Entscheidungsstichwort (Thema)
Sofortige Beschwerde gegen Bestätigung des Insolvenzplans. Verjährungsbeginn Beschlussverkündung auch bei falscher gerichtlicher Belehrung. Unzulässiger Wiedereinsetzungsantrag
Leitsatz (amtlich)
Die gesetzliche Regelung, dass die Frist von zwei Wochen zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Beschluss, durch den der Insolvenzplan bestätigt oder versagt wird, mit der Verkündung des Beschlusses beginnt, bleibt auch dann maßgebend, wenn vom Gericht hierüber falsch belehrt worden ist.
Zur Wiedereinsetzung von Amts wegen, wenn über den Beginn der Rechtsmittelfrist gegen einen verkündeten Beschluss vom Gericht falsch belehrt worden ist.
Normenkette
ZPO § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2, § 569 Abs. 1 S. 2; InsO § 6 Abs. 2, § 252 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
LG Flensburg (Beschluss vom 21.01.2003) |
AG Flensburg |
Nachgehend
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Einzelrichters der 5. Zivilkammer des LG Flensburg v. 21.1.2003 wird auf Kosten der Gläubigerin als unzulässig verworfen.
Beschwerdewert: 3.000 EUR
Gründe
I.
Auf Eigenantrag des T. v. 24.10.2001 wurde durch Beschluss des AG Flensburg v. 1.1.2002 wegen Zahlungsunfähigkeit das Regelinsolvenzverfahren über dessen Vermögen eröffnet. Durch Beschluss v. 5.7.2002 hat das AG den vom Schuldnervertreter vorgelegten Insolvenzplan bestätigt. Die hiergegen eingelegte sofortige Beschwerde hat das LG Flensburg mit Beschluss v. 21.1.2003 verworfen, gleichzeitig den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumnis der Rechtsmittelfrist als unzulässig zurückgewiesen.
Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde. Sie macht geltend, dass für den Beginn des Laufs der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels eine hierfür erteilte falsche Rechtsmittelbelehrung maßgebend sei. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung der Rechtsmittelfrist müsse zwingend von Amts wegen gewährt werden, wenn die versäumte Prozesshandlung rechtzeitig nachgeholt sei.
II.
Die gem. § 7 InsO i. V. m. § 574 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil sie keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert, § 4 InsO i. V. m. § 574 Abs. 2 ZPO.
1. Die nach Auffassung der Rechtsbeschwerde zu klärende Frage, ob für den Beginn des Laufs der Frist für die Einlegung eines Rechtsmittels eine hierfür erteilte falsche Rechtsmittelbelehrung maßgebend ist, ist nicht von grundsätzlicher Bedeutung. Auch einer Fortbildung des Rechts bedarf es insoweit nicht.
Das LG geht zutreffend davon aus, dass die Beschwerdeführerin die Rechtsmittelfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht eingehalten hat. Bei Einreichung des Beschwerdeschriftsatzes v. 13.8.2002 war die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde aus den vom LG angeführten Gründen abgelaufen.
Das AG war nicht verpflichtet, eine Rechtsbehelfsbelehrung zu erteilen. Eine solche ist im Gesetz nicht vorgesehen. Eine Verpflichtung hierzu ergibt sich auch nicht von Verfassungs wegen (BVerfG v. 20.6.1995 - 1 BvR 166/93, NJW 1995, 3173).
Durch die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung wurde die Beschwerdeführerin allerdings unzutreffend über den Beginn der Rechtsmittelfrist belehrt. Dies hat entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerdeführerin nicht zur Folge, dass der sich aus der Rechtsmittelbelehrung ergebende Fristbeginn maßgebend wäre. Entscheidend sind vielmehr weiterhin die gesetzlichen Regelungen. Etwas Anderes folgt, entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin, weder aus der bisherigen Rechtsprechung des BGH noch aus dem Meistbegünstigungsprinzip.
Aus dem von der Rechtsbeschwerde herangezogenen Beschluss des BGH v. 4.2.1992 (BGH, Beschl. v. 4.2.1992 - X ZB 18/91, MDR 1992, 805 = NJW 1992, 1700) lässt sich eine andere Auffassung nicht entnehmen. Sie betraf den Fall, dass das gegen eine ausländische Partei ergangene Versäumnisurteil und eine gemeinsam mit diesem zugestellte amtliche Belehrung unterschiedliche Angaben über die Dauer der Einspruchsfrist enthielten. Bei Einlegung des formgerechten Einspruchs war jedoch bereits die längere der beiden Fristen abgelaufen. Der BGH hat hierzu festgestellt, dass eine fehlerhafte Bestimmung der Einspruchsfrist allenfalls dazu geführt hätte, dass sich diese auf den angegebenen Zeitraum verlängert hätte. Dies war jedoch letztlich nicht zu entscheiden; außerdem war die längere Frist im Versäumnisurteil festgesetzt worden, die Belehrung enthielt die kürzere Frist. Für den vorliegenden Fall kann daher aus der Entscheidung nichts hergeleitet werden.
