Leitsatz (amtlich)
a) Zum Beginn der Verjährung im Sinne des § 51 b BRAO bei Versäumung der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG.
b) Der Rechtsanwalt, der seinen Auftraggeber pflichtwidrig nicht auf einen möglichen Regreßanspruch und dessen Verjährung hingewiesen hat, muß beweisen, daß der Mandant nicht belehrungsbedürftig war.
Zur haftungsausfüllenden Kausalität für einen Regreßanspruch gegen einen Rechtsanwalt, der die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG versäumt hat.
Normenkette
BRAO § 51b; BGB § 675
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 9. März 1999 im Kostenpunkt – mit Ausnahme der Entscheidung über die außergerichtlichen Kosten des Beklagten zu 2 – und insoweit aufgehoben, als die Klage gegen den Beklagten zu 1 abgewiesen worden ist.
Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, soweit darüber nicht durch dieses Urteil entschieden wird – an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Die außergerichtlichen Revisionskosten des Beklagten zu 2 werden dem Kläger auferlegt.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger, promovierter Jurist, Rechtsbeistand und Mitglied einer Rechtsanwaltskammer, verlangt – nach Rücknahme seiner Revision gegen den beklagten Rechtsanwalt zu 2 – noch vom beklagten Rechtsanwalt zu 1, einem Fachanwalt für Arbeitsrecht, Schadensersatz wegen eines verlorenen Arbeitsgerichtsprozesses.
Am 30. November 1990/4. Dezember 1990 schloß der Kläger mit der O. GmbH (fortan: O. GmbH) einen „Freier-Mitarbeiter-Vertrag” für die Zeit vom 1. Dezember 1990 bis 31. Mai 1991, nach dem der Kläger als Projektberater tätig werden sollte. Im Juli 1992 erhob er Klage vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung, daß es sich bei dem Vertragsverhältnis bis zum 15. Mai 1991 um ein festes Angestelltenverhältnis gehandelt habe, sowie auf Zahlung von Lohn und sonstigen Entgelten. Durch Teilurteil vom 10. Februar 1993 gab das Arbeitsgericht der Feststellungsklage statt. Im Berufungsverfahren, in dem der Kläger durch den Beklagten zu 2 vertreten wurde, wurde die Feststellungsklage durch Urteil des Landesarbeitsgerichts vom 21. Juli 1994 abgewiesen; die Revision wurde nicht zugelassen. Nach Zustellung dieses Urteils am 14. September 1994 legte der Beklagte zu 1 im Namen des Klägers Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision ein. Nachdem die Beschwerde nicht rechtzeitig begründet worden war, wurde sie durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1994 als unzulässig verworfen. Am 22. Dezember 1994 beantragte der Kläger, vertreten durch andere Rechtsanwälte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Beschwerdebegründung; dieser Antrag wurde durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 1995, den Vertretern des Klägers zugestellt am 27. Januar 1995, zurückgewiesen. Am 7. Februar 1995 legte der Beklagte zu 1 sein Mandat nieder.
Die am 16. Januar 1998 bei Gericht eingegangene, am 4. Mai 1998 zugestellte Klage gegen den Beklagten zu 1 und die Klage gegen den Beklagten zu 2 auf Ersatz eines Schadens infolge des verlorenen Vorprozesses in Höhe von 52.468,11 DM nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch gegen den Beklagten zu 1 weiter; die Revision gegen die Abweisung der Klage gegen den Beklagten zu 2 hat der Kläger zurückgenommen.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt, soweit die Klage gegen den Beklagten zu 1 (künftig: der Beklagte) abgewiesen worden ist, zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung der Sache (§§ 564, 565 Abs. 1 ZPO).
I.
Die Revision beanstandet mit Erfolg, daß das Berufungsgericht einen – unterstellten – vertraglichen Schadensersatzanspruch des Klägers gegen den Beklagten gemäß dessen Einrede als verjährt angesehen hat (§§ 51 b BRAO, 222 Abs. 1 BGB).
