Leitsatz (amtlich)
Regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen (Provisionen), die eine Buch- und Schallplattenvertriebsfirma ihren Werbern für die Vermittlung von Abonnementsverträgen leistet, sind als laufende Betriebsausgaben nicht aktivierungspflichtig.
Normenkette
EStG §§ 5, 6 Abs. 1 Nr. 2
Tatbestand
Der Revisionsbeklagte (Steuerpflichtiger), ein Einzelkaufmann, vertreibt Bücher und Zeitschriften im Versandhandel. Er unterhält ferner eine Vertriebsstelle für Bücher und Schallplatten einer Buch- und Schallplattengemeinschaft. Wie eine Buchgemeinschaft ist er laufend bestrebt, einen festen Abnehmerstamm von Mitgliedern zu gewinnen. Er wirbt durch Vertreter, die für jedes neue Mitglied eine Provision erhalten, und durch alte Mitglieder, die für die Zuführung neuer Mitglieder Freundschaftsprämien empfangen. Die Mitgliedschaft wird auf mindestens ein Jahr fest vereinbart. Viele Verträge - der Steuerpflichtige behauptet, nur einzelne - enthalten eine Verlängerungsklausel, nach der das Vertragsverhältnis als um jeweils ein weiteres Jahr stillschweigend verlängert gilt, wenn nicht rechtzeitig gekündigt wird. Die durchschnittliche Laufzeit der Verträge beträgt etwa zwei Jahre. Die Mitglieder haben Monats- und Vierteljahrsbeiträge zu leisten. Sie erhalten dafür Punkte, die auf die von ihnen bestellten Bücher angerechnet werden. Die Verträge mit den Mitgliedern werden vom Steuerpflichtigen als Inhaber einer selbständigen Vertriebsfirma abgeschlossen, so daß er Rechtsbeziehungen einerseits mit dem Mitglied und andererseits mit dem Träger der Buch- und Schallplattengemeinschaft unterhält.
Der Steuerpflichtige verbuchte seinen laufenden Werbeaufwand als Betriebsausgabe. Der Revisionskläger (das FA) meint hingegen, daß der Steuerpflichtige durch seine Werbemaßnahmen Lieferrechte erworben habe, deren Summe als selbständig bewertbares Wirtschaftsgut hätte aktiviert werden müssen. Aufgrund einer Betriebsprüfung berechnete der Prüfer den Wert der Lieferrechte, indem er von der Summe der Vermittlungsprovisionen und der Freundschaftsprämien ein Drittel zum Ausgleich des Risikos durch Abspringen von Mitgliedern durch Kündigung oder Nichtfortsetzen des Abonnementvertrags und durch Storno abzog.
Das FA berichtigte die Einkommensteuer- und Gewerbesteuerbescheide entsprechend. Dabei ergab sich eine Steuerschuld jedoch nur bei der Einkommensteuer 1957 bis 1959 und bei der Gewerbesteuer 1959.
Die Sprungberufung hatte Erfolg. Das FG erkannte eine Aktivierungspflicht nicht an. Zur Begründung hat das FG im wesentlichen folgendes ausgeführt: Bei den Belieferungsrechten handele es sich um Ansprüche aus beiderseits noch unerfüllten schwebenden Verträgen, die buchund bilanzmäßig grundsätzlich nicht zu berücksichtigen seien. Gleichwohl habe der RFH (z. B. Urteil III 132/37 vom 26. Januar 1939, RStBl 1939, 553) den Wert des Abonnentenstamms des werbenden Zeitschriftenhandels für aktivierungspflichtig gehalten, weil die den Verträgen innewohnenden Gewinnmöglichkeiten ein selbständig bewertbares und nach den Grundsätzen der Absetzung für Abnutzung (AfA) abschreibbares Wirtschaftsgut darstellten. Es beständen indes gegen eine Verallgemeinerung Bedenken, weil die Aktivierung bloßer Gewinnchancen sowohl gegen zwingende Grundsätze des Handelsrechts als auch gegen die kaufmännischen Gepflogenheiten verstoße. Ob Belieferungsrechte, wie die hier streitigen, bisher gehandelt worden seien, stehe nicht fest. Es könne zugegeben werden und werde auch vom Steuerpflichtigen nicht bestritten, daß ein Abonnentenvertrag ein eindeutiges und klar umrissenes Wirtschaftsgut sei. Die Werbeprovisionen könnten aber nicht als Anschaffungs- oder Herstellungskosten aktiviert werden, weil bei dem Abschluß schwebender Verträge noch keine greifbaren Werte vorhanden seien. Für die Frage der Aktivierung sei in erster Linie die praktische Übung des vorsichtig kalkulierenden Kaufmanns maßgebend (Urteil des BFH IV 432/56 U vom 19. Dezember 1957, BFH 66, 414, BStBl III 1958, 162). Aus den vom Steuerpflichtigen dargelegten Gründen sei nicht anzunehmen, daß ein solcher Kaufmann die strittigen Belieferungsrechte bilanziere.
