Entscheidungsstichwort (Thema)
Einkommensteuer, Lohnsteuer, Kirchensteuer
Leitsatz (amtlich)
Gewährt der Erwerber eines Betriebes dem Veräußerer als Gegenleistung für ein schwer bewertbares immaterielles Wirtschaftsgut eine lebenslängliche gewinn- oder umsatzabhängige Rente, so hat er die Wahl, ob er die Rentenlast sofort mit dem geschätzten Zeitwert passivieren und das immaterielle Wirtschaftsgut entsprechend aktivieren oder erst die laufenden Rentenzahlungen als Anschaffungskosten des immateriellen Wirtschaftsguts behandeln will; an die einmal getroffene Wahl ist er gebunden.
Normenkette
EStG §§ 5, 6/1/2
Tatbestand
Streitig ist bei der gesonderten Gewinnfeststellung und der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags 1960, ob und in welcher Höhe der Revisionskläger (Steuerpflichtige - Stpfl. -) einen unter der Bezeichnung derivativer Geschäftswert in der Bilanz zum 31. Dezember 1959 ausgewiesenen Betrag von 175 609 DM zu Lasten seines Gewinnes abschreiben durfte.
Der Stpfl. erwarb durch Vertrag vom 28. März 1958 das im Handelsregister eingetragene Unternehmen des Handelsvertreters W. Gegenstand des Unternehmens war die Vertretung bedeutender Industriebetriebe sowie die damit verbundene technische Beratung der Kunden bei Durchführung und Abwicklung der Aufträge. Der Kaufpreis für die übernahme des Unternehmens sollte durch eine lebenslängliche Veräußerungsrente abgegolten werden. Sie bestand in einem feststehenden monatlichen Betrag von 500 DM und in 20 % der jährlichen Bruttoprovisionen. Nach dem Tode des Berechtigten sollte der Stpfl. an die Witwe eine monatliche lebenslängliche Rente von 1000 DM bezahlen. Der Veräußerer war bei der übertragung des Unternehmens auf den Stpfl. 79 Jahre alt.
Der Stpfl. errechnete den Gegenwartswert der übernommenen Last nach versicherungsmathematischen Grundsätzen unter Zugrundelegung eines Zinssatzes von 5 1/2 % und einer durchschnittlichen Bruttoprovision von 24 000 DM jährlich mit 175.609 DM. Diesen Betrag passivierte er. Er aktivierte den gleichen Betrag als derivativen Geschäftswert. In der Folgezeit behandelte er die tatsächlich geleisteten Rentenzahlungen als Betriebsausgabe und löste den Passivposten nach versicherungsmathematischen Grundsätzen auf. Den Aktivposten ließ er unverändert. Als der Veräußerer und Rentenberechtigte am 19. April 1960 starb, betrug die passivierte Rentenverpflichtung noch 158 103 DM. Der Stpfl. verrechnete am 31. Dezember 1960 diesen Betrag mit dem aktivierten Geschäftswert von 175 609 DM und nahm von dem Unterschiedsbetrag von 17.506 DM eine 20 - prozentige Absetzung für Abnutzung (AfA) in Höhe von 3500 DM vor. Den Restbetrag von 14 006 DM wies er weiter als Geschäftswert aus.
Nachdem das Finanzamt (FA) dieser Behandlung bei der vorläufigen Veranlagung (§ 100 AO) gefolgt war, rechnete es bei der endgültigen gesonderten Gewinnfeststellung und bei der Ermittlung des Gewerbesteuermeßbetrags für 1960 dem erklärten Gewinn den Unterschied zwischen dem ursprünglichen Ansatz des Geschäftswert von 175 609 DM und dem in der Bilanz vom 31. Dezember 1960 angesetzten Wert von 14 006 DM hinzu und gelangte zu einem Gewinn von 272 466 DM und zu einem Gewerbeertrag von 314 006 DM.