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Die Verjährungsfrist habe am 15. November 1994 begonnen. Da der Beklagte die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht bis zum 14. November 1994 begründet habe, sei daraus dem Kläger am folgenden Tage ein Schaden entstanden. Spätestens sei mit der Verwerfung der Beschwerde am 23. November 1994 ein Schaden des Klägers eingetreten. Daran ändere das spätere Wiedereinsetzungsverfahren nichts. Die Verjährungsfrist sei deswegen vor Einreichung der Klage am 16. Januar 1998 abgelaufen. Ein sekundärer Schadensersatzanspruch stehe dem Kläger nicht zu. Der Beklagte habe keine entsprechende Hinweispflicht gehabt, weil der Kläger spätestens mit Zugang des Beschlusses des Bundesarbeitsgerichts vom 16. Januar 1995 die Fristversäumung durch den Beklagten und den daraus entstandenen Schaden gekannt habe. Die Unterlassung eines Hinweises auf die kurze Verjährungsfrist sei nicht ursächlich für den Schaden geworden. Der Kläger sei rechtskundig und bereits durch Schreiben des Beklagten zu 2 vom 28. Juli 1994 darüber unterrichtet worden, daß die Regreßforderung eines Mandanten gegen einen Rechtsanwalt einer bestimmten Verjährungsfrist unterliege.
1. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Nachprüfung stand, soweit das Berufungsgericht eine Primärverjährung gemäß § 51 b Fall 1 BRAO angenommen hat; deswegen hat es die Revision zugelassen. Nach dieser Vorschrift verjährt ein Anspruch des Auftraggebers aus einem Anwaltsvertrag auf Schadensersatz in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist.
Ein Schaden, der einen vertraglichen Ersatzanspruch im Sinne des § 51 b BRAO auslöst (§ 198 BGB), entsteht, sobald sich die Vermögenslage des Auftraggebers durch eine anwaltliche Pflichtverletzung objektiv verschlechtert; dies ist noch nicht der Fall, solange nur das Risiko eines Vermögensnachteils infolge einer Pflichtverletzung des Rechtsanwalts besteht, also bei der gebotenen wertenden Betrachtung allenfalls eine Vermögensgefährdung vorliegt (BGH, Urt. v. 16. November 1995 – IX ZR 148/94, WM 1996, 540, 541; v. 20. Juni 1996 – IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1833, jeweils m.w.N.).
Mit Rücksicht darauf hat die Verjährung begonnen entweder am 15. November 1994, nachdem die Notfrist des § 72 a Abs. 3 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes (ArbGG) zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde am 14. November 1994 abgelaufen war, oder spätestens mit der Verwerfung der Beschwerde durch Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1994.
a) Der Schadenseintritt ist nicht gemäß § 9 Abs. 5 Satz 4 ArbGG wegen einer unzulänglichen Rechtsmittelbelehrung des Landesarbeitsgerichts hinausgeschoben worden. Dieses hat am Schluß seines Urteils eine Belehrung dahin erteilt, daß, nachdem es die Revision nicht zugelassen habe, kein Rechtsmittel gegen sein Urteil statthaft sei, aber die Möglichkeit einer Nichtzulassungsbeschwerde gemäß § 72 a ArbGG bestehe. Diese Rechtsmittelbelehrung war nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ordnungsgemäß. Die Nichtzulassungsbeschwerde ist nur ein Rechtsbehelf, kein Rechtsmittel, weil ihr der Devolutiveffekt fehlt, so daß das Bundesarbeitsgericht im Verfahren über die Nichtzulassungsbeschwerde nicht die angefochtene Entscheidung voll überprüfen kann (BAG AP Nr. 5 zu § 72 a ArbGG 1979).
b) Ein Schaden des Mandanten kann bereits mit dem Ablauf einer Frist eintreten. Dies ist angenommen worden beim Ablauf der prozessualen Fristen für den Einspruch gegen ein Versäumnisurteil (BGH, Urt. v. 21. September 1995 – IX ZR 228/94, NJW 1996, 48, 50) und für die Berufungsbegründung (OLG Karlsruhe MDR 1990, 336, 337) sowie beim Ablauf der materiellen Frist der Verjährung eines Anspruchs (BGH, Urt. v. 14. Juli 1994 – IX ZR 204/93, NJW 1994, 2822, 2823 f; Beschl. v. 14. März 1996 – IX ZR 196/95, BGHR BRAO § 51 a.F. – Verjährungsbeginn 3). Es spricht viel dafür, daß auch im vorliegenden Fall ein Schaden des Klägers bereits mit dem Ablauf der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde eingetreten ist, wie das Berufungsgericht angenommen hat.
