Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Ein Geschäftswert kann nur mit der übernahme eines ganzen lebenden Unternehmens erworben werden.
Werden aus einem in Liquidation befindlichen Unternehmen bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter entgeltlich erworben, so sind die dafür gezahlten Preise zu ermitteln und einzeln zu aktivieren.
Normenkette
EStG §§ 5-6
Tatbestand
Die Revisionsklägerin (Steuerpflichtige - Stpfl. -), eine OHG, betreibt eine Zigarrenfabrik. Sie hat von einer in Liquidation befindlichen GmbH auf Grund des Vorvertrags vom 10. Dezember 1958 und des Hauptvertrags vom 2. Februar 1959 neben Rohtabak im Wert von 87 321 DM auch Kartonagen, Werbe- und Ausstattungsmaterial zum Preise von 94 496 DM übernommen. Kartonagen und Material waren überwiegend mit Namen und Warenzeichen der GmbH bedruckt. Ihre Namens- und Bildzeichen hat die GmbH der Stpfl. ebenfalls übertragen, und zwar unentgeltlich. Der Stpfl. war das Recht eingeräumt, unter dem Namen der GmbH eine neue Firma zu gründen, während die GmbH ihren Namen nicht mehr führen durfte. Die Stpfl. übernahm auch zum großen Teil die Provisionsvertreter der GmbH. Am 12. Dezember 1958 gründete sie ihrerseits unter Verwendung des ihr übertragenen Namens eine neue GmbH, deren alleinige Gesellschafterin sie ist. Die neue GmbH dient der Stpfl. als Vertriebsgesellschaft für die von ihr hergestellten Zigarren; sie hatte in den Jahren 1959 bis 1961 Umsätze von 2,2 Mio, 2,4 Mio und 2,6 Mio DM.
Bei einer Betriebsprüfung im August und September 1962 vertrat der Prüfer die Auffassung, der Preis für die Kartonagen, das Werbe- und Ausstattungsmaterial sei wirtschaftlich für den Geschäftswert der in Liquidation befindlichen GmbH gezahlt worden, weil es der Stpfl. allein um den Erwerb des Rechts zur Führung des Firmennamens und des Warenzeichens gegangen sei; ohne überlassung des Namens und des Warenzeichens habe das bedruckte Verpackungsmaterial nur Altpapierwert besessen, während das Werbematerial wertlos gewesen sei. Unter Berücksichtigung des Werts des neutralen, unbedruckten Materials und des Altpapierwerts der übrigen Kartonagen sei der Geschäftswert zum 31. Dezember 1959 mit 77 000 DM zu aktivieren. Von diesem Betrag sei jedoch für das im Warenbestand 1959 geführte Ausstattungsmaterial eine Abschreibung von 27 500 DM zuzulassen.
Das Finanzamt (FA) erließ einen entsprechend berichtigten einheitlichen Gewinnfeststellungsbescheid. Auf den Einspruch der Stpfl. schätzte der Steuerausschuß den Geschäftswert auf 51 000 DM und die Abschreibung des Warenbestandes auf 18 000 DM, so daß sich ein entsprechend niedrigerer Gewinn ergab.
Die Berufung blieb erfolglos. Der Stpfl., so führte das Finanzgericht (FG) aus, sei es bei dem Vertrag vom 2. Februar 1959 hauptsächlich auf die Vorteile aus der übernahme des Namens- und des Warenzeichens der GmbH angekommen; sie habe nur deswegen den vollen Preis für das Material gezahlt. Es widerspreche den Regeln des wirtschaftlichen Verkehrs, für die übernahme eines Firmennamens nebst eingeführtem Warenzeichen kein Entgelt und lediglich die verbrauchbaren Wirtschaftsgüter mit dem vollen Preis zu bezahlen.
Mit der Revision wird unrichtige Anwendung des § 2 StAnpG und des § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG gerügt. Die Stpfl. beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und unter änderung der Einspruchsentscheidung und des Gewinnfeststellungsbescheids den Gewinn dahin festzusetzen, daß der Kaufpreis für das Verpackungs- und Ausstattungsmaterial in voller Höhe als Betriebsausgabe berücksichtigt wird.
Hilfsweise beantragt sie, entweder die Abschreibung des aktivierten Geschäftswerts auf 0 DM für zulässig zu erklären oder höchstens den vom FG vorgeschlagenen Betrag von 23 500 DM anzusetzen.
