Entscheidungsstichwort (Thema)
Schadensersatz wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung
Leitsatz (amtlich)
Zu den Pflichten eines Steuerberaters, der den Auftrag übernimmt, zur Beseitigung eines von ihm verursachten Schadens den steuerbegünstigten Ankauf einer Immobilie persönlich zu überwachen und zu kontrollieren.
Normenkette
BGB § 675 a.F.
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 13.06.2001; Aktenzeichen 9 U 816/00) |
LG Mainz (Urteil vom 02.05.2000; Aktenzeichen 6 O 57/99) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Revision der Kläger wird das Urteil des 9. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 13. Juni 2001 – berichtigt durch die Beschlüsse vom 19. September 2001 und 21. Februar 2002 – aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an den 1. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
In den Jahren 1989/90 veräußerten die klagenden Eheleute, die Inhaber eines landwirtschaftlichen Betriebes waren, mehrere Betriebsgrundstücke als Bauland. Von den Erlösen wandten sie ihrer Tochter zwischen dem 20. Februar und dem 2. April 1991 unentgeltlich insgesamt 250.000 DM zu. Im Hinblick darauf verzichtete die Tochter in einem notariellen Vertrag vom 6. Mai 1992 auf ihr gesetzliches Erbteil und den Pflichtteil. Hoferbe sollte der Sohn der Kläger werden. Der verklagte Steuerberater, der seit längerem für die Kläger jedenfalls deren Buchhaltung besorgte und die Jahressteuererklärungen abgab, bildete eine Rücklage in Höhe von 120.000 DM, um für die Kläger den Freibetrag gemäß § 14 a EStG in Anspruch nehmen zu können. Aufgrund einer Betriebsprüfung wurde der Freibetrag vom Finanzamt nicht anerkannt. Zur Begründung wurde ausgeführt, bezüglich der im Jahre 1989 erzielten Veräußerungsgewinne sei zwar die maßgebliche Einkommensgrenze nicht überschritten; jedoch seien die Ausschüttungen an die weichende Erbin nicht binnen eines Jahres erfolgt. Die im Jahre 1990 erzielten Gewinne seien zwar innerhalb der Jahresfrist geflossen; jedoch sei insoweit die Einkommensgrenze überschritten. Die hiergegen eingelegten Rechtsbehelfe des Beklagten blieben erfolglos. Durch – bestandskräftig gewordenen – Einkommensteuerbescheid vom 5. September 1996, den Klägern zugegangen am 7. September 1996, wurde eine Einkommensteuerschuld in Höhe von 145.283,73 DM festgesetzt.
Der Beklagte riet den Klägern, diese Einkommensteuerschuld durch Steuervorteile, die bis Ende 1996 bei einem Immobilienerwerb in den neuen Bundesländern zu erzielen seien, auszugleichen. Er brachte sie zu diesem Zweck mit dem Immobilienmakler K. zusammen. Am 13. November 1996 kauften die Kläger, die zur Finanzierung Kredite in Höhe von 785.000 DM aufnahmen, drei Eigentumswohnungen in Görlitz. Welche Rolle der Beklagte dabei im einzelnen spielte, ist streitig.
Die Kläger nehmen den Beklagten wegen fehlerhafter steuerlicher Beratung im Zusammenhang mit den Immobilienverkäufen der Jahre 1989/90 auf Zahlung von Schadensersatz in Höhe von 145.000 DM in Anspruch. Wegen des Immobilienerwerbs im Jahre 1996, der sich nach der Behauptung der Kläger für sie ruinös auswirkt, begehren sie die Feststellung, daß der Beklagte ihnen zum Ersatz der daraus folgenden Schäden verpflichtet sei. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg. Mit ihrer Revision verfolgen die Kläger ihr Begehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt, ein pflichtwidriges Verhalten des Beklagten liege nicht vor. Den Steuerschaden infolge Nichtgewährung des Freibetrages gemäß § 14a EStG habe er nicht vermeiden können. Er habe es nicht zu vertreten, daß die Jahresfrist für die Ausschüttung der im Jahre 1989 erzielten Veräußerungsgewinne versäumt worden sei, weil er zu spät von den Grundstücksveräußerungen erfahren habe. Nach den ihm mitgeteilten Zahlen wäre die Einkommensgrenze für den Veranlagungszeitraum 1990 nicht überschritten worden. Die wirklichen Verhältnisse hätten sich erst bei der Betriebsprüfung herausgestellt. Auch die Versäumung der Möglichkeit, die Voraussetzungen des § 14a EStG nachträglich herbeizuführen, sei nicht pflichtwidrig gewesen. Zu diesem Zweck hätte eine Reinvestition bis spätestens 31. Dezember 1994 erfolgen müssen. Dazu habe der Beklagte keine Gelegenheit mehr gehabt. Den Antrag gemäß § 14a EStG für die Jahre 1992 und 1993 zu stellen, sei nicht erfolgversprechend gewesen, weil insoweit die Jahresfrist nicht einzuhalten gewesen sei. Die Möglichkeit der steuerneutralen Auflösung der gebildeten Rücklagen gemäß § 6b Abs. 3 EStG sei den Klägern bekannt gewesen. Insofern hätten sie keiner Beratung bedurft. Im übrigen hätten die Kläger nicht dargelegt, welche Investition in Betracht gekommen wäre.
