Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifierung von ,,Hackschnitzeln"
Leitsatz (NV)
1. Zur Abgrenzung zwischen ,,Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln" und ,,Holzabfällen" (sog. Hackschnitzel).
2. Bei der Auslegung der Tarifnummern (Positionen) des Zolltarifs ist eine Analogie nicht zulässig.
Normenkette
Zolltarif (KN) Pos. 4401 2100, 4401 3090
Tatbestand
Die beklagte Oberfinanzdirektion (OFD) wies in ihrer der Klägerin erteilten verbindlichen Zolltarifauskunft (vZTA) . . . vom 15. April 1988 ,,Hackschnitzel" als (Nadel-)Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln der Unterposition 4401 2100 der Kombinierten Nomenklatur (KN) zu. Bei der Ware handelt es sich um in einem Hacker zerkleinerte, beim Einschnitt von Rundholz in Sägewerken als Industrierestholz anfallende Schwarten und Spreißeln, Länge in Faserrichtung etwa 30 bis 40 mm, mit geringem Anteil an extrem langen Hackschnitzeln und Kleinteilen. Das eingeführte Material wird bei der Klägerin sortiert und in Spezialmühlen zerkleinert. Nach Trocknung soll es zur Spanplattenproduktion verwendet werden.
Der Einspruch der Klägerin, mit dem diese die Tarifierung als Holzabfälle der Unterposition 4401 3090 begehrte, hatte keinen Erfolg.
Mit der Klage wird vorgebracht, die Bestandteile des Materials seien zu groß, um als ,,in kleine Stücke zerkleinertes Holz" angesprochen zu werden. Schwarten und Spreißeln gehörten zu den Holzabfällen. Schwarten fielen im Sägewerk in unregelmäßigen Längen und Breiten an und ließen sich deshalb schlecht bündeln. Sie würden zu Transportzwecken grob zerkleinert, nicht zielgerichtet auf eine bestimmte Verwendung. Wenn Abfälle der Unterposition 4401 30 zusammengepreßt sein dürften, so müßten auch durch Zerkleinern aufgearbeitete Schwarten und Spreißeln als Abfälle gelten. Im maßgebenden Zeitpunkt sei das Material noch nicht zur Herstellung von Spanplatten geeignet.
Die OFD vertritt die Auffassung, Holzabfälle seien Erzeugnisse, die infolge eines Bearbeitungsvorgangs anfielen, nicht dagegen solche, die - wie die tarifierte Ware - durch einen gezielten Arbeitsvorgang zu Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln bearbeitet worden seien. Ohne Bedeutung sei, aus welchem Ausgangsmaterial die Plättchen oder Schnitzel hergestellt würden. Ein Zerkleinern in kleine Stücke liege hier vor, da nach neueren Angaben Hackschnitzel Längenabmessungen bis etwa 50 mm aufwiesen; vereinzelte längere Stücke seien handelsüblich. Die Verwendung zur Herstellung von Spanplatten brauche im übrigen nicht unmittelbar möglich zu sein.
Entscheidungsgründe
Die Klage ist nicht begründet.
Die sog. Hackschnitzel gehören nicht zu Unterposition 4401 3090 KN, sondern, wie von der OFD richtig entschieden, zu Unterposition 4401 2100.
Holzabfälle im zolltariflichen Sinne liegen nicht vor. Zwar entspricht das Material nach seinem Aussehen weitgehend Holz, das beim Einschnitt in Sägewerken anfällt, damit ,,Abfällen aus Sägewerken" (einschließlich Schwarten), die in den Erläuterungen zur Kombinierten Nomenklatur (ErlKN) zu Position 4401 Teil HS Rdz. 09.0 beispielhaft angeführt sind. Es steht indessen fest, daß die Ware grob zerkleinert worden ist, wenn auch - nach Angabe der Klägerin - nur zu Transportzwecken.
