Leitsatz (amtlich)
a) Einen Quotenverringerungsschaden, der Teil eines Gesamtschadens ist, kann vor Abschluss des Konkursverfahrens nur ein Konkursverwalter geltend machen.
b) Die Verjährung des Anspruchs auf Ersatz eines derartigen Quotenverringerungsschadens beginnt für die Konkursgläubiger grundsätzlich nicht früher als mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Konkursverfahren aufgehoben oder eingestellt wird.
Normenkette
KO § 82; BGB § 199 Abs. 1 n.F., § 852 Abs. 1 a.F.
Verfahrensgang
OLG Hamburg (Urteil vom 16.04.2003) |
LG Hamburg |
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des OLG Hamburg, 13. Zivilsenat, v. 16.4.2003 wird auf Kosten der Klägerin mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Die Klägerin begehrt die Feststellung, dass der verklagte Konkursverwalter ihr zur Leistung von Schadensersatz verpflichtet sei, weil er die Konkursanfechtung der Verrechnung einer von einem Dritten auf ein Konto des Gemeinschuldners geleisteten Zahlung mit einem Debetsaldo unterlassen habe. Das Konkursverfahren ist noch nicht beendet.
Die Klage wurde in den Vorinstanzen als unbegründet abgewiesen. Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer vom Berufungsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist mit der Maßgabe zurückzuweisen, dass die Klage als unzulässig abgewiesen wird.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Klage sei zulässig. Die Klägerin könne als einzelne Konkursgläubigerin noch während des laufenden Konkursverfahrens ihren vermeintlichen Quotenschaden wegen schuldhafter Verkürzung der Konkursmasse geltend machen. Die Klage sei jedoch nicht gerechtfertigt.
II.
Diese Begründung hält einer rechtlichen Überprüfung insofern nicht stand, als die Klage schon unzulässig ist.
1. Wird durch ein pflichtwidriges Verhalten des Konkursverwalters die Masse geschmälert, handelt es sich um einen Schaden, welcher der Gemeinschaft der (Alt-)Gläubiger zur Last fällt (BGH v. 24.1.1991 - IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262 [279] = MDR 1991, 527; v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [190] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781; v. 30.3.1998 - II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 [214] = GmbHR 1998, 594 = MDR 1998, 787) und durch Zahlung in die Konkursmasse auszugleichen ist (BGH v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [190] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781). Grundsätzlich ist anerkannt, dass ein derartiger Gemeinschaftsschaden nicht durch einen Einzelnen der davon betroffenen Masse- oder Konkursgläubiger eingeklagt werden kann. Dies wäre mit dem Grundsatz der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Gläubigerbefriedigung nicht zu vereinbaren. Das der Gemeinschaft zugewiesene Verwaltungs- und Verwertungsrecht steht dem Konkursverwalter zu, so dass es durch einen Sonderverwalter oder einen neu bestellten Verwalter ausgeübt werden muss (RGZ 78, 186 [188]; RGZ 240; RGZ 142, 184 [188]; BGH, Urt. v. 5.10.1989 - IX ZR 233/87, MDR 1990, 239 = WM 1989, 1781 [1784]; v. 28.10.1993 - IX ZR 21/93, AG 1994, 81 = MDR 1994, 470 = NJW 1994, 323; OLG München v. 20.1.1987 - 25 W 3137/86, ZIP 1987, 656 [657]; ebenso Jaeger/Weber, KO, 8. Aufl., § 82 Rz. 11: Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 82 Rz. 5; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 82 KO Anm. 4; Gerhardt, EWiR 1987, 703 [704]).
Verkürzt der Konkursverwalter pflichtwidrig die Masse, wird dadurch regelmäßig zugleich die Dividende (Quote) eines jeden Konkursgläubigers geschmälert. Der Gemeinschaftsschaden führt mithin auch zu Quotenschäden. Dabei handelt es sich um Einzelschäden. Die Ansprüche der Gläubiger auf Ersatz dieser Schäden und der Anspruch auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens sind unterschiedliche Ansprüche (BGH, Urt. v. 5.10.1989 - IX ZR 233/87, MDR 1990, 239 = WM 1989, 1781 [1784]). Der Anspruch auf Ersatz des Quotenschadens steht jedem an der Verteilung der Masse teilnehmenden Konkursgläubiger selbst und nicht der Gemeinschaft der Konkursgläubiger als solcher zu (BGH, Urt. v. 22.2.1973 - VI ZR 165/71, NJW 1973, 1198).
