Leitsatz (amtlich)
Läßt eine Bank nach dem Antrag eines Dritten auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung gegen den Bankkunden, aber vor Bekanntwerden eines Verfügungsverbots gegen diesen, noch Verfügungen des Kunden über sein debitorisch geführtes Girokonto zu, während Zahlungseingänge ein Überschreiten der Kreditobergrenze verhindern, steht einer vertragsgemäßen Verrechnung der Gutschriften mit dem Aufwendungsersatzanspruch der Bank aufgrund Ausführung weiterer Verfügungen des Kunden nicht das Aufrechnungsverbot des § 2 Abs. 4 GesO in Verbindung mit § 394 BGB entgegen. In diesem Umfange stellt die Verrechnung zugleich eine unanfechtbare Bardeckung dar.
Normenkette
GesO § 2 Abs. 3-4, § 7 Abs. 5, § 10 Abs. 1; KO § 30 Nr. 1 Fall 2; BGB § 394
Verfahrensgang
OLG Dresden (Aktenzeichen 4 U 3256/97) |
LG Dresden (Aktenzeichen 14 O 2632/97) |
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des 4. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 12. März 1998 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger ist Verwalter in der am 26. Juni 1995 eröffneten Gesamtvollstreckung über das Vermögen des K. I. (nachfolgend: Schuldner). Dieser unterhielt bei der verklagten Sparkasse ein Girokonto, auf dem ihm ein Überziehungskredit von 100.000 DM eingeräumt war. Am 31. Januar 1995 wurde gegen ihn ein Gesamtvollstreckungsantrag gestellt. Zu dieser Zeit befand sich das Konto mit 101.590,43 DM im Soll. Bis zum 4. Mai 1995 wurden dem Schuldner auf dem Konto insgesamt 67.443,66 DM gutgeschrieben. Im selben Zeitraum nahm die Beklagte auch Belastungen vor, so daß das Konto am Ende mit insgesamt 96.230,58 DM im Soll stand. Am 4. Mai 1995 erließ das Gesamtvollstreckungsgericht ein allgemeines Verfügungsverbot gegen den Schuldner und bestellte den Kläger zum Sequester.
Nachdem die Beklagte einen Teil der Eingänge an den Kläger ausgezahlt hatte, streiten die Parteien noch um 49.656,73 DM. Es handelt sich um die Summe derjenigen Beträge, in deren Höhe die Beklagte zwischen dem 1. Februar und 11. Mai 1995 noch Lastschriften auf dem Konto zugelassen hat; erst am letztgenannten Tage erfuhr sie vom Erlaß des Verfügungsverbots.
Das Landgericht hat die auf Zahlung des genannten Betrages gerichtete Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht (sein Urteil ist abgedruckt in ZIP 1998, 609 f) hat ihr stattgegeben. Dagegen richtet sich die zugelassene Revision der Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel führt zur Aufhebung und Zurückverweisung.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Anspruch des Klägers ergebe sich aus den Schuldanerkenntnissen, die in den Gutschriften im Rahmen des Girovertrages lägen. Er sei nicht durch Verrechnung erloschen, weil dem § 394 BGB in Verbindung mit §§ 2 Abs. 4 und 7 Abs. 5 GesO entgegenstehe. Insoweit sei nicht zwischen Ver- und Aufrechnung zu unterscheiden.
Daran ändere es nichts, daß die tatsächlichen Nachteile für die Gesamtvollstreckungsmasse gering seien und die Beklagte gegenüber den anderen Gläubigern sogar schlechter gestellt werde. Maßgebend sei allein ein Vergleich mit der Situation, die die Gläubiger vorgefunden hätten, wenn die Beklagte frühzeitig – nämlich bereits bei Antragstellung – die Bankverbindung zum Schuldner abgebrochen hätte. Auf die Länge der Zeit zwischen Antragstellung und Anordnung der Sequestration komme es nicht an.
II.