Auch aus der Entscheidung BGHZ 140, 208 (BGH v. 10.12.1998 - III ZR 2/98, BGHZ 140, 208) lässt sich nichts für den vorliegenden Fall entnehmen, weil dort maßgeblich auf eine entsprechende Anwendung des § 58 VwGO abgestellt wird und damit auf Fälle, in denen eine Rechtsmittelbelehrung gesetzlich vorgeschrieben ist.
Aus dem im Zivilprozessrecht herrschenden Meistbegünstigungsprinzip ergibt sich gleichfalls nicht, dass die unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung für den Beginn der Frist maßgeblich wäre. Dieses Prinzip besagt, dass Entscheidungen, die in unrichtiger oder nicht eindeutiger Form erlassen worden sind, sowohl mit dem Rechtsbehelf angefochten werden können, der ihrer Form entspricht, als auch mit demjenigen, der bei verfahrensrechtlich korrekter Entscheidung gegeben wäre (BGH v. 17.10.1986 - V ZR 169/85, BGHZ 98, 362 [364] = MDR 1987, 221; v. 10.12.1998 - III ZR 2/98, BGHZ 140, 208 [217]; Beschl. v. 3.11.1998 - VI ZB 29/98, MDR 1999, 190 = CR 1999, 72 = NJW 1999, 583; Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., vor § 511 Rz. 32; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., vor § 511 Rz. 30 f). Dasselbe gilt, wenn unklar ist, in welcher Funktion das Gericht entschieden hat (BGH, Beschl. v. 21.10.1993 - V ZB 45/93, MDR 1994, 509 = WM 1994, 180). Das Meistbegünstigungsprinzip versagt jedoch dann, wenn die Entscheidung nach Form und Inhalt eindeutig ist (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., vor § 511 Rz. 32). In einem solchen Fall besteht von Rechts wegen kein Zweifel darüber, welches Rechtsmittel gegeben und welche Frist einzuhalten ist.
2. Die nach Auffassung der Rechtsbeschwerde als rechtsgrundsätzlich und zur Fortbildung des Rechts zu entscheidende Frage, ob bei unrichtiger Rechtsmittelbelehrung entgegen dem Wortlaut des § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO Wiedereinsetzung zwingend von Amts wegen gewährt werden muss, ist nicht entscheidungserheblich. Denn die Voraussetzungen für eine Wiedereinsetzung lagen nicht vor.
a) Das LG hat den Wiedereinsetzungsantrag im Schriftsatz der Beschwerdeführerin v. 30.12.2002 in zutreffender Weise als unzulässig behandelt.
Es ist dabei richtig davon ausgegangen, dass durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung ein Vertrauenstatbestand geschaffen wird, der zur Wiedereinsetzung wegen schuldloser Fristversäumnis berechtigt, wenn die Belehrung einen unvermeidbaren oder zumindest entschuldbaren Rechtsirrtum auf Seiten der Partei hervorruft und die Fristversäumnis darauf beruht (BGH, Beschl. v. 26.11.1980 - IVb ZR 592/80, MDR 1981, 303 = NJW 1981, 576 [577]; v. 17.10.1990 - XII ZB 105/90, MDR 1991, 342 = NJW 1991, 295 [296]; v. 16.10.1991 - XII ZB 113/91, FamRZ 1992, 300; v. 4.2.1992 - X ZB 18/91, MDR 1992, 805 = NJW 1992, 1700; v. 23.9.1993 - LwZR 10/92, MDR 1994, 722 = NJW 1993, 3206; Rimmelspacher in MünchKomm/ZPO, 2. Aufl., Aktualisierungsband ZPO-Reform, vor § 511 ZPO Rz. 9, § 517 ZPO Rz. 14; Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 313 Rz. 26; Musielak/Grandel, ZPO, 3. Aufl., § 233 Rz. 43).
Dabei darf sich auch eine anwaltlich vertretene Partei auf die Richtigkeit der Belehrung durch das Gericht verlassen (Musielak/Ball, ZPO, 3. Aufl., § 511 ZPO Rz. 36). Ob die Belehrung durch den Richter erfolgte (so etwa in den Fällen BGH, Beschl. v. 26.11.1980 - IVb ZR 592/80, MDR 1981, 303 = NJW 1981, 576 [577]; v. 23.9.1993 - LwZR 10/92, MDR 1994, 722 = NJW 1993, 3206), den Rechtspfleger oder auf andere Weise, etwa durch Übersendung eines Formblattes durch die Geschäftsstelle, ist unerheblich. Denn es geht in allen diesen Fällen um Verlautbarungsfehler des Gerichts, die bei den betroffenen Parteien einen Vertrauenstatbestand schaffen.
