Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumnis der Revisonsbegründungsfrist
Leitsatz (NV)
Zur Abgrenzung des Büroversehens vom Bearbeitungsfehler bei Versäumung der Revisionsbegründungsfrist
Normenkette
FGO §§ 56, 120; AO § 110
Verfahrensgang
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin), eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR), betreibt ein Unternehmen der Land- und Forstwirtschaft. Bei den Gewinnfeststellungen für die Streitjahre bezog der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt - FA -) nach einer Betriebsprüfung in die Gewinnfeststellung der GbR auch Gewinne aus einer in der Schweiz belegenen Produktionsstätte ein. Die zunächst unter dem Vorbehalt der Nachprüfung gemäß § 164 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO 1977) ergangenen Feststellungsbescheide wurden entsprechend berichtigt. Dagegen wandte die Klägerin sich mit der Begründung, die Einbeziehung der Gewinne aus der schweizerischen Produktionsstätte verstoße gegen Treu und Glauben, da das FA aufgrund seiner früheren, ebenfalls im Rahmen einer Betriebsprüfung getroffenen Feststellungen die Gewinne aus der in der Schweiz belegenen Produktionsstätte nicht als Teil des Gewinns der GbR erfaßt, sondern lediglich im Rahmen des Progressionsvorbehalts nach § 32b des Einkommensteuergesetzes (EStG) erfaßt habe.
Das Finanzgericht (FG) wies die Klage als unbegründet ab. Es verneinte eine Bindung des FA an die frühere Sachbehandlung, da der Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Besteuerung dem FA nicht nur das Recht gebe, sondern es geradezu gebiete, von einer als unrichtig erkannten Rechtsauffassung abzugehen.
Gegen das am 9. Juli 1985 zugestellte Urteil des FG richtet sich die Revision der Klägerin. Die Frist zur Begründung der Revision ist bis zum 30. September 1985 verlängert worden. Die Revisionsbegründungsschrift ist am 23. Oktober 1985 beim Bundesfinanzhof (BFH) eingegangen. Zur Begründung des am gleichen Tag eingegangenen Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Revisionsbegründungsfrist hat der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin geltend gemacht: Er stehe im 76. Lebensjahr und leite sein Büro immer noch selbst. Als Assistent stehe ihm sein 29jähriger Sohn zur Seite, der ihn in seiner Arbeit unterstütze und insbesondere auch den von ihm geführten Terminkalender überwache, da er selbst unter Gedächtnisausfallerscheinungen leide. Dies habe dank der Unterstützung durch den Sohn bisher noch nie zu Versäumnissen geführt. Die Revisionsbegründung habe er schon am 24. September 1985 gefertigt und seinem Sohn zur Durchsicht übergeben. Dieser sei mit seinen Gedanken in Anbetracht der für ihn am 3. Oktober 1985 beginnenden Steuerberaterprüfung offensichtlich nicht bei der Sache gewesen und so sei das Manuskript auf seinem Schreibtisch ungeschrieben liegengeblieben.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unzulässig.
Gemäß § 120 Abs. 1 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung (FGO) ist die Revision bei dem FG innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils oder nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Revision schriftlich einzulegen und spätestens innerhalb eines weiteren Monats zu begründen. Die Frist für die Revisionsbegründung kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag verlängert werden (§ 120 Abs. 1 Satz 2 FGO). Nachdem die Revisionsbegründungsfrist antragsgemäß bis zum 30. September 1985 verlängert worden ist, hat sie mit Ablauf dieses Tages geendet, so daß die am 23. Oktober 1985 eingegangene Revisionsbegründungsschrift nicht innerhalb der Frist eingegangen ist. Die Klägerin war auch nicht ohne Verschulden an der Einhaltung der Revisionsbegründungsfrist verhindert, so daß ihr Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht gewährt werden konnte. Personen, die Rechts- und Steuerberatung geschäftsmäßig betreiben, also auch der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin, müssen zwecks Fristwahrung das Büro so organisieren, daß eine zuverlässige Fristenkontrolle gewährleistet wird. Zu diesem Zweck müssen sie ein Fristenkontrollbuch, einen Fristenkalender oder etwas Vergleichbares einrichten und überwachen (vgl. Tipke/Kruse, Abgabenordnung-Finanzgerichtsordnung, § 110 AO 1977, m.w.N.). Fehler, die dabei den mit der Führung und Überwachung des Kontrollbuchs betrauten Büroangestellten unterlaufen (Büroversehen), können dem Prozeßbevollmächtigten allerdings nicht zugerechnet werden. Nach dem eigenen Vorbringen der Klägerin liegt ein bloßes Büroversehen jedoch nicht vor. Dem Sohn des Prozeßbevollmächtigten ist der Entwurf der Revisionsbegründungsschrift zur Durchsicht und damit zur weiteren sachlichen Bearbeitung am 24. September 1985 zugeleitet worden. Der Fehler ist somit nicht durch ein Büroversehen, sondern im Bereich der Fachbearbeitung unterlaufen und ist dem Bevollmächtigten zuzurechnen (vgl. BFH-Urteile vom 28. Juli 1961 III 455/59 U, BFHE 73, 499, BStBl III 1961, 447, und vom 26. Mai 1977 V R 139/73, BFHE 122, 251, BStBl II 1977, 643). Das Verschulden des Prozeßbevollmächtigten ist der Klägerin zuzurechnen (BFH-Urteil vom 10. August 1977 II R 89/77, BFHE 123, 14, BStBl II 1977, 769).
Fundstellen
Haufe-Index 415409 |
BFH/NV 1988, 380 |