Eine Aktivierung der Belieferungsrechte als Ergebnis eines besonderen Reklameaufwands scheide aus. Die Belieferungsrechte seien weder durch einen einmaligen Werbefeldzug noch durch einen sonstigen einmaligen oder besonders hohen Werbeaufwand erworben worden. Es könnten auch die erhöhten Gewinnchancen, die sich aus einer Umsatzerhöhung durch Reklame ergäben, nicht als bewertungsfähiges Wirtschaftsgut angesehen werden. Ebensowenig komme nach der zutreffenden Rechtsprechung eine Aktivierung von Reklameaufwand als erhöhter Geschäftswert in Betracht.
Auch aus dem Gesichtspunkt der Periodenabgrenzung lasse sich keine Aktivierung herleiten. Bei den Rechnungsabgrenzungsposten handele es sich um Vorausleistungen bei gegenseitigen Verträgen, bei denen die Gegenleistung noch ausstehe. Im Streitfall treffe das nicht zu. Der Steuerpflichtige habe vielmehr reine Vertriebskosten aufgewendet, für die er keine Gegenleistung mehr zu beanspruchen habe, sondern für die er lediglich Vertragsrechte erworben habe, die erst in der Zukunft auszuüben seien und für die auch die Gegenleistung erst in der Zukunft zu erbringen sei.
Gegen die Vorentscheidung hat das FA Revision eingelegt mit dem Antrag, die Vorentscheidung aufzuheben. Die Aktivierung sei geboten, weil schwebende Verträge erfolgsneutral zu behandeln seien, aber auch, weil ein aktivierungsfähiges Wirtschaftsgut angeschafft worden sei.
Der Steuerpflichtige beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Aus den Gründen:
Die Revision ist nicht begründet.
1. Die Vorinstanz hat zutreffend die Verpflichtung zum Ansatz eines aktiven Rechnungsabgrenzungspostens verneint.
Posten der Rechnungsabgrenzung sind zu bilden, um Einnahmen oder Ausgaben dem Wirtschaftsjahr zuzuteilen, als dessen Ertrag oder Aufwand sie anzusehen sind. In Betracht kommen auf der Aktivseite Ausgaben, die vor dem Abschlußstichtag geleistet worden sind, aber Aufwand für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen, auf der Passivseite Einnahmen, die vor dem Abschlußstichtag angefallen sind, aber Ertrag für eine bestimmte Zeit nach diesem Tag darstellen. Der Anwendungsbereich liegt hauptsächlich auf dem Gebiet solcher gegenseitiger Verträge, bei denen Leistung und Gegenleistung ihrer Natur nach zeitbezogen sind, zeitlich aber auseinanderfallen, z. B. bei vorausgezahlten Miet- und Pachtzinsen, Darlehnszinsen, Versicherungsprämien u. ä. wiederkehrenden Leistungen. Aufgabe der Rechnungsabgrenzungsposten ist es in diesen Fällen, die Vorleistung des einen Teils in das Jahr zu verlegen, in dem die nach dem Vertrag geschuldete Gegenleistung des anderen Teiles erbracht wird. Die Höhe des Rechnungsabgrenzungspostens bemißt sich somit nach den Verhältnissen der noch ausstehenden Gegenleistung zur gesamten Leistung (vgl. BFH-Urteile I 208/63 vom 31. Mai 1967, BFH 89, 191, BStBl III 1967, 607, und IV 285/65 vom 17. August 1967, BFH 90, 322, BStBl II 1968, 80).