Der Wiedereinsetzungsantrag der Beschwerdeführerin war jedoch, wie das LG zutreffend festgestellt hat, verspätet. Spätestens mit Zugang des Beschlusses v. 9.10.2002, also spätestens Anfang November 2002, war der Beschwerdeführerin die Nichteinhaltung der Frist und die Fehlerhaftigkeit der Rechtsmittelbelehrung bekannt. In diesem Beschluss führt nämlich das AG aus, dass die von ihm erteilte Rechtsmittelbelehrung falsch war.
b) Das Beschwerdegericht hat es unterlassen, eine Wiedereinsetzung von Amts wegen zu prüfen, § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO. Dies ist jedoch unschädlich. Denn eine Wiedereinsetzung von Amts wegen kam nicht in Betracht, weil die Voraussetzungen hierfür fehlten.
Die Wiedereinsetzung von Amts wegen gem. § 236 Abs. 2 S. 2 Hs. 2 ZPO setzt voraus, dass die versäumte Prozesshandlung innerhalb der Antragsfrist nachgeholt wurde. Dies ist hier der Fall, weil die sofortige Beschwerde eingelegt wurde, bevor die Beschwerdeführerin auf die fehlerhafte Rechtsmittelbelehrung hingewiesen wurde.
Voraussetzung ist außerdem, dass die tatsächlichen Voraussetzungen der Wiedereinsetzung offenkundig oder aktenkundig sind (BGH, Beschl. v. 24.5.2000 - III ZB 8/00, NJW-RR 2000, 1590; Zöller/Greger, ZPO, 23. Aufl., § 236 Rz. 5; Musielak/Grandel, ZPO, 3. Aufl., § 236 Rz. 8 je m. w. N.). Dies traf hier nicht zu.
Es ist weder aus den Akten ersichtlich noch offenkundig, dass die Beschwerdeführerin infolge der fehlerhaften Rechtsmittelbelehrung die Rechtsmittelfrist versäumt hat. Der Beschluss des AG war am 5.7.2002 verkündet worden. Die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde betrug gem. § 252 Abs. 1 S. 1 InsO zwei Wochen ab Verkündung und war damit am 19.7.2002 abgelaufen, § 569 Abs. 1 S. 2 ZPO i. V. m. § 6 Abs. 2 InsO. Bei Zustellung des Protokolls an die Beschwerdeführerin am 20.8.2002 war der Beschluss damit bereits rechtskräftig. Die bei Zustellung des Beschlusses beigefügte falsche Rechtsmittelbelehrung konnte die Beschwerdeführerin nicht gehindert haben, rechtzeitig sofortige Beschwerde einzulegen.
Ein Vertrauenstatbestand durch eine unzutreffende Rechtsbehelfsbelehrung wäre deshalb nur dann geschaffen worden, wenn die Rechtsmittelbelehrung im Termin v. 5.7.2002 mit dem anzufechtenden Beschluss verkündet worden wäre und wenn die Beschwerdeführerin dies zur Kenntnis genommen und sich darauf verlassen hätte. Dies ist jedoch aus den Akten nicht festzustellen und nicht offenkundig.
Dem Protokoll v. 5.7.2002 lässt sich nicht zweifelsfrei entnehmen, ob die Rechtsmittelbelehrung verkündet worden ist. Sie war nicht Bestandteil des Beschlusses, der ausweislich des Protokolls verkündet wurde. Es erscheint ohne weiteres möglich, dass die Belehrung zwar ins Protokoll aufgenommen, aber nicht verkündet, sondern erst bei Zustellung des Protokolls den Beteiligten zur Kenntnis gebracht wurde. Nach dem Inhalt der Belehrung wäre dies auch ausreichend gewesen.
Die Rechtsbeschwerdeführerin hat bei Einlegung und Begründung der sofortigen Beschwerde nicht behauptet, die Belehrung sei am 5.7.2002 verkündet worden und sie habe sich hierauf verlassen. Sie stellt vielmehr allein auf die bei Zustellung des Protokolls beigefügte Rechtsmittelbelehrung ab; auf diese zugestellte Belehrung will sie vertraut haben. Hierauf kommt es aber nicht an.
In der Rechtsbeschwerdebegründung und im landgerichtlichen Beschluss wird ausgeführt, dem am 5.7.2002 verkündeten Beschluss sei die Rechtsmittelbelehrung "angefügt" gewesen. Hieraus lässt sich aber nicht entnehmen, dass die Belehrung bereits am 5.7.2002 oder jedenfalls vor Ablauf der Frist am 19.7.2002 zur Kenntnis der Beschwerdeführerin gelangte und dass diese hierauf vertraute.
Fundstellen
Haufe-Index 1077171 |
HFR 2004, 924 |
BGHR 2004, 184 |
NJW-RR 2004, 408 |
KTS 2004, 124 |
WM 2003, 2478 |
WuB 2004, 267 |
WuB 2004, 293 |
ZIP 2003, 2382 |
DZWir 2004, 79 |
InVo 2004, 216 |
MDR 2004, 348 |
NZI 2004, 85 |
Rpfleger 2004, 176 |
ZInsO 2003, 1100 |
ZVI 2003, 664 |
BRAK-Mitt. 2004, 24 |