Leitsatz (amtlich)
a) Der Warendieb ist nach schadensrechtlichen Grundsätzen auch dann nicht zum Ersatz von Personalkosten für die Bearbeitung des Diebstahls verpflichtet, wenn diese einer besonderen Abteilung Übertragen ist.
b) Eine vor dem Diebstahl ausgesetzte Fangprämie ist vom Warendieb in angemessenem Umfang zu erstatten; angemessen ist angesichts der Durchschnittskriminalität in einem Lebensmittelmarkt derzeit eine pauschalierte Prämie bis zu 50 DM. Ersatzfähig kann auch eine höhere Prämie sein, die für besonders umfangreiche Entwendungen verhältnismäßig zugesagt ist; in Bagateilfällen kann die Erhebung der Pauschale unzulässig sein.
Normenkette
BGB § 249
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 20.04.1977) |
LG Hamburg |
Tenor
Die Revisionen der Klägerin und der Beklagten gegen das Urteil des 8. Zivilsenats des Hanseatischen Oberlandesgerichts zu Hamburg vom 20. April 1977 werden zurückgewiesen.
Von den Kosten des Revisionsverfahrens fallen 21/22 der Klägerin und 1/22 der Beklagten zur Last.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Am 28. Mai 1974 wurde die Beklagte in der SB-Lebensmittelabteilung einer Filiale der Klägerin von dem Verkäufer G. beobachtet, als sie Lebensmittel in ihre Handtasche und nicht in den Einkaufswagen legte. An der Kasse bezahlte sie nur die im Einkaufswagen liegenden Waren. Nach Verlassen des Geschäfts wurde sie von G. gestellt. Die von ihr entwendeten Lebensmittel hatten einen Ladenpreis von insgesamt 12,72 DM.
Die Klägerin erstattete gegen die Beklagte Strafanzeige, jedoch ist das Strafverfahren wegen Ablaufs der Verjährungsfrist eingestellt worden.
Die Klägerin verlangt von der Beklagten Erstattung einer „Fangprämie” von 550 DM, die sie ihren Angestellten vor der Tat für jeden von ihnen ertappten Ladendieb versprochen und an G. ausgezahlt hat. Ferner begehrt sie für die Schadensbearbeitung weitere 550 DM, nämlich Erstattung der Personalkosten von 545 DM und der allgemeinen Bürounkosten für Papier, Porto und Telefon von 5,– DM.
Das Landgericht hat die Klage ganz abgewiesen (siehe dazu Kramer NJW 1976, 1610 bei Fn. 40 a). Auf die Berufung der Klägerin hat das Oberlandesgericht ihr einen Teil der „Fangprämie” in Höhe von 50 DM zugesprochen, im übrigen aber die Berufung zurückgewiesen.
Hiergegen haben beide Parteien (zugelassene) Revision eingelegt. Die Klägerin verfolgt die volle Verurteilung der Beklagten weiter, während diese die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils begehrt.
Entscheidungsgründe
I.
Zutreffend geht das Berufungsgericht davon aus, daß die Beklagte für allen Schaden aufkommen muß, den sie der Klägerin durch den Ladendiebstahl zugefügt hat. Ob der Ersatzanspruch nicht nur aus Delikt (§ 823 Abs. 1 und 2 BGB), sondern auch aus vertraglichen Beziehungen begründet ist, wie das Berufungsgericht meint (ablehnend z.B. Stoll, Verhandlungen des 51. DJT Band II N 9 f), kann auf sich beruhen. Der Umfang der Ersatzpflicht, um den es im Streitfall geht, hängt hiervon nicht ab. Auch ein vertraglicher Schadensersatzanspruch hätte an die Verletzung der, Vermögenswerten Interessen der Klägerin anzuknüpfen, die deliktisch mit ihrem Eigentum an den gestohlenen Lebensmitteln geschützt sind; der Ausgleich des Schadens nach Vertrag wie nach Delikt ist in den §§ 249 ff BGB näher festgelegt.
