Leitsatz (amtlich)
Empfiehlt ein Rechtsanwalt in engem innerem Zusammenhang mit einer von ihm ausgeübten rechtlichen Beratung pflichtwidrig eine nachteilige Vermögensanlage, so verjährt ein vertraglicher Schadensersatzanspruch des Mandanten nach § 51 BRAO in drei Jahren.
Normenkette
BGB § 675; BRAO § 51
Verfahrensgang
OLG Koblenz (Urteil vom 15.01.1993) |
LG Trier |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 8. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Koblenz vom 15. Januar 1993 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an den 5. Zivilsenat des Berufungsgerichts zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Kläger verlangt aus abgetretenem Recht seiner Mutter vom Beklagten, einem Fachanwalt für Steuerrecht, Schadensersatz wegen nachteiliger Empfehlung einer Vermögensanlage.
Der Beklagte beriet die Mutter des Klägers etwa von Anfang 1983 an in steuerrechtlichen Fragen, die anläßlich einer Erbschaft sowie bei der Fortführung der gewerblichen Tätigkeit des Erblassers auftraten. Durch Hinweis des Beklagten und/oder seines damaligen Mitarbeiters L. wurde die Mutter des Klägers auf eine Investitionsmöglichkeit aufmerksam, mit welcher der Anlageberater J. seine wirtschaftliche Sanierung anstrebte und eine Gewinnbeteiligung, mindestens aber Jahreszinsen von 10,4 bis 13,1 % versprach. Am 9./10. Juni 1983 schloß die Mutter des Klägers - unter Mitwirkung des Beklagten oder L.s - einen Investitionsvertrag mit J. ab, dem sie daraufhin ein Darlehen von 200.000 DM gewährte.
Der Beklagte ließ sich von den Eheleuten J. unter dem Datum "13. Juni 1982" treuhänderisch zur Sicherung des Rückzahlungsanspruchs der Mutter des Klägers eine Eigentümer-Briefgrundschuld über 250.000 DM abtreten. Dieser Grundschuld ging eine andere wegen eines Betrages von 1,4 Mio DM zuzüglich Zinsen im Range vor. J. geriet in Vermögensverfall. Bei der Versteigerung des Grundstücks im Sommer 1986 fiel die inzwischen an die Mutter des Klägers weiter abgetretene zweitrangige Grundschuld aus.
Mit Schreiben vom 18. Oktober 1985 verzichtete der Beklagte gegenüber der Mutter des Klägers auf die Einrede der Verjährung für die Zeit bis drei Monate nach Abschluß des Zwangsversteigerungsverfahrens (23. September 1986). Ab 22. September 1987 verzichtete der Beklagte weiter auf die Verjährungseinrede „insoweit, als nicht bereits hinsichtlich evtl. Schadensersatzansprüche Verjährung eingetreten sein sollte”.
Mit der am 27. Dezember 1989 eingereichten und am 15. Januar 1990 zugestellten Klage macht der Kläger den von J. nicht zurückgezahlten Betrag zuzüglich Zinsen geltend. Das Landgericht hat die Klage abgewiesen, das Oberlandesgericht hat ihr in Höhe von 224.572,34 DM nebst Zinsen stattgegeben. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten.
Entscheidungsgründe
Das Rechtsmittel hat Erfolg.
I.
Das Berufungsgericht hat ausgeführt: Der Mutter des Klägers habe ein Schadensersatzanspruch wegen Schlechterfüllung vertraglicher Nebenpflichten aus einem mit dem Beklagten bestehenden Beratungsvertrag im Hinblick auf die „Anlegung” von 200.000 DM zugestanden. Der Beklagte oder sein „Steuerbüro” sei zu jener Zeit für die Mutter des Klägers im Zusammenhang mit einem möglichen Weiterbetrieb des von ihr ererbten Unternehmens tätig gewesen. Der Beklagte habe in Kenntnis der wirtschaftlichen Verhältnisse J. zur Investition zugeraten, ohne zugleich mit der gebotenen Intensität für eine erforderliche und zugesagte Sicherheit zu sorgen. Derartige Ersatzansprüche verjährten erst in 30 Jahren.
II.