Das FG, so macht die Stpfl. geltend, habe in der mündlichen Verhandlung vorgeschlagen, den Geschäftswert auf 23 500 DM zu schätzen. Es sei ein Ermessensmißbrauch, wenn in dem an demselben Tag gefällten, aber nicht verkündeten Urteil die Schätzung des Steuerausschusses bestätigt werde, obwohl ihr für die Zustimmung zum Schätzungsvorschlag eine Frist von zwei Wochen eingeräumt worden sei. Die im Berufungsverfahren angeführten Gründe, die zur Liquidation der GmbH geführt hätten, habe das FG nicht in Zweifel gezogen. Der von der früheren GmbH angeblich vor der Liquidation erzielte Umsatz von 9 Mio DM sei nicht nachprüfbar gewesen; er sei auch kein Beweis für die Rentabilität der früheren GmbH oder für die Qualität der unter ihrem Namen und dem Warenzeichen hergestellten Erzeugnisse. Die frühere GmbH sei liquidiert worden, weil sie trotz des hohen Umsatzes ihre Ware, um sie los zu werden, nur mit erheblichen Verlusten habe verkaufen können. Außerdem habe das FG auch nicht den von der neuen GmbH erzielten Umsatz mit ihrem eigenen Umsatz verglichen und daraus Schlüsse auf einen gewissen Wert des Firmen- und Warenzeichens ziehen dürfen. Wenn ein Umsatzvergleich überhaupt angängig sei, so müsse der Umsatz der neuen GmbH mit dem Umsatz der alten GmbH verglichen werden. Unterstelle man den Betrag von 9 Mio DM als richtig, so sei ein Umsatz der neuen GmbH von rund 22 v. H. des Umsatzes der alten GmbH ein bescheidenes Ergebnis. Dieses spreche dafür, daß der alten GmbH und dem Warenzeichen kein Wert beizumessen sei, obwohl die Vertreter übernommen worden seien und sie selbst versucht habe, die Erzeugnisse auch durch ihre eigenen Vertreter an die bisherigen Kunden zu verkaufen. Der Umsatz habe überhaupt nur erzielt werden können, weil den Händlern bekannt gewesen sei, daß durch den neuen Hersteller wieder Qualitätsware erzeugt werde, die den Kunden trotz höherer Preise empfohlen werden könne. Diesen unstreitigen Sachverhalt habe das FG verkannt. Im übrigen aber müßten klare bürgerlich-rechtliche Vereinbarungen auch steuerlich anerkannt werden, wenn wirtschaftlich keine schwerwiegenden Gründe entgegenständen. Die materiellen Wirtschaftsgüter seien für sie in dem Augenblick vollwertig gewesen, in dem sie den aufgedruckten Namen und das Warenzeichen habe verwenden können. Diesem Wert entsprechend seien sie in den Inventuren des Jahres 1959 und der folgenden Jahre, soweit noch vorhanden, bewertet worden.
Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Nach der Ansicht des FA ist die Vorentscheidung einwandfrei. Das FG habe zwar in der mündlichen Verhandlung einen Schätzungsvorschlag gemacht. Die Stpfl. habe aber in der ihr eingeräumten Frist keinen Gebrauch von dem Angebot gemacht.
Wie sich aus den Akten ergibt, hat das FG die Stpfl. in der mündlichen Verhandlung darauf hingewiesen, daß das Urteil noch am Tage der mündlichen Verhandlung erlassen, jedoch nicht verkündet werde, wenn sich die Stpfl. mit einer Berichtigung durch das FA einverstanden erkläre. Eine solche Erklärung hat die Stpfl. innerhalb der ihr gesetzten Frist nicht abgegeben.
Entscheidungsgründe
Die Revision muß zur Aufhebung der Vorentscheidung führen.
Wie das FG in tatsächlicher Hinsicht festgestellt hat, hat die Stpfl. in den Verträgen (Vor- und Hauptvertrag) nicht bloß Kartonagen sowie Werbe- und Ausstattungsmaterial, sondern auch den Firmennamen, das Warenzeichen und den Vertreterstamm der in Liquidation befindlichen alten GmbH erworben. Ferner hat das FG festgestellt, daß die Kartonagen sowie das Werbe- und Ausstattungsmaterial, soweit es den Namen der alten GmbH und das Warenzeichen trug, ohne die übertragung des Firmennamens und des Warenzeichens für die Stpfl. wertlos gewesen seien oder doch nur den Wert von Altmaterial gehabt hätten. Auf Grund dieser tatsächlichen Feststellungen konnte das FG zu der Auffassung kommen, daß die für die Kartonagen sowie das Werbe- und Ausstattungsmaterial gezahlten 94 496 DM wirtschaftlich nicht bloß als Kaufpreis für diese Wirtschaftsgüter, sondern auch als Kaufpreis für den Firmennamen, das Warenzeichen und den Vertreterstamm gedacht waren. Daß nach dem Vertrag die letztgenannten Wirtschaftsgüter unentgeltlich überlassen werden sollten, steht dieser Beurteilung nicht entgegen. Wenn auch für die steuerliche Beurteilung grundsätzlich von der bürgerlich- rechtlichen Gestaltung auszugehen ist, so ist die bürgerlich- rechtliche Bezeichnung doch nicht maßgebend, wenn sie mit dem wirtschaftlichen Gehalt in Widerspruch steht. In diesem Fall ist das, was die Beteiligten wirtschaftlich wollten und vollzogen haben, maßgebend (§ 1 Abs. 2 und 3 StAnpG).