Nach Auffassung des Berufungsgerichts kann die Klägerin als „Bearbeitungskosten” geltend gemachte Personalkosten für die Schadensregulierung (545 DM) sowie Kosten für Papier, Porto und Telefon (5 DM) nicht ersetzt verlangen. Solche Aufwendungen seien dem eigenen Pflichtenkreis des Geschädigten zuzurechnen und keine vom Schädiger auszugleichende Belastung. Die vor der Tat versprochene und mit Entdeckung des Diebstahls fällig gewordene Fangprämie sei dagegen ein erstattungsfähiger Folgeschaden. Jedoch könne die Klägerin von der Beklagten nur Erstattung von 50 DM fordern. Die Zusage einer höheren Prämie für die Ergreifung eines Ladendiebs in der Lebensmittelabteilung eines Warenhauses, für die normalerweise mit Ladendiebstählen in der Größenordnung zwischen 5 und 50 DM gerechnet werden müsse, sei so fernliegend, daß es insoweit schon am adäquaten Zusammenhang der Aufwendung mit dem Diebstahl fehle. Zudem müsse sich die Klägerin die Belastung mit solchen unangemessen hohen Kosten selbst zuschreiben, da sie insoweit die ihr nach § 254 Abs. 2 BGB obliegende Schadensminderungspflicht verletzt habe.
II.
Im Ergebnis bleiben beide Revisionen mit ihren Angriffen gegen diese Ausführungen ohne Erfolg.
1. Bearbeitungskosten:
a) Erfolglos wendet sich die Revision der Klägerin gegen die Abweisung ihrer Forderung auf Ersatz von Personalkosten für die Schadensregulierung.
Der erkennende Senat hat schon früher ausgesprochen, daß der Geschädigte den Zeitaufwand durch außergerichtliche Tätigkeit zur Wahrung seiner Entschädigungsansprüche regelmäßig nicht ersetzt verlangen kann, mag er die Bearbeitung des Schadensfalls persönlich vorgenommen, oder, wie die Klägerin, Angestellten übertragen haben (BGHZ 66, 112, 114 ff sowie die dort angegebenen Rechtsprechungsnachweise). Danach grenzt das Recht aus Gründen der Interessenbewertung, aber auch der Praktikabilität, diesen Aufwand von anderen erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung ab und weist solche Mühewaltung einem Zuständigkeits- und Verantwortungsbereich des Geschädigten zu, der außerhalb des Schutzzwecks der Haftung des Schädigers liegt. Auf dieser wertenden Abgrenzung beruht es, daß § 91 ZPO solchen Aufwand nicht in den Katalog erstattungsfähiger Rechtsverfolgungskosten aufgenommen hat. Diese Regelung ist jedoch nicht auf die prozessuale Kostenerstattung beschränkt, sondern Ausdruck eines auch für das Schadensrecht geltenden Prinzips (BGHZ a.a.O.).
aa) Für Ersatzansprüche aus Ladendiebstählen gilt nichts Abweichendes. Grundsätzlich kann der betroffene Geschäftsinhaber die Kosten für die Mehrarbeit, die die Ermittlung und Abwicklung des Schadens verursacht, weder auf der Berechnungsgrundlage von Einzelnachweisen noch als geschätzte Pauschale von dem Ladendieb erstattet verlangen (im Ergebnis ebenso: Staudinger/Schäfer BGB 10./11. Aufl. § 823 Rdz. 502 ff; Deutsch in seinem Gutachten und Stoll in seinem Referat zum 51. DJT Band I E 55 ff, 70 bzw. Band II N 18 ff; Larenz, Schuldrecht I 11. Aufl. § 24 II c; Palandt/Heinrichs BGB 38. Aufl. Anm. 2 b ee vor § 249; § 249 Anm. 3 b; Wollschläger NJW 1976, 12, 14 ff; a.A.: Canaris NJW 1974, 521, 522; Creutzig NJW 1973, 1593, 1594; BB 1971, 1307, 1308; Klimke NJW 1974, 81, 85 ff). Hieran würde sich selbst dann nichts ändern, wenn die Klägerin – was im Streitfall aber nicht geschehen ist – wegen der Vielzahl der in ihrem Unternehmensbereich vorkommenden Diebstähle