c) Spätestens ist der Kläger geschädigt worden, als am 23. November 1994 die Beschwerde durch das Bundesarbeitsgericht verworfen worden ist. In der Regel verschlechtert sich die Vermögenslage des Mandanten bereits mit der ersten nachteiligen Gerichtsentscheidung infolge anwaltlichen Fehlverhaltens in einem Verfahren; die in seinem Urteil vom 9. Juli 1992 (IX ZR 50/91, NJW 1992, 2828, 2829 f) geäußerte Ansicht, ein Schaden infolge eines Anwaltsfehlers im Prozeß sei regelmäßig noch nicht eingetreten, solange nicht auszuschließen sei, daß die Entscheidung in einem weiteren Rechtszug zugunsten des Mandanten geändert werde, hat der Senat aufgegeben (BGH, Urt. v. 12. Februar 1998 – IX ZR 190/97, WM 1998, 786, 787 f). Besteht ein solcher Anwaltsfehler in der Versäumung einer Frist zur Einlegung oder Begründung eines Rechtsmittels oder Rechtsbehelfs, so liegt es nahe, daß der Schaden des Mandanten schon mit der Fristversäumung entsteht.
Spätestens ist die Vermögenslage des Klägers bei der gebotenen wertenden Betrachtung verschlechtert worden, als mit der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 23. November 1994 das dem Kläger nachteilige Urteil des Landesarbeitsgerichts rechtskräftig wurde.
d) Daran ändert entgegen der Ansicht der Revision nichts die vom Kläger genutzte Möglichkeit, durch ein Wiedereinsetzungsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht gemäß §§ 233 ff ZPO die durch die Fristversäumung entstandenen Rechtsnachteile und damit die Rechtskraft des Urteils des Landesarbeitsgerichts rückwirkend zu beseitigen (vgl. BGHZ 98, 325, 328), wie das Berufungsgericht zu Recht angenommen hat. Die Schädigung des Mandanten durch eine nachteilige Gerichtsentscheidung, die auf einem fehlerhaften Prozeßverhalten eines Rechtsberaters beruht, entfällt nicht wegen einer Unsicherheit, ob der Schaden bestehenbleibt und endgültig wird (BGH, Urt. v. 12. Februar 1998, aaO 788 m.w.N.), und damit auch nicht wegen eines Wiedereinsetzungsantrags des Mandanten (vgl. BGH, Beschl. v. 28. März 1996 – IX ZR 197/95, WM 1996, 1108, 1109).
e) Die Verjährungsfrist von drei Jahren ist vor Einreichung der Klage gegen den Beklagten zu 1 am 16. Januar 1998 verstrichen. Durch Verhandlungen im Sinne des § 852 Abs. 2 BGB wird die Verjährung nach § 51 b BRAO nicht gehemmt (BGH, Urt. v. 29. Februar 1996 – IX ZR 180/95, WM 1996, 1106, 1107).
2. Die Revision rügt jedoch mit Recht, daß das Berufungsgericht dem Kläger einen sekundären Schadensersatzanspruch versagt hat, der dem Beklagten gemäß § 249 BGB die Einrede der Primärverjährung verwehrt (vgl. BGHZ 94, 380, 385 ff).
Der Mandant, dessen ursprünglicher (primärer) Schadensersatzanspruch wegen schuldhafter Verletzung des Anwaltsvertrages verjährt ist (§ 51 b BRAO), hat dann einen weiteren (sekundären) Ersatzanspruch, wenn der Rechtsanwalt den Schaden in Gestalt der Primärverjährung verursacht hat, indem er im Rahmen der umfassenden vertraglichen Beratungspflicht eine bis zum Mandatsende entstandene (sekundäre) Pflicht, den Auftraggeber auf die Möglichkeit einer eigenen Regreßhaftung und deren kurze Verjährung gemäß § 51 b BRAO hinzuweisen, schuldhaft verletzt hat und der Mandant bei ordnungsmäßiger Aufklärung die Primärverjährung verhindert hätte. Diese sekundäre Pflicht entsteht, wenn der Rechtsanwalt – nach seinem Fehler und vor Eintritt der Primärverjährung – bis zum Ende seines Mandats begründeten Anlaß hat zu prüfen, ob er durch eine Pflichtverletzung den Mandanten geschädigt hat, und wenn ein sorgfältiger Rechtsanwalt dabei seine mögliche Haftpflicht erkennen kann (BGHZ 94, 380, 386 f; BGH, Urt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837; v. 16. November 1995 – IX ZR 148/94, WM 1996, 540, 541 f).
