Leitsatz (amtlich)
a) Der eine GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter haftet entsprechend den §§ 302, 303 AktG, wenn er die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließe (Klarstellung zu BGHZ 115, 187).
b) Die dauernde und umfassende Ausübung der Leitungsmacht durch das herrschende Unternehmen begründet nicht die Vermutung, daß keine angemessene Rücksicht auf die Belange der abhängigen Gesellschaft genommen worden ist. Der Kläger hat vielmehr Umstände darzulegen und zu beweisen, die eine solche Annahme nahelegen. Dabei können ihm entsprechend den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen Erleichterungen hinsichtlich seiner Substantiierungslast eingeräumt werden, soweit das herrschende Unternehmen im Gegensatz zum Kläger die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zumutbar ist.
Normenkette
AktG 1965 §§ 302-303
Verfahrensgang
OLG Oldenburg (Oldenburg) (Urteil vom 07.10.1991) |
LG Oldenburg |
Tenor
Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des 13. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Oldenburg vom 7. Oktober 1991 aufgehoben.
Die Sache wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen
Tatbestand
Der Beklagte, der Inhaber der – im Handelsregister eingetragenen – Einzelfirma „T. Wirtschafts- und Finanzberatung” ist, war als Gesellschafter neben seiner Ehefrau, der früheren Beklagten zu 2, an der GV G.gesellschaft mbH, der G. Fertigbau GmbH und der T. E. I. F. KG (insoweit als persönlich haftender Gesellschafter) beteiligt. Die erstgenannte GmbH war persönlich haftende Gesellschafterin, die an zweiter Stelle genannte war Kommanditistin der GV G.gesellschaft mbH & Co. KG. Die Ehefrau des Beklagten war außerdem Alleingesellschafterin der T. Baubetreuungsgesellschaft mit beschränkter Haftung (TBB). Der Beklagte war alleiniger Geschäftsführer dieser letzteren Gesellschaft und der GV G.gesellschaft mbH sowie Mitgeschäftsführer der G. Fertigbau GmbH. Sämtliche Gesellschaften sind inzwischen vermögenslos. Für die drei Gesellschaften mit beschränkter Haftung gestellte Konkursanträge wurden im Jahre 1985 mangels Masse zurückgewiesen. Die T. E. I. F. KG wurde im Jahre 1986, die GV G.gesellschaft mbH & Co. KG im Jahre 1987 aufgelöst.
Der Klägerin steht aus einem am 27./31. Januar 1984 über ein Bauvorhaben A.straße geschlossenen Bauvertrag für Maurer- und Betonarbeiten eine Restforderung von 68.521,80 DM zu. Der Bauvertrag weist als Auftraggeber die „Bauherrengemeinschaft A.straße, vertreten durch Peter T.”, also den Beklagten, aus; dieser hat ihn für die Auftraggeberseite unterschrieben. Weitere 43.100,– DM hat die Klägerin aus einem Bauvorhaben R.straße zu beanspruchen. Der diesbezügliche Bauvertrag wurde am 2. Oktober 1984 mit der TBB geschlossen; das Bauvorhaben konnte wegen des Zusammenbruchs dieser Gesellschaft nicht realisiert werden. Schließlich stehen aus einem Bauvorhaben W.straße noch 54.875,31 DM offen. Der hierüber am 30. November 1982 geschlossene Bauvertrag weist als Auftraggeber eine „T. GmbH” aus.
Die Klägerin nimmt – teilweise aus abgetretenem Recht – wegen des Gesamtbetrages von 166.497,11 DM den Beklagten persönlich unter verschiedenen rechtlichen Gesichtspunkten auf Zahlung in Anspruch. Die Vorinstanzen haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Da der Kläger in der mündlichen Revisionsverhandlung nicht vertreten war, ist durch Versäumnisurteil, jedoch aufgrund umfassender Sachprüfung zu entscheiden (BGHZ 37, 79, 81 f.). Die Revision führt danach zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Berufungsgericht.
I. Bauvorhaben Alexanderstraße:
1. Die Vorinstanzen sind davon ausgegangen, daß der Vertrag mit der Bauherrengemeinschaft (als Gesellschaft bürgerlichen Rechts), vertreten durch den Beklagten persönlich, zustande gekommen sei. Die Revision greift das unter Hinweis darauf an, daß der Unterschrift des Beklagten auf der von ihm vorgelegten Vertragskopie der Stempelaufdruck „T. Baubetreuungsges. mbH” hinzugefügt ist. Sie meint, im Hinblick auf diesen Zusatz komme der Auftraggeberbezeichnung im oberen Teil des Vertragsformulars keine Bedeutung zu; Vertragspartner der Rechtsvorgängerin der Klägerin sei die TBB geworden. Dabei übersieht sie jedoch, daß nach dem unstreitigen Sachvorbringen der Parteien der Stempelaufdruck erst nachträglich und nur auf dem Exemplar des Beklagten angebracht worden ist; dieser hat den diesbezüglichen Vortrag der Klägerin nicht bestritten. Er hat lediglich behauptet, die Vertragspartner seien auf der Auftraggeberseite später einverständlich ausgewechselt worden. Im Innenverhältnis zu den Bauherren sei vereinbart gewesen, daß nicht diese, sondern die TBB als Generalübernehmerin die Einzelaufträge an die Bauhandwerker vergeben solle; die Falschbezeichnung im Bauvertrag habe der Architekt verursacht. Die Klägerin habe nachträglich die GmbH als ihren – alleinigen – Vertragspartner akzeptiert. Das Landgericht hat hierüber Beweis erhoben und dieses Vorbringen des Beklagten als nicht bewiesen angesehen. Das Berufungsgericht hat diese Würdigung, die als solche mit der Berufung nicht angegriffen worden ist, übernommen. Auch die Revision erhebt insoweit keine Beweiswürdigungsrüge.
