Leitsatz (amtlich)
Zur Frage, ob das Wettbewerbsverbot der persönlich haftenden Gesellschafter einer handelsrechtlichen Personengesellschaft (§ 112 HGB) in Widerspruch zu der zwingenden Vorschrift des § 1 GWB steht (Ergänzung zu BGHZ 38, 306).
Normenkette
GWB § 1; HGB § 112
Verfahrensgang
LG Karlsruhe |
OLG Karlsruhe |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Karlsruhe vom 12. Januar 1977 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Kläger sind die Kommanditisten, der Beklagte ist der persönlich haftende Gesellschafter der am 18. Juni 1971 durch Umwandlung aus einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung hervorgegangenen „Bautransport G. … M. … KG, K. …”. Zweck des Unternehmens ist „der Betrieb eines Transportunternehmens, insbesondere im Nahverkehr, Raupen- und Baggerbetrieb, Absetzmulden bei Tiefbau und für Gewerbebetriebe, sowie deren Verleih und Transport für alle Zwecke”.
Im Dezember 1973 gründeten der Beklagte und seine Ehefrau die „Bautransport- und Containerdienst GmbH, K. …” mit dem Beklagten als alleinigem Geschäftsführer. Unternehmenszweck ist der „Verleih und Vertrieb von Containern, Gabelstaplern und ähnlichen Geräten”. Die Kläger wenden sich dagegen, daß der Beklagte im Rahmen der Gesellschaft mit beschränkter Haftung Gabelstapler verleiht und vertreibt; damit werde ein in den Geschäftsbereich der gemeinsamen Kommanditgesellschaft fallendes Bedürfnis befriedigt. Sie haben unter anderem behauptet, ihre Gesellschaft habe sich auch schon mit der Vermietung von Gabelstaplern befaßt.
Das Landgericht hat dem Beklagten untersagt, als Geschäftsführer der Bautransport- und Containerdienst GmbH Gabelstapler zu verleihen und zu vertreiben. Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen.
Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Antrag auf Klageabweisung weiter. Die Kläger beantragen, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Das Berufungsgericht hat im Ergebnis zu Recht angenommen, daß der Beklagte nach §§ 112, 161 Abs. 2 HGB verpflichtet ist, den Verleih und Vertrieb von Gabelstaplern zu unterlassen.
I. Das Berufungsgericht hat festgestellt, Gegenstand des Gesellschaftsunternehmens der Parteien sei ein sehr breit gefächerter Dienstleistungsbereich, dessen Schwerpunkt im Nahverkehr liege. Der festgelegte Gesellschaftszweck lasse keine Beschränkung auf bestimmte Gebiete des Transportbedarfs erkennen. Verladegeschäfte, d.h. innerbetriebliche Kurzstreckentransporte, seien daher nicht ausgenommen, weshalb auch der Einsatz von Gabelstaplern und deren Vermietung vom Gesellschaftszweck umfaßt werde. Wie sich aus den Aussagen des auf Antrag der Kläger vernommenen Zeugen G. … ergebe, habe die Gesellschaft Gabelstapler auch tatsächlich zum Einsatz gebracht.
Mit dem – ohne Einwilligung der Kläger vorgenommenen – Verleih und Vertrieb von Gabelstaplern durch die Gesellschaft mit beschränkter Haftung habe der Beklagte daher in dem Handelszweig der Kommanditgesellschaft in unzulässiger Weise Geschäfte gemacht.
II. Die Revision wendet sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts mit der Rüge, es habe diese nicht auf die Bekundungen des Zeugen G. … stützen dürfen. Das Berufungsgericht habe § 160 Abs. 3 Nr. 4 ZPO verletzt, der die Feststellung der Zeugenaussage im Protokoll fordert; ein Ausnahmefall nach § 161 Abs. 1 Nr. 1 ZPO liege nicht vor. Diese Rüge ist berechtigt. Die Revision kann unter diesem Gesichtspunkt jedoch keinen Erfolg haben, weil die in die Kenntnis dieses Zeugen gestellten Tatsachen, soweit sie nicht unstreitig sind, für die Entscheidung des Rechtsstreits unerheblich sind.
