Leitsatz (amtlich)
Eine "unverzügliche" Verwendung der Bausparsumme durch den Erwerber liegt grundsätzlich nur dann vor, wenn dieser innerhalb von 12 Monaten nach Erlangung der Verfügungsmacht über die Mittel mit dem Wohnungsbau für den Abtretenden oder dessen Angehörige im Sinn des § 10 StAnpG begonnen hat.
Normenkette
WoPG § 2 Abs. 2 S. 3 Hs. 2
Tatbestand
Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) hatte am 31. Dezember 1965 einen Bausparvertrag abgeschlossen und für die in 1965 und 1966 eingezahlten Bausparbeiträge Wohnungsbau-Prämien von je 400 DM erhalten. Am 29. August 1969 trat die Klägerin ihre Ansprüche aus dem Bausparvertrag an ihren Sohn ab. Die Bausparsumme wurde am 30. September 1969 an den Sohn ausgezahlt. Dieser begann im August 1971 mit den Ausschachtungsarbeiten für das Wohngebäude, in dem die Klägerin eine Wohnung beziehen soll. Für die Verzögerung des Baubeginns hatte die Klägerin trotz einer entsprechenden Anfrage des FG vom 2. Juli 1971 keine Erklärung abgegeben.
Der Beklagte und Revisionsbeklagte (FA) forderte mit Bescheid vom 29. Mai 1970 die Wohnungsbau-Prämien 1965 und 1966 von der Klägerin mit der Begründung zurück, daß sie nach ihren eigenen Angaben die Einzahlung mit Mitteln des Sohnes bewirkt habe.
Einspruch und Klage hatten keinen Erfolg. Das FG hat die Schädlichkeit der Abtretung bejaht, weil der Sohn die ihm im September 1969 ausgezahlte Bausparsumme nicht innerhalb von etwa 12 Monaten für den Wohnungsbau für sich und die Klägerin verwandt habe und deshalb die Mittel nicht unverzüglich für die begünstigten Zwecke eingesetzt worden seien. Der Rückforderungsanspruch des FA sei auch nicht verjährt. Wegen der Frage der Verjährung hat das FG die Revision zugelassen.
Mit der Revision beruft sich die Klägerin erneut auf die Verjährung des Rückforderungsanspruchs des FA. Im übrigen trägt sie vor, daß sich der Wohnungsbau deshalb verzögert habe, weil die Landesmittel verspätet bereitgestellt worden seien. Die Klägerin beantragt Aufhebung der FG-Urteile, der Einspruchsentscheidungen und des Rückforderungsbescheids.
Entscheidungsgründe
Die Revisionen sind unbegründet.
Da die Ansprüche der Kläger auf die Gewährung der Wohnungsbau-Prämien mit Ablauf des Kalenderjahrs 1965 bzw. 1966 entstanden sind, finden die §§ 143 ff. AO n. F. Anwendung (Artikel 5 Abs. 1 AOÄG vom 15. September 1965, BGBl I 1965, 1356, BStBl I 1965, 643). Wie der Senat mit Urteil vom 28. April 1972 VI R 74/70 (BFHE 106, 177, BStBl II 1970, 812) entschieden hat, kann der Prämienrückforderungsanspruch nach Einfügung des Abs. 2 in § 144 AO durch Artikel 1 Nr. 2 AOÄG 1965 nicht mehr den "übrigen Ansprüchen" zugeordnet werden. Nach dieser Vorschrift stehen die Ansprüche auf Erstattungen und Vergütungen einem Abgabeanspruch gleich, so daß für den Rückforderungsanspruch des FA die fünfjährige Verjährungsfrist gilt, und zwar begann diese Frist mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Wohnungsbau-Prämie gewährt wurde. Danach war der Rückforderungsanspruch des FA bei Erlaß des Bescheids vom 29. Mai 1970 nicht verjährt.
Das FG hat zu Recht die "Unverzüglichkeit" der Verwendung der Bausparsumme zum Wohnungsbau verneint, die erforderlich ist, um bei einer vorzeitigen Abtretung der Ansprüche aus dem Bausparvertrag Prämienunschädlichkeit annehmen zu können (§ 2 Abs. 2 WoPG). § 2 Abs. 2 WoPG enthält keine nähere Bestimmung des Begriffs "unverzüglich". Ob hier auf zivilrechtliche Definitionen zurückgegriffen werden kann, mag dahinstehen; denn jedenfalls ist mit dem FG davon auszugehen, daß die "Unverzüglichkeit" dann gegeben wäre, wenn der Sohn der Klägerin als Erwerber die Bausparsumme innerhalb von 12 Monaten nach Auszahlung zum Wohnungsbau verwandt hätte. Die grundsätzliche Beschränkung des "unverzüglich" auf einen Zeitraum von 12 Monaten, die den seinerzeit zu § 7c EStG entwikkelten Grundsätzen entspricht (vgl. Abschn. 69 EStR 1961), ist nach Ansicht des Senats in der Regel auch in diesen Fällen eine brauchbare Abgrenzung. Die vorzeitige Auszahlung, Abtretung oder Beleihung soll nämlich nur dann prämienunschädlich sein, wenn außer den übrigen Voraussetzungen die empfangenen Mittel alsbald dem Wohnungsbau zugeführt werden. Zögert sich dieser Einsatz der Gelder über 12 Monate hinaus, so fehlt es allgemein an der unverzüglichen Verwendung der empfangenen Beträge zum Wohnungsbau. Diese Frist ist im vorliegenden Fall jedenfalls erheblich überschritten worden; denn der Sohn der Klägerin begann erst nach fast zwei Jahren mit dem Bau seines Hauses. Unabhängig davon, daß die Klägerin erst in der Revisionsinstanz Gründe für die Verzögerung des Bauvorhabens ihres Sohnes genannt hat und dieser neue Tatsachenvortrag nicht mehr verwandt werden kann (§ 118 Abs. 2 FGO), kommt ihm auch keine entscheidungserhebliche Bedeutung zu. Wer sich die Bausparsumme vorzeitig auszahlen läßt, durch die Entwicklung der Verhältnisse aber gehindert wird, seinen Plan zum Wohnungsbau unverzüglich zu verwirklichen, kann die Rückforderung einer vorher gewährten Prämie nicht vermeiden (Urteil des BFH vom 22. März 1968 VI R 221/67, BFHE 92, 87, BStBl II 1968, 427).
Fundstellen
Haufe-Index 70783 |
BStBl II 1974, 227 |
BFHE 1974, 199 |