eine eigene Abteilung ausschließlich für diese Aufgaben eingerichtet hätte. Bereits in BGHZ 66, 112, 116 ff hat der Senat hervorgehoben, daß der Geschädigte für die Frage der Erstattungsfähigkeit von Schadensbearbeitungskosten keine Sonderstellung beanspruchen kann, wenn die Größe seines Verwaltungsbereichs und die dadurch bedingte Erhöhung des Schadenspotentials solche organisatorischen Maßnahmen zweckmäßig und geboten erscheinen lassen (so schon BGH Urteil vom 28. Februar 1969 – II ZR 154/67 = NJW 19 9, 1109). Zwar mag hier der Entschluß zu solcher Einrichtung stärkeren Bezug zum einzelnen Schadensfall haben als in dem der Entscheidung BGHZ 66, 112 zugrundeliegenden Sachverhalt; dort stand für solche Organisation der Regulierung von Beschädigungen an Autobahnanlagen als Folge von Verkehrsunfällen die Ausdehnung des Unternehmens im Vordergrund. Die Schadenshäufung durch Ladendiebstähle in Großkaufhäusern und Selbstbedienungsketten erklärt sich aus für sie typischen Anbieter- und Verkaufsmethoden, d.h. aus Umständen, die auch in jedem Einzelfall zum Tragen kommen und ihn besonders prägen. Insoweit könnte davon gesprochen werden, daß solche Maßnahmen schon in jedem einzelnen Diebstahl angelegt sind oder herausgefordert werden. Jedoch rechtfertigt weder dies noch der Umstand, daß der Warendieb vorsätzlich die durch jene Methoden geschaffenen Gelegenheiten für sich ausnutzt, den Pflichtenkreis des durch solche Diebstähle Geschädigten im Verhältnis zum einzelnen Schädiger enger zu ziehen als für denjenigen Warenanbieter, der sich weniger diebstahlsanfälliger Verkaufsmethoden bedient. Nicht zuletzt würde die Berücksichtigung solcher Umstände in Widerspruch damit geraten, daß das Haftungsrecht – von normierten Ausnahmen abgesehen – auch dort, wo es um Massendelikte geht, allein ein Einstehen für die eigene Tat kennt (so zu Recht Stoll a.a.O. N. 15). Anderes wäre allenfalls zu erwägen, wenn dem Geschädigten nicht nur aus der dem Einzelschädiger nicht zurechenbaren Gesamtheit der Ladendiebstähle, sondern schon aus dem einzelnen Diebstahl außergewöhnliche Belastungen bei der Rechtsverfolgung erwachsen würden, die das, was der Verkehr als übliche persönliche Bemühung bei der Rechtswahrung ansieht, übersteigen. Das kann aber bei der zivilrechtlichen Verfolgung von Ladendiebstählen nicht bejaht werden. Sie erfordert in aller Regel nur einen geringeren Arbeitsaufwand, der erst in der Masse der Schadensfälle für den Geschäftsinhaber zu Buche schlägt.
bb) Die Revision der Klägerin kann sich für ihren gegenteiligen Standpunkt auch nicht auf Erwägungen stützen, die den Bundesgerichtshof veranlaßt haben, für die Bemessung der Schadenspauschale bei Verletzung musikalischer Aufführungsrechte als Berechnungsfaktor den besonderen Verwaltungsaufwand der GEMA mitzuberücksichtigen (BGHZ 17, 383; 59, 286, 293). Dort ging es um die Frage, inwieweit dem Schädiger ausnahmsweise Überwachungskosten zur Verhinderung von Rechtsverletzungen aufzuerlegen sind, nicht aber um die Belastung mit der Mühewaltung bei der Schadensregulierung. Zudem steht jene Schadensberechnung ganz im Rahmen eines Schadensausgleichs, der von der Rechtsprechung im Blick auf die besondere Interessenlage bei der Auswertung von Immaterialgüterrechten abweichend von allgemeinen Schadensersatzgrundsätzen eigenständig entwickelt worden ist. Als solche läßt sie sich auf den Ladendiebstahl nicht übertragen.
