Entscheidungsstichwort (Thema)
Verjährungsbeginn der Steuerberaterhaftung für entgangene Grunderwerbsteuerbefreiung aufgrund fehlerhafter Vertragsberatung. frühester Zeitpunkt für Zahlungsverlangen nach Freistellungsverweigerung
Leitsatz (amtlich)
1. Hat der Steuerberater wegen fehlerhafter Beratung über die Vertragsgestaltung es zu vertreten, daß dem Mandanten keine Befreiung von der Grunderwerbsteuer gewährt wird, beginnt die Verjährung des darauf beruhenden Ersatzanspruchs nicht vor Zustellung des Grunderwerbsteuerbescheids.
2. Besteht der Schaden allein in der Belastung mit einer Steuerverbindlichkeit, kann der Geschädigte, solange die Festsetzung der Steuerschuld nicht bestandskräftig geworden ist, vom Schuldner grundsätzlich selbst dann noch keine Zahlung verlangen, wenn dieser die Freistellung von der Verbindlichkeit endgültig abgelehnt hat.
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob schon der Zugang des Steuerbescheids oder erst dessen Bestandskraft die dreijährige Verjährungsfrist in Lauf setzt, bleibt offen.
2. Wer die Forderung, von der er Befreiung verlangt, selbst mit einem Rechtsbehelf bekämpft, bringt dadurch grundsätzlich zum Ausdruck, daß er deren Beseitigung noch für möglich, den Anspruch des Dritten also für nicht endgültig gesichert hält. Solange der Steuerpflichtige gegen den Bestand der Steuerschuld vorgeht, hat er folglich kein berechtigtes Interesse daran, von seinem Schuldner bereits Zahlung zu erhalten. In einem solchen Falle ist grundsätzlich die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der richtige Weg.
Normenkette
StBerG § 68; BGB §§ 249, 250 S. 2
Verfahrensgang
OLG Hamm (Urteil vom 22.01.1992; Aktenzeichen 25 U 63/91) |
LG Bielefeld (Urteil vom 10.01.1991; Aktenzeichen 21 O 305/90) |
Tatbestand
Der als Unternehmer tätige Kläger verlangt vom beklagten Steuerberater Schadensersatz, weil er wegen dessen fehlerhafter Beratung keine Befreiung von der Grunderwerbsteuer für den Erwerb eines Betriebsgrundstücks erlangt habe.
Auf Anraten des Beklagten nahm der Kläger im März 1980 eine Betriebsaufspaltung vor. Er gründete eine Produktions- und eine Handels-GmbH, deren Stammkapital jeweils von ihm zu 90 % und von seiner Ehefrau zu 10 % übernommen wurde. Das bis dahin geführte einzelkaufmännische Unternehmen blieb als Grundstückseigentümer erhalten und verpachtete am 1. April 1980 das Betriebsgrundstück an die Produktions-GmbH.
Am 14. April 1980 schloß der Kläger einen notariellen Vorvertrag über den Kauf eines Fabrikgrundstücks in B. Dieses Grundstück erwarb er mit notariellem Vertrag vom 16. Juli 1981 zum Preise von 1.450.000 DM und verpachtete es anschließend an die Produktions-GmbH zur Erweiterung ihres Betriebes. Der Kläger beantragte Befreiung von der Grunderwerbsteuer, die ihm durch Verfügung des Finanzamts vom 22. Oktober 1981 gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 des Gesetzes über Grunderwerbsteuerbefreiung bei Maßnahmen zur Verbesserung der Wirtschaftsstruktur des Landes Nordrhein-Westfalen vom 24. November 1969 (GrEStStrukturG NW) gewährt wurde.
Da das Finanzamt im Zuge der Überwachung feststellte, daß das Grundstück nicht vom Kläger selbst, sondern von der Produktions-GmbH genutzt wird, setzte es mit Bescheid vom 20. November 1987 eine Grunderwerbsteuer von 97.090 DM fest. Dagegen hat der Kläger nach erfolglosem Einspruch beim Finanzgericht Klage erhoben, über die noch nicht entschieden ist.