a) Die Revisionserwiderung meint, Gegenstand des Mandats des Beklagten sei nur die Einlegung und die – unterlassene – Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde gewesen, so daß der Auftrag mit deren Verwerfung am 23. November 1994 erledigt gewesen sei. Dieser Bewertung des Mandatsgegenstandes kann nicht gefolgt werden. Nach seinem eigenen, vom Kläger bestätigten Vorbringen hat der Beklagte sein Mandat erst am 7. Februar 1995 niedergelegt; dafür spricht auch sein Schreiben an den Kläger von demselben Tage. Bis zu diesem Zeitpunkt haben die Parteien ihr Vertragsverhältnis – trotz der zwischenzeitlichen Beauftragung anderer Rechtsanwälte mit dem Wiedereinsetzungsantrag durch den Kläger – aufrechterhalten. Daraus ergibt sich, daß der Mandatsgegenstand über die Einlegung und Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hinausgegangen ist und der Beklagte allgemein die Interessen des Klägers in dessen Rechtsangelegenheit gegenüber der O. GmbH wahrzunehmen hatte.
b) Bereits die Verwerfung der Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesarbeitsgericht am 23. November 1994 hat dem Beklagten begründeten Anlaß zur Prüfung einer Regreßhaftung gegeben, weil er die Notfrist zur Begründung der Beschwerde hatte verstreichen lassen (vgl. BGH, Urt. v. 10. Oktober 1985 – IX ZR 153/84, NJW 1986, 581, 583; v. 31. Oktober 1985 – IX ZR 175/84, WM 1986, 199, 203).
Weiteren Anlaß in diesem Sinne hat die Zurückweisung des Wiedereinsetzungsantrags durch das Bundesarbeitsgericht am 16. Januar 1995 geboten; von dieser Entscheidung hat der Beklagte nach dem unbestrittenen Klagevortrag vor der Niederlegung des Mandats erfahren. Die anschließende Beendigung des Anwaltsvertrages hat den Beklagten nicht von seiner sekundären Hinweispflicht entbunden (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 1999 – IX ZR 328/97, WM 1999, 1330, 1335).
c) Diese Pflicht des Beklagten ist nicht entfallen, weil der Kläger im Wiedereinsetzungsverfahren vor dem Bundesarbeitsgericht durch andere Rechtsanwälte vertreten worden ist. Zwar braucht ein Rechtsanwalt seinen Auftraggeber nicht auf einen möglichen Regreßanspruch und dessen Verjährung hinzuweisen, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährung in der Haftungsfrage anwaltlich beraten wird oder auf anderem Wege entsprechende Kenntnis erhält (BGH, Urt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, NJW 1992, 836, 837; v. 28. September 1995 – IX ZR 227/94, WM 1996, 33, 34; v. 15. April 1999, aaO 1335 f). Es ist aber weder vorgetragen noch festgestellt worden, daß diese Rechtsanwälte auch beauftragt waren, den Kläger bezüglich eines Regreßanspruchs gegen den Beklagten zu beraten. Selbst wenn das – auf das Wiedereinsetzungsverfahren beschränkte – Mandat dieser Rechtsanwälte insoweit eine Warnpflicht ausgelöst haben sollte, so hätte dies den Beklagten nicht von seiner Hinweispflicht entbunden (vgl. BGH, Urt. v. 15. April 1999, aaO 1336).
d) Der Beklagte hat seine sekundäre Hinweispflicht schuldhaft verletzt.