Soweit der Beklagte aus steuerlichen Gründen den Erwerb von Immobilien in Ostdeutschland empfohlen habe, sei sein Rat offensichtlich richtig gewesen. Durch die den Klägern zugebilligten Verlustrückträge seien sie in den Genuß von Steuerrückerstattungen gekommen, die annähernd gleich hoch gewesen seien wie ihre Steuerbelastung aus den Immobilienverkäufen der Jahre 1989/90. Daß der Beklagte beauftragt gewesen sei, die Rentabilität der Investitionen in Ostdeutschland zu überprüfen und dafür die Gewähr zu übernehmen, ergebe sich aus dem als wahr unterstellten Vortrag der Kläger nicht. Selbst wenn der Beklagte ihnen gegenüber geäußert haben sollte, er werde dafür sorgen, daß sich die Sache rechne, könne darin keine Garantieerklärung für die Rentabilität der Investition gesehen werden.
II.
Mit dieser Begründung kann nicht ausgeschlossen werden, daß den Klägern Schadensersatzansprüche gegen den Beklagten zustehen.
1. Der Beklagte kann durch schuldhafte Schlechterfüllung des Steuerberatervertrags die Steuerbelastung aus den Immobilienverkäufen der Jahre 1989/90 verursacht haben.
a) Die Kläger werfen dem Beklagten vor, er habe zwar bezüglich der in den einzelnen Veranlagungszeiträumen erzielten Veräußerungsgewinne Rücklagen gebildet, sie, die Kläger, aber nicht über die gemäß § 6b Abs. 1 und 3 EStG bestehende Möglichkeit beraten, die Rücklagen in den folgenden vier Wirtschaftsjahren steuerneutral aufzulösen. Spätestens nach der Schlußbesprechung vom 21. Juli 1994 hätte er den Klägern anraten müssen, die Veräußerungsgewinne zu reinvestieren. Gegebenenfalls wären sie diesem Rat gefolgt.
Das Berufungsgericht hat es dahinstehen lassen, ob der Beklagte die Kläger auf die Möglichkeit der steuerneutralen Auflösung der Rücklagen durch Reinvestitionen hingewiesen hat. Es ist deshalb für das Revisionsverfahren davon auszugehen, daß ein solcher Hinweis, wie von den Klägern behauptet, unterblieben ist. Im übrigen spricht der eigene Vortrag des Beklagten dafür, daß er die Kläger insofern nicht hinreichend beraten hat. Mehr als die Erteilung einer allgemeinen Information „über das System des § 6 b EStG” hat er selbst nicht behauptet. Welchen Inhalt die Unterrichtung im einzelnen hatte und wann sie erfolgt ist, bleibt im Dunkeln.
