Entscheidungsstichwort (Thema)
Zollwertrechtliche Behandlung von Transportversicherungsund Etikettenkosten
Leitsatz (NV)
1. Die Kosten einer durchgehenden Transportversicherung mit warenwertbezogener Prämie gehören in vollem Umfang zu den vom Normalpreis umfaßten Kosten.
2. Druckkosten für im Auftrag des Käufers im Ausland hergestellte und dort den Waren beigegebene Etiketten sind vom Normalpreis umfaßte Verpackungskosten.
Normenkette
ZWVO 1968 Art. 1 Abs. 1, 2 Buchst. b, Art. 7 Abs. 1, Art. 8 Abs. 2 S. 2
Tatbestand
Die Klägerin ließ in den Jahren 1978/79 aus Argentinien eingeführtes Fleisch zum freien Verkehr abfertigen. Das Fleisch war auf dem Seewege nach Rotterdam verbracht und von dort auf dem Landwege zum inländischen Empfangsort bei der Klägerin weiterbefördert worden. Das Hauptzollamt - HZA - forderte von der Klägerin Zoll nach, und zwar wegen zu wenig angemeldeter Versicherungskosten und nicht angemeldeter Kosten für in Argentinien gekaufte, den Lieferanten zur Verfügung gestellte und den Sendungen beigepackte Etiketten.
Das Finanzgericht (FG) wies die gegen die Nachforderung gerichtete Klage ab. Es führte aus, die - einheitliche - Transportversicherung sei durchgehend mit einer Prämie als Haus-zu-Haus-Versicherung abgeschlossen; die Gesamtkosten seien somit in den Zollwert einzubeziehen (Art. 7 Abs. 1, zweiter Gedankenstrich der Verordnung [EWG] Nr. 803/68 des Rates vom 27. Juni 1968 über den Zollwert der Waren - ZWVO 1968 -, Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften - ABlEG - L 148/6, in der Fassung der Verordnung [EWG] Nr. 338/75 vom 10. Februar 1975, ABlEG L 39/5), ohne daß - wie bei Beförderungskosten - eine Aufteilung in Betracht käme. Die von der Klägerin vorgelegte Bestätigung des Versicherers gebe nur die interne Bewertung der verschiedenen Risiken Seereise / Landreise wieder. Ebenfalls gehörten zum Zollwert die Druckkosten für die Etiketten, nämlich als Kosten des Verpackens (Art. 7 Abs. 1, letzter Gedankenstrich ZWVO 1968).
Die Revision der Klägerin macht hinsichtlich der Versicherungskosten geltend, es sei keine einheitliche Versicherung, sondern, wie vom Versicherer bestätigt, eine Versicherung mit zwei getrennten Grundprämien vereinbart worden; dies hätte sich bei entsprechender Beweisaufnahme ergeben. Unabhängig davon sei bei einer möglichen - hier durch den Versicherer vorgenommenen - kalkulatorischen Trennung der Prämien nach Maßgabe der außergemeinschaftlichen und innergemeinschaftlichen Beförderungsstrecken zu berücksichtigen, daß in den Zollwert nur die Kosten fielen, die sich auf die Beförderung der Waren bis zum Ort des Verbringens bezögen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968). Im übrigen sei auch hinsichtlich der Transportversicherungsprämien, die den Beförderungskosten gleichzustellen seien, gemäß Art. 8 Abs. 2 ZWVO 1968 eine Aufteilung vorzunehmen. Die Einbeziehung der innergemeinschaftlichen Transportversicherungskosten würde zu einer Ungleichbehandlung derjenigen Importeure führen, die für die außergemeinschaftliche und die innergemeinschaftliche Strecke keine unterschiedlichen Prämien vereinbart hätten. Die Einbeziehung der Etikettenkosten in den Zollwert verstoße gegen die Normalpreisdefinition in Art. 1 Abs. 1 ZWVO 1968 (,,Preis . . . für diese Waren"). Diese Kosten seien auch weder Umschließungs- noch Verpackungskosten i. S. von Art. 7 ZWVO 1968. Die Kennzeichnungs- und Hinweisfunktion der Etiketten sei nicht vergleichbar mit der Funktion des Verpackens.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
Die zollwertrechtliche Beurteilung durch das FG ist zutreffend. Das gilt sowohl hinsichtlich der Versicherungskosten als auch hinsichtlich der Kosten für die Etiketten.