Von den Vorleistungen eines Vertragsteils zu unterscheiden sind die mit dem gegenseitigen Vertrag in wirtschaftlichem Zusammenhang stehenden Ausgaben an Dritte, die - wie im Streitfall - bereits geleistet worden sind, während der gegenseitige Vertrag sich noch in der Schwebe befunden hat, jedenfalls von dem Vertragsteil, der die Ausgabe geleistet hat, noch nicht erfüllt ist. Es gibt weder einen handelsrechtlichen Grundsatz ordnungsmäßiger Bilanzierung noch einen steuerrechtlichen Grundsatz, der es geböte oder überhaupt zuließe, ganz allgemein Ausgaben im Wege der aktiven Rechnungsabgrenzung in das Wirtschaftsjahr zu verlagern, in dem die Einnahmen fließen, aus denen die Ausgaben gedeckt werden sollen. Allerdings hat der BFH im Urteil IV 255, 256/64 U vom 3. Dezember 1964 (BFH 81, 257, BStBl III 1965, 93) unter Hinweis auf frühere Entscheidungen für die Bilanzierung von Vermittlungsprovisionen ausgesprochen, daß der Geschäftsherr das Lieferungsgeschäft und das Vermittlungsgeschäft als einen einheitlichen wirtschaftlichen Vorgang zu behandeln habe. Deshalb seien Provisionszahlungen, die vor Erfüllung des Lieferungsgeschäfts geleistet worden seien, wie Kundenanzahlungen erfolgsneutral zu bilanzieren. Diesen Erwägungen kann jedoch nur in dem Rahmen Raum gegeben werden, der durch andere grundlegende Entscheidungen gezogen worden ist, z. B. durch das BFH-Urteil IV 432/56 U, a. a. O., mit weiteren Angaben. Danach entspricht es dem Einommensteuerrecht, daß grundsätzlich die Ausgaben das Jahresergebnis mindern, die wirtschaftlich gesehen Aufwand dieses Jahres darstellen. Es gibt aber keine festen Regeln für die Grenzziehung, abgesehen von den typischen Fällen der vorausbezahlten Miete, Pacht, Zinsen, Versicherungsbeiträge usw. Die Forderung nach Abgrenzung des richtigen Periodengewinns darf deshalb nicht überspannt werden. Dem Unternehmer muß eine angemessene Entscheidungsfreiheit belassen werden. Zwischen dem vorhergehenden Aufwand und dem Ertrag einer späteren Rechnungsperiode muß objektiv ein eindeutig erkennbarer Zusammenhang bestehen. Ungenauigkeiten der aktiven Rechnungsabgrenzung können hingenommen werden, wenn es sich alljährlich um etwa gleiche Werte und Posten handelt. Wichtig ist die Stetigkeit der Gewinnermittlung. Bei Vermittlungsprovisionen ist zu berücksichtigen, daß Kosten des Vertriebs grundsätzlich im Jahr der Ausgabe voll abgesetzt werden können. Ob und wieweit die aktive Rechnungsabgrenzung durch § 152 Abs. 9 des Aktiengesetzes 1965 und § 5 Abs. 3 EStG in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Einkommensteuergesetzes vom 16. Mai 1969 (BStBl I 1969, 320) eine weitere Einschränkung erfahren hat, kann für den Streitfall dahingestellt bleiben, weil diese Vorschriften für die Streitjahre noch nicht galten.
