Leitsatz (amtlich)
Zur Frage der Auslegung eines Vertrages, der im Rahmen der Veräußerung von Geschäftsanteilen an einer GmbH eine von den gesetzlichen Vorschriften angeblich abweichende Regelung über die Gewinnverwendung vergangener Geschäftsjahre trifft.
Normenkette
BGB § 101 Nr. 2 Hs. 2
Verfahrensgang
OLG Düsseldorf |
LG Wuppertal |
Tatbestand
Der Ehemann der Klägerin war Gesellschafter der beiden beklagten Gesellschaften mbH. Er und H. N., der auch Geschäftsführer der Beklagten ist, waren an der Beklagten zu 1 je zur Hälfte beteiligt. Von den Geschäftsanteilen der Beklagten zu 2 hielten beide je 40 Prozent, die restlichen 20 Prozent W. N.. Nach dem Tode ihres Ehemannes am 4. Mai 1992 gingen dessen Geschäftsanteile auf die Klägerin über. Bei Verhandlungen über die Veräußerung dieser Geschäftsanteile wurde zunächst ins Auge gefaßt, daß H. N. sie übernehmen sollte. Später einigten sich die Vertragsparteien, daß die beklagten Gesellschaften sie erwerben sollten. Am 14. Juli 1992 beurkundete Notarassessor K., der amtlich bestellte Vertreter von Notar S., zwei entsprechende Verträge. Darin ist u.a. bestimmt, daß das „gesamte Geschäftsergebnis für das laufende Geschäftsjahr, das dem Kalender entspricht”, den Käuferinnen zustehe (jeweils Nr. 5 der Vertragsbestimmungen). Beschlüsse über die Gewinnverwendung für das Jahr 1991 waren bis dahin nicht gefaßt worden.
Landgericht und Oberlandesgericht haben die Klage abgewiesen. Im Revisionsverfahren geht es allein um die von der Klägerin für das Jahr 1991 geltend gemachten Gewinnansprüche gegen die Beklagte zu 1 (57.429,10 DM) und die Beklagte zu 2 (36.880,58 DM) sowie um die Behandlung ihrer Informationsansprüche, welche sie im Berufungsverfahren einseitig für erledigt erklärt hat, durch das Berufungsgericht. Insoweit verfolgt die Klägerin ihre im Berufungsverfahren gestellten Anträge weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I.
Zutreffend nimmt das Berufungsgericht an, daß der Klägerin Gewinnansprüche für das Geschäftsjahr 1991 nach der gesetzlichen Regelung nicht verblieben sind.
1. Das Gewinnstammrecht geht bei der Veräußerung des Geschäftsanteils zusammen mit diesem auf den Erwerber über (vgl. Sen. Urt. v. 30. Januar 1995 – II ZR 45/94, ZIP 1995, 374, 375 = WM 1995, 577, 578). Der aus dem Stammrecht resultierende Gewinnanspruch steht dem Erwerber auch für das der Übertragung vorausgegangene Geschäftsjahr zu, wenn der Jahresabschluß für dieses Geschäftsjahr vor der Übertragung des Geschäftsanteils noch nicht festgestellt worden ist. Denn erst mit dieser Feststellung entsteht der Gewinnanspruch der Gesellschafter.
2. Erwirbt – wie hier – die GmbH den Geschäftsanteil eines Gesellschafters, so ändert sich hieran grundsätzlich nichts. Hinzu kommt aber in diesem Fall, daß die Gesellschaft nicht einmal befugt ist, auf den übernommenen Geschäftsanteil entfallende Gewinne aus dem Geschäftsjahr vor der Übertragung dieses Anteils an sich selber auszuschütten. Das Gewinnbezugsrecht der GmbH ruht ebenso wie die übrigen aus dem Geschäftsanteil fließenden Mitgliedschaftsrechte (h.M.; vgl. Sen. Urt. v. 30. Januar 1995 – II ZR 45/94 aaO m.w.N.). Der anteilige Gewinn fällt sofort den verbliebenen Gesellschaftern zu (vgl. Henze, Hdb. zum GmbH-Recht, 2. Aufl. Rdn. 733 f.; Sen. Urt. v. 30. Januar 1995 – II ZR 45/94 aaO), so daß auch § 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB, der grundsätzlich anwendbar ist (vgl. Hueck in: Baumbach/Hueck, GmbHG, 16. Aufl. § 29 Rdn. 59 m.w.N.), als Anspruchsgrundlage ausscheidet.
II.