2. Das Berufungsgericht hat unter Billigung der Ausführungen des Landgerichts angenommen, der Beklagte habe den Bauvertrag als vollmachtloser Vertreter geschlossen; er sei zu einem Vertragsschluß namens der Bauherren von diesen nicht bevollmächtigt gewesen. Das Landgericht hat sich mit § 5 des nach seinen Feststellungen mit dem Beklagten persönlich zustande gekommenen Baubetreuungsvertrages befaßt, wo es heißt, der Bauherr erteile „hiermit dem Betreuer die Vollmacht, für ihn alle Handlungen vorzunehmen und Erklärungen abzugeben, die im Rahmen dieses Vertrags zur Durchführung des Bauvorhabens erforderlich sind”. Das Landgericht hat gemeint, diese Vertragsklausel habe nur steuerliche Gründe gehabt und sei im Verhältnis zwischen den Vertragschließenden nicht ernst gemeint gewesen; außerdem habe der Beklagte eine etwaige Vollmacht auch überschritten, weil der Bauvertrag eine gesamtschuldnerische Verpflichtung der Bauherren begründe, diese aber in § 4 des zwischen ihnen geschlossenen Gesellschaftsvertrages eine solche Haftung ausgeschlossen und ihre persönliche Verpflichtung auf ihre Anteilsquote am Grundstück beschränkt hätten. Der Beklagte hat diese Erwägungen mit der Berufung angegriffen und ausgeführt, sie seien mit den vorgelegten Vertragsurkunden nicht vereinbar; die Auffassung des Landgerichts, diese hätten eine von ihrem Wortlaut abweichende Bedeutung, vermöge nicht zu überzeugen. Das Berufungsgericht hat darin eine nicht den Erfordernissen des § 519 Abs. 3 Nr. 2 genügende Begründung gesehen und sich deshalb nicht weiter mit dem Berufungsangriff des Beklagten befaßt.
Diese Behandlung der Sache ist, wie die Revision zu Recht rügt, rechtlich nicht haltbar. Die Berufung ist im hier erörterten Zusammenhang ausreichend begründet worden; der Berufungsangriff bestand in der Rüge, daß die vom Wortlaut des Baubetreuungsvertrages abweichende Auslegung des Landgerichts falsch sei. Damit hätte sich das Berufungsgericht befassen müssen. In der Sache ist die Auslegung des Landgerichts rechtsfehlerhaft. Der Wortlaut des Vertrages spricht, wovon auch das Landgericht ausgegangen ist, für eine Bevollmächtigung des Baubetreuers zum Abschluß der Verträge im Namen der Bauherren. Ein Grund für eine solche Vertragsgestaltung mag gewesen sein, daß für den einzelnen Bauherrn steuerliche Vorteile damit verbunden sein konnten, daß er sich an dem Bauvorhaben auf eigene Rechnung und Gefahr beteiligte. Eine solche steuerliche Wirkung ließ sich aber nur erreichen, wenn die zivilrechtliche Gestaltung ernsthaft gewollt war (vgl. BGHZ 76, 86, 89, 94 f.). Daß sie nur zur Täuschung der Finanzbehörden gewählt worden wäre, ist bisher nicht festgestellt worden. Der Beklagte hat auch nicht, wie das Landgericht gemeint hat, seine Vollmacht überschritten. Bei Bauherrenmodellen haftet der einzelne Bauherr dem Werkunternehmer nur mit seiner Quote, ohne daß dies bereits im Werkvertrag festgelegt zu werden braucht (BGHZ 76, 86, 90).
Wie der Baubetreuungsvertrag und die sonstigen Vereinbarungen zwischen den Beteiligten zu verstehen sind, muß danach tatrichterlich neu gewürdigt werden. In der Revisionsinstanz läßt sich dies unter den gegebenen Umständen nicht nachholen. Es wird sich insbesondere erst nach ergänzendem Parteivorbringen beurteilen lassen, was die Behauptung des Beklagten besagen soll, man sei sich darüber einig gewesen, daß – abweichend vom Wortlaut des Baubetreuungsvertrages – die Bauherren nicht selbst mit den Bauunternehmern hätten kontrahieren sollen, und zwar gerade deswegen, weil nur auf diese Weise die steuerliche Zielsetzung habe erreicht werden können.
II. Bauvorhaben R.straße:
Das Landgericht hat den Beklagten zum Schadensersatz nach § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 64 Abs. 1 GmbHG verurteilt. Es hat ausgeführt, die TBB sei im Oktober 1984 bereits überschuldet und damit konkursreif gewesen. Das habe der Beklagte zumindest fahrlässig nicht erkannt; ob das Landgericht darüber hinaus feststellen wollte, daß der Beklagte die Überschuldung gekannt habe, läßt sich seinem Urteil nicht mit Sicherheit entnehmen. Infolge der nicht rechtzeitigen Konkurseröffnung, so hat das Landgericht weiter ausgeführt, habe die Klägerin gutgläubig die Werkleistungen erbracht, für die keine Deckung mehr im Gesellschaftsvermögen vorhanden gewesen sei. Das Berufungsgericht hat in vollem Umfang auf diese Begründung verwiesen. Sie trägt indessen, wie die Revision zu Recht rügt, die Verurteilung des Beklagten nicht.