Falls der Beklagte nicht hinreichend belehrt hat, war das pflichtwidrig. Im Rahmen seines Auftrags hat der Steuerberater seinen Mandanten, von dessen Belehrungsbedürftigkeit er grundsätzlich auszugehen hat, umfassend zu beraten und ungefragt über alle bedeutsamen steuerlichen Einzelheiten und deren Folgen zu unterrichten (vgl. BGH, Urt. v. 13. Februar 1992 – IX ZR 105/91, WM 1992, 701, 703; v. 18. Dezember 1997 – IX ZR 153/96, WM 1998, 301, 302). Das Berufungsgericht hat nur festgestellt, daß dem Beklagten die Notwendigkeit der steuerneutralen Auflösung der Rücklagen bekannt gewesen sei. Die Feststellung, zwischen den Parteien sei „hierüber” gesprochen worden, reicht nicht aus, um Entsprechendes auch für die Kläger annehmen zu können, zumal diese behauptet haben, sie seien aufgrund der Beratung durch den Beklagten der Überzeugung gewesen, durch die Schenkung an die Tochter „auf der sicheren Seite” zu sein. Noch weniger kann davon ausgegangen werden, daß sich die Kläger über die Fristgebundenheit der Reinvestitionen im klaren waren.
Die Kausalität einer etwaigen Pflichtverletzung des Beklagten kann nicht mit der Erwägung ausgeschlossen werden, der nach der Betriebsprüfung zur Verfügung stehende Zeitraum sei nicht ausreichend gewesen, um die Möglichkeit des § 6 b EStG in Anspruch zu nehmen. Es spricht viel dafür, daß der Beklagte die Kläger schon vorher hätte beraten müssen. Aber selbst nach dem Vorliegen des Betriebsprüfungsberichts (am 15. Dezember 1994) hätte die Zeit noch ausgereicht, um steuerwirksam zu reinvestieren. Die Meinung, das hätte bis zum 31. Dezember 1994 geschehen müssen, ist unzutreffend. Die Vier-Jahres-Frist des § 6 b Abs. 3 Satz 2 EStG endete erst am 30. Juni 1995. Maßgeblich war nicht das Kalenderjahr, sondern das Wirtschaftsjahr. Wirtschaftsjahr ist bei Land- und Forstwirten der Zeitraum vom 1. Juli bis zum 30. Juni (§ 4 a Abs. 1 Nr. 1 EStG).
Der Meinung des Berufungsgerichts, die Kläger hätten nicht dargetan, welche konkreten Investitionen geplant gewesen seien und auf welchen Betrag sich diese belaufen hätten, kann nicht gefolgt werden. Nach dem Vortrag der Kläger hätten diese Investitionen auf den eigenen Betrieb vorgenommen, wenn sie vom Beklagten auf die Notwendigkeit hingewiesen worden wären, die früheren Veräußerungsgewinne zu reinvestieren. Insofern kann zugunsten der Kläger der Beweis des ersten Anscheins in Gestalt der Vermutung beratungsgerechten Verhaltens sprechen (vgl. BGHZ 123, 311, 315; BGH, Urt. v. 30. März 2000 – IX ZR 53/99, WM 2000, 1351, 1352). Angeblich war seinerzeit die Sanierung der Hoffläche durch Einbau eines Verbundpflasters dringend erforderlich. Allein dafür soll mit Kosten von über 100.000 DM zu rechnen gewesen sein. Außerdem hatten die Kläger unstreitig Bedarf nach Ersatzland. Daß solches auf dem Grundstücksmarkt nicht erhältlich gewesen sei, ist nicht behauptet worden. Unter diesen Umständen brauchten die Kläger nicht vorzutragen, welches Grundstück zu welchem Preis sie damals erworben hätten.
Nach dem Klägervortrag kann davon ausgegangen werden, daß die Kläger in der Lage gewesen wären, derartige Investitionen zu finanzieren. Zwar hatten sie den größten Teil der Veräußerungserlöse – nämlich 250.000 DM – inzwischen unentgeltlich ihrer Tochter zugewandt. Indes waren sie in der Lage, den Erwerb der – wesentlich teureren – Immobilien in Görlitz zu finanzieren. Das könnte dafür sprechen, daß sie auch die Investitionen in den eigenen Hof hätten finanzieren können.
b) Unzureichend können auch die Bemühungen des Beklagten gewesen sein, den Klägern den Freibetrag gemäß § 14a Abs. 4 EStG zu sichern.