Ebensowenig kann die Revision die Rechtsprechung für sich in Anspruch nehmen, die dem Geschädigten, wenn er den Schaden selbst behebt, in Grenzen Ersatz von Kosten der Verwaltungsmehrarbeit zubilligt (BGHZ 54, 82, 88; 65, 384, 390; Senatsurteil vom 3. Februar 1961 – VI ZR 178/59 = NJV 1961, 729; BGH Urteile vom 28. Februar 1969 = a.a.O. und vom 31. Mai 1976 – 11 ZR 133/74 = NJW 1977, 35). Insoweit handelt es sich um Aufwendungen der eigentlichen Schadensbeseitigung oder Schadensverhütung, die das Schadensrecht als Aufgabe des Schädigers auch dort ansieht, wo es den Geschädigten befugt oder gar ihm auferlegt (§ 254 Abs. 2 BGB), die Beseitigung des Schadens selbst in die Hand zu nehmen (BGHZ 32, 280, 285). Daß dieser von der Befugnis Gebrauch macht, darf den Schädiger nicht entlasten. Hiervon bleibt aber, wie der Senat schon in BGHZ 66, 112, 114 ff hervorgehoben hat, die Zuordnung der Mühewaltung bei der Rechtswahrung zum eigenen Aufgabenkreis des Geschädigten unberührt. Dieser Verwaltungsaufwand ist deshalb vom Geschädigten auch dann allein zu tragen, wenn er sich von Gemeinkosten eindeutig abgrenzen läßt.
Aus demselben Grund kann die Revision der Klägerin für sich nichts aus den Grundsätzen herleiten, nach denen Aufwendungen zu erstatten sind, die der Geschädigte vor Eintritt des schädigenden Ereignisses vorsorglich macht, um im Schadensfall drohende Verluste aufzufangen oder doch gering zu halten (BGHZ 32, 280, 284; 70, 199 m.w.Nachw.).
b) Im Ergebnis zu Recht hat das Berufungsgericht der Klägerin auch die Erstattung ihrer Auslagen für Porto, Telefon und Papier nicht zuerkannt.
Zwar ist für sie, wie sich aus § 91 ZPO entnehmen läßt (vgl. Stein/Jonas/Leipold ZPO 20. Aufl. § 91 Rdz.56 mit Nachw.), die Zurechnungsgrenze auch für die materiellrechtliche Schadloshaltung anders gezogen als für Zeitversäumnisse; im Gegensatz zu diesen kommen Auslagen für Porto und Telefon auch für eine Erstattung auf materiell-rechtlicher Grundlage als Folgeschäden der Rechtsverletzung in Betracht (vgl. Stoll a.a.O. N. 20 ff). Jedoch hat die Klägerin auch diesen Ersatzanspruch nicht.
aa) Soweit ihr Auslagen für die Einleitung eines Strafverfahrens gegen die Beklagte entstanden sind, stehen sie außerhalb des Schutzzwecks der Schadenstragungsnorm; der Eigentumsschutz, den das Haftungsrecht ihr hier sichert, erstreckt sich nicht auf die Verwirklichung des Strafanspruchs, mag die Klägerin hieran auch ein Interesse haben, um sich auf diesem Weg vor künftigen Rechtsverletzungen der Beklagten zu schützen (OLG Düsseldorf NJW 1976, 1459; im Ergebnis ebenso Stoll a.a.O. N 21 mit Nachw.; Hagmann JZ 1978, 133; Palandt/Heinrichs a.a.O. Vorbem. 5 c ee vor § 249; a.A. Canaris NJW 1974, 521, 522). Insoweit wird dem Ersatzanspruch durch die Aufgabe der Haftungsnorm, den Einbruch in die Schutzsphäre des Betroffenen mit den Mitteln des Zivilrechts auszugleichen, Grenzen gesetzt (vgl. BGHZ 27, 137, 141).
bb) Soweit die Klägerin Auslagen zur Verfolgung ihrer zivilrechtlichen Ansprüche gemacht hat, beziehen sie sich ersichtlich nur auf diejenigen Ansprüche (Personalkosten, Fangprämien), die Gegenstand der Klage sind. Insoweit fehlt ihr das Rechtsschutzbedürfnis für die selbständige Geltendmachung der Kosten, die sie, soweit ein Erstattungsanspruch überhaupt besteht, demnächst im Kostenfestsetzungsverfahren erstattet verlangen kann (vgl. Stein/Jonas/Leipold a.a.O. Rdz. 20 vor § 91 mit Nachw.).