Soweit das Berufungsgericht annimmt, der Beklagte habe mit der Mutter des Klägers einen Vertrag zur Beratung über die Investition von 200.000 DM abgeschlossen, werden in der Revisionsinstanz mit Recht keine Rügen erhoben. Ansprüche aus einem derartigen Vertrag sind jedoch nach dem Vortrag des Beklagten - mit dem sich das Berufungsgericht insoweit nicht befaßt hat und der deshalb für das Revisionsverfahren zugrunde zu legen ist - verjährt (§ 222 Abs. 1 BGB).
Gemäß § 51 BRAO verjährt der Anspruch des Auftraggebers auf Schadensersatz aus dem zwischen ihm und dem Rechtsanwalt bestehenden Vertragsverhältnis in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in dem der Anspruch entstanden ist, spätestens jedoch in drei Jahren nach Beendigung des Auftrags.
1. Die Vorschrift ist im vorliegenden Falle anzuwenden, weil die Beratung im Rahmen eines Anwaltsdienstvertrages (§§ 675, 611 BGB) erfolgte.
a) Allerdings ist unter einem "Vertragsverhältnis" im Sinne des § 51 BRAO nur ein solches zu verstehen, in welchem der Anwalt gemäß § 3 Abs. 1 BRAO als Berater und Vertreter in Rechtsangelegenheiten tätig wird (BGHZ 46, 268, 270 ff; 53, 394, 396; BGH, Urt. v. 29. Juni 1972 – VII ZR 184/71, VersR 1972, 1052, 1053 unter II 1; Jessnitzer, BRAO 5. Aufl. § 51 Rdn. 1). Bei der Anlageberatung stehen normalerweise nicht Rechtsfragen, sondern wirtschaftliche Zweckmäßigkeiten im Vordergrund; sie unterliegt eigenen Regeln.
Ein Vertragsverhältnis gemäß § 51 BRAO setzt jedoch nicht voraus, daß die Rechtsberatung in jedem Einzelfalle den überwiegenden Umfang der gesamten Anwaltstätigkeit ausmachen müßte. Vielmehr ist bei einer umfassend angelegten Tätigkeit des Beraters und bei Fehlen einer besonderen Parteivereinbarung entscheidend, wo nach dem Willen der Beteiligten der Schwerpunkt der vertraglichen Verpflichtungen liegen soll. Dieselbe Abgrenzung ist letztlich maßgeblich dafür, welchen Verjährungsvorschriften die Tätigkeit eines Mehrfachberuflers unterstellt wird (vgl. BGHZ 83, 328, 332; 102, 220, 223; BGH, Urt. v. 25. März 1987 – IVa ZR 250/85, WM 1987, 928, 929; Gräfe/Lenzen/Rainer, Steuerberaterhaftung 2. Aufl. Rdn. 869). Ein Anwaltsvertrag kann deshalb zugleich andersartige Maßnahmen umfassen, falls sie in einem engen inneren Zusammenhang mit einer rechtsberatenden Tätigkeit stehen und jedenfalls allgemein auch Rechtsfragen aufwerfen können (vgl. BGHZ 18, 340, 346; 57, 53, 55 f; BGH, Urt. v. 14. Juni 1962 – VII ZR 258/60, VersR 1962, 801, 802; v. 16. Februar 1977 – IV ZR 55/75, WM 1977, 551, 552 unter I).
b) Die Anlageberatung kann in diesem Sinne Rechtsfragen umfassen. Das gilt allgemein dafür, ob das Anlagemodell rechtswirksam und anlegergünstig ausgestaltet ist. Vor allem stellen sich rechtliche Probleme oft - und gerade im vorliegenden Falle - im Hinblick auf die Sicherheiten für Investitionen, also dahin, ob eine Absicherung geboten wird, die aus rechtlicher Sicht das Risiko des Anlegers ausschließt oder verringert. Von der Art der Tätigkeit her kann deshalb die Anlageberatung allgemein auch zum Gegenstand einer Rechtsberatung werden (vgl. für die treuhänderische Verwaltung von Vermögensbeteiligungen durch einen Rechtsanwalt BGHZ 120, 157, 159 f).
c) Die Mutter des Klägers hatte den beklagten Fachanwalt für Steuerrecht mit der Beratung in steuerrechtlichen Fragen anläßlich eines Erbfalles sowie mit der Erteilung von allgemeinem Rechtsrat im Zusammenhang mit der Betriebsfortführung beauftragt. Auch Steuerberatung gehört zum typischen Berufsbild des Rechtsanwalts. Nach § 3 Abs. 1 BRAO ist er der berufene unabhängige Berater und Vertreter in allen Rechtsangelegenheiten. § 42 a Abs. 2 BRAO hebt das Steuerrecht als Gebiet für den Erwerb besonderer Kenntnisse durch den Rechtsanwalt hervor. § 3 Nr. 2 StBerG stellt zudem klar, daß Rechtsanwälte zur geschäftsmäßigen Hilfeleistung in Steuersachen befugt sind. Die Parteien bezweifeln deshalb mit Recht nicht, daß der Beklagte insoweit vertraglich als Rechtsanwalt tätig war.
