Entscheidungsstichwort (Thema)
Hinzurechnung der Gewinnanteile der persönlich haftenden Gesellschafter-Geschäftsführer einer KGaA
Leitsatz (amtlich)
1. Gewinnanteile, die als Vergütung für die Geschäftsführung an die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA verteilt werden, sind alle Arten von Vergütungen, die die persönlich haftenden Gesellschafter als Gegenleistung für ihre ―gegenwärtige oder frühere― Geschäftsführungstätigkeit erhalten. Von diesen Vergütungen zu unterscheiden sind Leistungen, die Auslagen- oder Aufwendungsersatz und kein Entgelt für die Geschäftsführungstätigkeit sind.
2. Aufwendungen, die einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA entstehen, weil er die ihm übertragenen Geschäftsführungsaufgaben von anderen Personen (Fremdgeschäftsführer) wahrnehmen läßt, mindern die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr.4 GewStG nicht. Dies gilt auch für die Aufwendungen, die einer Komplementär-GmbH dadurch entstehen, daß sie die ihr übertragene Geschäftsführung der KGaA nur durch Fremdgeschäftsführer ausüben kann.
Normenkette
GewStG 1977 § 8 Nr. 4; GewStG 1978 § 8 Nr. 4; KStG 1977 § 9 Nr. 2; EStG 1977 § 15 Abs. 1 Nr. 3
Verfahrensgang
FG Rheinland-Pfalz (Entscheidung vom 06.12.1985; Aktenzeichen 6 K 159/83) |
Tatbestand
I. Die Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) ist eine KGaA. Sie betreibt eine Papier- und Wellpappenfabrik. Ihre alleinige geschäftsführungsbefugte und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafterin ist nach der Satzung die H Verwaltungs-GmbH (GmbH). Deren Geschäftsführer sind sieben natürliche Personen.
Die unter anderem in den Jahren 1977 bis 1979 (Streitjahre) geltende Satzung der Klägerin enthält folgende Bestimmung:
"§ 12 Vergütungen für die persönlich haftende Gesellschafterin: Eintritt in die Arbeitsverträge der bisherigen Geschäftsführer
(1) Sämtliche Kosten der Geschäftsführung und überhaupt alle Auslagen und Nebenleistungen, die mit der Geschäftsführung der Gesellschaft mittelbar oder unmittelbar zusammenhängen, hat die Gesellschaft der persönlich haftenden Gesellschafterin zu erstatten.
(2) Die persönlich haftende Gesellschafterin tritt mit Wirkung vom 1.Juli 1976 an in die Anstellungsverträge mit den bisherigen Geschäftsführern der Gesellschaft ein.
(3) Die Geschäftsführer behalten die ihnen nach den Anstellungsverträgen zustehenden Ansprüche auf Gewährung von Ruhegehältern gegen die Gesellschaft auch hinsichtlich der Zeit, in der sie bei der persönlich haftenden Gesellschafterin tätig sind. Hierfür sind in dem Jahresabschluß der Gesellschaft Rückstellungen vorzunehmen. Soweit weitere Geschäftsführer von der persönlich haftenden Gesellschafterin eingestellt werden, soll der Ruhegehaltsanspruch gegen die persönlich haftende Gesellschafterin gewährt werden, jedoch hat die Gesellschaft gemäß der Bestimmung in Abs.1 alle Aufwendungen hierfür der persönlich haftenden Gesellschafterin zu erstatten."
Nach § 26 Abs.2 der Satzung ist die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin am Gewinn bzw. Verlust der Klägerin in Höhe von 1 v.H. eines sich nach einer besonderen Innenbilanzrechnung ergebenden Betrags beteiligt.