2. Fangprämie:
a) Ohne Erfolg wendet sich die Revision der Beklagten gegen die Auffassung des Berufungsgerichts, daß die von der Klägerin für die Entdeckung des Diebstahls und die Ergreifung der Beklagten zugesagte Prämie dem Grunde nach von dem Schadensersatzanspruch umfaßt wird (im Ergebnis ebenso: Deutsch a.a.O. E 55, 70 und so schon im Haftungsrecht I § 26 II 8 S. 449; Stoll a.a.O. N 16 ff; Staudinger/Schäfer a.a.O. Rdz. 504; Lange, Schadensersatz 1979 S. 201; Larenz a.a.O. § 29 II f; Medicus, Bürgerliches. Recht, 8. Aufl. Rdz. 864; Canaris a.a.O.; Creutzig a.a.O.; Braun/ Spieß MDR 1978, 356; Klimke a.a.O.; Müller NJW 1973, 359; a.A. Esser/Schmidt, Schuldrecht I/2 5. Aufl. § 32 III 2.2; Palandt/Heinrichs a.a.O. § 249 Anm. 3 b und Palandt/Thomas a.a.O. § 823 Anm. 12 a; Walde NJW 1972, 2294; Wollschläger NJW 1976, 12, 15 ff; Musielak NJW 1977, 562; JuS 1977, 534; Kramer ZRP 1974, 62; NJW 1976, 1607, 1610).
Zu den als Folgeschäden erstattungsfähigen Kosten der Rechtsverfolgung gehören, freilich in den Grenzen des wirtschaftlich Angemessenen, auch Belohnungen, die der Bestohlene nach geschehener Tat aussetzt, um die gestohlenen Gegenstände wieder zu erlangen (vgl. Senatsurteil vom 24. Oktober 1967 – VI ZR 60/66 = VersR 1967, 1168; BAG DB 1970, 500 = AP Nr. 10 zu § 249 BGB mit zust. Anm. Herschel; vgl. ferner schon RG Warn.Rspr. 1914, Nr. 159: Ermittlung des Verfassers einer anonymen, den Betroffenen beleidigenden Zeitungsanzeige; zur Erstattungsfähigkeit solcher Belohnungen nach § 91 ZPO vgl. die Nachweise bei Braun/Spieß a.a.O. S. 356 ff). Eine andere Beurteilung ist im Streitfall nicht deshalb angezeigt, weil die Belohnung hier vorsorglich vor Begehung des Diebstahls versprochen worden ist. Für den Zusammenhang der hierdurch der Klägerin entstehenden Belastung mit dem Diebstahl spielt der Zeitpunkt ihrer Aussetzung keine entscheidende Rolle, da die Belohnung in beiden Fällen erst nach geschehenem Diebstahl zu zahlen ist und gezahlt wird. In beiden Fällen erwächst dem Geschädigten die Belastung, weil der Schädiger in das geschützte Recht eingegriffen hat.
Freilich ist nicht zu verkennen, daß der Zeitpunkt der Prämienzusage für Charakter und Zielrichtung der „Fangprämie” von Bedeutung sein kann. Während die nach geschehenem Diebstahl ausgesetzte Belohnung allein der Wiedererlangung der gestohlenen Gegenstände dient und der Geschädigte darauf hofft, daß sie verdient wird, verfolgt die vor der Tat für die Ergreifung eines Ladendiebs ausgesetzte Fangprämie auch präventive Zwecke: Wer sie verspricht, erhofft sich von ihr erhöhte Wachsamkeit und Einsatzbereitschaft seines Personals, die als solche vom potentiellen Täter wahrgenommen wird und so diebstahlsverhindernd wirkt; insoweit geht es ihm also auch um Abschreckung. So gesehen ergänzt sie die Vorsorge-Maßnahmen, die der Geschäftsinhaber trifft, um seine Waren vor Ladendieben zu schützen.