Dem FG ist jedoch nicht darin beizutreten, daß die Stpfl. mit dem Erwerb des Firmennamens, des Warenzeichens und des Vertreterstammes auch den Geschäftswert der alten GmbH erworben habe. Inwieweit die übernommenen Wirtschaftsgüter den Geschäftswert der alten GmbH beeinflußt haben mögen, braucht nicht untersucht zu werden; denn jedenfalls kann man vom Erwerb eines Geschäftswerts nur sprechen, wenn ein lebendes Unternehmen im ganzen erworben wird und fortgeführt werden soll (Urteil des BFH I 383/61 U vom 26. Februar 1964, BStBl 1964 III S. 423, Slg. Bd. 79 S. 521; Littmann, Steuer-Kongreß-Report 1963 S. 88, 105; derselbe, Einkommensteuerrecht, 8. Aufl. 1966, §§ 4, 5 EStG, Anm. 375 ff.). Der Geschäftswert ist seiner Natur nach der Ausdruck für die Gewinnchancen eines Unternehmens, soweit sie nicht in einzelnen Wirtschaftsgütern verkörpert sind, sondern durch den Betrieb des eingeführten und fortlebenden Unternehmens im ganzen gewährleistet erscheinen. Der Veräußerer soll durch das Entgelt für den Geschäftswert gewissermaßen an den künftigen Gewinnchancen, die er durch seine kaufmännische Tüchtigkeit geschaffen hat, beteiligt werden. Der Ansatz eines erworbenen Geschäftswerts kommt deshalb nur in Betracht, soweit der Kaufpreis nicht nachweislich für bestimmte einzelne Wirtschaftsgüter bezahlt worden ist.
Ein solcher Geschäftswert ist hier nicht übertragen worden. Vielmehr wurden aus der in Liquidation befindlichen alten GmbH nur einzelne bestimmte Wirtschaftsgüter erworben und bezahlt, während die alte GmbH selbst untergehen sollte.
Das angefochtene Urteil war danach wegen Rechtsirrtums aufzuheben. Die nicht spruchreife Sache war zur nochmaligen Entscheidung an das FG zurückzuverweisen, das bei seiner Entscheidung die folgenden Grundsätze zu beachten hat: In welchem Verhältnis der von der Stpfl. gezahlte Kaufpreis auf die erworbenen Wirtschaftsgüter aufzuteilen ist, ist eine Frage der Schätzung im Sinne von § 217 AO. Das FG muß zu ermitteln suchen, was die Vertragsbeteiligten, wenn sie den Kaufpreis nach ernsthaften wirtschaftlichen Maßstäben aufgeteilt hätten, dabei für die einzelnen übernommenen Wirtschaftsgüter voraussichtlich angesetzt hätten. Das kann allerdings, da einwandfreie Aufteilungsmaßstäbe fehlten, wahrscheinlich nur griffweise und mit Annäherungswerten geschehen.
Wenn dabei auch das FG insofern zum "alten" Ergebnis kommen mag, als es den bisher für den Geschäftswert angesetzten Wert nunmehr auf die Wirtschaftsgüter "Firmennamen", "Warenzeichen" und "Vertreterstamm" aufteilt, so wird das steuerliche Ergebnis doch insofern anders sein, als die Anschaffungskosten für diese Wirtschaftsgüter, soweit sie abnutzbar im Sinne von § 6 Abs. 1 Ziff. 1 EStG sind, auf die betriebliche Nutzungsdauer verteilt werden können (§ 7 EStG), während der Geschäftswert nach § 6 Abs. 1 Ziff. 2 EStG keinen Absetzungen für Abnutzung unterliegt, sondern nur bei nachweislich gesunkenem Teilwert niedriger bewertet werden kann. Welche erworbenen Wirtschaftsgüter für den Betrieb der Stpfl. abnutzbar sind und welche Nutzungsdauer für sie in Betracht kommt, muß das FG im einzelnen feststellen.
An seinen Schätzungsvorschlag in der mündlichen Verhandlung war das FG nicht gebunden, da die Stpfl. den Vorschlag nicht fristgerecht angenommen hatte. Von einer Verletzung von Treu und Glauben durch das FG kann keine Rede sein.
Fundstellen
Haufe-Index 412065 |
BStBl III 1966, 456 |
BFHE 1966, 433 |
BFHE 85, 433 |
BB 1966, 690 |
DB 1966, 1003 |