Demgegenüber rügt die Revision: Im Umfang der hier fraglichen Belastungsbuchungen dürfe die Beklagte gegen die Ansprüche des Schuldners aus den im gleichen Zeitraum erteilten Gutschriften aufrechnen. Denn bis zur Anordnung einer Sequestration gemäß § 2 Abs. 3 GesO sei das Kreditinstitut verpflichtet, den Verfügungen des Schuldners nachzukommen, soweit sein Konto Deckung aufweise. Mindestens müsse ein Aufrechnungsverbot einen ausdrücklichen Beschluß des Gesamtvollstreckungsgerichts über die Einstellung der Zwangsvollstreckung – wie nach § 21 Abs. 2 Nr. 3 InsO – voraussetzen. Im übrigen erfasse § 394 BGB die kontokorrentmäßige Verrechnung nicht, weil diese auf einer einverständlichen, vertraglichen Grundlage beruhe. Schließlich bestünden grundsätzliche Bedenken gegen eine Anwendung des § 394 BGB auf die Ver- oder Aufrechnung, weil demgegenüber die Regelung der §§ 53, 55 KO Vorrang haben müsse.
III.
Im rechtlichen Ansatz stimmt der erkennende Senat dem Berufungsgericht zu. Der Kläger fordert die Herausgabe von Geldbeträgen, die nach dem gegen den Schuldner gerichteten Gesamtvollstreckungsantrag bei der Beklagten eingegangen sind. Diese rechnet mit Aufwendungsersatzforderungen auf, die vor der Verfahrenseröffnung entstanden sind, also nur Gesamtvollstreckungsansprüche begründen. Der Senat hält grundsätzlich an seiner Rechtsprechung fest, daß gegen Forderungen des Schuldners, die zwischen dem Eingang eines zulässigen Antrags auf Eröffnung der Gesamtvollstreckung und der Eröffnung begründet wurden, mit Gesamtvollstreckungsforderungen nicht wirksam aufgerechnet werden kann (BGHZ 130, 76, 78 ff; Senatsurt. v. 21. März 1996 - IX ZR 195/95, ZIP 1996, 845, 846; v. 18. April 1996 - IX ZR 88/95, ZIP 1996, 926, 927; v. 18. April 1996 - IX ZR 206/95, ZIP 1996, 1015, 1016; v. 14. Januar 1999 - IX ZR 208/97, ZIP 1999, 289, 290).
Insoweit besteht, entgegen der Auffassung der Beklagten, auch kein Unterschied zwischen Auf- oder Verrechnung. Zwar beruht die mit der Kontokorrentabrede gemäß § 355 HGB verbundene Verrechnungsabrede auf einer vertraglichen Vereinbarung des Geldinstituts mit seinem Kunden. § 394 BGB ist aber zwingend und gilt grundsätzlich auch gegenüber Aufrechnungsvereinbarungen, die vor Fälligkeit der aufzurechnenden Gegenforderung getroffen wurden (RAG ARS 19, 108, 109; LAG Hamm DB 1973, 1080; VGH Kassel NJW 1986, 147; MünchKomm-BGB/von Feldmann, 3. Aufl. § 394 Rdnr. 6; Soergel/Zeiss, BGB 12. Aufl. § 394 Rdnr. 1, Palandt/Heinrichs, BGB 58. Aufl. § 394 Rdnr. 1; Canaris, in: RGRK-HGB 3. Aufl. § 355 Rdnr. 39). Soweit dargetan, hat der Schuldner hier der kontokorrentmäßigen Verrechnung mit dem Abschluß des Girovertrages im voraus, also vor dem Fälligwerden der jeweiligen vertraglichen Herausgabeansprüche, zugestimmt. Diese Einwilligung vermag die Verrechnung vom Eingang des Eröffnungsantrags an nicht mehr selbständig zu stützen. Diese unterliegt fortan denselben Beschränkungen wie die Aufrechnung.