Der Kläger nimmt den Beklagten nunmehr auf Erstattung des Betrages von 97.090 DM in Anspruch. Die Klagebegründung wurde nach vorausgegangenem Mahnverfahren dem Beklagten am 5. Juli 1990 zugestellt. Der Kläger behauptet, das besagte Grundstück auf Anraten des Beklagten gekauft zu haben. Hätte der Beklagte ihm empfohlen, das Grundstück entweder von der Produktions-GmbH erwerben zu lassen oder aber die eigene Beteiligung an der Gesellschaft auf mindestens 95 % zu erhöhen, wäre die Belastung mit Grunderwerbsteuer vermieden worden. Der Beklagte, der einen Beratungsauftrag in dieser Angelegenheit sowie einen Schaden des Klägers bestreitet, beruft sich auch auf Verjährung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Berufungsgericht hat sie abgewiesen. Mit der Revision begehrt der Kläger die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht meint, der Klageanspruch sei verjährt. Unterstelle man eine Pflichtverletzung des Beklagten und gehe zugunsten des Klägers davon aus, daß entsprechend den Ausführungen des Landgerichts die Verjährungsfrist am 24. Oktober 1986 – fünf Jahre nach Erhalt der steuerlichen Unbedenklichkeitsbescheinigung – zu laufen begonnen habe, so sei vor Einreichung des Mahnbescheids Verjährung eingetreten. Die Verjährung sei nicht am 5. Mai 1989 nach § 208 BGB unterbrochen worden; denn aufgrund der Aussage des im Berufungsrechtszug erneut vernommenen Zeugen Rechtsanwalt V. sowie des in der Sache vorgelegten außergerichtlichen Schriftwechsels sei nicht als bewiesen anzusehen, daß der Beklagte an jenem Tage den Anspruch anerkannt habe.
II.
Diese Begründung trägt die Klageabweisung nicht, weil sie – wie die Revision zutreffend rügt – rechtsfehlerhaft davon ausgeht, die nach § 68 StBerG geltende dreijährige Verjährungsfrist habe spätestens mit dem 24. Oktober 1986 begonnen. Der erhobene Anspruch ist vielmehr schon nach dem unstreitigen Sachverhalt nicht verjährt.
1. Gemäß § 68 StBerG ist für den Beginn der Verjährung der Zeitpunkt der Schadensentstehung maßgeblich. Wie der Senat nach Erlaß des Berufungsurteils entschieden hat (Urt. v. 2. Juli 1992 – IX ZR 268/91, NJW 1992, 2766, z.V.b. in BGHZ; v. 3. Dezember 1992 – IX ZR 61/92, z.V.b.), tritt auch in Fällen, in denen der Steuerberater bei der Gestaltung eines Rechtsgeschäfts fehlerhaft beraten hat, der Schaden in der Regel frühestens mit Zugang des Steuerbescheides ein.
Dieser Grundsatz kommt im Streitfall zur Anwendung. Der Kläger wirft dem Beklagten eine fehlerhafte Beratung bei der Vertragsgestaltung vor, weil er ihm nicht empfohlen habe, daß entweder die Produktions-GmbH als Käufer des neuen Betriebsgrundstücks auftrat oder der Kläger in dem GmbH-Vertrag eine Beteiligung von mindestens 95 % übernahm. Die Vermögenseinbuße, die der Kläger ersetzt verlangt, beruht auf dem Grunderwerbsteuerbescheid vom 20. November 1987. Bis dahin war der Kläger nicht mit steuerlichen Nachteilen belastet, die aus dem Grundstückserwerb herrühren. Da die Verjährung des Ersatzanspruchs somit erst nach diesem Datum zu laufen begann, hat die spätestens im Juli 1990 erhobene Klage die Verjährung in jedem Fall rechtzeitig unterbrochen. Die vom Senat bisher nicht entschiedene Frage, ob schon der Zugang des Steuerbescheids oder erst dessen Bestandskraft die dreijährige Verjährungsfrist in Lauf setzt, kann daher auch hier offenbleiben.
III.
Der Rechtsstreit ist an das Berufungsgericht zurückzuverweisen; denn weder ist das angefochtene Urteil aus anderen Gründen im Ergebnis richtig noch die Sache im Sinne der Anträge des Klägers entscheidungsreif (§ 565 Abs. 1 ZPO).
1. Es kommt darauf an, ob der Beklagte dem Kläger durch eine schuldhafte Verletzung seiner vertraglichen Beratungspflichten Schaden zugefügt hat; denn ein deklaratorisches Anerkenntnis des geltend gemachten Anspruchs hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die von der Revision gegen die Beweiswürdigung erhobenen Verfahrensrügen richten sich lediglich gegen die Ablehnung eines Anerkenntnisses im Sinne des § 208 BGB. Sie sind, da die Verjährungseinrede ohnehin nicht durchgreift, rechtlich unerheblich.
