasses zahlreiche Einzelhandlungen erforderte.
Fundstellen