Die Interessen des Gesellschafters, der seinen Geschäftsanteil auf die GmbH übertragen hat, werden durch diese gesetzlichen Bestimmungen nicht in unangemessener Weise beeinträchtigt. Da es zu der Anteilsübertragung nur mit seiner Mitwirkung kommen kann, hat er es in der Hand, durch Vereinbarungen mit der Gesellschaft und den verbliebenen Gesellschaftern dafür zu sorgen, daß seine Rechte gewahrt bleiben, auch wenn erst nach seinem Ausscheiden der Gewinnverwendungsbeschluß für zurückliegende Perioden gefaßt wird (Sen. Urt. v. 30. Januar 1995 – II ZR 45/94, ZIP 1995, 376 f.). Eine derartige abweichende Abrede hat das Berufungsgericht verneint. Die hiergegen gerichteten Angriffe der Revision haben Erfolg.
1. Zwar handelt es sich bei den Verträgen über die Übertragungen der Geschäftsanteile um Individualabreden, deren tatrichterliche Auslegung im Revisionsverfahren nur darauf überprüfbar ist, ob gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind (vgl. BGH, Urt. v. 31. Januar 1995 – XI ZR 56/94, NJW 1995, 1212, 1213 m.w.N.). Überdies begründen die öffentlichen Urkunden (vgl. § 415 ZPO), in denen sie niedergelegt worden sind, vollen Beweis dafür, daß die in ihnen bezeichneten Personen die Erklärungen des wiedergegebenen Inhalts abgegeben haben. Diese Urkunden haben die Vermutung der Vollständigkeit und Richtigkeit für sich (vgl. BGH, Urt. v. 1. Februar 1985 – V ZR 180/83, WM 1985, 699 f.). Entgegen den Darlegungen des Berufungsgerichts kann aber nicht davon ausgegangen werden, daß der Klägerin der erforderliche Gegenbeweis mißlungen ist. Das Berufungsgericht hat bei der Würdigung der entscheidungserheblichen Aussage des Zeugen Ho., der die Klägerin bei dem Abschluß der Verträge anwaltlich beraten hat, den Gesamtzusammenhang nicht genügend beachtet.
2. Der Zeuge Ho. hat bekundet, es sei zunächst beabsichtigt gewesen, die Geschäftsanteile an H. N. zu veräußern; im Rahmen der Verhandlungen sei auch die Frage erörtert worden, wie die Gewinnanteile für das Verkaufsjahr verteilt werden sollten, und in diesem Zusammenhang habe er erläutert, daß nach der gesetzlichen Regelung die Gewinnanteile dem Käufer ab Kauf zustehen würden, für die davor liegende Zeit jedoch dem Verkäufer. Nach seinen Angaben bestand zwischen den Parteien Einigkeit darüber, daß nur der Gewinn für das Jahr 1992 auf ausdrücklichen Wunsch des potentiellen Käufers N. an diesen fallen sollte und für die davor liegende Zeit die Klägerin die Gewinne erhalten sollte; im Hinblick auf die gesetzliche Regelung sei eine ausdrückliche Vereinbarung in den Verträgen hierüber nicht getroffen worden.
Diese Auskunft des Zeugen Ho., welche Grundlage der Vertragsgespräche mit H. N. gewesen sein soll, war im Ergebnis richtig, solange H. N. Vertragspartner werden sollte. Aus den dargelegten Gründen wären der Klägerin die Gewinnansprüche für das Jahr 1991 zwar auch bei einer Übertragung der Geschäftsanteile auf H. N. nicht verblieben. Sie hätte aber gegen diesen einen Ausgleichsanspruch gemäß § 101 Nr. 2 Halbs. 2 BGB gehabt. Die Auskunft des Zeugen Ho. entsprach erst in dem Augenblick nicht mehr der Rechtslage, als die Parteien H. N. durch die beklagten Gesellschaften austauschten. Es liegt nahe, daß die Vertragsparteien dies nicht bedachten, sondern ihre ursprüngliche, auf der Auskunft des Zeugen Ho. beruhende Vorstellung, die Klägerin bleibe ohnehin Inhaberin der Gewinnansprüche für das Jahr 1991 und solle dies auch bleiben, den dann geschlossenen Verträgen unverändert zugrundelegten. Hierfür spricht auch, daß sie in Nr. 5 der Verträge nur die Gewinnansprüche für das Jahr 1992 den jeweiligen Käuferinnen zugesprochen haben.
III.
Das Berufungsurteil kann somit keinen Bestand haben. Die Zurückverweisung gibt dem Berufungsgericht die Möglichkeit, diese Umstände in seine Überlegungen einzubeziehen. Gleichzeitig erhalten die Parteien die Gelegenheit, ihr Vorbringen erforderlichenfalls zu ergänzen.
Fundstellen
Haufe-Index 604863 |
BB 1998, 1327 |
DStR 1998, 498 |
NJW 1998, 1314 |
MittRhNotK 1998, 278 |
NZG 1998, 225 |
WM 1998, 450 |
WuB 1998, 425 |
ZIP 1998, 384 |
GmbHR 1998, 538 |
NotBZ 1998, 74 |
ZNotP 1998, 158 |