1. Das Landgericht hat, was der Beklagte schon mit der Berufung beanstandet hat, nicht deutlich gemacht, aus welchen Tatsachen sich die Überschuldung im Zeitpunkt des Vertragsschlusses ergeben soll. Es hat nur festgestellt, daß sie Ende 1984 ca. 2 Mio. DM betragen habe. Es mag zwar viel dafür sprechen, daß dieser Überschuldungsgrad nicht in vollem Umfang in den Monaten Oktober bis Dezember 1984 eingetreten ist; der Rückschluß auf eine bereits Anfang Oktober 1984 bestehende Überschuldung hätte aber im einzelnen begründet werden müssen. Die im Tatbestand des landgerichtlichen Urteils festgehaltenen weiteren Tatsachen, auf die das Berufungsgericht besonders verweist – Kreditvolumen der gesamten „Firmengruppe T.” bei der B. Landesbank in Höhe von 14 Mio. DM, umfangreiche Besicherung dieses Kredits mit Vermögensgegenständen der TBB und der G. Fertigbau GmbH sowie mit Privatvermögen des Beklagten –, ergeben noch nicht ohne weiteres eine Überschuldung der TBB. Bisher fehlt es auch an einer Feststellung dazu, ob, wie die Klägerin geltend gemacht hat (GA 103), der Mithaftung der TBB für die Bankschulden der anderen Unternehmen durch Aufnahme eines Passivpostens in beträchtlicher Höhe in einen etwaigen Überschuldungsstatus Rechnung getragen werden mußte.
2. Die Klage ist auf der anderen Seite insoweit nicht aus anderen Gründen abweisungsreif.
a) Die Revision meint, die Klage müsse in diesem Punkt deswegen abgewiesen werden, weil ein etwaiger Anspruch verjährt wäre; die Klägerin habe bereits aufgrund eines Rundschreibens des Beklagten vom 31. Januar 1985, mit dem er die Gläubiger über seine Liquiditätsschwierigkeiten unterrichtet habe, und damit mehr als drei Jahre vor Klageerhebung Kenntnis vom Schaden und von der Person des Ersatzpflichtigen erhalten. Die Kenntnis von den Anfang 1985 bestehenden Liquiditätsschwierigkeiten läßt jedoch nicht ohne weiteres den Schluß zu, daß der Beklagte bereits Anfang Oktober 1984 wegen Überschuldung der Gesellschaft hätte Konkursantrag stellen müssen.
b) Eine Überschuldung hätte, was die Vorinstanzen übersehen haben, nach der bis zum 31. Juli 1986 geltenden Fassung des § 64 Abs. 1 GmbHG nur dann zur sofortigen Konkursantragspflicht des Beklagten geführt, wenn sie sich aus der Jahres- oder einer Zwischenbilanz, die freilich keine förmliche zu sein braucht, sondern aus einer einfachen Gegenüberstellung der Aktiven und der Passiven bestehen kann, ergeben hätte; dazu sind bisher in tatsächlicher Hinsicht keine Feststellungen getroffen worden. Dieses Erfordernis ist erst mit der Neufassung des § 64 Abs. 1 GmbHG durch das Zweite Gesetz zur Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität vom 15. Mai 1986 (BGBl. I S. 721) entfallen. Im gesellschaftsrechtlichen Schrifttum wurde zwar schon für die Zeit vor dieser Änderung überwiegend die Ansicht vertreten, daß das sog. Bilanzerfordernis entgegen dem Gesetzeswortlaut für die zivilrechtliche Schadensersatzhaftung nicht mehr gelte (vgl. die Nachweise im Urteil des Bundesgerichtshofs v. 9. Juli 1991 – VI ZR 14/91, ZIP 1991, 1137, 1138). Dem ist jedoch der Bundesgerichtshof bis zuletzt nicht gefolgt (Urt. v. 9. Juli 1991 a.a.O.). Die Gesetzesänderung aus dem Jahre 1986 berechtigt nicht zu einer anderen Auslegung der Vorschrift in der bis dahin geltenden Fassung.
Ferner führt der schuldhafte Verstoß gegen die Konkursantragspflicht nach der bisherigen ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur zu der Verpflichtung des Geschäftsführers, den Schaden zu ersetzen, der durch die Verminderung der Konkursmasse infolge der verspäteten Konkursanmeldung entsteht (sog. Quotenschaden: BGHZ 29, 100, 104 ff.; BGHZ 100, 19, 23 f.). Es besteht in dieser Sache zur Zeit kein Anlaß zur Prüfung, ob an dieser Rechtsprechung festzuhalten ist. Denn es kommt darauf für die Entscheidung nicht an, wenn, was bisher nicht auszuschließen ist, die Klage sich – auch – insoweit unter dem Gesichtspunkt der Konzernhaftung als begründet erweisen sollte (s. dazu unten III.).
III. Bauvorhaben W.straße:
Die Vorinstanzen sind – stillschweigend – davon ausgegangen, daß der am 30. November 1982 geschlossene Bauvertrag mit der TBB zustande gekommen ist. Das läßt keinen Rechtsfehler erkennen und wird auch von der Revision nicht beanstandet. Die als Bezeichnung der Auftraggeberin verwendete Angabe „T. GmbH” war ersichtlich eine Kurzformel. Wer damit gemeint war, ergibt sich zweifelsfrei aus dem der Unterschrift des Beklagten beigefügten Stempelaufdruck „T. Baubetreuungsges. m.b.H.”.
1. Das Landgericht hat die Verurteilung des Beklagten insoweit mit der Rechtsprechung des Senats zum sogenannten qualifizierten faktischen GmbH-Konzern und der analogen Anwendung des § 303 AktG begründet. Daß nicht der Beklagte, sondern allein dessen Ehefrau Gesellschafterin der TBB war, hat es nicht als Hinderungsgrund für die Heranziehung jener Haftungsgrundsätze angesehen. Der Beklagte habe sich, so hat es ausgeführt, fest auf die Unterstützung seiner Ehefrau verlassen können; diese habe ihm in keiner Weise in die Geschäftsführung hineingeredet und die Unternehmensleitung in vollem Umfang überlassen. Das Berufungsgericht hat sich dem angeschlossen. Die in das Zeugnis der Ehefrau gestellte Behauptung des Beklagten, jene habe „sehr wohl an der Geschäftsführung, Verwaltung und Finanzierung der TBB mitgewirkt und ihre Rechte als Alleingesellschafterin wahrgenommen”, hat das Berufungsgericht im Hinblick darauf, daß dieser Vortrag in einem erst eine Woche vor der Berufungsverhandlung eingereichten Schriftsatz vom 16. September 1991 enthalten war, als verspätet zurückgewiesen. Diese Verfahrensweise greift die Revision mit Recht an.