aa) Die Ansicht des Berufungsgerichts, die Nichteinhaltung der Jahresfrist des § 14a Abs. 4 Nr. 1 EStG für die Wiederverwendung der im Jahr 1989 erzielten Veräußerungsgewinne habe der Beklagte nicht zu vertreten, hält allerdings den Angriffen der Revision stand. Diese bezieht sich auf die Feststellung in dem Berufungsurteil, der Beklagte habe „am 7. August 1990” von den im Jahre 1989 erfolgten Grundstücksverkäufen erfahren. Das hätte zur Wahrung der Jahresfrist ausgereicht. Indes hat das Berufungsgericht durch Beschluß vom 21. Februar 2002 – nach Eingang der Revisionsbegründung – sein Urteil gemäß § 319 ZPO dahin berichtigt, daß es heißen muß „am 7. August 1991”. Eine derartige Berichtigung, mit welcher dem Revisionsangriff die Grundlage entzogen wurde, war auch noch nach Einlegung des Rechtsmittels möglich (vgl. BGHZ 127, 74, 81).
bb) Mit Erfolg greift die Revision demgegenüber die Auffassung des Berufungsgerichts an, der Beklagte habe die im Jahr 1990 erzielten Veräußerungsgewinne fehlerfrei behandelt.
Da der Beklagte eine Rücklage in Höhe von 120.000 DM gebildet hatte, um für die Kläger den Freibetrag des § 14a EStG in Anspruch nehmen zu können, war er auch verpflichtet, den Antrag gemäß § 14a EStG beim Finanzamt einzureichen. Das hat der Beklagte nicht getan. Warum er dies unterlassen hat, obwohl aus seiner Sicht für den Veranlagungszeitraum 1990 nach den Feststellungen des Berufungsgerichts alle Voraussetzungen vorlagen, insbesondere die Einkommensgrenze nicht überschritten war, hat der Beklagte nicht dargelegt. Spätestens im Jahre 1994, als die Überschreitung der Einkommensgrenze im Zuge der Betriebsprüfung offen erörtert wurde, mußte der Beklagte seiner Beratungspflicht genügen. Nach dem bislang unwiderlegten Vorbringen der Kläger (vgl. oben a) wäre es zu diesem Zeitpunkt noch möglich gewesen, die Rücklage steuerneutral aufzulösen.
cc) Soweit das Berufungsgericht gemeint hat, der Beklagte habe den Freistellungsantrag auch nicht „für die Jahre 1992 und 1993 stellen” können, hat es übersehen, daß die Kläger vorgetragen haben, der Beklagte hätte den Freistellungsantrag „für 1991 bzw. 1992” stellen müssen. Jedenfalls für das Jahr 1991 (Wirtschaftsjahr 1990/91) ist die Ansicht des Berufungsgerichts, die Jahresfrist des § 14a Abs. 4 Satz 2 Nr. 1 EStG sei nicht eingehalten gewesen, unzutreffend. Die Zahlungen an die weichende Erbin erfolgten zwischen dem 20. Februar und dem 2. April 1991. Die Grundstücksverkäufe fanden zu einem erheblichen Teil in den Jahren 1990 und 1991 statt. Dies ergibt sich aus der Anlage 3 zum Außenprüfungsbericht vom 15. Dezember 1994, den der Beklagte mit Schriftsatz vom 6. März 2001 zu den Akten gereicht hat. Es fehlen Feststellungen dazu, ob die Kläger in den Jahren 1991 und 1992 (1990/91 und 1991/92) die maßgeblichen Einkommensgrenzen überschritten haben und ob gegebenenfalls diese Grenzen durch Auflösung von Rückstellungen hätten eingehalten werden können.
c) Nicht gefolgt werden kann der Ansicht der Revisionserwiderung, der mit dem Zahlungsantrag geltend gemachte Steuerschaden aus etwaigen Pflichtverletzungen des Beklagten sei entfallen, weil insofern ein Ausgleich durch spätere, aus dem Immobilienerwerb in Görlitz herrührende Verlustrückträge erfolgt sei.