Aufgrund der beiden Anlässe zur Prüfung einer Regreßpflicht konnte ein sorgfältiger Rechtsanwalt erkennen, daß der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten erworben haben konnte, weil dieser die Nichtzulassungsbeschwerde nicht fristgerecht begründet hatte. Es kann dahinstehen, ob der Kläger wegen seines Schreibens an den Beklagten vom 7. Februar 1995 schon vor Beendigung des Mandats des Beklagten gewußt hat, daß ihm möglicherweise ein Regreßanspruch gegen den Beklagten zustand. Jedenfalls hat der Beklagte unstreitig den Kläger nicht darauf hingewiesen, daß ein solcher Anspruch der kurzen Verjährung nach § 51 b BRAO unterlag. Der erforderliche Hinweis hätte sich zumindest auf den Wortlaut dieser Vorschrift erstrecken müssen (vgl. für den Steuerberater BGHZ 114, 150, 159). Da der Beklagte schon einen solchen Hinweis unterlassen hat, kann es dahinstehen, ob im vorliegenden Fall weitere Angaben – etwa zum Beginn oder Ende der Verjährung – erforderlich waren.
Es ist davon auszugehen, daß diese Unterlassung vom Beklagten zu vertreten ist (§ 276 BGB; vgl. BGHZ 94, 380, 387; 129, 386, 391). Denn dieser hat ein Verschulden nicht ausgeräumt (vgl. BGHZ 129, 386, 391 f; BGH, Urt. v. 20. Juni 1996 – IX ZR 106/95, WM 1996, 1832, 1835).
e) Die Revision rügt auch mit Recht die Hilfsbegründung des Berufungsgerichts, eine Verletzung der sekundären Hinweispflicht sei für die Primärverjährung eines vertraglichen Regreßanspruchs des Klägers gegen den Beklagten nicht ursächlich gewesen.
Zwar kann ein solcher Ursachenzusammenhang entfallen, wenn der Mandant trotz Kenntnis seines Regreßanspruchs und der Verjährungsregelung des § 51 b BRAO die Primärverjährung nicht verhindert hat (BGH, Urt. v. 26. Februar 1985 – VI ZR 144/83, NJW 1985, 1151, 1152; v. 21. Januar 1988 – IX ZR 65/87, WM 1988, 629, 631). Eine solche Kenntnis hatte der Kläger aber nicht aufgrund des Schreibens des Beklagten zu 2 vom 28. Juli 1994, das dessen Mandat betrifft und nicht auf § 51 BRAO a.F. oder § 51 b BRAO n.F. verweist.
Entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ist nicht davon auszugehen, daß der Kläger als promovierter Jurist und Rechtsbeistand die erforderlichen Rechtskenntnisse bezüglich der Verjährung einer Regreßforderung gegen einen Rechtsanwalt gehabt hat. Nach seiner Behauptung hat der Kläger besondere Kenntnisse und Erfahrungen nur im Arbeits- und Sozialrecht; mit Rücksicht darauf hat der Beklagte schon keinen Beweis dafür angetreten, daß der Kläger nicht belehrungsbedürftig gewesen ist (vgl. für die Notarhaftung: BGH, Urt. v. 27. Oktober 1994 – IX ZR 12/94, NJW 1995, 330, 331; v. 25. April 1996 – IX ZR 237/95, NJW 1996, 2037, 2038; für die Anwaltshaftung: Fischer, in: Zugehör, Handbuch der Anwaltshaftung 1999 Rdnr. 1009). Vielmehr spricht die Lebenserfahrung nach den Regeln des Anscheinsbeweises dafür, daß der Kläger einen Hinweis des Beklagten auf die Verjährungsregelung für einen möglichen Regreßanspruch beherzigt und die Primärverjährung vermieden hätte (vgl. BGHZ 123, 311, 314 ff; 126, 217, 222 ff; 129, 386, 392 f).
f) Der Sekundäranspruch des Klägers entfällt entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht wegen eines Mitverschuldens des Klägers (§ 254 BGB; vgl. BGH, Urt. v. 15. April 1999, aaO 1336).