1. Nach den unangefochtenen Feststellungen des Berufungsgerichts ist davon auszugehen, daß der schriftlich festgelegte Gesellschaftszweck der Gesellschaft der Parteien auch den Einsatz und die Vermietung von Gabelstaplern umfaßt. Der im Gesellschaftsvertrag festgelegte Gegenstand des Unternehmens ist allerdings nicht allein entscheidend. Er kann nachträglich – selbst durch schlüssiges Verhalten – dahin geändert werden, daß der Geschäftszweig erweitert wird. Er kann aber auch eingeschränkt werden, etwa dadurch, daß die Gesellschafter den Geschäftsbereich einverständlich begrenzen. Aus diesem Grunde kann der Frage, worauf sich der Betrieb der Gesellschaft wirklich erstreckt, im allgemeinen erhebliche Bedeutung zukommen.
Im vorliegenden Falle bedarf jedoch die Frage, ob und in welcher Weise der tatsächliche Betrieb der Kommanditgesellschaft die Vermietung von Gabelstaplern einschloß, aus folgenden Gründen keiner Entscheidung:
a) Der Begriff des Geschäftszweigs im Sinne des § 112 HGB ist nicht identisch mit dem Zweck der Gesellschaft. § 112 HGB will geschäftliche Handlungen verhüten, die dem Gesellschaftsunternehmen nachteilig sein können. Das Wettbewerbsverbot trägt damit zur Förderung des gemeinsamen Zwecks – dem gemeinsamen Betrieb des Handelsgewerbes bei, der Inhalt der gegenseitigen Verpflichtungen der Gesellschafter ist. Der Begriff des Handelszweigs darf deshalb nicht eng aufgefaßt werden (vgl. BGH, Urt. v. 27.6.57 – II ZR 37/56, WM 1957, 1128). Es kommt nicht darauf an, ob die Kommanditgesellschaft die konkreten Geschäfte selbst vorgenommen und so abgeschlossen hätte wie der Gesellschafter selbst (vgl. Hueck, OHG 4. Aufl. § 13 II 3a). In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer acht gelassen werden, daß die wirtschaftliche und technische Entwicklung fortschreitet und demgemäß ein Gesellschaftsunternehmen gezwungen sein kann, neue Geschäfte aufzunehmen, wenn es seinen Bestand nicht gefährden will; auch der Einsatz neuer Geräte und Maschinen kann sich als notwendig erweisen.
b) Daß die Kommanditgesellschaft Gabelstapler eingesetzt hat, ist zwischen den Parteien unstreitig. Der Beklagte bestreitet lediglich, daß „Geschäfte” damit gemacht worden seien. Die Kommanditgesellschaft habe sie nämlich immer – von der Bautransport- und Containerdienst GmbH – geliehen, wenn sie solche zu irgendeinem Zwecke einmal benötigt habe.
Hiernach ist der Beurteilung zwar zugrunde zu legen, daß die Kommanditgesellschaft diese tatsächlich nicht vermietet und vertrieben hat. Daß die Vermietung und der Vertrieb von Gabelstaplern aber dennoch zum Geschäftszweig der Kommanditgesellschaft gehört, folgt jedoch daraus, daß es sich hierbei um eine dem bisherigen Geschäftsbetrieb verwandte Tätigkeit handelt. Der Betrieb der Gesellschaft ist ganz allgemein – in Übereinstimmung mit dem schriftlich niedergelegten Gesellschaftszweck – darauf gerichtet, den Gerätepark „auch im Taglohn zur Verfügung” zu stellen (vgl. die aus GA 43 – 49 ersichtlichen Werbemaßnahmen).