Das Urteil IV 432/56 U, a. a. O., betraf Provisionen, die ein Zeitschriftenhändler seinen Werbern für den Abschluß von Abonnementverträgen, die sich über das Wirtschaftsjahr hinaus erstreckten, zahlte. Es verneinte die Notwendigkeit der Rechnungsabgrenzung aus Erwägungen, die auch für den Streitfall zutreffen. Hier wie dort handelte es sich um laufende Ausgaben im Vertriebsbereich, die ihrer Natur nach regelmäßig wiederkehren und sich auch in ihrer Höhe, wenn auch mit gewissen Schwankungen, gleichmäßig entwickeln. Solche im Betrieb üblicherweise anfallenden Aufwendungen sind im Jahr der Aufwendung als Betriebsausgaben abzusetzen, wie auch in zahlreichen anderen Fällen dem Aufwand in einem Wirtschaftsjahr erst Erträge späterer Jahre gegenüberstehen, ohne daß dabei die jeweiligen Aufwendungen aktiv abzugrenzen wären.
Auf der Anwendung gleicher Grundsätze beruht auch das BFH-Urteil I 167/62 U vom 9. Oktober 1962 (BFH 76, 16, BStBl III 1963, 7), das der Entscheidung des BFH IV 432/56 U, a. a. O., ausdrücklich beigetreten ist. Es betrifft Zuschüsse, die ein Großhändler, der Bücher und Schallplatten für einen Lese- und Schallplattenring vertreibt, an Vertriebsfirmen leistete.
2. Die Vorinstanz hat auch zutreffend abgelehnt, die Provisionen als Aufwand für ein aktivierungspflichtiges Wirtschaftsgut anzusehen.
Nach dem BFH-Beschluß Gr. S. 2/68 vom 3. Februar 1969 (BFH 95, 31, BStBl II 1969, 291) sind steuerrechtlich Wirtschaftsgüter, die einen wesentlichen und über die Dauer des einzelnen Steuerabschnitts hinausreichenden Wert für das Unternehmen besitzen, im Interesse einer möglichst zutreffenden Abschnittsbesteuerung zu aktivieren, und zwar auch dann, wenn handelsrechtlich ein Wahlrecht besteht. Der Begriff des Wirtschaftsguts umfaßt nicht nur Sachen und Rechte, sondern auch tatsächliche Zustände, konkrete Möglichkeiten und Vorteile für den Betrieb, deren Erwerb der Kaufmann sich etwas kosten lasse und die nach der Verkehrsauffassung einer besonderen Bewertung zugänglich sind. Es muß sich aber um einmalige, eindeutig und klar abgrenzbare Aufwendungen handeln, die sich erkennbar aus den laufenden Aufwendungen hervorheben. (Vgl. Urteile des BFH I 46/57 U vom 13. August 1957, BFH 65, 307, BStBl III 1957, 350, und IV 403/62 U vom 29. April 1965, BFH 82, 461, BStBl III 1965, 414.)
Dem FA ist zuzugeben, daß durch den Abschluß der Lieferverträge für den Steuerpflichtigen betriebliche Vorteile entstanden sind. Das hat auch die Vorinstanz festgestellt. Der Annahme eines selbständig bewertbaren Wirtschaftsguts steht aber schon entgegen, daß die gezahlten Vermittlungsprovisionen nach den Feststellungen der Vorinstanz keine einmaligen, sondern laufende, regelmäßig wiederkehrende Aufwendungen darstellen. Sie rechnen zu den sofort abzugsfähigen laufenden Vertriebskosten (vgl. BFH-Urteile IV 432/56 U, I 46/57 U und I 167/62 U, a. a. O.). Danach kann es nicht mehr darauf ankommen, ob der Provisionsaufwand eine Auswirkung auf den zukünftigen Ertrag besaß und es Fälle gegeben hat, in denen Bestände von Lieferverträgen Gegenstand von Veräußerungsgeschäften gewesen sind.
Fundstellen
Haufe-Index 68870 |
BStBl II 1970, 178 |
BFHE 1970, 350 |