Die Erfüllung der Mandatspflichten obliegt allein dem Rechtsanwalt. Auch ein rechtskundiger Mandant darf grundsätzlich darauf vertrauen, daß sein Rechtsanwalt seine Pflichten vertragsgerecht erfüllt, ohne daß dafür eine Kontrolle notwendig ist. Deswegen kann auch einem solchen Auftraggeber in der Regel nicht vorgeworfen werden, er hätte das, worüber ihn sein Rechtsanwalt hätte unterrichten müssen, bei genügender Sorgfalt selbst feststellen können und müssen (BGH, Urt. v. 19. Dezember 1991 – IX ZR 41/91, WM 1992, 739, 740; v. 24. Juni 1993 – IX ZR 216/92, WM 1993, 1889, 1894; v. 20. April 1993 – IX ZR 101/92, WM 1993, 1508, 1511; v. 13. März 1997 – IX ZR 81/96, WM 1997, 1392, 1395). Dies gilt auch für die anwaltliche Pflicht zur Aufklärung des Mandanten über einen möglichen Regreßanspruch und die dafür maßgebliche Verjährungsregelung (BGH, Urt. v. 15. April 1999, aaO 1336).
3. Der Kläger hat die Verjährung, die wegen des Sekundäranspruchs gemäß § 51 b Fall 2 BRAO mit der Beendigung des Auftrags des Beklagten am 7. Februar 1995 begonnen hat (vgl. BGHZ 94, 380, 389 f), durch Einreichung der Klage bei Gericht am 16. Januar 1998 unterbrochen (§§ 209 Abs. 1, 211, 217 BGB, 253, 270 Abs. 3 ZPO). Zwar ist diese dem Beklagten erst am 4. Mai 1998 zugestellt worden. Das Berufungsgericht hat – von seinem Rechtstandspunkt aus folgerichtig – nicht geprüft, ob diese Zustellung im Sinne des § 270 Abs. 3 ZPO „demnächst” erfolgt ist. Dies ist aber aufgrund des insoweit unstreitigen Akteninhalts zu bejahen, weil der Kläger die Verzögerung nicht zu vertreten hat (vgl. BGH, Urt. v. 25. November 1985 – II ZR 236/84, NJW 1986, 1347, 1348; v. 9. November 1994 – VIII ZR 327/93, NJW-RR 1995, 254).
Der Kläger hat dazu entgegen der Ansicht der Revisionserwiderung nicht in vorwerfbarer Weise beigetragen, indem er seine Klageschrift vom 15. Januar 1998 an die „Mahnabteilung” des Amtsgerichts zu dem Aktenzeichen des Mahnverfahrens gegen den Beklagten zu 2 gerichtet hat mit der Erklärung, er erstrecke die Klage auf den Beklagten zu 1; ein entsprechender Gerichtskostenvorschuß ist am 19. Januar 1998 eingegangen. Da das Verfahren beim Amtsgericht anhängig war, hätte die Klage gegen den Beklagten zu 1 entweder durch dieses Gericht oder durch das Landgericht, an das der Rechtsstreit nach dem bereits erhobenen Widerspruch des Beklagten zu 2 gegen den Mahnbescheid alsbald abzugeben war (§ 696 Abs. 1 ZPO), unverzüglich von Amts wegen zugestellt werden müssen (§§ 270 Abs. 1, 271 Abs. 1, 495 ZPO). Die Zustellung der Klageschrift ist aber erst veranlaßt worden, nachdem im Verhandlungstermin vor dem Landgericht am 21. April 1998 festgestellt worden war, daß die Zustellung fehlte. Nachdem die Klage gegen den Beklagten zu 1 in die gerichtliche Verfügungsgewalt gelangt war, hatte der Kläger keinen Einfluß auf den Zeitpunkt der Zustellung; es gibt keine Anhaltspunkte dafür, daß er die Verzögerung erkannt hat oder hätte erkennen können (vgl. BVerfG NJW 1994, 1853 f; BGH, Urt. v. 9. November 1994, aaO).
II.
Das Berufungsurteil ist nicht aus einem anderen Grunde im Ergebnis richtig (§ 563 ZPO).
