Entscheidungsstichwort (Thema)
Gebietskörperschaft ist nur eine Gläubigerin bei Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters
Leitsatz (amtlich)
Eine Gebietskörperschaft zählt bei der Berechnung der Mindestvergütung des Insolvenzverwalters auch dann als (nur) eine Gläubigerin, wenn sie durch verschiedene Behörden mehrere Forderungen aus unterschiedlichen Rechtsverhältnissen angemeldet hat.
Normenkette
InsVV § 2 Abs. 2
Verfahrensgang
LG Chemnitz (Beschluss vom 25.01.2010; Aktenzeichen 3 T 778/09) |
AG Chemnitz (Entscheidung vom 08.10.2009; Aktenzeichen 1517 IN 2372/06) |
Tenor
Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des LG Chemnitz vom 25.1.2010 wird auf Kosten der weiteren Beteiligten zurückgewiesen.
Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 232,05 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Rz. 1
Die weitere Beteiligte war Verwalterin in dem Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners. In dem Verfahren meldeten neben der Landesjustizkasse Chemnitz und dem Finanzamt Schwarzenberg 19 Gläubiger Forderungen an. Das Insolvenzgericht hat die (Mindest-)Vergütung der weiteren Beteiligten für ihre Tätigkeit als Insolvenzverwalterin gem. § 2 Abs. 2 InsVV auf 2.059,65 EUR festgesetzt (1.300 EUR Vergütung, 390 EUR Auslagen, 40,80 EUR Zustellkosten, 19 v.H. Umsatzsteuer). Es hat seiner Berechnung eine Anzahl von 20 Gläubigern zugrunde gelegt, die ihre Forderungen angemeldet haben. Die sofortige Beschwerde der Verwalterin, mit der sie eine Berechnung nach 21 Gläubigern erreichen wollte, hat keinen Erfolg gehabt. Mit der Rechtsbeschwerde verfolgt sie ihr Begehren weiter.
II.
Rz. 2
Die statthafte (§§ 7, 6, 64 Abs. 3 Satz 1 InsO, § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO) und auch sonst zulässige (§§ 575, 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO) Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
Rz. 3
1. Das Beschwerdegericht hat ausgeführt, sowohl hinter der Landesjustizkasse Chemnitz als auch hinter dem Finanzamt Schwarzenberg stehe der Freistaat Sachsen. Er sei bei der Bestimmung der Gläubigerzahl nur einmal zu berücksichtigen. Dass unterschiedliche Behörden tätig geworden seien, ändere daran nichts.
Rz. 4
2. Diese Beurteilung trifft zu.
Rz. 5
a) Die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters beträgt nach § 2 Abs. 2 InsVV in Insolvenzverfahren, in denen nicht mehr als zehn Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, regelmäßig 1.000 EUR. Sie erhöht sich, wenn in dem Verfahren 11 bis 30 Gläubiger ihre Forderungen angemeldet haben, für je angefangene fünf Gläubiger um 150 EUR. Ab 31 Gläubiger erhöht sich die Vergütung je angefangene fünf Gläubiger um 100 EUR. Die mit der Änderungsverordnung vom 4.10.2004 (BGBl. I, 2569) eingeführte Regelung soll dem unterschiedlichen Aufwand der Verwalter in den jeweiligen Verfahren Rechnung tragen. Die Anzahl der Gläubiger wurde als geeignetes Differenzierungskriterium erachtet, das den Aufwand des Verwalters in etwa abbildet (vgl. die Begründung der Verordnung, abgedruckt u.a. in ZIP 2004, 1927, 1930 f.). Maßgebend ist die Kopfzahl der anmeldenden Gläubiger, nicht die Anzahl der angemeldeten Forderungen (BGH, Beschl. v. 16.12.2010 - IX ZB 39/10, ZIP 2011, 132 Rz. 4). Der Verordnungsgeber hat sich damit für ein Kriterium entschieden, das den tatsächlichen Arbeitsaufwand des Insolvenzverwalters nur näherungsweise wiedergibt, dafür aber dem Insolvenzgericht eine einfache und sichere Handhabung ermöglicht. Er hat durch die Verwendung eines pauschalierenden Maßstabs im Interesse der Praktikabilität in Kauf genommen, dass die Mindestvergütung nicht in jedem Fall genau mit der Belastung des Verwalters korreliert (vgl. BGH, Beschl. v. 4.2.2010 - IX ZB 129/08, ZIP 2010, 486 Rz. 8). Diese Regelung ist von der gesetzlichen Ermächtigungsgrundlage gedeckt und verfassungsgemäß (BGH, Beschl. v. 13.3.2008 - IX ZB 63/05, ZIP 2008, 976 Rz. 6 ff.).
