Entscheidungsstichwort (Thema)

Grunderwerbsteuer/Kfz-Steuer/sonstige Verkehrsteuern

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der öffentlichkeit des Gewinnsparens bei einem Sparverein.

 

Normenkette

RennwLottG § 17

 

Tatbestand

Das Finanzamt hat den Beschwerdegegner (Bg.), einen Sparverein, wegen des von ihm veranstalteten Gewinnsparens zur Lotteriesteuer herangezogen. Das vorliegende Rechtsmittelverfahren betrifft die Steuer für die Gewinnspar-Periode erstes Vierteljahr 1952.

Nach der in der Mitgliederversammlung vom 24. März 1952 beschlossenen Satzung ist Zweck des Bg. insbesondere die Pflege des Spargedankens und des Raiffeisengedankenguts. Mitglieder können juristische Personen und solche natürliche Personen werden, die als Mitglieder landwirtschaftlicher Genossenschaften, Genossenschaftsangestellte oder aus sonstigen Gründen der Raiffeisen-Organisation nahestehen. Die Mitglieder sind verpflichtet, den Vereinsbeitrag und einen Sparbetrag zu entrichten, die wöchentlich zusammen 2 DM betragen. Zur Teilnahme an den Auslosungen ist ein Mitglied erst berechtigt, wenn es in den vorausgegangenen 13 Wochen seine Einzahlungsverpflichtungen voll erfüllt hat. Die Gewinne werden den Vereinsbeiträgen entnommen. Die Sparraten verbleiben den Sparern und werden verzinst. Die Sparkarte dient zugleich als Mitgliedsausweis.

Nach der früheren Satzung war als Zweck lediglich der Zusammenschluß zur Pflege des Spargedankens bezeichnet. Ordentliches Mitglied konnte jeder werden, der sich verpflichtete, den Vereinsbeitrag und die Spareinlagen zu zahlen. Die Frist für die Kündigung der Mitgliedschaft betrug einen Monat, nicht wie später ein Jahr.

Das Finanzgericht hat den Bg. von der Steuer freigestellt, weil nach dem bindenden Ausspruch der Genehmigungsbehörde und auch tatsächlich die Veranstaltung nicht öffentlich gewesen sei.

 

Entscheidungsgründe

Die Rechtsbeschwerde des Vorstehers des Finanzamts hat Erfolg.

Bindung an die Entscheidung der Verwaltungsbehörde.

Das Staatsministerium des Innern hat dem Bevollmächtigten des Bg. eröffnet, daß nach seiner Ansicht die hier strittigen Ausspielungen nichtöffentliche Veranstaltungen sind, für die keine Genehmigungspflicht nach den einschlägigen Lotteriegesetzen besteht.

Nach § 17 Satz 2 des Rennwett- und Lotteriegesetzes (RennwLottG) gilt eine Lotterie oder Ausspielung als öffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie als genehmigungspflichtig ansieht. Das Finanzgericht hat aus der Begründung zur Einfügung dieser Bestimmung in das Gesetz auch eine Bindung der Steuerbehörde an einen die öffentlichkeit verneinenden Ausspruch der Genehmigungsbehörde gefolgert. Dem pflichtet der Senat nicht bei. Nach dem klaren Wortlaut des § 17 Satz 2 RennwLottG besteht eine Bindung der Steuerbehörde nur an den positiven Ausspruch der Genehmigungsbehörde. Die umgekehrte Vorschrift, nämlich: Eine Lotterie oder Ausspielung gilt als nichtöffentlich, wenn die für die Genehmigung zuständige Behörde sie nicht als genehmigungspflichtig ansieht, konnte der Gesetzgeber auch nicht erlassen, weil die Verwaltungsbehörde die Veranstaltung auch aus anderen Gründen (fehlender Einsatz, fehlender Zufall) als nicht genehmigungspflichtig gehalten haben kann. Wenn hiernach eine Bindung an den negativen Ausspruch der Verwaltungsbehörde überhaupt nicht vorgesehen ist, so besteht auch keine Bindung an die Auffassung der Verwaltungsbehörde, daß eine Veranstaltung nicht als öffentlich anzusehen ist.