1. Nach dem vorliegenden Sach- und Streitstand hat der Kläger einen Schadensersatzanspruch gegen den Beklagten wegen Schlechterfüllung eines Anwaltsvertrags (§§ 611, 675 BGB) dem Grunde nach.
a) Nach seinem Vorbringen hat der Kläger den Beklagten beauftragt, seine Interessen im weiteren Arbeitsgerichtsprozeß wahrzunehmen, insbesondere Beschwerde gemäß § 72 a ArbGG wegen der Nichtzulassung der Revision gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts zu erheben; das Entgelt sollte sich daraus ergeben, daß der Kläger den Beklagten mit mindestens 50 Arbeitsstunden bei Verbandsarbeit unterstützt hatte. Danach ist ein Anwaltsvertrag zustande gekommen mit der Verpflichtung des Beklagten, für den Kläger in dessen Arbeitsgerichtsprozeß tätig zu werden (vgl. BGH, Urt. v. 23. Januar 1981 – V ZR 198/79, VersR 1981, 460, 461; v. 21. März 1991 – IX ZR 186/90, NJW 1991, 2084, 2085 f). Dementsprechend hat der Beklagte die Beschwerde eingelegt und eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt. Damit hat er bei Würdigung aller Umstände selbst zum Ausdruck gebracht, daß er den Kläger als Rechtsanwalt vertreten hat. Dem Abschluß eines Anwaltsvertrages stand es nicht entgegen, wenn gemäß dem Klagevortrag der Vergütungsanspruch des Beklagten (§§ 611, 612 Abs. 1, 675 BGB in Verbindung mit der Bundesgebührenordnung für Rechtsanwälte) mit einem solchen des Klägers wegen erbrachter Dienstleistungen verrechnet werden sollte.
Der Beklagte hat einen Vertragsschluß nicht in rechtserheblicher Weise bestritten. Dazu hat er vorgetragen, dem Kläger sei bekannt gewesen, daß er – der Beklagte – im November 1994 selbst bei Zahlung eines Honorars weder Zeit noch Lust gehabt habe, eine Nichtzulassungsbeschwerde zu verfassen; sein Angebot an den Kläger habe darin bestanden, daß er, falls der Kläger rechtzeitig einen verwendbaren Text vorlegen sollte, diesen auf seinem Briefbogen an das Bundesarbeitsgericht weiterleiten würde. Damit hat der Beklagte aber keine unverbindliche Gefälligkeit dargelegt. Mit Rücksicht auf den Zweck und die sich daraus ergebende Bedeutung der Tätigkeit des Beklagten für den Kläger sowie die damit verbundene Interessenlage der Parteien durften und mußten diese die wechselseitigen Erklärungen verständigerweise als Vertragsschluß werten (vgl. BGH, Urt. v. 22. Juni 1956 – I ZR 198/54, NJW 1956, 1313 f; v. 14. November 1991 – III ZR 4/91, NJW 1992, 498). Selbst wenn der rechtskundige Kläger – das hat dieser bestritten – die Beschwerdebegründung entwerfen sollte, so blieb doch der Beklagte gegenüber dem Beschwerdegericht für den Inhalt des Schriftsatzes verantwortlich (vgl. BGH, Urt. v. 17. Dezember 1987 – IX ZR 41/86, NJW 1988, 1079, 1082; v. 24. März 1988 – IX ZR 114/87, NJW 1988, 3013, 3014 für das Verhältnis des Prozeßbevollmächtigten zu einem Verkehrsanwalt). Dafür, daß der Beklagte dies nicht verkannt hat, spricht, daß er selbst seine Tätigkeit als Mandat bezeichnet hat.
b) Der Beklagte hat seine Vertragspflicht verletzt, indem er die Nichtzulassungsbeschwerde nicht in der Frist des § 72 a Abs. 3 Satz 1 ArbGG begründet hat.
c) Die Pflichtverletzung beruht auf Fahrlässigkeit (§ 276 BGB), weil der Beklagte diese Notfrist rechtsirrig für verlängerbar gehalten und infolgedessen einen Tag vor Fristablauf einen unzulässigen Verlängerungsantrag gestellt hat. Bei Beachtung der erforderlichen Sorgfalt hätte der Beklagte die Pflichtwidrigkeit seines Verhaltens erkennen und sich daraus ergebende Nachteile für den Kläger vermeiden können.