Zutreffend ist zwar, daß die Gewinne, welche die steuerliche Belastung der Kläger ausgelöst hatten, nach deren eigenen Vortrag schon bei Klageerhebung durch die Verlustrückträge im wesentlichen ausgeglichen waren. Da die Kläger in der Folgezeit in den Genuß weiterer Verlustrückträge gekommen sind, ist davon auszugehen, daß eine Steuerschuld nicht mehr besteht. Dadurch ist jedoch der Schaden der Kläger nicht entfallen. Da nach ihrem Vortrag das zweite Geschäft (Immobilienerwerb in den neuen Bundesländern) nur dem beiderseits gewollten Zweck diente, den zuvor durch das erste Geschäft (Immobilienveräußerungen im Jahre 1989/90) erlittenen Steuerschaden zu beseitigen, ohne sonst nachteilig zu sein, hätten sie allerdings den Beklagten nicht mehr wegen dieses Steuerschadens in Anspruch nehmen können, wenn der mit dem zweiten Geschäft bezweckte Erfolg eingetreten wäre. Der Beklagte hätte dann den Schaden aus dem ersten Geschäft beseitigt (§ 249 BGB). Nach dem Vorbringen der Kläger ist der mit dem zweiten Geschäft verfolgte Zweck aber nicht erreicht worden. Anstatt den Schaden zu beseitigen, hat es diesen sogar vertieft. Die Kläger schulden zwar nicht mehr Steuern in Höhe von 145.283,73 DM; dafür schulden sie jedoch nunmehr den Banken die Rückzahlung von ungleich höheren Krediten, ohne daß dem eine entsprechende Wertschöpfung gegenübersteht.
2. Auch der Feststellungsantrag ist nach dem Klägervortrag begründet.
Die Kläger haben – nicht erst mit dem vom Berufungsgericht als verspätet zurückgewiesenen Vorbringen im Schriftsatz vom 4. Mai 2001 – behauptet und unter Beweis gestellt, sie hätten dem Beklagten wegen der von ihm zu verantwortenden Steuerbelastung aus den Immobilienverkäufen der Jahre 1989/90 Vorhaltungen gemacht. Er sei sich bewußt gewesen, damals einen Fehler gemacht zu haben, und habe versichert, er werde sich „etwas einfallen lassen”. Kurz darauf habe er den Klägern vorgeschlagen, durch Immobilienerwerb in den neuen Bundesländern hohe Schulden zu machen, um eine vom Staat noch bis Ende 1996 angebotene Steuervergünstigung zu nutzen. Hierdurch könne der eingetretene Steuerschaden neutralisiert werden. Sie seien zunächst skeptisch gewesen, doch habe sie der Beklagte schließlich durch das Versprechen umgestimmt, er werde nur kompetente und seriöse Anlagevermittler einschalten, die Investitionen persönlich überwachen und nur solche Projekte in die nähere Wahl ziehen, die sich auch „rechneten”. Der Immobilienerwerb werde den Klägern nur Steuervorteile, aber keine Kosten bringen. Sie – die Kläger – hätten daraufhin den Beklagten beauftragt, den Ankauf in ihrem Interesse zu überwachen und zu kontrollieren. Der von dem Beklagten beigebrachte Immobilienmakler K. habe bis zuletzt mit dem Beklagten in Kontakt gestanden und das Vorgehen mit ihm abgestimmt. Tatsächlich sei das Engagement in Görlitz objektiv töricht gewesen. Die angekauften Eigentumswohnungen seien von vornherein überteuert gewesen. Zudem sei absehbar gewesen, daß eine dauerhafte Vermietbarkeit nicht gesichert gewesen sei. Daß sich der Erwerb für die Kläger „nicht rechne”, sei von vornherein für den Beklagten erkennbar gewesen. Was als Maßnahme zur Schadensbehebung gedacht gewesen sei, führe die Kläger endgültig in den Ruin.