1. Der Normalpreis umfaßt alle Kosten, die sich auf das Kaufgeschäft und auf die Lieferung der Waren am Ort des Verbringens - hier: Rotterdam - beziehen (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968); dazu gehören u. a. Versicherungskosten (Art. 7 Abs. 1, zweiter Gedankenstrich ZWVO 1968). Wie der Senat früher entschieden hat (Urteil vom 21. September 1960 VII 70/60, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung - HFR - 1961, 25), kommt es bei Abschluß einer Transportversicherung für Versendungen ,,nach Orten des Bundesgebiets" auf die tatsächlich gezahlte Prämie an, bezogen auf den jeweiligen Rechnungspreis (Warenpreis + ausländische Transportkosten); eine theoretische Prämie ist nicht zu ermitteln, und zwar selbst dann nicht, wenn eine Bestätigung des Versicherers über die Höhe einer Prämie bis zum Verbringungsort vorliegt. Diese Rechtsprechung ist allerdings zu dem früheren innerstaatlichen Zollwertrecht ergangen, doch beruhte dieses, ebenso wie das frühere gemeinschaftliche Zollwertrecht, auf der in dem neunten Erwägungsgrund der ZWVO 1968 bezeichneten internationalen Zollwertnorm. Dementsprechend wurde dieselbe Auffassung auch zum Zollwertrecht der ZWVO 1968 vertreten (Schwarz / Wockenfoth, Zollgesetz, Stand Juli 1975, ZWVO Art. 7 Anm. 32; Bail / Schädel / Hutter, Zollgesetz, Stand Mai 1972, ZWVO Art. 7 Anm. 2b). Von ihr ist auch für die Beurteilung des Streitfalles auszugehen.
Das FG hat den Inhalt des Vertrages mit dem Versicherer festgestellt (Haus-zu-Haus-Versicherung mit je einer Prämie für Kühl- und Gefrierfleisch) und die Bestätigung des Versicherers nicht als Wiedergabe des Vertragsinhalts, sondern als ,,interne Kalkulation und Bewertung der verschiedenen Risiken Seereise / Landreise" beurteilt. Diese Feststellung ist für den Senat bindend (§ 118 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung - FGO -). Seine Aufklärungspflicht (§ 76 Abs. 1 FGO) hat das FG entgegen der Ansicht der Revision nicht verletzt. Die Bestätigung, die - so die Klägerin selbst - eine ,,kalkulatorische Trennung" zum Ausdruck bringt, konnte ohne Verstoß gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze so verstanden werden, wie sie das FG aufgefaßt hat. Die Notwendigkeit einer Aufklärung dahin, ob nicht - dann entgegen dem formellen Vertrag - (je) zwei Grundprämien für die Strecke bis zum Verbringungsort und die innergemeinschaftliche Beförderungsstrecke vereinbart wurden, drängte sich nicht auf. Daß das FG einen Beweisantrag übergangen oder abgelehnt hätte, wird von der Revision nicht gerügt. Es kann somit offenbleiben, welche rechtlichen Folgerungen sich ergäben, wenn der Versicherungsvertrag (je) zwei nach Beförderungsstrecken getrennte Grundprämien vorgesehen hätte.
Ist davon auszugehen, daß tatsächlich eine Grundprämie (je für Kühl- und Gefrierfleisch) für die Gesamtbeförderung gezahlt worden ist, so verbietet sich - wie ausgeführt - eine theoretische, wenn auch gegebenenfalls an die Bestätigung des Versicherers angelehnte Aufteilung. Art. 1 Abs 2 Buchst. b ZWVO 1968 schließt vom Normalpreis Lieferungskosten ab Verbringungsort - Art. 6 Abs. 1 Buchst. a ZWVO 1968 - aus (Senat, Urteil vom 22. April 1975 VII R 10/73, BFHE 116, 228, 230), hindert aber nicht die Berücksichtigung eines für die Haus-zu-Haus-Transportversicherung geltenden einheitlichen Prämiensatzes, bezogen auf den Rechnungspreis. Wie sich aus dem angefochtenen Steuerbescheid in Verbindung mit dem (vom FG in Bezug genommenen) Betriebsprüfungsbericht ergibt, ist die Prämie nach dem ,,Warenwert" berechnet worden, also ohne Einbeziehung von Kosten ab Verbringungsort.
Einen Abzug gemäß Art. 8 Abs. 2 Satz 2 ZWVO 1968 kann die Klägerin nicht geltend machen. Diese Vorschrift bezieht sich, wie das FG richtig entschieden hat, nur auf die (eigentlichen) Beförderungskosten (Art. 7 Abs. 1, erster Gedankenstrich ZWVO 1968); sie stellt sich als Ausnahme von der Ausnahme der zollwertrechtlichen Berücksichtigung innergemeinschaftlicher Beförderungskosten bei einheitlichem Preis frei Bestimmungsort dar (Senat, Urteil vom 31. Juli 1984 VII R 108/81, BFHE 142, 77, 79). Abgesehen davon, daß der Prämiensatz bloßer Kostenfaktor ist, handelt es sich bei den Versicherungskosten nicht um Beförderungskosten in dem in Art. 8 ZWVO 1968 vorausgesetzten engeren Sinne. Aus diesem Grunde kann die Klägerin sich auch nicht auf das die zollwertrechtliche Beurteilung innergemeinschaftlicher Frachtkosten nach dem Recht der ZWVO 1980 betreffende Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften (EuGH) vom 10. Dezember 1985 Rs. 290/84 (EuGHE 1985, 3909; HFR 1986, 547) berufen.