Der Beklagte hatte bereits in erster Instanz die Behauptung der Klägerin, seine Ehefrau sei „nur pro forma” Gesellschafterin gewesen, sie habe als „Strohfrau” agiert (GA I 17, 146), bestritten (GA I 65). In der Berufungsbegründung hat er geltend gemacht, zu diesem Punkt fehle es an substantiiertem Vortrag der Klägerin; jedenfalls habe er dazu – in erster Instanz – substantiiert Stellung genommen; das Landgericht habe übersehen, daß es keinen Erfahrungssatz gebe, wonach Familienangehörige stets gleichgerichtete Interessen verfolgten. Letzteres entspricht der Rechtsprechung des Senats (BGHZ 77, 94, 106). Freilich kann eine in der Vergangenheit gemeinsam betriebene Unternehmenspolitik eine ausreichend sichere Grundlage für die Ausübung gemeinsamer Herrschaft darstellen (BGHZ 80, 69, 73; Sen. Urt. v. 16. Dezember 1991 – II ZR 294/90, ZIP 1992, 242, 244). Jedenfalls ist die Gesellschafterstellung der Ehefrau dem Beklagten zuzurechnen, wenn sie die Anteile an der Gesellschaft nur als dessen Treuhänderin hielt. Dazu enthält das Berufungsurteil aber keine Feststellungen. Den Vortrag des Beklagten im Schriftsatz vom 16. September 1991 hätte das Berufungsgericht nicht zurückweisen dürfen; denn dieser hatte das Vorbringen der Klägerin sowohl im ersten Rechtszug als auch in der Berufungsbegründung bestritten, und beweispflichtig war die Klägerin. Die beiderseits angetretenen Beweise (vgl. GA I 17, 146) müssen deshalb erhoben werden.
2. Nach dem bisher zugrunde zu legenden Sachverhalt läßt sich nicht ausschließen, daß der Beklagte entsprechend § 303 AktG für die Verbindlichkeit der TBB gegenüber der Klägerin einzustehen hat. Er war neben seiner für die Revisionsinstanz anzunehmenden Stellung als mittelbarer Gesellschafter der TBB neben seiner Ehefrau an den beiden Gesellschafterinnen der GV G.gesellschaft mbH & Co. KG, nämlich der GV Grundstücksverwaltungsgesellschaft mbH (persönlich haftende Gesellschafterin) und der G. Fertigbau GmbH (Kommanditistin), als Gesellschafter beteiligt, und er hat die Komplementär-GmbH ebenso wie die TBB als alleiniger und die Kommanditistin als Mitgeschäftsführer geleitet. Er war ferner alleiniger persönlich haftender Gesellschafter einer weiteren Kommanditgesellschaft und Alleininhaber der Einzelfirma „T. Wirtschafts- und Finanzberatung”.
a) Der Senat geht bei den von ihm entwickelten Grundsätzen zur Haftung im faktischen GmbH-Konzern mit der jedenfalls im deutschen Recht ganz überwiegend vertretenen Meinung davon aus, daß mit bestimmten Beherrschungsverhältnissen für die abhängige Gesellschaft, d.h. für ihre etwaigen Minderheitsgesellschafter und ihre Gläubiger, besondere Gefahren verbunden sein können. Diese ergeben sich daraus, daß der bei der selbständigen Gesellschaft in der Regel vorhandene weitgehende Gleichlauf der Interessen der Gesellschaft und ihrer Gesellschafter nicht mehr ohne weiteres vorauszusetzen ist, wenn einer von ihnen noch anderweitige unternehmerische Interessen verfolgt und diese durch seine Einwirkungsmöglichkeiten bei der abhängigen Gesellschaft zum Tragen bringen kann. Die daraus folgende Konfliktlage war der Grund für die aktienrechtliche Gesetzgebung zum Recht der verbundenen Unternehmen (BGHZ 69, 334, 337). Sie hat auch den Senat dazu bewegen, für das gesetzlich nicht geregelte, aber gegenüber dem Aktienrecht jedenfalls von der damals vorherrschenden Ansicht eher als noch regelungsbedürftiger angesehene GmbH-Konzernrecht in Anlehnung an die aktienrechtlichen Vorschriften zum Vertragskonzern besondere Haftungsregeln zu entwickeln (BGHZ 95, 330, 334 f.).
Die Notwendigkeit eines besonderen Konzernhaftungsrechts, die auch heute dem Grundsatz nach für die abhängige GmbH weit überwiegend bejaht wird, beruht darauf, daß sich in bestimmten Konzernlagen wegen der infolge der Dichte der Einflußnahme des herrschenden Unternehmens unübersichtlich gewordenen Verhältnisse einzelne schädigende Eingriffe nicht mehr isolieren lassen. Deshalb reichen die sonstigen Haftungsnormen des Gesellschaftsrechts (Schadensersatzpflicht wegen Treuepflichtverletzung, Kapitalerhaltungsrecht) und des allgemeinen bürgerlichen Rechts (insbesondere deliktsrechtliche Anspruchsgrundlagen) als Schutzinstrumente nicht aus. An dieser grundsätzlichen Auffassung hält der Senat auch im Hinblick auf die daran in einem Teil des Schrifttums geäußerte Kritik fest.