2. Nach alledem ist darin, daß der Beklagte ohne Einwilligung der Kläger als Geschäftsführer der Bautransport- und Containerdienst GmbH Gabelstapler verleiht und vertreibt, ein Verstoß gegen § 112 HGB zu sehen. Die von ihm abgeschlossenen Geschäfte sind in doppelter Hinsicht für die Bautransport G. … M. … KG nachteilig und geeignet, den Gesellschaftszweck zu gefährden: Er betätigt sich nicht nur im Handelszweig der Gesellschaft, zu dem – wie dargelegt – auch die Vermietung und der sonstige Vertrieb der von ihr verwendeten Geräte und Maschinen gehört. Seine Geschäfte sind vielmehr auch ganz allgemein geeignet, den Geschäftsbetrieb der Kommanditgesellschaft zu beeinträchtigen; sie begründen nämlich die Gefahr, daß potentielle Auftraggeber von der Auftragserteilung absehen und die erforderlichen, in den Geschäftsbereich der Kommanditgesellschaft fallenden Arbeiten selbst – mit den über den Beklagten gemieteten Gabelstaplern – vornehmen.
III. Entgegen der Auffassung der Revision ist es unerheblich, daß der Beklagte die beanstandeten Geschäfte nicht im eigenen Namen, sondern im Namen der von ihm gegründeten und geführten Gesellschaft mit beschränkter Haftung tätigt (vgl. hierzu auch BGHZ 38, 306, 309). Der Umstand, daß er aufgrund seiner Stellung als Geschäftsführer der GmbH zu dieser Tätigkeit verpflichtet ist, steht einer Verpflichtung zur Unterlassung solcher Geschäfte ebenfalls nicht entgegen. Er mußte seine Stellung in der Gesellschaft mit beschränkter Haftung so gestalten, daß seine Tätigkeit nicht unter das Verbot fallen konnte.
IV. Zu Unrecht hält die Revision dem Unterlassungsanspruch der Kläger entgegen, das aus dem Gesellschaftsvertrag in Verbindung mit § 112 HGB folgende Wettbewerbsverbot sei nach § 1 GWB unwirksam. § 1 GWB greift hier schon deshalb nicht ein, weil der Beklagte keine Tatsachen dafür vorgetragen hat, daß die ihn treffende Wettbewerbsbeschränkung geeignet ist, die Marktverhältnisse zu beeinflussen (vgl. BGHZ 68, 6, 10ff.). Einer Anwendung dieser Vorschrift steht im vorliegenden Falle aber auch entgegen, daß das Wettbewerbsverbot sich auf den einzigen persönlich haftenden und geschäftsführenden Gesellschafter einer Kommanditgesellschaft bezieht, die der gesetzlichen Regelform entspricht und deren Gesellschaftsvertrag im übrigen nicht zur Beeinflussung der Marktverhältnisse durch Beschränkung des Wettbewerbs geeignet ist. Das Wettbewerbsverbot ist Ausfluß und notwendiger Bestandteil der Verpflichtung des Beklagten in seiner Eigenschaft als geschäftsführender Gesellschafter, seine Tätigkeit am Gesellschaftszweck auszurichten und sich für das gemeinsame Ziel einzusetzen. Es geht auch nicht über das Maß hinaus, was zum Schutze des Gesellschaftsunternehmens notwendig und von der Treuepflicht gefordert wird.
In einem am 6. Dezember 1962 entschiedenen Fall (BGHZ 38, 306) hat der erkennende Senat das gegen den Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft gerichtete Wettbewerbsverbot nach § 112 HGB wegen Verstoßes gegen die zwingende Vorschrift des § 1 GWB als unwirksam erachtet. Er hat ferner ausgesprochen (Urt. v. 17.5.73 – KZR 2/72, WuW/E BGH 1313), daß die Anwendung des § 1 GWB nicht schon deshalb ausgeschlossen ist, weil eine wettbewerbsbeschränkende Verpflichtung nach dem Genossenschaftsgesetz als zulässig erscheint. Das gilt auch für die handelsrechtliche Personengesellschaft; denn sonst könnte allein durch die Wahl einer besonderen Organisationsform das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen umgangen werden.