Die von der Klägerin gerügte Ungleichbehandlung liegt nicht vor. Versicherungsnehmer einer Transportversicherung frei Haus mit einheitlichem Prämiensatz werden untereinander gleich behandelt, und zwar bei warenwertbezogener Prämie ohne Berücksichtigung der Entfernung des innergemeinschaftlichen Bestimmungsorts vom Ort des Verbringens (vgl. in diesem Zusammenhang EuGHE 1985, 3909, 3930, Abs. 32). Bei Abschluß getrennter Versicherungen - für die Beförderung bis zum Ort des Verbringens und für die innergemeinschaftliche Strecke - sind andere, nicht vergleichbare Verhältnisse gegeben. Inwieweit sich sonst eine Ungleichbehandlung ergeben könnte, ist nicht erkennbar.
2. Auch die Einbeziehung der (Druck-) Kosten für die im Auftrag der Klägerin in Argentinien hergestellten und dort den Fleischsendungen beigestellten Etiketten in den Zollwert ist nicht zu beanstanden. Dabei handelt es sich zwar nicht um Kosten ,,für diese Waren" (Art. 1 Abs. 1 ZWVO 1968) - Fleisch -, wohl aber, wie vom FG entschieden, um Kosten, die sich auf das Kaufgeschäft und auf die Lieferung der Waren (am Ort des Verbringens) beziehen; diese Kosten werden als vom Verkäufer getragen behandelt, auch wenn sie vom Käufer bezahlt werden, und vom Normalpreis umfaßt (Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968). Zu ihnen rechnen u. a. die in Art. 7 Abs. 1, zehnter Gedankenstrich ZWVO 1968 aufgeführten Kosten des Verpackens. Das aber sind auch Kosten für Etiketten, die nicht aus dem freien Verkehr des Zollgebiets der Gemeinschaft stammen (vgl. Bail / Schädel / Hutter, a.a.O., Anm. 2k; ebenso für das neue Zollwertrecht Zepf, Wertverzollung, 4. Aufl., ZWVO Art. 8 Anm. 2.6). Der Begriff ,,Kosten des Verpackens" ist weit auszulegen. Dafür spricht bereits der Wortlaut von Art. 7 Abs. 1, zehnter Gedankenstrich ZWVO 1968, der außer den besonders bezeichneten Verpackungskosten auch ,,sonstige" Kosten aufführt. Bei der gebotenen weiten Auslegung müssen Etiketten, die der Ware beigepackt sind, als vom Begriff ,,Verpackungsmaterial" umfaßt angesehen werden. Ihre ,,Kennzeichnungs- und Hinweisfunktion" steht dem nicht entgegen. Auch Verpackungsmaterial im engeren Sinne kann Kennzeichnungen oder Hinweise enthalten; diese nehmen der Verpackung nicht den Charakter, sondern sind vielmehr ein typischer Bestandteil des Materials selbst. Eine gesonderte Etikettierung ist gleichfalls - zumindest, wenn ein enger räumlicher Zusammenhang mit der eigentlichen Verpackung besteht - als zu dieser gehörend zu werten. An dem Ergebnis würde sich im übrigen selbst dann nichts ändern, wenn die Etikettenkosten unter keine der in Art. 7 Abs. 1 ZWVO 1968 aufgeführten Kostenarten fielen. Die Aufzählung ist nicht erschöpfend. Grundsätzlich maßgebend ist Art. 1 Abs. 2 Buchst. b ZWVO 1968, der auf ,,alle" Lieferungskosten abstellt. Daß zu diesen auch die Kosten für Etikettierungen gehören, kann nach Ansicht des Senats nicht zweifelhaft sein.
3. Der Senat hält die Auslegung der hier anzuwendenden zollwertrechtlichen Vorschriften hinsichtlich der Beurteilung sowohl der Versicherungs- als auch der Etikettenkosten für zweifelsfrei. In Anwendung der im EuGH-Urteil vom 6. Oktober 1982 Rs. 283/81 (EuGHE 1982, 3415, 3430) entwickelten Grundsätze erscheint es nicht geboten, eine Vorabentscheidung des EuGH einzuholen.
Fundstellen
Haufe-Index 416918 |
BFH/NV 1990, 679 |