Die Rechtsprechung des Senats hat überwiegend Zustimmung gefunden (OLG Dresden - 7. Zivilsenat - WiB 1996, 788; LG Hannover ZIP 1996, 291; LG Bautzen ZIP 1998, 1972 f; Haarmeyer/Wutzke/Förster, GesO 4. Aufl. § 2 Rdnr. 282, § 7 Rdnr. 55 f; Hess/Binz/Wienberg, GesO 4. Aufl. § 2 Rdnr. 120 b – 120 g; Voigt WiB 1995, 961 f; Tappmeier EWiR 1996, 659 f; vgl. auch Weitekamp NZI 1998, 112, 113). Die gegen die Rechtsprechung erhobene Kritik (Mankowski JZ 1996, 392, 393 ff; Nobbe, in: Prütting, Insolvenzrecht 1996, S. 99, 118 f; Smid WuB VI G. § 7 GesO 3.95; Henckel, in: Festschrift G. Lüke, 1997, S. 237, 247 f; Eckardt LM GesO Nr. 10; Gerhardt LM GesO Nr. 17) gibt dem Senat keinen Anlaß zu einer Änderung.
IV.
Der hier zu entscheidende Fall bietet aber die Besonderheit, daß der weitaus größte Teil der von der Beklagten vorgenommenen Gutschriften auf dem debitorisch geführten Girokonto des Schuldners dem Ausgleich seiner eigenen Verfügungen zugunsten Dritter – Überweisungen, Dauer- und Lastschriftaufträge – diente. Die Auszahlung der zu diesem Zweck verrechneten Beträge kann der Kläger jedenfalls nicht von der verklagten Sparkasse verlangen.
Insoweit handelt es sich nicht um „Zwangsvollstreckungen” im Sinne von § 2 Abs. 4 GesO, so daß die Voraussetzungen auch für ein Aufrechnungsverbot gemäß § 394 BGB fehlen. Die Beklagte kann in diesem Umfang mit ihrem Anspruch auf Aufwendungsersatz (§ 675, 670 BGB) gegen den Herausgabeanspruch des Klägers (§ 667 BGB) aufrechnen. Die Grenzen werden erst durch das gegen Verfügungen des Schuldners selbst gerichtete Verbot nach § 2 Abs. 3 GesO gezogen.
1. Dies folgt zwar noch nicht aus dem Umstand, daß der Schuldner bei der Beklagten ein „Monatskonto” unterhielt, das anscheinend jeweils zum Monatsende, also nicht laufend nach den einzelnen Buchungen, saldiert wurde. Denn unabhängig davon hat die Beklagte eine größere Zahl von Zahlungseingängen erhalten, die für den Kläger bestimmt waren, und schuldmindernd in die Abrechnungen eingestellt. Diese Einzelvorgänge auf einem debitorisch geführten Girokonto könnten an sich durch das Auf- und Verrechnungsverbot erfaßt werden.
2. Entscheidend ist jedoch der enge wirtschaftliche, rechtliche und zeitliche Zusammenhang zwischen Gut- und Lastschriften, wenn das Kreditinstitut gemäß seiner vertraglichen Verpflichtung den Schuldner bis zu einer Kreditobergrenze über die Eingänge wieder verfügen läßt. Hier bedingt die Ausführung von Zahlungsaufträgen zugleich den Eingang ausgleichender wirtschaftlicher Werte; anderenfalls würde die Kreditlinie alsbald überschritten, mit der Folge, daß das Kreditinstitut weitere Belastungen nicht mehr zu gestatten brauchte. Allein die Gutschriften ermöglichen den weiteren Lastschriftverkehr. Beide sind auch zeitlich nicht in der Weise voneinander zu trennen, in welcher der Kläger hier die gesamte Kontoführung aufspalten will: Genauso, wie die Gutschrift den Sollsaldo des Schuldners bei der Beklagten zu verringern hilft, hat der Schuldner damit zugleich wieder den finanziellen Spielraum aufgebaut, um die nächsten Auszahlungen vornehmen zu können. Stehen beide in engem zeitlichen Zusammenhang, so erscheinen sie auch rechtlich als einheitliches Ausnutzen des Kreditrahmens. Hierbei übt der Schuldner selbst den entscheidenden Einfluß aus, inwieweit er eingehende Guthaben wieder zur Tilgung seiner Schulden gegenüber Dritten verwendet. Demgegenüber tilgt das Kreditinstitut im Ergebnis seine eigenen Kreditforderungen gegen den Schuldner nicht einmal teilweise.