d) Die Anlageberatung stand gemäß den Behauptungen des Beklagten in einem engen inneren Zusammenhang mit der spezifischen Anwaltstätigkeit. Danach hatte der Beklagte durch seine rechtliche Beratung erfahren, daß die Mutter des Klägers aufgrund von Lebensversicherungen einen größeren Geldbetrag erhalten hatte, den sie erst in einigen Jahren für die Erbauseinandersetzung benötigen würde. Sie sprach den Beklagten auf „Anlageformen mit hohen Renditeerwartungen” an (S. 2 seines Schriftsatzes v. 19. März 1990 = Bl. 73 GAr S. 2 seines Schriftsatzes v. 31. Mai 1990 = Bl. 109 GA). Daraufhin machte dieser sie auf J. Anlagemodell aufmerksam.
aa) Anlageberatung gehört zu den Aufgaben, die bei einer Steuerberatung oft mit anfallen. Das gilt vorrangig, aber nicht nur für die Auswahl steuersparender Anlagen. Daß auch anderer insbesondere Banken, Vermögensberatung betreiben, steht der Annahme eines inneren Zusammenhangs zwischen Steuer- und Anlageberatung nicht entgegen.
Deshalb unterliegen Ansprüche wegen fehlerhafter Beratung bei steuersparenden Anlagen durch einen Steuerberater der dreijährigen Verjährungsfrist nach § 68 StBerG (Späth in Bonner Handbuch der Steuerberatung Rdn. B 1003 m.w.N.; vgl. Senatsurt. v. 7. Mai 1991 – IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1305). Für den in der Steuerberatung tätigen Rechtsanwalt gilt sinngemäß dasselbe: ist er zugleich Steuerberater und handelt er als solcher, so greift § 68 StBerG ein (BGHZ 83, 320, 322 f); ist er – wie der Beklagte – nur Rechtsanwalt, dann ist § 51 BRAO anwendbar (ebenso im Ergebnis BGH, Urt. v. 20. Februar 1968 – VI ZR 24/66, VersR 1968, 792, 795 unter V; Schlund BB 1984, 1437, 1441; wohl auch Borgmann/Haug, Anwaltshaftung 2. Aufl. § 62, S. 20 und § 481 a, S. 261). Dementsprechend hat der Senat schon in anderem Zusammenhang die Anlageberatung durch einen steuerlich beratenden Rechtsanwalt zum Inhalt des Anwaltsvertrages gerechnet (Urt. v. 22. Oktober 1987 - IX ZR 175/86, NJW 1988, 563, 565 f).
bb) Rät der Anwalt zu anderen als steuersparenden Anlagen, so ist ein enger, innerer Zusammenhang mit seiner steuerberatenden Tätigkeit zwar nicht in gleicher Weise offensichtlich, sondern für jeden Einzelfall näher darzulegen. Er kann sich insbesondere daraus ergeben, daß der Berater aufgrund seiner fachlichen Tätigkeit Möglichkeiten zu günstigen Vermögensanlagen kennt, die wirtschaftlich gerade dem Mandanten in seiner besonderen Lage nützen können. Einer ausdrücklichen Frage des Mandanten oder einer entsprechenden Beratungspflicht des Anwalts bedarf es dazu nicht notwendigerweise. Vielmehr ist ein enger, innerer Zusammenhang schon dann zu bejahen, wenn sich ein wirtschaftlich denkender, die Interessen seines Mandanten umfassend berücksichtigender Rechtsanwalt aufgrund der Erörterung der Einkommens- und Vermögensverhältnisse im Rahmen des erteilten Auftrags herausgefordert fühlen darf, zur Vermögensanlage zu raten. Denn § 51 BRAO soll den Rechtsanwalt davor bewahren, durch die Folgen berufstypischer Risiken in nicht überschaubarer Weise auf unangemessen lange Zeit wirtschaftlich bedroht zu werden (BGHZ 94, 380, 387 m.w.N.). Ein solches berufstypisches Risiko verwirklicht sich bereits, wenn ein auch fremdnützig denkender Rechtsanwalt aufgrund des Gesamtzusammenhangs seiner Beratung - über seine Vertragspflichten hinaus - erfahrungsgemäß annehmen darf, dem Mandanten durch einen weiterführenden Rat gezielt zu dienen, aber hierdurch im Ergebnis ein Schaden eintritt. Den Schutz der kurzen Verjährungsfrist genießt nicht nur derjenige Fachberater, der gerade eben seine Vertragspflichten erfüllen, sondern auch derjenige, der in objektiv naheliegender Weise weitergehend helfen will.