2. Eine andere Frage ist jedoch, wer Quotenschäden geltend machen darf, solange das Konkursverfahren noch andauert.
a) In einer früheren Entscheidung hat der BGH ausgesprochen, ohne dem näher nachzugehen, dass das Schicksal der einzelnen Ansprüche auf Ersatz der Quotenschäden und dasjenige des Anspruchs auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens "miteinander verknüpft sein mag" (BGH, Urt. v. 5.10.1989 - IX ZR 233/87, MDR 1990, 239 = WM 1989, 1781 [1784]).
b) Später hat er einem Gläubiger zugebilligt, selbst einen Einzelschaden geltend zu machen, der auf einer Vereinbarung zwischen dem Gläubiger und der Masse beruhte (BGH v. 28.10.1993 - IX ZR 21/93, AG 1994, 81 = MDR 1994, 470 = NJW 1994, 323 [324]). Damals ging es jedoch um den Individualschaden eines Quotengläubigers.
c) Dementsprechend hat der BGH einem Einzelnen (Neu-)Gläubiger, der eine Forderung gegen eine GmbH nach dem Zeitpunkt erworben hatte, zu dem der Konkursantrag hätte gestellt werden müssen, auch das Recht zugebilligt, seinen - nicht auf den Quotenschaden begrenzten - Schaden während des noch laufenden Konkursverfahrens geltend zu machen, soweit der Geschäftsführer einer Schuldner-GmbH wegen Konkursverschleppung (§ 64 GmbHG) in Anspruch genommen wurde (BGH v. 6.6.1994 - II ZR 292/91, BGHZ 126, 181 [201] = GmbHR 1994, 539 = MDR 1994, 781); dem Konkursverwalter hat er dieses Recht versagt (BGH v. 30.3.1998 - II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 [214] = GmbHR 1998, 594 = MDR 1998, 787).
Hinsichtlich der Altgläubiger hat der BGH indessen anerkannt, dass diese durch eine Konkursverschleppung regelmäßig einen einheitlichen Quotenverringerungsschaden und insofern einen Gesamtschaden erleiden, der nur von einem Konkursverwalter (neuer Konkursverwalter oder Sonderverwalter) geltend gemacht werden kann (BGH v. 30.3.1998 - II ZR 146/96, BGHZ 138, 211 [214, 217] = GmbHR 1998, 594 = MDR 1998, 787).
3. Im vorliegenden Fall macht die Klägerin einen Quotenverringerungsschaden geltend, der Teil eines Gesamtschadens ist. Durch die dem Beklagten vorgeworfene Pflichtverletzung ist die Quote der Klägerin in gleicher Weise geschmälert worden wie die aller anderen Gläubiger.
a) Die Rechtszuständigkeit des Konkursverwalters, die Quotenschäden einheitlich geltend zu machen, wird auch dann berührt, wenn einer dieser Quotenschäden von einem einzelnen Konkursgläubiger im Wege einer Feststellungsklage geltend gemacht wird (a. A. Oepen, ZIP 2000, 526 [532 f.]). Wenn diesem die Befugnis zugestanden würde, die Ersatzpflicht wegen seines Quotenschadens gerichtlich feststellen zu lassen, wäre gleichwohl im Interesse der anderen Konkursgläubiger, denen ebenfalls Quotenschäden entstanden sind, ein Verwalter zu bestellen, der den Gemeinschaftsschaden geltend zu machen hätte. Dadurch entstünde die Gefahr divergierender Entscheidungen. Es könnte die Ersatzpflicht wegen eines einzelnen Quotenschadens festgestellt, die Klage des Konkursverwalters auf Ersatz des Gemeinschaftsschadens jedoch abgewiesen werden oder umgekehrt.
b) Wenn der einzelne Konkursgläubiger gehindert ist, während des Konkursverfahrens den Konkursverwalter in Anspruch zu nehmen, hat er dadurch keine nennenswerten Nachteile.
Unzutreffend ist insb. die Ansicht des Berufungsgerichts, der einzelne Konkursgläubiger habe ein rechtlich schutzwürdiges Interesse daran, schon während des laufenden Konkursverfahrens die Ersatzpflicht des Konkursverwalters feststellen zu lassen, weil der Beginn der Verjährung des gegenüber dem Konkursverwalter geltend zu machenden Schadensersatzanspruchs nicht eindeutig geklärt sei. Da der einzelne Konkursgläubiger während des laufenden Verfahrens nicht befugt ist, Schadensersatzansprüche gegen den Verwalter geltend zu machen, beginnt für den Konkursgläubiger die Verjährungsfrist grundsätzlich nicht früher als mit der Rechtskraft des Beschlusses, mit dem das Konkursverfahren aufgehoben oder eingestellt wird (vgl. BGH v. 17.1.1985 - IX ZR 59/84, BGHZ 93, 278 [286] = MDR 1985, 576; Kuhn/Uhlenbruck, KO, 11. Aufl., § 82 Rz. 15b; Kilger/K. Schmidt, Insolvenzgesetze, 17. Aufl., § 82 Anm. 5). Erst jetzt fällt die Befugnis zur Geltendmachung der einzelnen Quotenschäden - falls diese nicht schon während des Konkursverfahrens reguliert wurden - an einen jeden der Gläubiger.