a) Im Hinblick auf die Schranken des § 2 GesO ist ein solcher Gesamtvorgang vorrangig als eigene Verfügung des Schuldners im Sinne des dritten Absatzes dieser Vorschrift zu werten: Allein der Schuldner bestimmt, wie weit er den Kreditrahmen gegenüber dem Geldinstitut ausnutzt, um seine sonstigen Schulden zu erfüllen. Hierbei setzt er gezielt auch die für ihn bestimmten Eingänge auf dem Girokonto ein, um weiter geschäftlich tätig bleiben zu können. Das damit immer wieder verbundene, vorübergehende Zurückführen des Schuldsaldos durch Verrechnung mit Eingängen kann demgegenüber nicht isoliert als Zwangsvollstreckung im Sinne von § 2 Abs. 4 GesO verstanden werden. Das Kreditinstitut verringert gerade nicht durch einseitige, materiell-rechtliche „Zwangsexekution” seine eigenen Forderungen gegenüber dem Schuldner, sondern hilft ihm in einem wechselseitigen Gesamtvorgang, sein Kreditlimit einzuhalten.
Ein solches Verhalten fällt wertungsmäßig nicht unter das Vollstreckungsverbot des § 2 Abs. 4 GesO. Diese Norm soll die Gläubigergleichbehandlung sichern, indem sie einseitige Zwangszugriffe von Gläubigern auf das Schuldnervermögen verhindert. Gegen eigene Leistungen des Schuldners an Dritte sichert statt dessen vor einer Verfahrenseröffnung speziell § 2 Abs. 3 GesO.
Diese Vorschrift schützt den guten Glauben von Geschäftspartnern des Schuldners grundsätzlich solange, bis ihnen die Kenntnis von einem gegen den Schuldner erlassenen Verfügungsverbot zuzurechnen ist (vgl. § 7 Abs. 4 GesO, §§ 7, 8 KO und Senatsurt. v. 12. November 1998 - IX ZR 145/98, ZInsO 1998, 392 f, z.V.b. in BGHZ). Eine solche Kenntnis hatte die Beklagte während des gesamten hier erheblichen Zeitraums unstreitig nicht. Statt dessen sieht § 2 Abs. 4 GesO von einer Kenntnis oder einem Kennenmüssen des Empfängers nur insoweit ab, als er sich durch eigenen Zwangszugriff auf das Schuldnervermögen Sondervorteile verschafft. Gegenüber den Empfängern, die eine Leistung des Schuldners selbst erlangt haben, kann zusätzlich eine Anfechtung gemäß § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO in Betracht kommen.
b) Die gegenteilige Ansicht würde einseitig dem Kreditinstitut – nicht der Gläubigergesamtheit – das Risiko der weiteren wirtschaftlichen Tätigkeit des Schuldners nach Eingang eines Eröffnungsantrags auferlegen, ohne daß es auch nur auf eine Kenntnis vom Eröffnungsantrag ankäme. Das ist nicht gerechtfertigt. Müßte das Kreditinstitut besorgen, nach Ausführung kontokorrentmäßiger Leistungen des Schuldners von diesem keinen Aufwendungsersatz mehr insolvenzbeständig erlangen zu können, wäre es gezwungen, den Geschäftsbesorgungsvertrag sofort nach Eingang eines Eröffnungsantrags zu kündigen. Wenn es davon erführe, würde das den Schuldner unabhängig davon wirtschaftlich handlungsunfähig machen, ob der Eröffnungsantrag berechtigt ist oder nicht. Im Ergebnis könnte danach jeder – auch unzulässige oder unbegründete – Eröffnungsantrag gerade diejenige Zahlungsunfähigkeit auslösen, die er nach § 1 Abs. 1 Satz 1 GesO an sich voraussetzt. Statt dessen darf sogar ein bekanntgewordener Eröffnungsantrag das Kreditinstitut nicht ohne weiteres daran hindern, den Schuldner seinen Zahlungsverkehr jedenfalls im üblichen Rahmen weiterführen zu lassen.