Ein Zusammenhang in jenem Sinne besteht, wenn der Beklagte – gemäß seiner Darstellung – eine mittelfristige Anlage mit vermeintlich hoher Rendite empfohlen hat, weil er erfahren hatte, daß die Mutter des Klägers über Bargeld verfügte, das sie voraussichtlich erst nach der Laufzeit der Anlage für eine Erbauseinandersetzung benötigte.
Hierbei kommt es nicht entscheidend darauf an, ob die Anlageberatung rechtlich Bestandteil eines umfassenden Anwaltsdienstvertrages oder Gegenstand eines gesonderten Vertrages war. Wesentlich ist allein ihre enge inhaltliche Verbindung mit der Steuerberatung, so daß sie bei lebensnaher Betrachtung aus Sicht der Parteien in diese eingebettet blieb. Aus gleichartigen Gründen ist der Umstand unerheblich, daß die Parteien nichts über eine Vergütung des Beklagten anläßlich der Anlageberatung vorgetragen haben. Dies kann im übrigen auf Ursachen beruhen, die nicht gegen die Annahme eines Beratungsvertrages sprechen.
e) Der Senat setzt sich mit dieser Entscheidung nicht in Widerspruch zum Urteil des Bundesgerichtshofs vom 17. April 1980 (III ZR 73/79, NJW 1980, 1855, 1856). In dem dort entschiedenen Fall machten die Verwertung von Grundbesitz und die Anlegung des Erlöses selbständig die Tätigkeit des Rechtsanwalts aus; der Bundesgerichtshof hat angenommen, die rechtliche Betreuung sei daneben ganz unwesentlich. Im jetzt zu entscheidenden Fall stand hingegen die umfassende beratende Tätigkeit des Beklagten anläßlich des Erbfalles im Vordergrund; die Anlagevermittlung war mit ihr zeitlich und sachlich eng verbunden.
2. Die Verjährungsfrist nach § 51 BRAO begann in dem Zeitpunkt, als der Mutter des Klägers der Schaden entstand.
a) Das war in der ersten Junihälfte 1983, als die Mutter des Klägers sich gemäß dem Investitionsvertrag verpflichtet und 200.000 DM an J. gezahlt hatte. Hat ein Mandant infolge fehlerhafter Beratung eine nachteilige Vermögensanlageentscheidung getroffen, dann beginnt die Verjährungsfrist in dem Zeitpunkt, zu welchem der Mandant sein Geld weggegeben hat und an das Beteiligungsobjekt rechtlich unwiderruflich gebunden ist, so daß er eine Vermögenseinbuße auch tatsächlich nicht mehr vermeiden kann (vgl. Senatsurt. v. 7. Mai 1991 - IX ZR 188/90, WM 1991, 1303, 1305). Etwas anderes kann gelten, wenn das Unternehmen, in welches der Beratene investiert, anfangs noch wirtschaftlich gesund ist und der Anleger vor der Vermögensverschlechterung rechtlich und tatsächlich wenigstens die Möglichkeit hat, seine Einlagen abzuziehen. Auf eine solche Fallgestaltung bezieht sich die Entscheidung des IVa-Zivilsenats des Bundesgerichtshofs, der Investierende sei erst dann geschädigt, "wenn der zu befürchtende Vermögensverlust oder dessen konkrete Gefahr tatsächlich eintritt" (BGHZ 83, 328, 333 f). Denn solange das empfohlene Unternehmen sich zwar in gewissen wirtschaftlichen Schwierigkeiten befindet, aber die ihm obliegenden Zahlungen wenigstens im wesentlichen noch leistet, ist die Vermögensanlageentscheidung objektiv nicht ohne weiteres nachteilig.