Sachliche Beurteilung der Frage der öffentlichkeit. Das Finanzgericht hat hilfsweise diese Frage geprüft und ist zu ihrer Verneinung gelangt, weil die Veranstaltung nicht einer Mehrzahl beliebiger unbestimmter Personen, sondern nur einem begrenzten abgeschlossenen Kreis von Mitgliedern zugänglich gewesen sei. Hier ergibt die Prüfung der Vorentscheidung folgendes:

Die Teilnahme an den Auslosungen stand unzweifelhaft und unbestritten nur den Mitgliedern des Bg. offen. Die Beschränkung der Teilnahme auf die Mitglieder des veranstaltenden Vereins schließt aber nach der der Rechtsprechung des Reichsgerichts folgenden Rechtsprechung des Reichsfinanzhofs, der der Senat sich anschließt, die Annahme der öffentlichkeit nicht aus, wenn der Eintritt in den Verein an so leichte Bedingungen geknüpft ist, daß außenstehenden Personen, die an der Lotterie oder Ausspielung teilnehmen möchten, durch den Beitritt zu dem Verein jederzeit eine solche Beteiligung ermöglicht ist. Diese leichte Beitrittsmöglichkeit ist nicht gegeben, wenn zwischen den Vereinsmitgliedern ein derartiger innerer Zusammenschluß besteht, daß es nicht Beliebigen möglich ist, in den Kreis einzudringen. In dieser Beziehung ist eine Geschlossenheit des Mitgliederkreises angenommen worden, wenn die Mitglieder durch Beruf, Gemeinsamkeit der Interessen oder in ähnlicher Weise so untereinander verbunden sind, daß sie in einem näheren ihnen bewußten inneren Zusammenhang stehen (so schon Urteil des Reichsfinanzhofs II A 532/21 vom 17. Januar 1922, Slg. Bd. 8 S. 179). Das Urteil des Reichsgerichts vom 2. Oktober 1925 (Slg. der Entscheidungen des Reichsgerichts in Strafsachen Bd. 59 S. 347, 349) bezeichnet einen solchen fest abgeschlossenen Personenkreis sogar als einen "Privatzirkel" und sieht eine Ausspielung dann als öffentlich veranstaltet an, wenn sie entweder jedermann aus dem Publikum oder zwar einem begrenzten, aber nicht durch persönliche Beziehungen verbundenen Personenkreis zugänglich gemacht wird.

Das Finanzgericht hat den Kreis der Mitglieder durch den gemeinsamen wirtschaftlichen Gedanken der Genossenschaft als fest umrissen angesehen; er bestehe insbesondere aus Landwirten. Der gemeinsame wirtschaftliche Gedanke der Genossenschaft ist aber ein so unbestimmter und auf sein Vorliegen bei dem einzelnen Mitglied, insbesondere bei Nichtgenossen so schwer kontrollierbarer Begriff, daß auf ihn der erwähnte den Mitgliedern bewußte innere Zusammenhang nicht begründet werden kann. Das Finanzgericht hat auch nicht geprüft, ob überhaupt nach der Satzung und der tatsächlichen Durchführung der Aufnahme von Mitgliedern der gemeinsame Gedanke der Genossenschaft ein wesentliches Merkmal der Aufnahmemöglichkeit der Mitglieder darstellt. Wenn außerdem gesagt ist, daß der Kreis der Mitglieder insbesondere aus Landwirten besteht, so liegt darin bereits, daß auch andere Berufsgruppen Zutritt zu ihm haben.

Das Finanzgericht begründet die Nichtöffentlichkeit der Veranstaltung auch mit der vermeintlichen Schwere der Bedingungen für die Teilnahme an den Auslosungen: Das Mitglied müsse sich für ein volles Jahr verpflichten; vor der ersten Teilnahme an einer Auslosung müsse es mindestens 13 Wochen lang Sparraten und Vereinsbeiträge bezahlt haben. Das Finanzgericht verweist außerdem auf die für das Ausscheiden vorgeschriebene Kündigungsfrist von einem Jahr und die Möglichkeit des Ausschlusses von Mitgliedern. Dem ist entgegenzuhalten, daß es nicht Voraussetzung der öffentlichkeit ist, es müsse die Erfüllung der Teilnahmebedingungen jedermann möglich sein. Es genügt vielmehr, daß die Bedingungen von den Bevölkerungsteilen eingehalten werden können, die für die Teilnahme als Interessenten in Frage kommen. Das geht u. a. schon aus dem Urteil des Reichsfinanzhofs II A 179/21 vom 17. Juni 1921, Slg. Bd. 6 S. 99, über die Tombola des B'er Presseballs hervor, an dem schon wegen der großen Unkosten nur Angehörige gewisser Gesellschaftschichten teilnehmen konnten. Die Kündigungsfrist hat auf die Beurteilung der Teilnahme an der Veranstaltung während der Dauer dieser Teilnahme keinen Einfluß.