b) Für die Ausgestaltung besonderer konzernrechtlicher Haftungsregeln kann es grundsätzlich keine Rolle spielen, welche Rechtsform der noch in anderer Weise unternehmerisch tätige Gesellschafter hat. Das Ausmaß der durch die Konzernierung begründeten Gefahren für die außenstehenden Gesellschafter und die Gläubiger hängt nicht davon ab, ob die Gesellschaft von einer anderen Gesellschaft oder einer natürlichen Person beherrscht wird. Deshalb kann auch eine solche „Unternehmen” im Sinne konzernrechtlicher Schutzbestimmungen sein (BGHZ 69, 334, 338; BGHZ 95, 330, 337; BGHZ 115, 187, 189). Auch hieran hält der Senat fest. Der „ordnungspolitische Grund” für ein besonderes Recht der verbundenen Unternehmen besteht nicht darin, solche beherrschenden Gesellschafter von der Absicherung gegen in beschränkt haftende Gesellschaften ausgelagerte Risiken auszunehmen, die sonst durch eine doppelte Haftungsbeschränkung geschützt wären (so Wiedemann, ZGR 1986, 656, 671), sondern in der bei anderweitiger unternehmerischer Betätigung bestehenden Gefahr einer Interessenkollision. Aus diesem Grund können natürliche Personen als beherrschende Gesellschafter einer Gesellschaft mit beschränktem Haftungsfonds nicht wegen des ihnen zugute kommenden Haftungsbeschränkungsprivilegs (vgl. Wiedemann, DB 1993, 141, 153) von konzernrechtlich begründeten Verantwortlichkeiten freigestellt werden.
Die Frage, ob es angebracht ist, bei einer natürlichen Person als „Konzernspitze” den Interessenausgleich nicht durch Belastung ihres Privatvermögens, sondern – bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen – durch einen Haftungsverbund zwischen den einzelnen ihr „gehörenden” Gesellschaften herbeizuführen, wenn sich ihre unternehmerische Betätigung in der Beteiligung an diesen Gesellschaften erschöpft (vgl. insbesondere K. Schmidt, ZHR 155 [1991], 417 ff., 432 ff.), ist hier – ebenso wie im Urteil des Senats vom 23. September 1991 (BGHZ 115, 187, 190 f.) – nicht zu beantworten. Denn der Beklagte war nicht nur, wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen ist, unmittelbar oder mittelbar an den verschiedenen Gesellschaften beteiligt, sondern er hat in dem Zeitraum, um den es hier geht, auch ein einzelkaufmännisches Unternehmen betrieben. Es würde grundlegenden Prinzipien des geltenden Rechts widersprechen, die Haftung des Gesellschafters, der im Interesse seines eigenen Unternehmens die Belange der von ihm abhängigen Gesellschaften vernachlässigt, auf den Teil seines nicht gesellschaftsrechtlich gebundenen Vermögens zu beschränken, das jenem Unternehmen gewidmet ist (so auch Assmann, FS 100 Jahre GmbH-Gesetz, 1992, S. 657, 715; vgl. ferner Kowalski, ZIP 1992, 1637 f.).
c) Für die Frage, ob der Beklagte für die unerfüllt gebliebene Forderung der Klägerin gegen die TBB entsprechend § 303 AktG einzustehen hat, sind im einzelnen folgende Gesichtspunkte maßgebend:
aa) Der Beklagte hat nach dem insoweit unstreitigen Parteivorbringen im Jahre 1982 für sich selbst – als Inhaber des im Tatbestand genannten sowie eines damals offenbar von ihm betriebenen weiteren einzelkaufmännischen Unternehmens („Firma Peter T., Verwaltungskonten, Wirtschafts- und Finanzberatung”) – und als Geschäftsführer der im Tatbestand ebenfalls erwähnten fünf von ihm geleiteten Gesellschaften der B. Landesbank (BLB) gegenüber eine schriftliche Erklärung abgegeben, mit der die dort im einzelnen aufgeführten sieben Unternehmen die gesamtschuldnerische Haftung für die Verbindlichkeiten jedes einzelnen von ihnen gegenüber der Bank übernahmen; diese wurde ermächtigt, die Kontenstände „jeweils vor Saldenaufnahme zu verrechnen” (Erklärung vom 15. Juni 1982, GA II 8 f.). Das von der Unternehmensgruppe bei der BLB in Anspruch genommene Kreditvolumen betrug im Juni 1984, also ein gutes halbes Jahr vor dem Zusammenbruch des gesamten Unternehmensverbunds, 14 Mio. DM. Am 12. September 1984 übereignete die TBB, wie das Berufungsgericht festgestellt hat, sämtliche Büromaschinen und sonstigen Bürogegenstände an die BLB. Nach einem vom Kläger vorgelegten Vermerk, der Staatsanwaltschaft vom 7. Mai 1986 trat – ebenfalls am 12. September 1984 – neben der Einzelfirma des Beklagten und der G. Fertigbau GmbH auch die TBB ihre Rechte und Ansprüche aus den mit den Bauherren abgeschlossenen Verträgen an die BLB ab (GA II 25). Bei Stellung des Konkursantrags waren danach alle dort aufgeführten Forderungen der TBB an die BLB abgetreten (GA II 32).