Derartige Zweifel bestanden hier nicht: Bei der gebotenen wertenden Betrachtungsweise war das Vermögen der Mutter des Klägers schon mit der Übergabe des Geldes gemindert, nicht nur gefährdet. Das von ihr gewährte partiarische Darlehen war bis Jahresende 1985 unkündbar. Beide Parteien gehen übereinstimmend davon aus, daß der angestrebte Sanierungserfolg bei J. objektiv zu keiner Zeit erzielt wurde. Er konnte schon die nach einem halben Jahr fällig werdende erste Zinsrate nicht leisten. Die als Sicherung dienende Grundschuld war wirtschaftlich wertlos.
Die Verjährungsfrist lief demgemäß Mitte Juni 1986 ab.
b) Allerdings hatte der Beklagte inzwischen zugesichert, auf die Verjährungseinrede für die Zeit bis drei Monate nach Abschluß des Zwangsversteigerungsverfahrens über das als Sicherheit dienende Grundstück J. zu verzichten. Dieses Verfahren endete unstreitig mit der Auskehr des Erlöses am 23. September 1986. Spätestens zwei Tage später erhielt die Mutter des Klägers die Nachricht, daß ihre Grundschuld nicht berücksichtigt worden war.
Der Beklagte war deshalb nach Ablauf des 23. Dezember 1986 nicht mehr gemäß § 242 BGB gehindert, sich auf den Eintritt der Verjährung zu berufen. Soweit er ab September 1987 nochmals auf diese Einrede verzichtet hat, geschah das unstreitig unter dem Vorbehalt, daß die Verjährung noch nicht eingetreten sei. Ein Schadensersatzanspruch der Mutter des Klägers war aber, wie ausgeführt, schon verjährt.
Der Beklagte verstößt mit der Einrede der Verjährung auch nicht deswegen gegen Treu und Glauben, weil er bis zum Jahresende 1989 weiter das Mandat für die Mutter des Klägers oder das fortgeführte Unternehmen ausübte. Dieses Mandat wurde ungeachtet der seit 1985 bestehenden Meinungsverschiedenheiten über eine Ersatzpflicht des Beklagten wegen der Investitionsberatung aufrechterhalten. Es hinderte den Kläger oder seine Mutter nicht, wegen des jetzt streitigen Anspruchs Klage zu erheben. Umgekehrt verbietet es dem Beklagten nach Treu und Glauben nicht die Verjährungseinrede.
3. Der Beklagte ist ferner nicht unter dem Gesichtspunkt der Sekundärhaftung gehindert, die Verjährungseinrede zu erheben. Zwar ist ein Rechtsanwalt grundsätzlich verpflichtet, auf die gegen ihn bestehenden Regreßansprüche sowie deren Verjährung den Mandanten aus gegebenen Anlaß hinzuweisen; unterläßt der Rechtsanwalt das, so macht er sich erneut mit der Wirkung schadensersatzpflichtig, daß er sich auf den Verjährungseintritt nicht berufen darf (BGHZ 94, 380, 385 f).
Die Pflicht des Rechtsanwalts zur Belehrung über die Verjährung eines gegen ihn bestehenden Regreßanspruchs entfällt aber, wenn der Mandant rechtzeitig vor Ablauf der Verjährungsfrist im Hinblick auf die Regreßfrage anwaltlich beraten wird (BGH, Urt. v. 26. Februar 1985 - VI ZR 144/83, NJW 1985, 1151, 1152) oder auf sonstige Weise über den Schadensersatzanspruch und dessen Verjährung sichere Kenntnis erhält (Senatsurt. v. 18. September 1986 - IX ZR 204/85, NJW 1987, 326, 327). Hat ein anderer Rechtsanwalt mit Wissen und Wollen des Mandanten rechtzeitig den Regreßanspruch angemeldet, so entfällt die Hinweispflicht des in Anspruch genommenen Anwalts sogar dann, wenn diesem nicht bekannt ist, ob der Mandant auch über die Vorschrift des § 51 BRAO zutreffend belehrt worden ist (Senatsurt. v. 14. November 1991 – IX ZR 31/91, WM 1992, 579, 581 f).