Da das Finanzgericht hiernach den Begriff der öffentlichkeit zu eng aufgefaßt hat, war die Vorentscheidung aufzuheben.

Bei der dem Senat zustehenden freien Beweiswürdigung ist die Sache spruchreif.

Die Aufnahmebedingungen sind leicht zu erfüllen. Es handelt sich praktisch nur um die übernahme der Verpflichtung, die wöchentliche Spar- und Beitragsrate zu bezahlen. Die Aufnahme eines Mitglieds kann zwar nach der späteren Satzung ohne Angabe von Gründen abgelehnt werden. Tatsächlich wird der Vorstand aber nur bei Vorliegen eines hinreichenden Grundes ein Aufnahmegesuch ablehnen. Solche Gründe werden, sofern Ablehnungen überhaupt vorkommen, nur in seltenen, jedenfalls nicht in einer ins Gewicht fallenden Zahl von Fällen gegeben sein.

Die Satzung umschreibt den Kreis der Mitglieder nicht in einer solchen Weise, daß von einer fest abgegrenzten Gemeinschaft in dem oben beschriebenen Sinn gesprochen werden kann. Dazu ist die Grenzziehung der aus sonstigen Gründen der Raiffeisen-Organisation nahestehenden Personen zu unbestimmt.

Voraussetzung der Aufnahme ist nach der neuen Satzung auch, daß die Bewerber sich verpflichten, an der Verwirklichung der neben dem Gewinnsparen bestehenden Ziele des Bg. "nach Kräften" mitzuarbeiten. Gegenüber diesen Zielen steht aber der Vereinszweck des Gewinnsparens derart im Vordergrund, daß hinsichtlich dieser Nebenziele übernommene Verpflichtungen nicht entscheidend ins Gewicht fallen. Von den Vereinsbeiträgen können auch keine namhaften Beträge für diese anderen Zwecke verwandt werden, weil sonst die Zugkraft der Auslosung durch die Verringerung der Gewinne beeinträchtigt werden würde.

überdies ist für die Beurteilung der öffentlichkeit vor allem maßgeblich die tatsächliche Durchführung der Zulassung zur Mitgliedschaft und damit zum Gewinnsparen. Hierüber geben die Aufdrucke auf den Sparkarten vollkommenen Aufschluß: "Laden Sie alle Ihre Freunde und Bekannten ein, sich am Gewinnsparen-Raiffeisen zu beteiligen. Jedermann in Stadt und Land (diese Worte sind fettgedruckt) kann mitsparen und mitgewinnen." Wenn der Bg. hierzu bemerkt, die von den Mitgliedern geworbenen Freunde und Bekannte würden nach dem Erwerb der Mitgliedschaft voraussichtlich auch zu den übrigen Mitgliedern die erforderliche innere Gebundenheit erwerben, so zeigen auch diese Ausführungen, daß es an einer festen Abgrenzung der angeblich innerlich verbundenen Mitglieder fehlt.

Die übrigen Voraussetzungen der Steuerpflicht sind unbedenklich erfüllt, dies wird auch von dem Bg. nicht in Abrede gestellt.

Unterliegt hiernach die Veranstaltung auf der Grundlage der späteren Satzung der Steuer, so trifft dies auf die Zeit der Geltung der ursprünglichen Satzung erst recht zu.

Hiernach waren die Steuerbescheide des Finanzamts wiederherzustellen, ohne daß zu prüfen war, ob die öffentlichkeit nicht schon dann gegeben wäre, wenn "aus sonstigen Gründen der Raiffeisen-Organisation nahestehende Personen" nicht Mitglieder werden könnten.

 

Fundstellen

Haufe-Index 407730

BStBl III 1953, 258

BFHE 1954, 678

BFHE 57, 678

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