Nach einer Außenprüfung änderte der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt ―FA―) die den Gewerbebetrieb der Klägerin betreffenden Gewerbesteuermeßbescheide für die Streitjahre und rechnete gemäß § 8 Nr.4 des Gewerbesteuergesetzes 1977 bzw. 1978 (GewStG 1977/1978) dem Gewinn 1977 1 737 029 DM, dem Gewinn 1978 1 609 267 DM und dem Gewinn 1979 1 599 152 DM wieder hinzu. Diese Beträge setzen sich wie folgt zusammen:
Erhebungszeitraum 1977 1978 1979
DM DM DM
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Kostenerstattungen für
die Geschäftsführung
aufgrund § 12 Abs.1
der Satzung 1 254 453 1 303 589 1 321 775
Zuführungen zu den
Pensionsrückstellungen
für die Geschäftsführer
der GmbH nach § 12 Abs.3
der Satzung 520 811 296 998 271 857
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Zwischensumme 1 775 264 1 600 587 1 593 632
- Verlustanteil - 38 235
+ Gewinnanteil + 8 680 + 5 520
der GmbH nach § 26
Abs.2 der Satzung ―――――――――――――――――-
nach § 8 Nr.4 GewStG
hinzugerechneter Betrag 1 737 029 1 609 267 1 599 152.
Gegen die Änderungsbescheide vom 6.Mai 1983 (für 1977 und 1978) und 31.Mai 1983 (für 1979) legte die Klägerin Einsprüche ein. Sie machte geltend, die Kostenerstattungen aufgrund § 12 Abs.1 der Satzung und die Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen aufgrund § 12 Abs.3 der Satzung seien dem Gewinn nicht wieder hinzuzurechnen. Die Einsprüche und Klage waren erfolglos. Das Urteil des Finanzgerichts (FG) ist in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 1986, 416 veröffentlicht.
Die vom FG zugelassene Revision der Klägerin wird auf Verletzung des § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 gestützt.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist nicht begründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs.2 der Finanzgerichtsordnung ―FGO―).
1. Nach § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 sind zur Ermittlung des Gewerbeertrags einer KGaA dem Gewinn aus Gewerbebetrieb unter anderem die Gewinnanteile wieder hinzuzurechnen, die an die persönlich haftenden Gesellschafter als Vergütung (Tantieme) für die Geschäftsführung verteilt worden sind, soweit sie bei der Gewinnermittlung abgezogen wurden.
Derartige Gewinnanteile sind die Teile des (Gesamt-)Gewinns der KGaA, die die persönlich haftenden Gesellschafter der KGaA erhalten, weil sie für die KGaA geschäftsführend tätig sind oder waren. Sie ―wie auch die übrigen in § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 genannten Gewinnanteile― werden bei der Ermittlung des der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommens der KGaA nach § 9 Nr.2 des Körperschaftsteuergesetzes 1977 ―KStG 1977― (früher: § 11 Nr.3 KStG 1968) abgezogen. Dadurch wird eine Doppelbesteuerung dieser Gewinnanteile ―als Teil des der Körperschaftsteuer unterliegenden Einkommens der KGaA und als Gewinnanteil des Komplementärs― vermieden. Für die Gewerbesteuer wird der Abzug durch die Hinzurechnung nach § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 wieder rückgängig gemacht, damit auch diese Gewinnanteile bei der KGaA der Gewerbesteuer unterliegen (vgl. Bundesfinanzhof ―BFH―, Urteile vom 4.Mai 1965 I 186/64 U, BFHE 82, 471, BStBl III 1965, 418; vom 23.Oktober 1985 I R 235/81, BFHE 145, 76, BStBl II 1986, 72; vom 21.Juni 1989 X R 14/88, BFHE 157, 382, 387, BStBl II 1989, 881, 884).
Gewinnanteile, die an die persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt werden, sind alle Arten von Vergütungen, die die persönlich haftenden Gesellschafter als Gegenleistung für ihre ―gegenwärtige oder frühere― Geschäftsführungstätigkeit erhalten (s. Reichsfinanzhof ―RFH―, Urteil vom 21.Dezember 1937 I 251/37, RFHE 43, 27, RStBl 1938, 334; BFH-Urteil vom 8.Februar 1984 I R 11/80, BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381). Von diesen Vergütungen zu unterschieden sind Zahlungen, die die persönlich haftenden Gesellschafter als Auslagen- oder Aufwendungsersatz erhalten und die k e i n Entgelt für die Geschäftsführungstätigkeit sind. Derartige Zahlungen ―z.B. die Erstattung von Reisekosten― sind keine gemäß § 9 Nr.2 KStG 1977 abziehbaren und nach § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 wieder hinzuzurechnenden Gewinnanteile, sondern Betriebsausgaben der KGaA (§ 8 Abs.1 KStG 1977 i.V.m. § 4 Abs.4 des Einkommensteuergesetzes 1977 und 1979 ―EStG 1977/1979―).