Die Sprungberufung des Stpfl. blieb ohne Erfolg. Das Finanzgericht (FG) begründete seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt. Die Verrechnung zwischen dem Aktivposten und dem Passivposten im Zeitpunkt des Todes des Rentenberechtigten sei unzulässig. Es handele sich bei beiden Posten um Schätzwerte, gegen die keine Bedenken zu erheben seien. Durch den vorzeitigen Tod des Rentenberechtigten sei ein Gewinn entstanden. Abschreibungen seien weder unter dem Gesichtspunkt einer Fehlmaßnahme noch deshalb möglich, weil der Stpfl. keinen Geschäftswert, sondern ein anderes abschreibbares immaterielles Wirtschaftsgut erworben habe. Auch die übrigen überlegungen des Stpfl., um zu einer Abschreibung des aktivierten Geschäftswertes zu gelangen, träfen nicht zu. Da der Stpfl. dem Veräußerer keine Gewinnbeteiligung, sondern eine umsatzabhängige Rente versprochen habe und der Geschäftswert eines Gewerbebetriebes nicht mit dem Wert der Praxis eines Freiberuflers vergleichbar sei, könnten die Grundsätze des Urteils des RFH VI A 1945/31 vom 1. Februar 1933 (RStBl 1933, 479) nicht angewendet werden. Eine Abschreibung am derivativen Geschäftswert komme ebenfalls nicht in Betracht. Die von einem der Geschäftsherren ausgesprochene Kündigung habe sich bis zum 31. Dezember 1960 ebensowenig ausgewirkt wie die Ankündigung eines anderen Geschäftsherrn, keine Handelsvertreter über das 65. Lebensjahr hinaus zu beschäftigen.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Stpfl. führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Zurückverweisung an das FG.
Dem FG ist darin zuzustimmen, daß die vom Stpfl. begehrte Verrechnung des Aktivpostens Geschäftswert mit dem Passivposten Rentenlast im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten nicht zulässig war. Die Ausführungen des FG zu diesem Punkt sind frei von Rechtsirrtum (vgl. Urteil des BFH VI 162/61 S vom 11. Oktober 1963, BFH 78, 20 BStBl III 1964, 8, das allerdings ein gegen Rente erworbenes privates Gebäude und die AfA-Bemessung betraf). Es handelt sich um zwei selbständige Bilanzposten, deren jeweilige Bewertung an den Bilanzstichtagen sich nach den allgemeinen Bilanzierungsgrundsätzen richtet.
Dem FG ist, wenn auch aus anderen Gründen, darin zu folgen, daß der Stpfl. bei der Aufstellung der Bilanz vom 31. Dezember 1960 nicht mehr nach den Grundsätzen des RFH-Urteils VI A 1945/31 verfahren durfte, in dem ausnahmsweise die in gewinnabhängigen Renten bestehenden Gegenleistungen für den im Rahmen des Betriebserwerbs übernommenen Geschäftswert nicht mit ihrem Zeitwert passiviert, sondern erst die laufenden tatsächlichen Gewinnbeteiligungen als Aufwendungen für den Erwerb des Geschäftswerts aktiviert wurden und sich insoweit jeweils erfolgsneutral auswirkten. Es ist zwar nicht richtig, daß das FG die Anwendung dieser Entscheidung deshalb ablehnte, weil statt einer Gewinnbeteiligung eine Umsatzbeteiligung vereinbart war. Denn entscheidend für die in diesem Urteil vertretene Auffassung des RFH ist die überlegung, daß der Stpfl. wegen der mit der Ermittlung des Zeitwerts der Rentenlast verbundenen Risiken bei den künftigen Gewinnermittlungen zu einer sofortigen Aktivierung des Geschäftswerts oder eines sonstigen immateriellen Wirtschaftsguts und der sofortigen Passivierung des Zeitwerts der Rentenlast nicht gezwungen werden soll, da sowohl wegen der Unsicherheit der Bewertung immaterieller Wirtschaftsgüter