Dieses Vorbringen ist erheblich. Zwar hat das Berufungsgericht angenommen, der Beklagte habe die wirtschaftliche Rentabilität der Investition nicht garantiert, und dagegen wendet sich die Revision nicht. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich. Das Berufungsgericht hat jedoch nicht bedacht, daß der Vortrag der Kläger die Voraussetzungen für einen von dem Beklagten erteilten Auftrag (§ 662 BGB) oder den Abschluß eines Geschäftsbesorgungsvertrages (§ 675 BGB a.F.) erfüllt, den der Beklagte schlecht erfüllt hat. Inhalt des Vertragsangebots – von dem offen bleiben kann, ob es von dem Beklagten oder den Klägern ausging – war, daß der Beklagte, um einen von ihm zu verantwortenden Schaden zu beseitigen, persönlich Immobilienangebote in den neuen Bundesländern im Interesse der Kläger prüfte und, wenn sie sich „rechneten”, das heißt dem beiderseits gewollten Zweck entsprachen, diesen empfahl. Der Zweck war positiv und negativ definiert. Zweckentsprechend waren Immobilien, deren Erwerb Verlustrückträge in einer Höhe bewirkte, welche die zuvor bei dem „ersten Geschäft” erzielten steuerlichen Gewinne ausglich. Nicht zweckentsprechend waren solche Immobilien, die – schon im Zeitpunkt der Prüfung erkennbar – das Vermögen der Kläger minderten, sei es daß sie überteuert angeboten wurden, sei es daß ihre Ertragsfähigkeit von vornherein nicht den Anforderungen entsprach. Dem Beklagten wurde somit nicht zugemutet, für die Unwägbarkeit eines Grundstücksgeschäfts und nicht absehbare Marktentwicklung einzustehen. Dieses Vertragsangebot wurde angenommen. Daß der Beklagte nicht das getan hat, was zur Erfüllung erforderlich gewesen wäre, nämlich die Immobilienangebote in eigener Verantwortung auf ihre Übereinstimmung mit dem „Anforderungsprofil” zu prüfen, ist unstreitig. Daß diese Unterlassung schuldlos gewesen sei, hat der Beklagte nicht dargetan.
III.
Das Berufungsurteil ist auch nicht aus anderen Gründen richtig (§ 563 ZPO a.F.). Insbesondere greift die in der Berufungsinstanz erhobene Verjährungseinrede nach dem derzeitigen Sach- und Streitstand nicht durch.
1. Gemäß § 68 StBerG verjähren Schadensersatzansprüche des Auftraggebers gegen einen Steuerberater in drei Jahren ab Entstehung der Ansprüche. Der Anspruch auf Ersatz des Schadens, der aus der erhöhten Einkommensteuerschuld für das Jahr 1994 hergeleitet wird, ist entsprechend der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BGHZ 119, 69, 73) mit Zugang des Steuerbescheids entstanden. Der Einkommensteuerbescheid für das Jahr 1994 datiert vom 5. September 1996. Daß dieser den Klägern vor dem 7. September 1996 zugegangen sei, hat der Beklagte nicht dargelegt. Dann erfolgte die Zustellung der Klage am 7. September 1999 rechtzeitig, um die Verjährungsfrist zu unterbrechen. Auf den von dem Beklagten über seinen Haftpflichtversicherer erklärten „Verzicht auf die Verjährungseinrede” kommt es dann nicht an.
Allerdings hat der Beklagte nach den Feststellungen des Berufungsgerichts gegen das Ergebnis der Betriebsprüfung schon vorher Rechtsbehelfe eingelegt. Gemeint sind möglicherweise Rechtsbehelfe vom 26. Januar 1996 gegen den Feststellungsbescheid 1993 und den Einkommensteuerbescheid 1993 (vgl. das von dem Beklagten vorgelegte Schreiben des Finanzamts vom 12. Februar 1996). Insoweit hat der Beklagte, den für die Voraussetzungen der Verjährungseinrede die Darlegungs- und Beweislast trifft, nicht ausreichend vorgetragen.
2. Der Schaden aufgrund des Erwerbs der Wohnungen in Görlitz ist frühestens am 13. November 1996 entstanden, als die Kläger den Kaufvertrag abschlossen. Auch insoweit erfolgte also die Zustellung der Klage rechtzeitig.
IV.
Das Berufungsurteil ist somit aufzuheben (§ 564 Abs. 1 ZPO a.F.). Die Sache ist zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen, weil sie noch nicht zur Endentscheidung reif ist (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO a.F.). Von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO a.F. macht der Senat Gebrauch.
Insbesondere wird das Berufungsgericht prüfen müssen, ob der Beklagte die Kläger hinreichend auf die zeitlich befristete Möglichkeit des § 6b EStG, die Rücklagen durch Reinvestitionen steuerneutral aufzulösen, hingewiesen hat und ob einem Antrag gemäß § 14a Abs. 4 EStG hätte stattgegeben werden müssen.