2. Das Berufungsgericht hat keine Feststellungen dazu getroffen, in welchem Umfang der Beklagte mit der steuerlichen Beratung des Klägers betraut wurde. Für die Revision ist daher vom Klagevorbringen auszugehen.
a) Der Kläger behauptet, den Beklagten bezüglich aller die Betriebsaufspaltung betreffenden Fragen, einschließlich des Grundstückserwerbs, mit seiner steuerlichen Beratung beauftragt zu haben. In diesem Falle gehörte es zu den Pflichten des Beklagten, den Kläger hinsichtlich der Möglichkeit, die Grunderwerbsteuer zu sparen, umfassend zu belehren und ihm sachgerechte Vorschläge zur Verwirklichung dieses Zieles zu unterbreiten. Das gilt auch dann, wenn der Beklagte jedenfalls vor Einreichung des Befreiungsantrags vom 30. Juli 1981 eingeschaltet wurde – was der Kläger hilfsweise geltend macht –; denn auch zu diesem Zeitpunkt bestand noch die Möglichkeit, den Kaufvertrag über das Grundstück oder die Beteiligungsverhältnisse in der GmbH so abzuändern, daß der steuerliche Zweck erreicht wurde.
b) Der Kläger hätte trotz der Betriebsaufspaltung eine endgültige Befreiung von der Grunderwerbsteuer bei sachgerechter Vertragsgestaltung erreichen können.
aa) Gemäß § 1 Abs. 1 Nr. 1 Buchst. a GrEStStrukturG NW wird der Erwerb eines Grundstücks, das unmittelbar zur Errichtung oder Erweiterung einer Betriebsstätte verwendet werden soll, von der Besteuerung nach dem Grunderwerbsteuergesetz ausgenommen, wenn hinsichtlich Lage und Funktion der Betriebsstätte weitere – hier nicht streitige – Voraussetzungen erfüllt sind. Ist ein Betrieb bereits vorhanden und wird er auf das erworbene Grundstück ausgedehnt, so liegt eine Erweiterung der Betriebsstätte im Sinne dieser Vorschrift vor. Daß auf dem erworbenen Grundstück Baumaßnahmen durchgeführt werden, ist nicht erforderlich. Es genügt, wenn die dort vorhandenen Einrichtungen für die Unternehmensvergrößerung verwendet werden (Joachim Lange, Grunderwerbsteuer Nordrhein-Westfalen 6. Aufl. Rdn. 230; Erlaß des Finanzministeriums Niedersachsen vom 28. Juli 1981 – S 4511 – 5 – 35, DB 1981, 2301, 2302). Der Kauf des Grundstücks in B. diente einem solchen vom Gesetz begünstigten Zweck.
bb) Die Steuerbefreiung nach dieser Vorschrift setzt weiter voraus, daß der Erwerber selbst das Grundstück zur Errichtung oder Erweiterung einer eigenen Betriebsstätte verwenden will (BFH BStBl II 1975, 391; 1980, 755, 756; FG Münster EFG 1972, 600). Daher ist der Erwerber, der das Grundstück einer Kapitalgesellschaft als Betriebsstätte zur Verfügung stellt, in der Regel selbst dann nicht von der Steuer befreit, wenn er an der Gesellschaft maßgeblich beteiligt ist (BFH BStBl II 1980, 755, 756). Der Beklagte hätte den Kläger als dessen Berater daher darauf hinweisen müssen, daß mit einer Grunderwerbsteuerbefreiung grundsätzlich nur bei Erwerb des Grundstücks durch die das Unternehmen betreibende GmbH gerechnet werden konnte.
Allerdings vertritt die Finanzverwaltung die Auffassung, die Steuerbefreiung könne bei Verpachtung des Grundstücks an eine Tochtergesellschaft auch dann in Anspruch genommen werden, wenn an beiden Unternehmen dieselben Personen beteiligt seien; kleinere Abweichungen im Beteiligungsverhältnis ständen der Befreiung nicht entgegen (Erlaß des Finanzministeriums Nordrhein-Westfalen vom 25. Februar 1971 – S 4511 – 17 – VC 4, mitgeteilt bei Lange, aaO S. 162; vgl. auch die Einspruchsentscheidung des Finanzamts Paderborn vom 4. März 1988 a.E., GA Bl. 105). Der Beklagte hätte sich nach dem von der Finanzverwaltung insoweit gewährten Spielraum erkundigen, den Kläger über die einschlägige Praxis belehren und ihm auf dieser Grundlage einen möglichen Gestaltungsvorschlag unterbreiten müssen.
c) Auf dieser rechtlichen Grundlage wird das Berufungsgericht den Sachverhalt zunächst aufzuklären und sodann zu beurteilen haben, ob der Beklagte seine vertraglichen Pflichten als Steuerberater schuldhaft verletzt hat.
