Leitsatz (amtlich)
Der gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten wegen verspäteter Abgabe der Einkommensteuererklärung festgesetzte Verspätungszuschlag wird von den Ehegatten als Gesamtschuldnern geschuldet.
Ein solcher Verspätungszuschlag konnte auch schon vor Inkrafttreten des § 155 Abs.3 AO 1977 n.F. in einem zusammengefaßten Bescheid festgesetzt werden, wenn der Einkommensteuerbescheid selbst in dieser Weise bekanntgegeben werden konnte (Anschluß an BFH-Urteile vom 9.April 1987 IV R 192/85, BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540, und vom 19.Mai 1987 VIII R 39/83, BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590).
Normenkette
AO 1977 § 1 Abs. 3, § 44 Abs. 1, §§ 152, 155 Abs. 3; EStG § 26b
Tatbestand
Die Kläger und Revisionskläger (Kläger) sind Eheleute, die für das Streitjahr 1979 zur Einkommensteuer zusammenveranlagt wurden. Nachdem die Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung 1979 am 30.September 1980 abgelaufen war und der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt --FA--) die Kläger mit Schreiben vom 27.November 1981 erfolglos an die Abgabe der Erklärung erinnert hatte, wurden die Besteuerungsgrundlagen zunächst geschätzt und dabei der Verspätungszuschlag mit 700 DM festgesetzt. Daraufhin gaben die Kläger eine von ihnen gemeinsam unterzeichnete Einkommensteuererklärung ab, die zwar zu einer geringeren Einkommensteuer, aber zur Beibehaltung des Verspätungszuschlags von 700 DM führte. Dieser Bescheid war an "Herrn und Frau A und B C." zu Händen ihres Steuerberaters gerichtet.
Die dagegen erhobene Beschwerde wurde von der Oberfinanzdirektion (OFD) Frankfurt am Main als unbegründet zurückgewiesen.
Zur Begründung ihrer auf Aufhebung des Verspätungszuschlags gerichteten Klage zum Finanzgericht (FG) trugen die Kläger vor, ihr Steuerberater habe die Frist entschuldbar versäumt.
Die Klage hatte keinen Erfolg.
Mit ihrer auf Beschwerde durch das FG zugelassenen Revision rügen die Kläger die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Sie sind der Auffassung, die Festsetzung des Verspätungszuschlags sei insbesondere mangels einer schriftlichen Begründung nichtig.
Die Kläger beantragen sinngemäß, das FG-Urteil aufzuheben und die Nichtigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags festzustellen.
Das FA beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
1. Die von den Klägern gerügten Verfahrensmängel hält der Senat nicht für durchgreifend und sieht daher gemäß Art.1 Nr.8 des Gesetzes zur Entlastung des Bundesfinanzhofs (BFHEntlG) von einer Begründung ab.
2. Entgegen der Auffassung der Revision ist der angefochtene Bescheid über die Festsetzung eines Verspätungszuschlags nicht nichtig.
a) Das FA durfte gegen die der Zusammenveranlagung unterliegenden Kläger einen einheitlichen Verspätungszuschlag festsetzen.
aa) Wie der VIII.Senat des Bundesfinanzhofs (BFH) in seinem Urteil vom 19.Mai 1987 VIII R 39/83 (BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590) entschieden hat, ergibt sich die Zulässigkeit einer einheitlichen Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegenüber zusammenveranlagten Ehegatten aus § 26b des Einkommensteuergesetzes (EStG). Nach dieser Vorschrift sind bei der Zusammenveranlagung von Ehegatten die Einkünfte der Ehegatten zusammenzurechnen, den Ehegatten gemeinsam zuzurechnen und, soweit nichts anderes vorgeschrieben ist, die Ehegatten sodann gemeinsam als Steuerpflichtiger zu behandeln. Daraus folgt, daß es nur ein Einkommen und nur eine Einkommensteuer der Eheleute gibt (vgl. Herrmann/Heuer/Raupach, Einkommensteuer- und Körperschaftsteuergesetz mit Nebengesetzen, Kommentar, 19.Aufl., Anm. zu § 26b EStG 1979 auf grünen Blättern).
Der III.Senat schließt sich dieser Auffassung an, wonach die Grundsätze des § 26b EStG auch auf Verspätungszuschläge Anwendung finden, die bei verspäteter oder unterlassener Abgabe von Einkommensteuererklärungen gegen zusammenzuveranlagende Ehegatten festgesetzt werden. Daß bei einer einheitlichen Einkommensteuerfestsetzung auch nur ein Verspätungszuschlag festzusetzen ist, rechtfertigt sich schon aus dem engen Zusammenhang zwischen festgesetzter Einkommensteuer und dem auf 10 v.H. der festgesetzten Einkommensteuer begrenzten Verspätungszuschlag (§ 152 Abs.2 der Abgabenordnung --AO 1977--).