Ein Teil der Rechtsprechung und des Schrifttums lehnt deshalb die Erstattungsfähigkeit der Fangprämie ab, weil der Geschädigte auch sonst Aufwendungen, die er zum Schutz seines Eigentums mache, dem Schädiger nicht in Rechnung stellen könne (vgl. OLG Koblenz NJW 1976, 63 ff; OLG Braunschweig NJW 1976, 60; AG Essen NJW 1976, 55; AG Mettmann NJW 1976, 56; Wollschläger a.a.O.; Musielak a.a.O.; Walde a.a.O.; Kramer a.a.O.; Palandt/Heinrichs und Palandt/ Thomas a.a.O.; Esser/Schmidt a.a.O.). Dem kann sich der Senat jedoch nicht anschließen.
aa) Allerdings ist dieser Ansicht im Ausgangspunkt darin zuzustimmen, daß die Kosten für Maßnahmen des Geschädigten, mit denen er sein Eigentum vor Diebstahl schützt, grundsätzlich von ihm selbst getragen werden müssen und nicht auf den Dieb abgewälzt werden können (vgl. BGHZ 59, 286, 288 m.Nachw.; Rother, Haftungsbegrenzung im Schadensrecht 1965, 160; Larenz a.a.O. § 29 II f; Stell a.a.O. N 14 ff; Deutsch a.a.O.; Thiele, Festschrift für Felgenträger 1969, 393, 407 ff). Das gilt jedenfalls für Maßnahmen, die nicht die Verhinderung oder Abwehr eines bevorstehenden konkreten Eingriffs im Auge haben, sondern das Eigentum allgemein gegen Diebe sicher machen sollen (Spiegel, Fernsehmonitore u.dergl.). Solche Vorkehrungen sind in der Regel im Verhältnis zum Schädiger schon deshalb der Sphäre des Geschädigten zuzurechnen, weil ihnen der Bezug zur konkreten Rechtsverletzung fehlt, so daß sich der auf die einzelne Rechtsverletzung entfallende Anteil der aufgewandten Kosten nicht zureichend ermitteln läßt. Dehn sie wenden sich nicht nur gegen den, der sich über sie hinwegsetzt, sondern auch und gerade an den potentiellen Dieb, der sich von seinem Tatentschluß durch sie abbringen läßt. Eine gerechte Kostenüberwälzung müßte deshalb auch diesen Umstand berücksichtigen, der sich indes näherer Feststellung entzieht.
bb) Jedoch weist die Fangprämie ungeachtet ihres Standorts im allgemeinen Vorsorge- und Kontrollsystem und dessen Präventivzwecks insoweit einen konkreten Bezug zum einzelnen Ladendiebstahl auf, als sie im Grundsatz erst durch diesen und erst deshalb erwächst, weil die konkrete Bedrohung des Eigentums durch den Ladendieb Anlaß zu dem Eingreifen gegeben hat, das durch die Prämie honoriert werden soll. Soweit die Prämie auf solche Maßnahmen zur Verhütung des konkreten Schadensfalls zielt, bestehen die erwähnten Hinterungsgründe für die Zurechnung von Schutzvorkehrungen zum konkreten Einzeldelikt im Grundsatz nicht. Ebensowenig steht der Schutzzweck der Haftungsnorm solcher Zurechnung entgegen; er umfaßt auch Aufwendungen, die der Eigentümer macht, um sein Eigentum vor einem konkret drohenden Schäden zu schützen, sofern sie vom Standpunkt eines verständigen, wirtschaftlich denkenden Menschen aus hierfür zweckmäßig und geeignet erscheinen.