bb) Bei diesem Sachverhalt besteht, ohne daß die Klägerin dazu nähere Einzelheiten vorgetragen hat, die Möglichkeit, daß die TBB von der Bank nicht nur für eigene Schulden, sondern auch für die Verbindlichkeiten anderer Unternehmen der Firmengruppe in Anspruch genommen worden ist, für die sie nach der der BLB gegenüber abgegebenen Erklärung haftete. Insbesondere mag es naheliegen, daß mit den im Jahre 1984 an die Bank übereigneten Gegenständen und abgetretenen Forderungen nicht nur die eigenen Kreditverbindlichkeiten der TBB abgedeckt worden sind. Soweit sich einzelne auf diese Weise bewirkte Schmälerungen des Gesellschaftsvermögens feststellen lassen sollten, würden sich daraus zwar grundsätzlich keine Schadensersatzansprüche der TBB gegen den Beklagten als deren – wie für die Revisionsinstanz zu unterstellen – wirtschaftlichen Alleingesellschafter ergeben (vgl. BGHZ 31, 258, 278 f.; BGHZ 93, 146, 148; BGHZ 95, 330, 340; Sen. Urt. v. 18. März 1974 – II ZR 2/72, WM 1974, 412, 413 und v. 28. September 1992 – II ZR 299/91, WM 1992, 2053, 2054 f.). Die auf solche Weise eingetretenen Kapitalabflüsse hätte der Beklagte aber der Gesellschaft gegenüber nach § 31 Abs. 1 GmbHG auszugleichen, soweit dadurch das Gesellschaftsvermögen unter den zur Deckung des Stammkapitals erforderlichen Betrag herabgesunken oder eine bereits bestehende Unterbilanz vertieft worden sein sollte. Eine zum Verlustausgleich und gegebenenfalls zur unmittelbaren Zahlungspflicht gegenüber den Gesellschaftsgläubigern führende Haftung des Beklagten hätte das indessen noch nicht ohne weiteres zur Folge. Der Gesellschaft und unter Umständen ihren Gläubigern ist der Zugriff auf das Vermögen des herrschenden Unternehmens jedoch dann zu gestatten, wenn die abhängige Gesellschaft in einer Weise behandelt wird, die einen objektiven Mißbrauch der beherrschenden Gesellschafterstellung darstellt. Dies ist der Fall, wenn der die GmbH beherrschende Unternehmensgesellschafter die Konzernleitungsmacht in einer Weise ausübt, die keine angemessene Rücksicht auf die eigenen Belange der abhängigen Gesellschaft nimmt, ohne daß sich der ihr insgesamt zugefügte Nachteil durch Einzelausgleichsmaßnahmen kompensieren ließe. Im Fall einer Einpersonengesellschaft fehlt es an einer solchen angemessenen Rücksichtnahme, wenn die Gesellschaft infolge der im Konzerninteresse ausgeübten Einwirkungen ihren Verbindlichkeiten nicht nachkommen kann.
Der Senat hat eine auf konzernrechtliche Gesichtspunkte gestützte, gegen den unternehmerisch noch anderweitig engagierten Allein- oder Mehrheitsgesellschafter einer GmbH gerichtete Klage wegen der „großen Prozeßschwierigkeiten der klagenden Partei” bereits dann als schlüssig angesehen, wenn feststeht, daß er die Geschäftsführung der abhängigen Gesellschaft dauernd und umfassend ausgeübt hat (BGHZ 95, 330, 344); er hat es als Sache des herrschenden Unternehmens angesehen darzulegen, daß die eingetretenen Verluste auf Umständen beruhen, die mit der Ausübung der Leitungsmacht nichts zu tun haben (BGHZ 107, 7, 18; BGHZ 115, 187, 194). Das ist dahin verstanden worden, daß Haftungstatbestand die dauernde und umfassende Ausübung der Geschäftsführung sei und daß, wie insbesondere dem Urteil vom 20. Februar 1989 entnommen werden könnte, der Nachweis mangelnder Ursächlichkeit die Einstandspflicht des herrschenden Unternehmens nicht entfallen lasse, sondern den Ausgleichsanspruch lediglich auf den Teil der entstandenen Verluste beschränke, der auf die Geschäftsführung zurückzuführen sei (BGHZ 107, 7, 18). Eine solche Aussage war nicht beabsichtigt. Die Rechtsprechung des Senats bedarf deshalb der Klarstellung. Haftungstatbestand ist nicht die dauernde und umfassende Leitung der abhängigen Gesellschaft, sondern die oben näher gekennzeichnete Beeinträchtigung ihrer Interessen.
Daß sie vorliege, kann auch nicht mittels einer tatsächlichen Vermutung allein aus einer solchen Ausübung der Leitungsmacht gefolgert werden. Die Führung der Geschäfte der abhängigen Gesellschaft durch die Konzernspitze selbst kann zwar die Feststellung einzelner schädigender Eingriffe wesentlich erschweren; die Annahme, daß solche tatsächlich vorgekommen sind, erfordert aber zusätzliche Anhaltspunkte. Sonst könnte der geschäftsführende beherrschende Gesellschafter, obwohl er die Interessen der abhängigen Gesellschaft nicht beeinträchtigt hat, unter Umständen nur deswegen in die Haftung einbezogen werden, weil er den in vielen Fällen ebenfalls nur schwer zu führenden Gegenbeweis nicht erbringen kann. Vom Kläger ist deshalb zu verlangen, daß er Umstände darlegt und beweist, die die Annahme zumindest nahelegen, daß bei der Unternehmensführung im Hinblick auf das Konzerninteresse die eigenen Belange der GmbH über bestimmte, konkret ausgleichsfähige Einzeleingriffe hinaus beeinträchtigt worden sind (vgl. insbes. Kleindiek, GmbHR 1992, 574, 578 f.).
cc) Im vorliegenden Fall wird man den Vortrag der Klägerin so zu verstehen haben, daß die mit der BLB vereinbarte Saldenverrechnungsvereinbarung tatsächlich durchgeführt, daß also jeweils ein Gesamtsaldo gezogen worden ist, so daß alle Soll- und alle Habenbestände der einzelnen Unternehmen miteinander verrechnet worden sind. Das allein brauchte noch nicht zu bedeuten, daß die Belange der TBB in einer Weise beeinträchtigt worden sind, daß dem nicht im Wege des Einzelausgleichs Rechnung getragen werden könnte. Ist durch korrekte Verbuchung bei den einzelnen Unternehmen sichergestellt worden, daß jedes nur mit dem Teil der Gesamtverbindlichkeit belastet worden ist, der dieses Unternehmen betraf, dann ist insoweit das Vermögen der abhängigen Gesellschaften nicht angetastet worden. Auch wenn es zu ungerechtfertigten Belastungen mit fremden Schulden gekommen ist, löst dies allein die Rechtsfolgen der §§ 302, 303 AktG noch nicht aus, wenn solche Belastungen in den Büchern vollständig erfaßt und damit jeweils einem Einzelausgleich zugänglich gemacht worden sind.