bb) Bei Anwendung dieser Grundsätze kann dahingestellt bleiben, ob das gefundene Ergebnis allein aus § 57a der Einkommensteuer- Durchführungsverordnung (EStDV) herzuleiten wäre. Diese Vorschrift, nach der Ehegatten, bei denen die Voraussetzungen für eine Zusammenveranlagung vorliegen, verpflichtet sind, eine gemeinsame Steuererklärung abzugeben, bestätigt jedenfalls das Ergebnis, wonach sich das sachlich gebotene und erforderliche Zusammenwirken der Ehegatten bei der Erfüllung ihrer Erklärungspflichten unmittelbar aus der gesetzlichen Regelung der Zusammenveranlagung selbst herleitet (vgl. Urteil in BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590); die Frage, ob § 57a EStDV deshalb als Rechtsgrundlage ausscheidet, weil es an einer wirksamen gesetzlichen Ermächtigung fehlt (Art.80 Abs.1 des Grundgesetzes --GG--), bedarf daher im Streitfall keiner Entscheidung (ebenso BFH-Urteile in BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590, und vom 9.April 1987 IV R 192/85, BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540).
b) Das FA konnte den gegen die Kläger festgesetzten Verspätungszuschlag auch in einem zusammengefaßten Bescheid i.S. von § 155 Abs.3 AO 1977 festsetzen, da der Einkommensteuerbescheid selbst in dieser Weise bekanntgegeben werden durfte.
aa) Nach der Rechtsprechung des BFH ist es dann zulässig, nur eine Ausfertigung des an die Ehegatten gerichteten zusammengefaßten Einkommensteuerbescheids zu übersenden, wenn man von einer gegenseitigen, auch stillschweigenden Bevollmächtigung der Ehegatten ausgehen kann; das ist jedenfalls dann möglich, wenn --wie im Streitfall-- beide Ehegatten die gemeinsame Einkommensteuererklärung unterschrieben haben (vgl. zuletzt Urteil vom 11.Dezember 1985 I R 31/84, BFHE 146, 196, BStBl II 1986, 474 unter Bezugnahme auf das Urteil vom 13.August 1970 IV 48/65, BFHE 100, 171, BStBl II 1970, 839).
bb) Durfte danach der Einkommensteuerbescheid den Klägern in einer zusammengefaßten Ausfertigung bekanntgegeben werden, so war auch die Festsetzung des Verspätungszuschlags durch zusammengefaßten Bescheid zulässig.
Anders als nach § 155 Abs.3 Satz 2 AO 1977 in der durch Art.1 Nr.22 des Steuerbereinigungsgesetzes 1986 vom 19.Dezember 1985 --StBereinG 1986-- (BGBl I 1985, 2436) geänderten Fassung ergab sich dies für das Streitjahr 1979 weder unmittelbar aus § 155 AO 1977 noch aus § 1 Abs.3 AO 1977, der zwar von der sinngemäßen Anwendung der Vorschriften der AO 1977 auf steuerliche Nebenleistungen und damit auch auf Verspätungszuschläge (§ 3 Abs.3 AO 1977) ausgeht, für die Vorschriften des III. bis VI. Abschnitts des Vierten Teils aber eine besondere Bestimmung fordert (§ 1 Abs.3 Satz 2 AO 1977).
Während der VIII.Senat des BFH die einschränkende Vorschrift des § 1 Abs.3 Satz 2 AO 1977 zur Vermeidung eines sinnwidrigen Ergebnisses so auslegt, daß eine Sonderregelung für die Anwendung des § 155 Abs.3 AO 1977 a.F. auf Verspätungszuschläge verzichtbar ist (vgl. Urteil in BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590), sieht der IV.Senat in § 152 Abs.3 AO 1977 die in § 1 Abs.3 Satz 2 AO 1977 vorausgesetzte besondere Bestimmung (Urteil in BFHE 149, 418, BStBl II 1987, 540; gleicher Auffassung Geimer, Deutsches Steuerrecht --DStR-- 1987, 224). Der erkennende Senat folgt der Auffassung des IV.Senats und versteht die in § 152 Abs.3 AO 1977 enthaltene mehrdeutige und daher auslegungsbedürftige Formulierung "regelmäßig mit der Steuer" nicht nur im Sinne einer zeitlichen Verbindung von Steuerfestsetzung und Festsetzung eines Verspätungszuschlags (so aber Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 152 AO 1977 Anm.12), sondern als Anordnung einer für den Regelfall auch verfahrensmäßigen Gleichbehandlung beider Festsetzungen. Im Falle der gleichzeitigen Festsetzung von Einkommensteuer und Verspätungszuschlag wäre es --wie der VIII.Senat im Urteil in BFHE 149, 518, BStBl II 1987, 590 überzeugend ausgeführt hat-- sinnwidrig, für Verspätungszuschläge den Erlaß von zwei Bescheiden zu verlangen.