So lag der Fall hier. Mit Schreiben vom 7. Oktober 1985 hatte Rechtsanwalt Ja. im Auftrage der Mutter des Klägers den Beklagten um Aufklärung hinsichtlich der fraglichen Investition gebeten. Die Mutter machte Schadensersatzansprüche wegen Falschberatung geltend (S. 21 der Klageschrift – Bl. 21 GA). Nach einem Schriftwechsel verzichtete der Beklagte mit Schreiben vom 18. Oktober 1985, wie ausgeführt, befristet auf die Verjährungseinrede. Aus der insoweit maßgeblichen Sicht des Beklagten stand damit fest, daß die Mutter des Klägers in dieser Hinsicht nicht weiter aufklärungsbedürftig war. Die Überwachung der Verjährungsfrist oblag fortan der Mutter des Klägers und ihren neuen Rechtsberatern.
III.
Das angefochtene Urteil erweist sich nach dem derzeitigen Sachstand nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 563 ZPO). Insbesondere haftet der Beklagte dem Kläger nicht ohne weiteres aufgrund anderer Anspruchsgrundlagen, für die eine längere Verjährungsfrist gelten könnte.
1. Die Voraussetzungen einer sogenannten Prospekthaftung des Beklagten hat der Kläger nicht dargetan. Weder gehörte der Beklagte zu den für die Herausgabe des Prospekts Verantwortlichen noch war er im Prospekt namentlich als für dessen Richtigkeit Verantwortlicher aufgeführt (vgl. zu diesen Voraussetzungen BGHZ 77, 172, 175 f; 79, 337, 340 f; 83, 222, 223 f). Im übrigen wären auch derartige Ansprüche längstens in drei Jahren nach Abschluß des Vertrages verjährt (BGHZ 83, 222, 226).
2. Entgegen der Meinung des Klägers hat der Beklagte nach dem unstreitigen Sachverhalt keine umfassende Treuhänderstellung hinsichtlich der Investition (vgl. dazu BGHZ 84, 141, 143 ff) ausgeübt. Er hat lediglich die zur Sicherung bestellte Grundschuld treuhänderisch für die Mutter des Klägers gehalten, ohne daß gegen ihn insoweit Vorwürfe erhoben würden.
Es kommt deshalb nicht mehr entscheidend darauf an, daß auch Ansprüche gegen Rechtsanwälte als Treuhänder gemäß § 51 BRAO in drei Jahren verjähren (BGHZ 120, 157, 159 f).
IV.
Der Senat ist nicht zu einer eigenen abschließenden Entscheidung in der Lage, weil noch tatsächliche Feststellungen erforderlich sind (§ 565 Abs. 1 ZPO).
1. Der Kläger bestreitet die Behauptungen der Gegenseite, aus denen sich ein innerer Zusammenhang der Anlage mit der Rechtsberatung ergibt.
a) Nach der Darstellung des Klägers hat der Beklagte gegen Provision die Vermittlung von Investoren für J. übernommen. Er hat deshalb aus eigener Initiative die Mutter des Klägers auf die Geldanlage angesprochen.
Trifft das zu, so bot die Rechtsberatung dem Beklagten nur die Gelegenheit, eigene Geschäfte zu fördern. Solche fallen dann nicht unter § 51 BRAO.
Die Beweislast für das Vorliegen der Verjährungsvoraussetzungen trägt der Beklagte.
b) Auf die Frage, ob der Beklagte eine Vertragsverletzung begangen hat, kommt es danach für das Revisionsverfahren nicht entscheidend an.
Für das weitere Verfahren wird jedoch darauf hingewiesen, daß eine fahrlässige Vertragsverletzung in Betracht käme, wenn der Beklagte das ihm angeblich vorliegende Gutachten des Sachverständigen D. vom 12. Dezember 1982 ungeprüft der Beratung zugrunde gelegt hätte. Der Beklagte schuldete als alleiniger Fachberater nicht nur die neutrale Vermittlung einer Anlagemöglichkeit, sondern neben einer umfassenden Information die fachkundige Bewertung der Kapitalanlage für die Zwecke der Interessentin (zur Abgrenzung vgl. BGH, Urt. v. 27. September 1988 – XI ZR 4/88, NJW-RR 1989, 150 unter 1 b; v. 13. Mai 1993 – III ZR 25/92, WM 1993, 1238, 1239; Hoegen in Festschrift für Stimpel S. 247, 249 ff). Hierbei hätte ihm auffallen müssen, daß das Gutachten von Jahreserträgen von 71.470,80 DM für das Einfamilienhaus J. ausging. Als Anlageberater hätte der Beklagte erwägen müssen, inwiefern eine Monatsmiete von fast 6.000 DM realistisch und die Mutter des Klägers auf hieraus sich ergebende Zweifel hinzuweisen war.