Dabei ist allerdings folgendes zu berücksichtigen: Eine Nachteilszufügung läge in diesem Zusammenhang nicht nur insoweit vor, als die abhängige Gesellschaft tatsächlich zur Erfüllung von Verbindlichkeiten eines Schwesterunternehmens oder des Beklagten selbst herangezogen worden wäre. Die durch die Haftungsübernahme für die fremden Schulden begründeten Risiken können, worauf die Klägerin in den Tatsacheninstanzen zutreffend hingewiesen hat, je nach der Vermögenslage des gesamten Unternehmensverbunds so groß gewesen sein, daß sie sich unmittelbar auf den Vermögensstand des von der Gefahr einer Inanspruchnahme betroffenen Unternehmens auswirkten. Zur Absicherung eines solchen Risikos hätte zumindest eine entsprechende Rückstellung in die Bilanz der abhängigen Gesellschaft aufgenommen werden müssen. Sollte dies, obwohl nach der Vermögenslage erforderlich, unterblieben sein, dann hätte der der kreditgebenden Bank gegenüber geschaffene Haftungsverbund – auch im Hinblick auf das Ausmaß des Gesamtkredits – zu einer Unübersichtlichkeit der das Vermögen des Unternehmens berührenden Einwirkungen geführt, die die Annahme einer durch Einzelausgleich nicht mehr zu kompensierenden Beeinträchtigung der Interessen der abhängigen Gesellschaften und damit insbesondere der TBB rechtfertigen würde.
dd) Den Parteien muß Gelegenheit gegeben werden, ihr Vorbringen unter den dargelegten rechtlichen Gesichtspunkten zu ergänzen. Sodann wird das Berufungsgericht den Tatsachenstoff umfassend neu zu würdigen und zu entscheiden haben, ob ein die Einstandspflicht des Beklagten entsprechend § 303 AktG begründender Sachverhalt als bewiesen anzusehen ist. Dabei wird in prozessualer Hinsicht folgendes zu bedenken sein:
Grundsätzlich muß die Klägerin die tatsächlichen Umstände, aus denen sich ihr Anspruch ergeben soll, darlegen und beweisen. Dabei ist jedoch nicht zu verkennen, daß es insbesondere für einen außenstehenden Gläubiger außerordentlich schwierig sein kann, seiner Darlegungs- und Beweislast hinsichtlich des eine konzernrechtliche Haftung auslösenden Sachverhalts voll zu genügen, weil er in der Regel keinen Einblick in die inneren Angelegenheiten des herrschenden Unternehmens und erst recht nicht in diejenigen der übrigen Konzernglieder hat. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können dem Anspruchsteller in derartigen Fällen Erleichterungen hinsichtlich seiner Substantiierungslast in der Weise gewährt werden, daß der Beklagte nähere Angaben zu machen hat, wenn er im Gegensatz zum Kläger die maßgebenden Tatsachen kennt und ihm die Darlegung des Sachverhalts zumutbar ist. Kommt er dieser Darlegungslast nicht nach, so hat dies zur Folge, daß das Vorbringen des Klägers auch insoweit, als dieses mangels Einblicks in den dem Beklagten zugänglichen Geschehensbereich nicht den sonst zu stellenden Anforderungen genügt, gemäß § 138 Abs. 3 ZPO als zugestanden gilt (BGHZ 100, 190, 195 f.; Sen. Urt. v. 11. Juni 1990 – II ZR 159/89, NJW 1990, 3151 f.; BGH, Urt. v. 3. Dezember 1992 – I ZR 276/90, zum Abdruck in BGHZ bestimmt, jeweils m.w.N.). Die Voraussetzungen für die Anwendung dieser Grundsätze können im vorliegenden Fall gegeben sein, wenn die Klägerin nicht auf für sie zumutbare Weise Kenntnis von der Handhabung der gegenüber der BLB eingegangenen Gesamtschuldverpflichtung erlangen kann.
3. Der Senat setzt sich mit diesen Ausführungen nicht in Widerspruch zur Rechtsprechung des IX. Zivilsenats des Bundesgerichtshofs sowie des Bundesarbeitsgerichts.
a) Nach § 114 a ZVG gilt der Ersteher eines Grundstücks, für das in der Zwangsversteigerung der Zuschlag einem selbst zur Befriedigung daraus Berechtigten zu einem hinter 7/10 des Grundstückswerts zurückbleibenden Gebot erteilt wird, auch insoweit als aus dem Grundstück befriedigt, als sein Anspruch die 7/10-Grenze nicht übersteigt. Der IX. Zivilsenat hat diese Bestimmung unter den Voraussetzungen eines qualifizierten faktischen GmbH-Konzerns auch dann für anwendbar erklärt, wenn das herrschende unternehmen das Grundstück selbst ersteigert oder durch eine Schwestergesellschaft der GmbH ersteigern läßt, die nicht als Gläubigerin zur Befriedigung aus dem Grundstück berechtigt ist (Urt. v. 9. Januar 1992 – IX ZR 165/91, ZIP 1992, 274, 276 f., zum Abdruck in BGHZ 117, 8 vorgesehen). Er hat dabei lediglich auf die Vermutung der einheitlichen Leitung (§ 18 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 17 Abs. 2 AktG) abgestellt und diese als nicht widerlegt angesehen, weil im konkreten Fall feststand, daß das herrschende Unternehmen dafür gesorgt hatte, daß im Versteigerungstermin Gebote nur für die Schwestergesellschaft der betreibenden Gläubigerin und nicht auch für diese selbst abgegeben wurden. Über die Voraussetzungen, unter dienen das herrschende Unternehmen der abhängigen Gesellschaft und deren Gläubigern haftet, ist damit nichts gesagt.