cc) Der Senat sieht sich in seiner Auffassung nicht zuletzt durch den Gesetzgeber bestätigt, der ebenfalls von der Zulässigkeit einer einheitlichen Festsetzung von Verspätungszuschlägen gegen Ehegatten als Gesamtschuldner ausgeht. Dies folgt einmal aus § 276 AO 1977, wonach die von Gesamtschuldnern geschuldete Steuer für Zwecke der Vollstreckung aufzuteilen ist; zu der geschuldeten "rückständigen Steuer" gehören namentlich auch die Verspätungszuschläge (§ 276 Abs.4 AO 1977). Zum anderen folgt dies aus der durch Art.1 Nr.22 StBereinG 1986 (a.a.O.) vorgenommenen Änderung des § 155 Abs.3 AO 1977. Nach dieser ausdrücklich als "Klarstellung" bezeichneten Änderung (BTDrucks 10/1636 S.42) können mit zusammengefaßten Steuerbescheiden u.a. auch Verwaltungsakte über steuerliche Nebenleistungen gegen einen oder mehrere Steuerpflichtige verbunden werden (§ 155 Abs.3 Satz 2 AO 1977 n.F.).
c) Nach diesen Grundsätzen ist das FG im Ergebnis zutreffend von der Rechtmäßigkeit der Festsetzung des Verspätungszuschlags ausgegangen.
aa) Entgegen der Auffassung der Revision schulden die Kläger den gegen sie festgesetzten Verspätungszuschlag als Gesamtschuldner, weil sie nebeneinander dieselbe Leistung aus der Festsetzung des Verspätungszuschlags schulden (§ 44 Abs.1 AO 1977), der zulässigerweise als ein Verspätungszuschlag gegen sie festgesetzt worden ist. Daß § 44 Abs.1 AO 1977 auch auf Verspätungszuschläge anzuwenden ist, folgt aus § 1 Abs.3 i.V.m. § 3 Abs.3 AO 1977.
bb) Das FG hat auch das Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Verspätungszuschlags zutreffend bejaht. Mit Einreichung ihrer Einkommensteuererklärung 1979 am 8.August 1983 haben die Kläger die gesetzliche Frist zur Abgabe der Einkommensteuererklärung, die am 31.Mai 1980 endete (§ 149 Abs.2 AO 1977), aber auch die allgemein bis zum 30.September 1980 verlängerte Frist weit überschritten. Dies geschah in nicht entschuldbarer Weise, denn das FA hatte die Kläger mit Schreiben vom 27.November 1981 an die Abgabe der Erklärung erinnert.
Die erstmals im Klageverfahren für die Verzögerung in der Anfertigung der Steuererklärung angeführten Gründe greifen nicht durch; die dazu in der Vorentscheidung angestellten Erwägungen sind nicht zu beanstanden. Mit der Erledigung ihrer steuerlichen Angelegenheiten haben die Kläger ihren Prozeßbevollmächtigten betraut, so daß ihnen dessen Verschulden zuzurechnen ist (§ 152 Abs.1 Satz 3 AO 1977). Zu Recht hat das FG das Berufen auf die auf einer schweren Erkrankung beruhende Arbeitsüberlastung des Steuerberaters nicht gelten lassen, weil diese Krankheit schon sehr lange zurücklag. Der Senat folgt der Vorentscheidung auch insoweit, als sie in der Behinderung des Steuerberaters zwar den Grund für eine gewisse Rücksichtnahme, aber keine Rechtfertigung für eine generelle Sonderbehandlung sieht.
cc) Auch die Erwägungen der OFD zur Höhe des festgesetzten Verspätungszuschlags lassen keinen Rechtsverstoß erkennen. Die festgesetzte Einkommensteuer 1979 betrug 12 237 DM; mit der Festsetzung eines Verspätungszuschlags von 700 DM sind FA und OFD weit unter 10 v.H. der festgesetzten Steuer (§ 152 Abs.2 Satz 1 AO 1977) geblieben, so daß die Kläger auch unter Berücksichtigung ihrer wiederholten Fristversäumnisse bei Abgabe früherer Steuererklärungen schwerlich einen Ermessensfehlgebrauch geltend machen könnten. Durch den Rückgriff auf diese früheren Versäumnisse trug die OFD dem Ermessenskriterium des Verschuldens Rechnung (§ 152 Abs.2 Satz 2 AO 1977; siehe auch Tipke/Kruse, a.a.O., § 152 AO 1977 Anm.8, 6.Abs.).
dd) Die Ausführungen in der Beschwerdeentscheidung genügen schließlich auch den in § 121 AO 1977 an die Begründungspflicht gestellten Anforderungen (§ 126 Abs.1 Nr.2 AO 1977; vgl. auch das Urteil des BFH vom 28.April 1983 IV R 255/82, BFHE 138, 407, BStBl II 1983, 621).
Fundstellen
Haufe-Index 61780 |
BStBl II 1987, 836 |
BFHE 151, 3 |
BFHE 1988, 3 |