2. Nicht verjährte Ansprüche des Klägers kommen weiter unter folgenden beiden Gesichtspunkten in Betracht:
a) Der Kläger hat behauptet, der Beklagte habe seiner Mutter erklärt, er wolle persönlich für die Rückzahlung des Investitionsbetrages haften. Das Landgericht hat nach Beweisaufnahme eine solche selbständige Garantieverpflichtung des Beklagten nicht für bewiesen gehalten. Das Berufungsgericht hat dazu - gemäß seinem Ansatz folgerichtig - nicht Stellung genommen. Dies wird es nachzuholen haben. Soweit es die Beweise anders würdigen will als das Landgericht, wird es die Zeugen erneut vernehmen müssen.
b) Ferner ergibt das Vorbringen des Klägers eine Haftung des Beklagten aus § 826 BGB.
Der Kläger behauptet, der Beklagte habe J. schlechte Vermögenslage gekannt und diesem gegen Provisionen Investoren vermittelt. Er habe aus eigener Initiative die Mutter des Klägers angesprochen und ihr die Investition wider besseres Wissen als erstrangig abgesichert und risikolos geschildert. Über das Sanierungsbedürfnis J. habe er bewußt nicht aufgeklärt. Nimmt man hinzu, daß der Beklagte bei derartigen Erklärungen besonderes Vertrauen als Fachberater für sich in Anspruch genommen hätte, so wären die Voraussetzungen einer vorsätzlichen sittenwidrigen Schädigung erfüllt.
Der Beklagte bestreitet diese Vorwürfe. Das ist erheblich, weil ihm gemäß seiner Darstellung nicht einmal eine leichtfertig falsche Beratung zur Last fällt. Danach hat er angenommen, J. habe sich nur vorübergehend wegen einer Pflicht zur Nachentrichtung von Umsatzsteuer in einem Liquiditätsengpaß befunden, doch seien J. mittelfristige Gewinnaussichten günstig gewesen. Auf das Sanierungsbedürfnis J. sei die Mutter des Klägers hingewiesen worden. Zudem habe er, Beklagter, die zweitrangige Grundschuld, die das von der Mutter des Klägers gewährte Darlehen vereinbarungsgemäß absichern sollte, aufgrund eines vorliegenden Sachverständigengutachtens als werthaltig angesehen. Soweit der Vorwurf der Sittenwidrigkeit unter Umständen auch auf ein grob fahrlässiges, gewissenloses Verhalten gestützt werden kann, genügt es dazu jedenfalls nicht, wenn der Beklagte die Zuverlässigkeit des Gutachtens nicht überprüft (s.o. 1 b) hat.
Ein unter diesem Gesichtspunkt begründeter Schadensersatzanspruch des Klägers verjährt gemäß § 852 Abs. 1 BGB erst in drei Jahren von dem Zeitpunkt an, in welchem der Verletzte von dem Schaden und der Person des Ersatzpflichtigen Kenntnis erlangt. Kenntnis vom Schaden hätte die Mutter des Klägers nicht schon zu Jahresanfang 1984 gehabt, als die erste, vertraglich geschuldete Zinsrate nicht gezahlt wurde. Vielmehr kennt der Geschädigte seinen Schaden erst, wenn er mit einem Ausfall seines Anspruchs oder eines Teiles davon rechnet. Insoweit könnte hier auch ein Vertrauen der Mutter des Klägers erheblich sein, daß sie durch die Grundschuld in vollem Umfange gesichert sei. Der insoweit darlegungsbelastete Beklagte hat nicht vorgetragen, daß die Mutter des Klägers vor dem 22. September 1984 ihren Schaden in vorbezeichnetem Sinne erkannt habe. Vom 22. September 1987 an hat der Beklagte sodann durchgehend auf die Erhebung der Verjährungseinrede verzichtet. Zudem wäre in diesem Zusammenhang auch § 852 Abs. 2 BGB zu beachten.
3. Zu den erforderlichen Feststellungen ist der Rechtsstreit an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Dabei hat der Senat von der Möglichkeit des § 565 Abs. 1 Satz 2 ZPO Gebrauch gemacht.
Unterschriften
Brandes, Kirchhof, Fischer, Zugehör, Ganter
Fundstellen
BB 1994, 599 |
NJW 1994, 1405 |
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