Dieser schadensrechtlich zu beachtenden Eignung steht auch nicht der Einwand entgegen, daß das Verkaufspersonal, an das sich im Streitfall die Zusage der Fangprämie gerichtet hat, schon arbeitsvertraglich zum Schutz der Ware gegen Diebstahl verpflichtet sei. Es kann offen bleiben, ob ein Verkäufer dazu verpflichtet ist, einen von ihm beobachteten Warendieb zu verfolgen und gegebenenfalls festzuhalten (vgl. Staudinger/Schäfer a.a.O. Rdz. 484; Braun/Spieß a.a.O. 356 ff). Jedenfalls zeigen empirische Untersuchungen, daß solche Prämienzusagen zur Erhöhung der Aufmerksamkeit des Verkaufpersonals und ihrer Bereitschaft, gegen den beobachteten Dieb einzuschreiten, nützlich und notwendig sind.
b) Dem Anliegen, den ertappten Dieb durch Zurechnung der Prämie nicht über die Aufwendungen zur Abwehr des durch seine Tat heraufbeschworenen Schadens hinaus auch mit Aufwand zu belasten, der anderen Zwecken dient, kann deshalb nicht durch Verneinung sondern nur durch Begrenzung der Ersatzpflicht Rechnung getragen werden. Die grundsätzliche Erstattungsfähigkeit der Fangprämie darf nicht dazu führen, den Schadensumfang über das durch den konkreten Eingriff in das Eigentum festgelegte Ausgleichsinteresse des Geschädigten hinaus zu erhöhen, um den Ladendieb von künftigen Diebereien abzuschrecken oder andere hiervon abzuhalten, oder um gar auf diesem Wege doch Ersatz für die Mühewaltung bei der Bearbeitung des Schadensfalls zu erhalten. Ein über den Schadensausgleich hinausgehender Zuschlag zur Erhöhung der Abschreckungswirkung wird durch den zivilrechtlichen Schadensersatz nicht, auch nicht bei vorsätzlicher Schädigung, gedeckt. Ebenso ist, wie ausgeführt, bei der Bemessung des erstattungsfähigen Aufwands dem Grundsatz Rechnung zu tragen, daß der ertappte Warendieb nicht für die Erscheinung des Warendiebstahls als eines Massendelikts, sondern nur für den eigenen Tatbeitrag einzustehen hat.
aa) Bei der so gebotenen Ausgrenzung der Erstattungsfähigkeit der Fangprämie ist zu berücksichtigen, daß das im konkreten Einzelfall betroffene Bewahrungs- und Ausgleichsinteresse grundsätzlich die Zusage der Fangprämie auch schon zu einem Zeitpunkt rechtfertigt, in dem über den Wert der im konkreten Fall entwendeten Ware nichts bekannt ist. Gleichwohl muß das den Geschäftsinhaber nicht immer veranlassen, von der Aussetzung einer pauschalierten Prämie abzusehen und statt dessen eine am Warenwert orientierte, in einem Prozentsatz zur Diebesbeute ausgedrückte Prämie zu wählen, wie das bei der Auslobung einer Belohnung zur Wiederbeschaffung bereits gestohlener Gegenstände oft geschieht. In vielen Geschäftsbereichen, so auch hier, würde wegen des meist geringen Werts der entwendeten Ware bei solcher prozentualen Bemessung der Anreiz zu höherer Aufmerksamkeit allgemein verloren gehen und damit das Aussetzen einer Prämie insgesamt zwecklos werden. Oft hat der Geschäftsinhaber ein schutzwürdiges Interesse an einer durch solche Belohnung besonders geförderten Einsatzbereitschaft seines Personals auch dann, wenn dieses zunächst nur die Entwendung geringwertiger Waren beobachtet, denn solche Beobachtung kann zur Aufdeckung eines umfangreichen Diebstahls oder gar dazu führen, daß entwendete Waren aus früheren Diebstählen wiedererlangt werden können. Deshalb muß es ihm gestattet sein, eine vom Wert der Diebesbeute nicht abhängige Pauschale auszusetzen.
bb) Indessen darf auch in solch pauschalierter Belohnung der Bezug zu den Interessen an der im konkreten Fall betroffenen Ware nicht verloren gehen. Hierauf muß auch die Anreizfunktion der Prämie gerichtet bleiben. Denn nur wenn und soweit die soeben dargestellten Sachzwänge eine vom Wert der Diebesbeute im Einzelfall losgelöste Pauschale verlangen, wird sie durch den Haftungszweck gedeckt. Aus diesen rechtlichen Erwägungen hält der Senat eine Pauschale bis 50 DM für vertretbar. Höhere Pauschalen sind nicht unbedingt erforderlich, um der Prämie die Anreizfunktion zu erhalten; dann aber läßt der Zweck der Haftung es nicht zu, den Dieb ohne Rücksicht auf den Wert der entwendeten Ware mit solcher Prämie pauschal zu belasten.