2. Aufwendungen, die einem persönlich haftenden Gesellschafter einer KGaA entstehen, weil er ―z.B. wegen Krankheit― die ihm übertragenen Geschäftsführungsaufgaben von anderen Personen (Fremdgeschäftsführer) wahrnehmen läßt, mindern die Hinzurechnung gemäß § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 nicht.
§ 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 und § 9 Nr.2 KStG 1977 sind Vorschriften zur Ermittlung des Gewerbeertrags bzw. des Einkommens der KGaA. Was unter Gewinnanteilen zu verstehen ist, die an die persönlich haftenden Gesellschafter als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt worden sind, ist daher aus der Sicht der KGaA ―nicht aus der der persönlich haftenden Gesellschafter― zu beurteilen. Aus der Sicht der KGaA sind sämtliche Vergütungen, die ihre Komplementäre für die Geschäftsführung erhalten, derartige Gewinnanteile. Auch soweit die Vergütungen den Aufwendungen entsprechen, die einem Komplementär durch Fremdgeschäftsführer entstehen, sind sie aus der Sicht der KGaA kein außerhalb der gesellschaftsrechtlichen Gewinnverteilung zu leistender Aufwendungsersatz, sondern Gewinnanteile, die der persönlich haftende Gesellschafter als Vergütung für die Geschäftsführung ―durch Fremdgeschäftsführer― erhält.
Bei der Ermittlung des Gewinns der KGaA dürfen diese Aufwendungen nicht als Betriebsausgaben abgezogen werden, weil sie keine Aufwendungen der KGaA, sondern Aufwendungen des persönlich haftenden Gesellschafters sind. Sie mindern jedoch als Betriebsausgaben dessen Einkünfte aus Gewerbebetrieb gemäß § 15 Abs.1 Nr.3 EStG 1977/1979.
3. Gleiches gilt, wenn ―wie im Streitfall― eine GmbH persönlich haftende und nach der Satzung geschäftsführungsbefugte und vertretungsberechtigte Gesellschafterin ist. Die Aufwendungen, die der Komplementär-GmbH dadurch entstehen, daß sie die ihr übertragene Geschäftsführung der KGaA nur durch Fremdgeschäftsführer ausüben kann, mindern den nach § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 hinzuzurechnenden Betrag nicht (gleicher Ansicht Lenski/Steinberg, Kommentar zum Gewerbesteuergesetz, 7.Aufl., Stand Juni 1990, § 8 Nr.4 Anm.2; Glanegger/Güroff, Gewerbesteuergesetz, Kommentar, 1988, § 8 Nr.4 Anm.3; Meyer- Scharenberg/Popp/Woring, Gewerbesteuer-Kommentar, 1989, § 8 Nr.4 Rdnr.6).
Zwar ist umstritten, ob eine GmbH überhaupt Geschäftsführungsorgan einer KGaA sein kann. Nach einer in der Literatur weit verbreiteten Meinung können nur natürliche, unbeschränkt geschäftsfähige Personen geschäftsführungsbefugte und vertretungsberechtigte persönlich haftende Gesellschafter einer KGaA sein. (vgl. Semler in Geßler/Hefermehl/Eckardt/Kropff, Aktiengesetz, Kommentar, 10.Lieferung, 1986, § 278 Anm.14 bis 23, m.w.N.; Binz/Sorg, Betriebs-Berater ―BB― 1988, 2041; s.a. Hennerkes/May, BB 1988, 2393). Diese Streitfrage ist aber für die Anwendung des § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 ohne Bedeutung. Selbst wenn davon ausgegangen wird, daß eine GmbH kein Geschäftsführungsorgan einer KGaA sein kann, sind Leistungen, die eine Komplementär-GmbH für die durch ihr Personal ausgeübte Geschäftsführungstätigkeit von der KGaA erhält, aus deren Sicht Gewinnanteile, die als Vergütungen für die Geschäftsführung durch die GmbH an diese verteilt worden sind.