3. Konkret hat der Schuldner, ausweislich des vom Kläger vorgelegten Auszugs aus dem Handelsbuch, jeweils in engem zeitlichen Zusammenhang über das Konto bei der Beklagten verfügt und hierbei auch laufend die jeweils eingegangenen Beträge wieder ausgegeben. Im gesamten fraglichen Zeitraum wurden 24 Haben-Buchungen im Betrage zwischen 37 DM und 13.587,31 DM sowie 34 Soll-Buchungen im Betrage zwischen 37 DM und 3.691,91 DM vorgenommen. Die zeitlichen Zwischenräume unterschritten stets eine Woche. Die Kontobewegungen hielten sich dicht unterhalb der Obergrenze des eingeräumten Kredits, so daß nicht festzustellen ist, ob neue Lastschriften mit Rücksicht auf die letzte oder die alsbald erwartete nächste, tilgende Gutschrift ausgeführt wurden. Folglich hat die Beklagte auf die Eingänge nicht zugegriffen. § 2 Abs. 4 GesO ist nicht erfüllt.
V.
Das angefochtene Urteil beruht danach auf einem Rechtsfehler.
1. Es erweist sich auch nicht aus einem anderen Grunde als insgesamt richtig (§ 563 ZPO). Insbesondere greift in dem unter IV genannten Umfange nicht die von dem Kläger geltend gemachte Anfechtung (§ 10 GesO) gegenüber der Beklagten durch.
a) Für eine Benachteiligungsabsicht des Schuldners im Sinne von § 10 Abs. 1 Nr. 1 GesO im Zusammenhang mit den Verrechnungen hat der Kläger nichts vorgetragen. Da der Kontokorrentverkehr vereinbarungsgemäß, also kongruent, abgewickelt wurde, fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der Schuldner die Benachteiligung seiner Gläubiger bewußt in Kauf genommen hat, indem er Eingänge auf dem von der Beklagten geführten Konto zuließ.
b) Im vorliegenden Falle kann der Senat es ferner offenlassen, ob § 10 Abs. 1 Nr. 4 GesO auch auf Rechtshandlungen von Gläubigern – wie die Aufrechnung – anwendbar ist (siehe oben III 2 c). Denn sogar wenn das zuträfe, scheidet auch nach dieser Norm eine Anfechtung kongruenter Deckungen – wie im Falle des § 30 Nr. 1, 2. Alternative KO – jedenfalls insoweit aus, als es sich um Bardeckungen handelt. Die von der Beklagten vorgenommenen Verrechnungen stellten eine einheitliche, unanfechtbare Bardeckung gegenüber den von ihr ausgeführten Verfügungen des Schuldners dar.
aa) Daß die Beklagte die Eingänge auf dem Girokonto des Schuldners gegen den Sollsaldo verrechnete, war kongruent. Aufgrund des mit dem Schuldner geschlossenen Geschäftsbesorgungsvertrages war sie dazu berechtigt und verpflichtet.
bb) Ein im Wege der Deckungsanfechtung unangreifbares Bargeschäft liegt vor, wenn für eine Leistung des Schuldners unmittelbar und absprachegemäß eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen gelangt (BGHZ 118, 171, 173; 123, 320, 323 f; vgl. auch § 142 InsO). Als Grundlage genügt der Kontokorrentvertrag des Schuldners mit dem Geldinstitut; eine besondere, zweiseitige Absprache über jede Gut- oder Lastschrift ist nicht nötig (Jaeger/Henckel, KO 9. Aufl. § 30 Rdnr. 277; a. M. von Usslar BB 1980, 916, 919; Dampf KTS 1998, 145, 166). Ferner ist es unerheblich, ob die Sicherung des Kreditinstituts früher entsteht als die Forderung gegen den Gemeinschuldner aus der Ausführung der Überweisungsaufträge (Jaeger/ Henckel aaO), sofern beide wenigstens in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgen.