2. Es steht bisher nicht fest, daß der Kläger durch die schuldhafte Pflichtverletzung des Beklagten den geltend gemachten Schaden erlitten hat.
Für den haftungsausfüllenden Ursachenzusammenhang zwischen der anwaltlichen Pflichtverletzung und dem geltend gemachten Schaden hat der Tatrichter gemäß § 287 ZPO festzustellen, was geschehen wäre, wenn der Rechtsanwalt sich vertragsgerecht verhalten hätte, und wie die Vermögenslage des Mandanten dann wäre. Dieser trägt insoweit die Beweislast, die durch den Beweis des ersten Anscheins und die – gegenüber § 286 ZPO – geringeren Anforderungen des § 287 ZPO an die Darlegungslast und das Beweismaß erleichtert wird (BGHZ 123, 311, 315 ff; 126, 217, 222 ff; BGH, Urt. v. 5. November 1992 – IX ZR 12/92, NJW 1993, 734). Einen erstattungsfähigen Schaden hat der Mandant in der Regel dann erlitten, wenn er einen Prozeß verloren hat, den er bei sachgemäßer anwaltlicher Vertretung gewonnen hätte. Für diese hypothetische Beurteilung ist maßgeblich, wie der Vorprozeß nach Auffassung des Gerichts, das mit dem Regreßanspruch befaßt ist, richtigerweise hätte entschieden werden müssen. Dabei ist auszugehen von dem Sachverhalt, der dem Gericht des Vorprozesses unterbreitet und von diesem aufgeklärt worden wäre. Die Beweislastregeln des Vorverfahrens gelten grundsätzlich auch für den Regreßprozeß (BGHZ 133, 110, 111 ff m.w.N.).
a) Danach hat der Kläger zunächst darzulegen, daß eine rechtzeitige Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde (§ 72 a Abs. 3 ArbGG), die allein auf eine Divergenz im Sinne des § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG gestützt werden konnte (§ 72 a Abs. 1 ArbGG), nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (AP § 72 a ArbGG 1979 – Divergenz) zulässig gewesen wäre und in der Sache zur Zulassung der Revision geführt hätte. Sodann ist diese Frage – nach Stellungnahme des Beklagten – vom Regreßgericht gemäß § 287 ZPO zu beantworten.
Insoweit kann der Senat nicht selbst entscheiden. Es ist nicht sicher, daß die Parteien dazu bereits abschließend vorgetragen haben. In den Vorinstanzen hat die Verjährungsfrage im Vordergrund gestanden. Zur haftungsausfüllenden Kausalität hat sich die Revision nur pauschal, die Revisionserwiderung gar nicht geäußert. Außerdem fehlt eine tatrichterliche Beurteilung.
b) Sollte das Berufungsgericht zu dem Ergebnis gelangen, daß bei rechtzeitiger Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Revision hätte zugelassen werden müssen, so wird es aufgrund des Vorbringens der Parteien, das ebenfalls noch nicht als abschließend angesehen werden kann, gemäß § 287 ZPO zu entscheiden haben, ob die Revision zu der rechtskräftigen Entscheidung hätte führen müssen, daß der Kläger in einem Arbeitsverhältnis mit der O. GmbH gestanden hat (vgl. dazu BAG 78, 343, 347 ff; JR 1999, 413, 415 f; ZIP 1999, 1854, 1855; AP zu § 611 BGB – Abhängigkeit) und infolgedessen die im Vorprozeß eingeklagten Zahlungsansprüche hätten zuerkannt werden müssen. Insoweit hat der Kläger zumindest einen Anspruch auf Lohnfortzahlung aus einem Arbeitsverhältnis wegen unfallbedingter Arbeitsunfähigkeit vom 8. Januar 1991 bis 17. März 1991 schlüssig dargelegt.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 09.12.1999 durch Preuß Justizangestellte als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 556390 |
BB 2000, 378 |
DB 2000, 1660 |
NJW 2000, 1263 |
EBE/BGH 2000, 45 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2000, 959 |
ZAP 2000, 406 |
AnwBl 2000, 761 |
MDR 2000, 481 |
NJ 2000, 374 |
VersR 2001, 330 |
BRAK-Mitt. 2000, 75 |