als auch wegen der Unsicherheit der Ermittlung des Werts der von diesen schwankenden Bezugsgrößen abhängigen Rentenverpflichtung eine einigermaßen zutreffende Bewertung beider Posten sehr schwierig ist. In dieser Hinsicht können die Gewinnbeteiligungslast und die umsatzabhängige Rente nicht unterschiedlich beurteilt werden. Diese Auffassung vertrat der erkennende Senat bereits in seinem Urteil IV 378/61 U vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 471, BStBl III 1965, 170. Wenn indessen der Stpfl. auch in diesen Fällen die mit der richtigen Ermittlung des Zeitwerts der Rentenlast verbundenen Risiken übernehmen will, so besteht kein zwingender Anlaß, ihm das zu verbieten. Denn auch bei der allmählichen Aktivierung der laufenden Gewinn- oder Umsatzbeteiligungen auf dem Konto des Geschäftswerts oder der sonstigen immateriellen Wirtschaftsgüter kommt nicht selten ein Zeitpunkt, in dem der Teilwert des immateriellen Wirtschaftsguts im Zeitpunkt des Erwerbs ermittelt werden muß. Dieser darf auch bei laufender Aufstockung des Buchwerts nicht überschritten werden. Es ist daher in Fällen der vorliegenden Art ausnahmsweise gerechtfertigt, dem Erwerber eines immateriellen, objektiv nur schwer bewertbaren Wirtschaftsguts ein Bilanzierungswahlrecht einzuräumen, an dessen erstmalige Ausübung er gebunden ist. Da hier der Stpfl. bei Erwerb des Betriebes den Zeitwert der Rentenlast passivierte, ist er gebunden. Das gilt auch, wenn er sich im Jahr 1958 eines Bilanzierungswahlrechts nicht bewußt war.
Bedenken bestehen jedoch gegen die Annahme des FG, daß es sich bei dem von dem Stpfl. ausgewiesenen Aktivpostens um einen Geschäftswert handeln muß. Nach den in den Urteilen des BFH I 383/61 U vom 26. Februar 1964 (BFH 79, 521, BStBl III 1964, 423) und VI 378/61 U entwickelten Grundsätzen, die dem FG bei seiner Entscheidung noch nicht bekannt waren, besteht die Möglichkeit, daß die Gegenleistung für die Rentenlast nicht in einem Geschäftswert, sondern in einem anderen immateriellen Wirtschaftsgut bestand, das in den Geschäftsbeziehungen zu den vertretenen Firmen seine Grundlage hatte und von dem Abschreibungen vorgenommen werden dürfen. Hingewiesen wird auch für die Entscheidung des BFH VI 320/64 vom 28. März 1966 (BFH 85, 433, BStBl III 1966, 456) zur Abgrenzung des Geschäftswerts gegenüber anderen immateriellen bewertbaren Wirtschaftsgütern, z. B. Firmennamen, Warenzeichen und Vertreterstamm. Sollte der Vortrag des Stpfl. über die Kündigungen einzelner Geschäftsherren zutreffen, so kann eine Teilwertabschreibung in Betracht kommen, wenn dieser Sachverhalt am Bilanzstichtag vorlag und von einem Erwerber des Betriebes berücksichtigt worden wäre.
Die Vorentscheidung wird aufgehoben. Die Sache wird zur erneuten Entscheidung an das FG zurückverwiesen. Das FG kann dem Stpfl. eine Nachholung der nicht durchgeführten AfA für 1958 und 1959 nach den Grundsätzen des Bilanzenzusammenhangs in der Weise gestatten, daß der Aktivposten von 175 609 DM auf die geschätzte restliche Nutzungsdauer verteilt wird. Wenn der Stpfl. die feste Rente von 1000 DM monatlich an die Ehefrau des Veräußerers zu zahlen hatte, durfte die passivierte Rentenlast nicht in vollem Umfang zugunsten des Gewinns 1960 aufgelöst werden.
Fundstellen
Haufe-Index 412450 |
BStBl III 1967, 366 |
BFHE 1967, 237 |
BFHE 88, 237 |
BB 1967, 617 |
DB 1967, 1023 |
DStR 1967, 390 Nr. 308 |
DStZ 1967, 255 |
HFR 1967, 324 |