Damit weist die Ware im maßgebenden Zeitpunkt eine Beschaffenheit auf, die sie von der Tarifierung als ,,Holzabfall" ausschließt. Die Unterposition 4401 30 erfaßt nach ihrem Wortlaut neben Sägespänen Holzabfälle und Holzausschuß, auch zu Pellets, Briketts, Scheiten oder ähnlichen Formen zusammengepreßt, d. h. außer Holzabfällen usw., die sich wie die in gleicher Reihe stehenden Sägespäne bei der Holzbehandlung ergeben (abfallen), bearbeitete Abfälle usw., diese jedoch nur, soweit sie zu ,,ähnlichen Formen" gepreßt sind. Jede andere Form der Bearbeitung, auch ein grobes Zerkleinern, steht einer Zuordnung zu Unterposition 4401 30 entgegen. Diese Beurteilung entspricht dem Erfordernis einer Tarifierung aufgrund der objektiven Merkmale und Eigenschaften der Ware, dem Beurteilungsmaßstab, nach dem der Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) zu Kapital 44 des früheren Gemeinsamen Zolltarifs entschieden hat, daß eine über die zugelassene Behandlung hinausgehende, sie nicht nur ergänzende Bearbeitung zu einer anderweitigen zolltariflichen Einordnung führt (Urteil vom 4. Juli 1985 Rs. 167/84, EuGHE 1985, 2235, 2247 - Balsaholz; vgl. auch Senat, Beschluß vom 8. Mai 1984 VII R 96/81, BFHE 141, 103). Auf die Frage, ob der Unterschied zwischen zusammengepreßten und zerkleinerten Holzabfällen (zollpolitisch) gerechtfertigt ist, kommt es nicht an. Die Tarifpositionen müssen nach objektiven, nach ihrem Wortlaut zu bestimmenden Kriterien ausgelegt werden; sie dürfen nicht entgegen ihrem Wortlaut auf andere Erzeugnisse angewandt werden, und zwar selbst dann nicht, wenn diese sich in ihren Eigenschaften und ihrer Verwendung nicht von denjenigen unterscheiden, die von der Tarifvorschrift erfaßt werden (EuGH, Urteil vom 18. März 1986 Rs. 58/85, EuGHE 1986, 1131, 1145 - Zollaussetzung für Spinnfäden aus Polyglykolsäure). Zu einer anderen Beurteilung kann auch nicht der von der Klägerin angeführte umsatzsteuerrechtliche Erläuterungserlaß des Bundesministers der Finanzen führen (letzte Fassung veröffentlicht in BStBl I 1983, 567). Nach dieser zu § 12 Abs. 2 Nr. 1 des Umsatzsteuergesetzes (UStG) ergangenen Verwaltungsanweisung (hier: Rdz. 130 Nr. 1, BStBl I 1983, 585) gehören zu den nach der Anlage zum UStG - jetzt Nr. 48 Buchst. b, früher Nr. 42 Buchst. a - steuerbegünstigten Holzabfällen auch Holzhackschnitzel und Holzhackspäne, die erst nach weiterer Aufbereitung zum Zerfasern für die Herstellung von . . . Holzspanplatten . . . verwendet werden können ,,und damit den Charakter von Holzabfällen haben". Dieser Erlaß bindet die Gerichte nicht. Er bezieht sich auch nicht unmittelbar auf die zolltarifliche Einordnung, sondern nur auf die umsatzsteuerrechtliche Abgrenzung. Selbst insoweit läßt sich ihm nicht unbedingt die Auffassung entnehmen, daß die beschriebenen Hackschnitzel Holzabfälle seien. Die Erläuterung kann auch dahin verstanden werden, daß die Hackschnitzel wie Holzabfälle zu behandeln seien. Ob eine solche Auslegung umsatzsteuerrechtlich möglich ist, braucht der Senat nicht zu entscheiden.
Das Material gehört zu Unterposition 4401 2100. Nach den ErlKN (hier: a. a. O., Rdz. 06.0) - nach ständiger Rechtsprechung des EuGH und des Senats maßgebliches Erkenntnismittel bei der Auslegung des Zolltarifs - gehört zu ,,Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln" auch Holz, das mechanisch in kleine Stücke zerkleinert und flach, starr und zwei- oder vierseitig grob zugerichtet ist. Der Senat sieht in diesen Erläuterungen eine zutreffende Auslegung des Begriffs ,,Holz in Form von Plättchen oder Schnitzeln". Holz wie in der Erläuterung beschrieben liegt im Streitfalle vor. Daß das Material in kleine Stücke zerkleinert ist, kann nicht im Hinblick auf das Vorhandensein einzelner langer Stücke (,,Heringe") in Frage gestellt werden. Entscheidend ist, daß die Einzelstücke ganz überwiegend Längen aufweisen, die sie als kleine Stücke kennzeichnen. Das gilt auch, soweit die Länge von 30 mm um 1/3 oder leicht darüber überschritten wird. Nicht maßgebend für die zolltarifliche Beurteilung ist, daß die angeführten Erläuterungen zerkleinertes Holz, Plättchen oder Schnitzel ,,zur Herstellung . . . von Spanplatten" anführen. Käme es auf diese Bestimmung im maßgebenden Zeitpunkt an, so beständen allerdings Zweifel an der Tarifierung in der vZTA. Im maßgebenden Zeitpunkt, der auch die tariferhebliche Beschaffenheit festlegt (vgl. z. B. Senat in BFHE 141, 103), ist das Material als solches noch nicht zur Herstellung von Spanplatten bestimmt. Diese Bestimmung erhält es erst nach einer weiteren Bearbeitung (Sortieren, weiteres Zerkleinern, Trocknen), die erst später erfolgt. Ob sie, wie die OFD meint, gleichwohl zolltariflich bedeutsam ist, kann jedoch offenbleiben. Denn die Unterposition 4401 2100 umfaßt nicht nur Holzplättchen und -schnitzel (einschließlich kleiner Holzstücke), die selbst schon zu einer entsprechenden Herstellung bestimmt sind (unter Umständen objektives Tarifierungsmerkmal; Senat, Urteil vom 6. August 1985 VII K 11/84, BFHE 144, 309, 311), sondern auch Material, das grob zerkleinert ist, ohne daß es bereits unmittelbar als Vorprodukt einer solchen Herstellung in Betracht käme.
Der Senat hält die zolltarifliche Auslegung, so wie hier geschehen, auch im Hinblick auf die angeführte Rechtsprechung des EuGH für zweifelsfrei. Die Einholung einer Vorabentscheidung des EuGH erscheint deshalb nicht veranlaßt (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81, EuGHE 1982, 3415, 3430).
Fundstellen
Haufe-Index 416499 |
BFH/NV 1990, 467 |