b) Das Bundesarbeitsgericht hat die Haftung der alleinigen Gesellschafterin der Komplementär-GmbH einer in Vermögensverfall geratenen GmbH & Co. KG für Abfindungs- und Gehaltsansprüche eines Arbeitnehmers dieser Gesellschaft unter Anwendung der vom Senat entwickelten Haftungsgrundsätze im qualifizierten faktischen GmbH-Konzern unter der vom Kläger behaupteten Voraussetzung bejaht, daß die Beklagte, die selbst Inhaberin eines branchengleichen Unternehmens war, die Geschäfte der Kommanditgesellschaft wie die einer eigenen Betriebsabteilung geführt hatte; es hat die Sache zur Feststellung der dafür maßgebenden Tatsachen an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen (BAG, ZIP 1991, 884, 888 f.). Diese rechtliche Beurteilung läßt keinen Widerspruch zu den Ausführungen des Senats in diesem Urteil erkennen.
c) Das Bundesarbeitsgericht hat ferner für die Anpassung von Betriebsrenten nach § 16 BetrAVG für den Fall, daß die Arbeitgeberin abhängige Gesellschaft in einem qualifizierten faktischen Konzern ist, nicht auf die wirtschaftliche Lage der Arbeitgeberin, sondern auf diejenige des Konzerns abgestellt. Es hat im entschiedenen Fall die Voraussetzungen eines qualifizierten Konzerns für gegeben angesehen, weil nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts das herrschende Unternehmen die abhängige GmbH faktisch wie eine Betriebsabteilung geführt und diese insbesondere nur deswegen dem harten Konkurrenzkampf mit japanischen Unternehmen ausgesetzt hatte, weil sie im Interesse des Konzerns den deutschen Markt zu halten versuchte (BAG, ZIP 1992, 1566, 1569 f.). Auch dem liegt keine andere rechtliche Beurteilung zugrunde, als sie der Senat in diesem Urteil vertritt.
4. Es besteht kein Anlaß, eine Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs nach Art. 177 Abs. 3 des EWG-Vertrages einzuholen.
Nach Art. 2 Abs. 1 der 12. Richtlinie des Rates der Europäischen Gemeinschaften (ABl. EG L 395/40, abgedr. bei Hirte, Der qualifizierte faktische Konzern, RWS-Dokumentation 12, 1992, Nr. 2.1.3; vgl. das Durchführungsgesetz vom 18. Dezember 1991, BGBl. I 2206) brauchen Gesellschaften einer bestimmten Rechtsform – in Deutschland die GmbH – nur einen einzigen Gesellschafter zu haben; damit soll es auch Einzelunternehmen ermöglicht werden, die Haftung auf das zur Ausübung der unternehmerischen Tätigkeit eingesetzte Vermögen zu beschränken. Im Schrifttum wird die Frage erörtert, ob die Konzernhaftungsrechtsprechung, soweit sie sich auf Einpersonengesellschaften mit beschränkter Haftung bezieht, gegen jene Richtlinie verstößt (Hirte a.a.O. Einl. S. 16; Knobbe-Keuk, DB 1992, 1461, 1465; W.-H. Roth, ZIP 1992, 1054, 1056 f.; W. Meilicke, DB 1992, 1867; Sonnenschein/Holdorf, JZ 1992, 715, 723; Drygala, ZIP 1992, 1528; Kindler, ZHR 157 [1993], 1 ff.). Die Frage ist für die Konzernhaftungsregeln, wie sie in diesem Urteil zum Ausdruck kommen, eindeutig zu verneinen.
Das ergibt sich für den vorliegenden Fall bereits aus Art. 2 Abs. 2 Buchst. a der Richtlinie, wenn die Ehefrau des Beklagten nicht nur die Anteile der TBB, sondern auch diejenigen der anderen Gesellschaften als dessen Treuhänderin hielt und der Beklagte damit wirtschaftlich als Alleingesellschafter anzusehen war. Denn nach jener Bestimmung können die Gesetze der Mitgliedstaaten besondere Bestimmungen oder Sanktionen vorsehen, soweit – unter anderem – eine natürliche Person einziger Gesellschafter von mehreren Gesellschaften ist. Unter „Gesetzen” sind die Rechtsvorschriften des nationalen Rechts in dem Sinne zu verstehen, in dem sie von den Gerichten des jeweiligen Mitgliedstaats ausgelegt werden (EuGH, ZIP 1993, 221, 224).
Davon abgesehen enthält die 12. EG-Richtlinie keine konzernrechtliche Regelung. Daß sie nichts über Konzernverhältnisse mit Mehrpersonengesellschaften aussagt, steht völlig außer Zweifel. Es würde einen vom europäischen Gesetzgeber mit Sicherheit nicht gewollten Wertungswiderspruch darstellen, wenn die deutschen Konzernhaftungsregeln für Mehrpersonengesellschaften bestehenblieben, für die unter Gläubigerschutzgesichtspunkten eher gefährlicheren konzernierten Einpersonengesellschaften dagegen außer Kraft gesetzt würden. Dementsprechend heißt es im fünften Erwägungsgrund der Präambel der 12. Richtlinie ausdrücklich, daß Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten, die dem Einzelunternehmer „in Ausnahmefällen eine Haftung für die Verpflichtungen des Unternehmens auferlegen”, unberührt bleiben. Um einen solchen Ausnahmefall handelt es sich, wenn eine abhängige Gesellschaft unter Beeinträchtigung der Belange der außenstehenden Gesellschafter und der Gläubiger rechtsmißbräuchlich dem gesamtunternehmerischen Interesse des beherrschenden Gesellschafters dienstbar gemacht wird.
IV. Damit die nach den Ausführungen zu I, III 1 und III 2 noch erforderlichen tatrichterlichen Feststellungen getroffen werden können, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.
Unterschriften
Boujong, Dr. Hesselberger, Röhricht, Stodolkowitz, Dr. Goette
Fundstellen
Haufe-Index 1502393 |
BGHZ |
BGHZ, 123 |
BB 1993, 1103 |
BB 1993, 814 |
NJW 1993, 1200 |
Nachschlagewerk BGH |
ZIP 1993, 589 |
JZ 1993, 575 |
JuS 1993, 695 |
GmbHR 1993, 283 |