Das schließt indes nicht aus, bei höherwertigen Waren den Dieb mit einer über 50 DM hinausgehenden Prämie zu belasten, wenn diese für solche Fälle etwa nach einem Prozentsatz zur konkreten Diebesbeute zugesagt worden ist. Auch mag eine Pauschale von mehr als 50 DM dort angemessen erscheinen, wo angesichts der Art des Warenangebots (Uhren, Juwelen) in jedem Einzelfall ein Schaden von mindestens 50 DM und in den meisten Fällen von erheblich mehr als 50 DM zu erwarten ist. Daß der Bestohlene andererseits auch eine Pauschale von 50 DM nur ersetzt verlangen kann, wenn er nachweist, daß er sie in dieser Höhe vor dem Diebstahl zugesagt hatte, ist selbstverständlich.
Jedoch kann auch eine derart nach oben begrenzte Pauschale nicht erstattet verlangt werden in Fällen, in denen wegen des sehr geringfügigen Werts der entwendeten Ware die Zusage einer pauschalierten Fangprämie außer Verhältnis zu dem im konkreten Fall bestehenden Haftungszweck erscheint. Die durch die Aufgabe des Haftungsrechts gezogene Grenze wäre überschritten, wenn eine am Durchschnittsfall orientierte Prämienpauschale auch bei Entwendung von Waren von ganz unbedeutendem Wert, z.B. bei der Entwendung geringwertiger Süßigkeiten durch Jugendliche, dem Schädiger in Rechnung gestellt werden würde. In solchen Fällen kann auch der Zwang, schon vor Begehung der Tat eine Prämie zu versprechen, keine Beachtung verdienen. Vielmehr verlangt ihre Orientierung am Haftungszweck von dem Geschäftsinhaber hier, die Zusage von vornherein unter einen entsprechenden Vorbehalt zu stellen, will er nicht in solchen Bagatellfällen mit der Fangprämie belastet bleiben.
c) Im Streitfall kann jedoch von einer derartigen Fallgestaltung keine Rede sein. Vielmehr hält sich der von dem Berufungsgericht zuerkannte Betrag in den vorstehend aufgezeigten Grenzen.
Ebenso ergibt sich aus den vorstehenden Ausführungen, daß sich auch die Klägerin mit ihrer Revision erfolglos gegen die Versagung ihrer 50 DM übersteigenden Ersatzforderung wehrt. Insoweit kann offen bleiben, ob das Berufungsgericht seine im Ergebnis zutreffende Entscheidung auf das Fehlen eines adäquaten Kausalzusammenhangs zwischen dem Diebstahl und einer dermaßen übersetzten Belohnung (550 DM) oder etwa auf § 254 Abs. 2 BGB stützen kann. Jedenfalls ist eine höhere Belastung der Beklagten nicht mit dem allgemeinen Grundsatz des Schadensrechts vereinbar, daß der Geschädigte Aufwendungen zur Verhinderung des Schadens nur insoweit ersetzt verlangen kann, als sie ein verständiger, wirtschaftlich denkender Mensch in seiner Lage zur Verfolgung dieses Ziels für zweckmäßig und vertretbar halten durfte (vgl. BGHZ 66, 182, 192 m.w.Nachw.).
Unterschriften
Dr. Weber, Dunz, Scheffen, Dr. Steffen, Dr. Ankermann
Fundstellen
Haufe-Index 1237720 |
BGHZ |
BGHZ, 230 |
NJW 1980, 119 |
DRiZ 1979, 379 |
JR 1980, 147 |
NStZ 1981, 297 |
Nachschlagewerk BGH |
JZ 1980, 99 |