Rz. 6
b) Der typisierenden Regelungsweise entspricht es, die maßgebliche Anzahl der Gläubiger formal zu bestimmen. Entscheidend ist, wer jeweils materiell-rechtlich Inhaber der angemeldeten Forderung ist (vgl. § 241 Abs. 1 Satz 1 BGB). Unerheblich ist hingegen, ob ein Gläubiger mehrere Forderungen geltend macht, auch wenn diese auf unterschiedlichen Rechtsverhältnissen beruhen und von verschiedenen Organisationseinheiten des Gläubigers bearbeitet werden. Handelt es sich bei dem Gläubiger wie hier um eine öffentlich-rechtliche Gebietskörperschaft, die durch verschiedene Behörden rechtlich selbständige Forderungen angemeldet hat, ist sie bei der Ermittlung der Mindestvergütung nach § 2 Abs. 2 InsVV nur einmal zu zählen, auch wenn im konkreten Fall für den Insolvenzverwalter ein ähnlicher Arbeitsaufwand entsteht wie bei der Forderungsanmeldung durch unterschiedliche Gläubiger (a.A. Graf-Schlicker/Kalkmann, InsO, 2. Aufl., § 2 InsVV Rz. 19). Eine auskömmliche Vergütung muss im Blick auf den Gesichtspunkt der Querfinanzierung nicht in jedem einzelnen Verfahren erzielt werden (BGH, Beschl. v. 13.3.2008, a.a.O., Rz. 11 f.).
Rz. 7
c) Die Rechtsbeschwerde befürwortet unter Hinweis auf den Beschluss des Senats vom 4.2.2010 (IX ZB 129/08, a.a.O.) eine mehr wertende Betrachtung. Dort ging es jedoch nicht um die Vergütung des endgültigen, sondern um diejenige des vorläufigen Insolvenzverwalters. Da im Eröffnungsverfahren die Zahl der Gläubiger, die nach Verfahrenseröffnung Forderungen anmelden, noch nicht bekannt ist, hat der Senat für diesen Verfahrensabschnitt die Zahl der Gläubiger für maßgeblich erachtet, bei denen nach der Eröffnung des Verfahrens mit einer Forderungsanmeldung zu rechnen ist. Daraus ist nicht der Schluss zu ziehen, auch im eröffneten Verfahren müsse die Anzahl der Gläubiger, die in diesem Verfahrensstadium bekannt sind, wertend bestimmt werden.
Rz. 8
d) Meldet ein Gläubiger mehrere Forderungen an, erhöht dies nach der geltenden Regelung nicht die Mindestvergütung des Insolvenzverwalters. Eine daraus resultierende Diskrepanz zwischen dem Arbeitsaufwand des Verwalters und der Höhe seiner Vergütung ist im Grundsatz hinzunehmen. In besonderen Fällen kann eine unangemessen niedrige Vergütung durch einen Zuschlag nach § 3 Abs. 1 InsVV vermieden werden. Die Umstände des vorliegenden Falles rechtfertigen einen solchen Zuschlag jedoch nicht.
Fundstellen
Haufe-Index 2710035 |
BB 2011, 1665 |