Für einen Sonderverwalter oder einen anstelle des ersatzpflichtigen Verwalters neu bestellten Verwalter beginnt die Verjährungsfrist gem. § 852 Abs. 1 BGB a. F. grundsätzlich nicht bereits mit dessen Bestellung, sondern mit dem Zeitpunkt, in dem der neu bestellte Verwalter von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erhalten hat (vgl. BGH v. 24.1.1991 - IX ZR 250/89, BGHZ 113, 262 [280] = MDR 1991, 527). Diese Kenntnis muss er nicht schon bei Übernahme des Amtes haben. Vielmehr obliegt ihm zunächst die Prüfung, ob der andere Verwalter sich überhaupt schadensersatzpflichtig gemacht hat. Kommt er zu einem positiven Ergebnis, kann und muss der neue Verwalter oder der Sonderverwalter die Verjährungsfrist unterbrechen oder sonstige Maßnahmen treffen, um einem Ablauf entgegenzuwirken. Für das neue Verjährungsrecht (§ 199 Abs. 1, 3 BGB n. F.; Art. 229 § 6 EGBGB) gilt entsprechendes.
4. Diese Auffassung entspricht § 92 InsO, ohne dass Anhaltspunkte dafür erkennbar wären, dass der Gesetzgeber der Insolvenzordnung zur Verwalterhaftung insoweit grundlegend neue Anschauungen entwickelt hätte.
Die Kommission für Insolvenzrecht hat dazu in ihrer Begründung zu Leitsatz 3.2.8.1 ausgeführt, der Ausschluss der Verfolgung eines Gemeinschaftsschadens durch einzelne Insolvenzgläubiger während des Insolvenzverfahrens gelte auch für den Anteil am Gemeinschaftsschaden (Quotenschaden). Die einheitliche Geltendmachung durch den Insolvenzverwalter diene dem Zweck, die Insolvenzmasse im Interesse der gemeinschaftlichen und gleichmäßigen Befriedigung aller Insolvenzgläubiger zu ergänzen; zugleich erleichtere sie die Insolvenzabwicklung, weil an die Stelle der Einzelrechtsverfolgung die "gebündelte" Geltendmachung zu Gunsten der Insolvenzgläubiger in ihrer Gesamtheit trete (vgl. hierzu auch Gerhardt, ZInsO 2000, 574 [577]).
Der Gesetzgeber ist dem gefolgt. Zur Geltendmachung eines Gemeinschaftsschadens (Gesamtschadens i. S. v. § 92 InsO) ist nur ein Sonderverwalter oder ein neu bestellter Verwalter berechtigt. Während der Dauer des Insolvenzverfahrens können die Insolvenzgläubiger auch ihren Quotenschaden nicht durchsetzen; ihnen fehlt die Einziehungs- und Prozessführungsbefugnis (Brandes in MünchKomm/InsO, § 92 Rz. 14; Eickmann in HK-InsO, 3. Aufl., § 92 Rz. 4; Wittkowski in Nerlich/Römermann, InsO, § 92 Rz. 5, 16; Bork in Kölner Schrift zur Insolvenzordnung, 2. Aufl., S. 1333, 1337 f.; Gerhardt, ZInsO 2000, 574 [577]). Der Lauf der Verjährungsfrist beginnt nicht schon mit dem Zeitpunkt, in dem einzelne Insolvenzgläubiger von der Masseschädigung - und damit von dem Gesamtschaden, möglicherweise auch von ihrem Quotenschaden - Kenntnis erhalten, nicht einmal mit der Bestellung des Sonderverwalters oder des neuen Verwalters, sondern erst, wenn in dessen Person die Verjährungsvoraussetzungen vorliegen (vgl. Brandes in MünchKomm/InsO, § 62 Rz. 3; Uhlenbruck, InsO, 12. Aufl., § 62 Rz. 2).
5. Nach dem Recht der Konkursordnung wie auch nach dem der Insolvenzordnung ist ungeklärt, ob hinsichtlich des Verjährungsbeginns eine Ausnahme dann anzuerkennen ist, wenn sämtliche Gläubiger sich über den Schaden und die Person des Ersatzpflichtigen im Klaren waren, aber keiner von ihnen eine Sonderverwaltung oder die Ablösung des schadensersatzpflichtigen und die Einsetzung eines neuen Verwalters beantragt hat. In diesem Fall könnte das Interesse des ersatzpflichtigen Verwalters überwiegen, dass die Verjährung des gegen ihn gerichteten Schadensersatzanspruchs nicht länger als nötig aufgeschoben wird. Da ein solcher Fall hier nicht in Rede steht, braucht der Senat hierzu nicht Stellung zu nehmen.
Fundstellen
Haufe-Index 1165528 |
BGHZ 2005, 25 |
BB 2004, 1524 |
DB 2004, 1724 |
DStZ 2004, 584 |
NJW 2004, 2906 |
BGHR 2004, 1196 |
NJW-RR 2004, 1425 |
EWiR 2004, 817 |
WM 2004, 1297 |
WuB 2004, 963 |
ZIP 2004, 1218 |
DZWir 2004, 336 |
InVo 2004, 448 |
JuS 2004, 729 |
MDR 2004, 1260 |
NZI 2004, 496 |
VersR 2004, 1466 |
VuR 2004, 299 |
ZInsO 2004, 676 |