4. § 15 Abs.1 Nr.3 EStG 1977/1979 steht dem nicht entgegen.
§ 8 Nr.4 GewStG knüpft nicht an § 15 Abs.1 Nr.3 EStG, sondern an § 9 Nr.2 KStG 1977 an. Die Beträge, die gemäß § 9 Nr.2 KStG 1977 bei der Ermittlung des Einkommens der KGaA abgezogen wurden, sind nach § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 dem nach den Vorschriften des KStG 1977 ermittelten Gewinn der KGaA wieder hinzuzurechnen. Abgezogen nach § 9 Nr.2 KStG 1977 werden nicht die Einkünfte (Netto-Vergütungen), die die persönlich haftenden Gesellschafter durch ihre gegenwärtige oder frühere Geschäftsführungstätigkeit erzielten, sondern der Teil des Gewinns, der an die Komplementäre als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wird. Das sind ―wie oben unter 2 ausgeführt― die Brutto-Vergütungen.
Der Senat weicht damit nicht von seinem Urteil vom 8.Februar 1984 I R 11/80 (BFHE 140, 465, BStBl II 1984, 381) ab. In dieser Entscheidung ist zwar ―unter Nr.2 a) bb)― ausgeführt worden, daß die gewerblichen Einkünfte ―§ 15 (Abs.1) Nr.3 EStG― der persönlich haftenden Gesellschafter als Gewerbeertrag der KGaA zu erfassen seien. Gleichzeitig ist aber darauf hingewiesen worden, daß § 15 (Abs.1) Nr.3 EStG alle Vergütungen an die persönlich haftenden Gesellschafter für ihre Geschäftsführung als gewerbliche Einkünfte erfasse. Über die Rechtsfrage, ob Aufwendungen der Komplementäre, die ihnen durch die Geschäftsführung entstanden und bei der Ermittlung ihrer Einkünfte nach § 15 Abs.1 Nr.3 EStG als Betriebsausgaben zu berücksichtigen sind, nicht nur die Einkünfte der persönlich haftenden Gesellschafter, sondern auch die Hinzurechnung nach § 8 Nr.4 GewStG mindern, war seinerzeit nicht zu entscheiden und ist auch nicht entschieden worden.
5. Auch die Beträge, um die das Einkommen der Klägerin in den Streitjahren aufgrund der Zuführungen zu den Pensionsrückstellungen für die Geschäftsführer der GmbH gemindert wurde, sind Gewinnanteile, die an die GmbH als Vergütung für die Geschäftsführung verteilt wurden. Zwar bestehen die Ruhegehaltsansprüche, für die die Rückstellungen gebildet wurden, nach § 12 Abs.3 Satz 1 der Satzung unmittelbar gegen die Klägerin. Die Übernahme der Ruhegehaltsverpflichtungen, die während der Zeit entstehen, in der die Anspruchsberechtigten für die GmbH tätig sind, ist aber eine Aufwendung der Klägerin zugunsten der GmbH. Sie ist, wie die Überschrift des § 12 und Abs.3 Satz 3 dieser Bestimmung der Satzung zeigen, Teil der Vergütungen, die die GmbH für die Übernahme der Geschäftsführung erhält.
Diese Beträge sind gemäß § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978 jeweils in dem Erhebungszeitraum dem Gewinn wieder hinzuzurechnen, in dem sie nach § 9 Nr.2 KStG 1977 bei der Ermittlung des Einkommens der Klägerin abgezogen wurden. Dies ergibt sich aus dem Zweck des § 8 Nr.4 GewStG 1977/1978, die auf § 9 Nr.2 KStG 1977 beruhende Minderung des Einkommens der KGaA bei der Ermittlung des Gewerbeertrags der KGaA rückgängig zu machen.
Fundstellen
Haufe-Index 63527 |
BFH/NV 1991, 17 |
BStBl II 1991, 253 |
BFHE 162, 445 |
BFHE 1991, 445 |
BB 1991, 534 |
BB 1991, 534-536 (LT) |
DB 1991, 632-633 (LT) |
DStR 1991, 243 (KT) |
HFR 1991, 290 (LT) |
StE 1991, 60 (K) |