Daraus folgt jedoch nicht, daß § 1 GWB uneingeschränkt auf wettbewerbsbeschränkende Vereinbarungen in Gesellschaftsverträgen handelsrechtlicher Personengesellschaften anwendbar ist. In dem o.a. Urteil BGHZ 38, 306 wurde das gesellschaftsrechtliche Wettbewerbsverbot nur deshalb als unwirksam angesehen, weil der Sachverhalt durch eine ganze Reihe besonderer Umstände gekennzeichnet war. Ausschlaggebend erschien, daß es sich bei der klagenden offenen Handelsgesellschaft „nicht um den gesetzlichen Regelfall einer umfassenden Arbeits- und Haftungsgemeinschaft” handelte. Die Beteiligung des dort beklagten Gesellschafters erschöpfte sich darin, daß er sich lediglich zur Leistung einer Geldeinlage verpflichtet und die persönliche Haftung für die Gesellschaftsschulden übernommen hatte. Der Senat hat hierbei ausdrücklich auf die „Gefahr” hingewiesen, daß eine umfassende Anwendung des § 1 GWB „die Grundlagen dieser volkswirtschaftlich erwünschten Unternehmensform erschüttert, weil sie die tätige, und zwar gesellschaftstreue Mitarbeit der einzelnen Gesellschafter in Frage stellt”. Die gesetzliche Anerkennung der Unternehmensform der offenen Handelsgesellschaft und Kommanditgesellschaft, die durch das Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen nicht angetastet werden sollte, könne es notwendig in sich schließen, „daß im gesetzlichen Regelfalle die einzelnen Gesellschafter ihre gesellschaftsvertraglich übernommene Verpflichtung zur tätigen Mitarbeit bei der Führung des Unternehmens gesellschaftstreu zu erfüllen und demgemäß ihre geschäftliche und unternehmerische Tätigkeit allein dem gemeinsamen Unternehmen zu widmen haben”.
Dieser Grundsatz verlangt hier Geltung. Der vorliegende Fall weist alle die Merkmale auf, die dort verneint worden sind. Das Wettbewerbsverbot dient hier allein dem Bestand und der Erhaltung des Gesellschaftsunternehmens. Es soll nur verhindern, daß das Unternehmen von innen her – von dem alleinigen geschäftsführenden und vertretungsberechtigten Gesellschafter – ausgehöhlt oder gar zerstört wird. Die Gesellschaft und die Mitgesellschafter sind auf den rechtlichen Bestand des Wettbewerbsverbots angewiesen (vgl. hierzu auch Fischer in Großkomm. HGB 3. Aufl. § 112 Anm. 16)
V. Aus der Verletzung des § 112 HGB folgt, daß der Beklagte verpflichtet ist, künftige Zuwiderhandlungen zu unterlassen (BGH, Urt. v. 22.6.1972 – II ZR 67/70, WM 1972, 1229). Die Besorgnis künftiger Wiederholung – eine notwendige Voraussetzung der Unterlassungsklage – ergibt sich daraus, daß sich der Beklagte für berechtigt und verpflichtet hält, die beanstandeten Geschäfte weiterhin zu machen.
Aus diesem Grunde scheitert auch die Einrede der Verjährung. Daß der Anspruch der Kläger verwirkt sei, wird vom Beklagten nicht behauptet. Sie – die Kläger – haben, sich sofort gegen die hier in Frage stehenden Tätigkeiten des Beklagten gewandt, nachdem sie davon erfahren hatten.
Fundstellen
Haufe-Index 609946 |
BGHZ 70, 331 |
BGHZ, 331 |
NJW 1978, 1001 |