Dementsprechend hat der Bundesgerichtshof eine unanfechtbare Bardeckung angenommen, wenn der Schuldner seiner Bank Kundenforderungen im Lastschrifteinzugsverfahren abtritt und diese damit den Sollsaldo des Schuldners auf dem Kontokorrentkonto verringert, von dem er auch laufend Auszahlungen tätigt (BGHZ 70, 177, 184 f; Canaris, in: Staub, Großkommentar zum HGB, 4. Aufl. Bankvertragsrecht Rdnr. 653). Gleiches wird für Zahlungseingänge aufgrund von Wechseleinzugsaufträgen angenommen (M. Obermüller, in: Festschrift Fuchs S. 157, 161 f).
Für den laufenden Zahlungsverkehr auf einem debitorisch geführten Girokonto gilt grundsätzlich dasselbe (ebenso Jaeger/Henckel aaO; Canaris aaO Rdnr. 499; M. Obermüller, Insolvenzrecht in der Bankpraxis, 5. Aufl., Rdnr. 3.104). Im vorliegenden Fall erfolgten die Gutschriften in unmittelbarem zeitlichen Wechsel mit den Belastungen, und sie verhinderten insgesamt, daß die Kreditobergrenze überschritten wurde (s.o. IV 3.). Ob eine Bardeckung dann nicht anzunehmen ist, wenn das Kreditlimit ohne die Gutschriften zu keiner Zeit überschritten würde (so Jaeger/Henckel, von Usslar und Dampf, jeweils aaO), braucht deshalb hier nicht entschieden zu werden. Soweit die Insolvenzgläubiger durch den einheitlichen Überweisungsverkehr benachteiligt wurden, führten dazu letztlich die Auszahlungen an die einzelnen Empfänger, nicht die Gutschriften der Beklagten.
2. Der Senat ist zu einer eigenen abschließenden Entscheidung (§ 565 Abs. 3 Nr. 1 ZPO) nicht in der Lage. Nach der Darstellung des Klägers hat die Beklagte am 31. März 1995 unter anderem zwei Beträge von zusammen 5.285,66 DM für Zinsen und Tilgung (Schlüsselzahl 43) abgebucht. Sollte sie sich insoweit wegen eigener Gegenforderungen selbst Deckung durch Auf- oder Verrechnung verschafft haben, könnte dem § 2 Abs. 4 GesO in Verbindung mit § 394 BGB entgegenstehen (siehe oben III). Da die Parteien hierzu sowie zu möglichen weiteren eigennützigen Verrechnungen der Beklagten bisher nicht Stellung genommen haben, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dieses wird auf der Grundlage der unter IV. entwickelten Abgrenzung festzustellen haben, ob Aufrechnungen der Beklagten im Sinne von § 2 Abs. 4 GesO wenigstens einen Teil der Klageforderung ausmachen.
Unterschriften
Paulusch, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 25.02.1999 durch Bürk Justizhauptsekretärin als Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 539332 |
DB 1999, 1256 |
NJW 1999, 3264 |
EBE/BGH 1999, 156 |
EWiR 1999, 789 |
KTS 1999, 357 |
Nachschlagewerk BGH |
WM 1999, 781 |
WuB 1999, 773 |
ZAP-Ost 1999, 328 |
ZIP 1999, 665 |
InVo 1999, 209 |
MDR 1999, 818 |
NJ 1999, 537 |
NZI 1999, 194 |
ZInsO 1999, 289 |
ZBB 1999, 173 |