Um zu beurteilen, ob der Beklagte die steuerlichen Interessen der Kläger im Zusammenhang mit den Grundstücksverkäufen und der Verwendung der daraus resultierenden Gewinne hinreichend gewahrt hat, wird das Berufungsgericht auch seine Feststellung, von den Grundstücksverkäufen des Jahres 1989 habe der Beklagte erst am 7. August 1991 erfahren, einer erneuten Überprüfung unterziehen müssen. Diese Feststellung dürfte auf dem erstinstanzlichen Vortrag des Beklagten beruhen. Dabei ist aber der spätere Vortrag des Beklagten auf S. 5 des Schriftsatzes vom 17. Mai 2001 nicht berücksichtigt worden. Dort hat er vorgetragen, er habe „in einem Gespräch im Jahre 1989, nachdem die Kläger die ersten Grundstücke verkauft hatten”, die Kläger über die steuerlichen Vorteile des Freibetrags gemäß § 14a EStG informiert und ihnen vorgeschlagen, ihrer Tochter als weichenden Erbin einen steuerbegünstigten Betrag gemäß § 14a EStG auszuzahlen. Damit konnte zugleich die Behauptung der Kläger, die Auflösung der Betriebsgewinne durch Schenkungen an die Tochter sei auf Empfehlung des Beklagten geschehen, unstreitig geworden sein. Weiter wird das Berufungsgericht zu erwägen haben, daß nach dem unbestrittenen Vorbringen der Kläger der Notar während der Beurkundung des Erbverzichtsvertrages am 6. Mai 1992 bei dem Beklagten angerufen und gefragt hat, ob die Angelegenheit steuerlich abgeklärt sei; der Beklagte habe versichert, es sei alles in Ordnung. Dazu hat sich der Beklagte dahin eingelassen, als er von dem Notar informiert worden sei, habe die Jahresfrist des § 14a EStG ohnehin nicht mehr gewahrt werden können. Dann durfte der Beklagte dem Notar aber nicht mitteilen, es sei steuerlich alles in Ordnung.
Bei der Prüfung der Frage, ob der Beklagte sich – entsprechend der Behauptung der Kläger – ihnen gegenüber verpflichtet hat, die „steuermindernden” Investitionen persönlich zu überwachen und nur solche Projekte in die nähere Wahl zu ziehen, die sich auch „rechneten”, wird das Berufungsgericht die Beweisanträge der Kläger beachten müssen. Dabei wird zu berücksichtigen sein, daß die Übernahme eines Auftrags, wie ihn die Kläger behaupten, zwar nicht zum typischen Berufsbild eines Steuerberaters gehört, daß der Beklagte aber im vorliegenden Fall Anlaß gehabt haben kann, sich auf etwas derartiges einzulassen, wenn er es für möglich hielt, vorher einen Fehler gemacht zu haben, und dazu beitragen wollte, den dadurch entstandenen Schaden auszugleichen. Zu der Behauptung, der – unstreitig von dem Beklagten beigebrachte – Immobilienmakler K. habe bis zuletzt mit dem Beklagten in Kontakt gestanden und das Vorgehen mit ihm abgestimmt, wird das Berufungsgericht den Zeugen K. zu vernehmen haben. In die Beweiswürdigung wird es auch das Schreiben des Maklers an den Beklagten vom 7. November 1996 einbeziehen müssen. Daraus könnte sich immerhin ergeben, daß zumindest der Makler einseitig um eine derartige Abstimmung bemüht gewesen ist.
Bei der Bewertung des mit dem Immobilienkauf in Görlitz verbundenen Risikos wird das Berufungsgericht mit berücksichtigen müssen, daß die Finanzierungsbank sich nicht mit einer Absicherung auf dem zu erwerbenden Wohnungseigentum begnügte, sondern sich außerdem Grundschulden in Höhe von jeweils 150.000 DM auf dem Hof der Kläger und einer ihnen schon bisher gehörenden Eigentumswohnung bestellen ließ.
Unterschriften
Kreft, Kirchhof, Fischer, Ganter, Kayser
Fundstellen
Haufe-Index 905828 |
BFH/NV Beilage 2003, 187 |
DStR 2003, 1626 |
HFR 2003, 810 |
NWB 2003, 894 |
BGHR 2003, 535 |
BGHR |
NJW-RR 2003, 1574 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 2003, 936 |
WuB 2003, 647 |
ZfIR 2003, 306 |
MDR 2003, 689 |
VersR 2003, 655 |
VuR 2003, 195 |
KP 2003, 59 |
BFH/NV-Beilage 2003, 187 |
KammerForum 2004, 66 |