3. Dem Kläger ist ein Schaden entstanden, wenn und soweit sich seine jetzige Vermögenslage, verglichen mit derjenigen, die eingetreten wäre, wenn der Beklagte ihn zur Grunderwerbsteuerbefreiung sachgerecht beraten hätte, als ungünstig darstellt. Der Kläger beanstandet nicht die Betriebsaufspaltung, sondern macht lediglich geltend, die Grunderwerbsteuerbefreiung hätte trotzdem erreicht werden können. Daher kommt es nur darauf an, ob die Grunderwerbsteuerbefreiung steuerliche Nachteile – etwa im Bereich der Einkommen-/Körperschaft- oder der Gewerbesteuer – zur Folge gehabt hätte, durch die dieser Steuervorteil ganz oder teilweise aufgezehrt worden wäre. Da die Grunderwerbsteuer auf verschiedenen Wegen hätte eingespart werden können – Erwerb des Grundstücks durch die GmbH oder Änderung der Beteiligungsverhältnisse an der GmbH –, muß der Kläger erklären, für welchen der beiden in Betracht kommenden Vorschläge er sich entschieden hätte. Das ist bisher nicht geschehen. Sein Vorbringen kann nicht aus diesem Grunde als unschlüssig behandelt werden; denn der Kläger hätte auf diesen Mangel seines Vortrags in den Tatsacheninstanzen gemäß § 139 ZPO hingewiesen werden müssen. Ihm ist daher Gelegenheit zu geben, seine Darlegung zu diesem Punkt zu ergänzen.
Erst danach ist die erforderliche Tatsachengrundlage für die Prüfung gegeben, ob der Kläger infolge der fehlerhaften Beratung steuerliche Vorteile – etwa in Form höherer Abschreibungen – hat, die ihm bei Inanspruchnahme der Grunderwerbsteuerbefreiung nicht zugeflossen wären. Dies darzutun und nachzuweisen, obliegt dem Beklagten (vgl. Senatsurt. v. 31. Januar 1991 – IX ZR 124/90, WM 1991, 814, 815 m.w.N.).
4. Falls das Berufungsgericht danach einen Schadensersatzanspruch bejaht, wird es auch zu prüfen haben, ob der Kläger bereits jetzt Zahlung vom Beklagten verlangen kann. Der geltend gemachte Schaden besteht allein in einer Verbindlichkeit. Zwar geht der zunächst auf Befreiung von der Schuld gerichtete Anspruch gemäß § 250 Satz 2 BGB in einen Schadensersatzanspruch über, wenn der Schädiger – wie im Streitfall – die Leistung ernsthaft und endgültig abgelehnt hat (BGH, Urt. v. 11. Juni 1986 – VIII ZR 153/85, WM 1986, 1115, 1117; v. 2. April 1987 – IX ZR 68/86, WM 1987, 725, 726; v. 9. November 1988 – VIII ZR 310/87, NJW 1989, 1215, 1216; v. 26. Februar 1991 – XI ZR 331/89, NJW 1991, 2014). Das setzt aber voraus, daß der Kläger tatsächlich mit einer Verbindlichkeit beschwert ist, die Forderung des Steuerfiskus also erfüllen muß (vgl. Urt. v. 11. Juni 1986 aaO und v. 9. November 1988 aaO). Hier hat der Kläger den Steuerbescheid mit der Klage angegriffen. Wer die Forderung, von der er Befreiung verlangt, selbst mit einem Rechtsbehelf bekämpft, bringt dadurch grundsätzlich zum Ausdruck, daß er deren Beseitigung noch für möglich, den Anspruch des Dritten also für nicht endgültig gesichert hält. Solange der Kläger gegen den Bestand der Steuerschuld vorgeht, hat er folglich kein berechtigtes Interesse daran, von seinem Schuldner bereits Zahlung zu erhalten. In einem solchen Falle ist grundsätzlich die Klage auf Feststellung der Ersatzpflicht der richtige Weg (vgl. BGHZ 79, 76, 78; BGH, Urt. v. 13. Januar 1982 – IVa ZR 162/80, WM 1982, 447, 449). Ob dann etwas anderes gilt, wenn der Anspruchsteller infolge einer Vollstreckung des Dritten oder zu deren Abwehr schon hat leisten müssen (vgl. dazu BGH, Urt. v. 12. Juni 1992 – V ZR 106/91, WM 1992, 1671, 1673), kann dahingestellt bleiben; denn einen solchen Sachverhalt hat der Kläger nicht behauptet.
5. Sollte das Berufungsgericht danach eine Haftung des Beklagten bejahen, wird es auch zu prüfen haben, ob den Kläger aus den in der Revisionserwiderung genannten Gründen ein Mitverschulden an der Entstehung des Schadens trifft.
Fundstellen
BB 1993, 386 |
NJW 1993, 1137 |