Leitsatz (amtlich)
Zur Formbedürftigkeit eines Vertrages, durch den ein Grundstückskaufvertrag aufgehoben werden soll.
Normenkette
BGB § 313 S. 1
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision gegen das Urteil des 22. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 2. Februar 1981 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Klägerin ist Alleinerbin ihrer am 28. Januar 1976 verstorbenen Mutter. Die Erblasserin hatte durch notariellen Vertrag vom 15. Juni 1972 ein ihr gehörendes Grundstück an den Beklagten verkauft und aufgelassen. Am 15. August 1972 ist zugunsten des Käufers eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden. Durch privatschriftliche Vereinbarung vom 6. Juni 1974 haben die Erblasserin und der Beklagte die Aufhebung des Kaufvertrags erklärt. Der Beklagte hat dies dem Grundbuchamt mitgeteilt.
Die Klägerin, die als Eigentümerin in das Grundbuch eingetragen worden ist, verlangt vom Beklagten die Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung.
Das Landgericht hat der Klage stattgegeben, das Oberlandesgericht hat sie abgewiesen. Mit der – zugelassenen – Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.
Der Beklagte beantragt,
das Rechtsmittel zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I.
Das Berufungsgericht hat einen Anspruch der Klägerin auf Bewilligung der Löschung der Auflassungsvormerkung verneint, weil der Aufhebungsvertrag vom 6. Juni 1974 nach §§ 513, 125 BGB formunwirksam und die Berufung des Beklagten darauf nicht treuwidrig sei. Zur Begründung hat das Berufungsgericht u.a. ausgeführt, das Erfordernis notarieller Beurkundung bestehe jedenfalls dann, wenn ein Käufer durch Auflassung und Eintragung einer Auflassungsvormerkung ein dingliches Anwartschaftsrecht an dem Grundstück erlangt habe. Der Beklagte habe den notariellen Abschluß des Aufhebungsvertrages nicht schuldhaft verhindert. Die schuldlose Abstandnahme von einer formgültigen Beurkundung reiche für einen Verstoß gegen § 242 BGB nicht aus.
II.
1. Die Revision vertritt demgegenüber die Auffassung, der Aufhebungsvertrag habe nicht der notariellen Beurkundung bedurft. Mindestens aber verstoße der Beklagte, der den Aufhebungsvertrag dem Grundbuchamt seinerzeit angezeigt habe, gegen § 242 BGB, wenn er sich auf einen etwaigen Formmangel berufe.
2. Das Rechtsmittel bleibt ohne Erfolg:
Die Frage, in welcher Form ein Kaufvertrag über ein Grundstück von den Beteiligten aufgehoben werden kann, ist vom Senat im Urteil vom 26. Februar 1964, V ZR 154/62, WM 1964, -509, 510 dahingehend beantwortet worden, daß vor dem Vollzug des Kaufvertrages im Grundbuch eine mündliche Aufhebungsvereinbarung wirksam sei. In dem entschiedenen Fall war, für den Käufer eine Auflassungsvormerkung im Grundbuch eingetragen.
Auf dem Boden dieser Entscheidung würde auch – wie im vorliegenden Fall – eine schriftliche Aufhebungsabsprache möglich sein.
Nach erneuter Überprüfung hält der Senat an der im oben bezeichneten Urteil vertretenen Auffassung nicht mehr uneingeschränkt fest:
a) Ist ein Kaufvertrag durch Auflassung und Eintragung des Eigentumsüberganges, im Grundbuch vollzogen, begründet seine Aufhebung die Verpflichtung des Käufers zur Zurückübertragung des bereits in seinem Eigentum befindlichen Grundstücks auf den Verkäufer. Enthält der Aufhebungsvertrag die Rückübertragungsverpflichtung, so bedarf er gemäß § 313 Satz 1 BGB der notariellen Beurkundung. Aber auch für den Fall, daß die Aufhebungsvereinbarung selbst eine, vertragliche Rückübertragungspflicht nicht begründen sollte, sondern diese sich nach Aufhebung des Kaufvertrages und nach den Vorschriften über die ungerechtfertigte Bereicherung (§§ 812 ff. BGB), richten würde, ergibt sich der Zwang zur notariellen Beurkundung aus der entsprechenden Anwendung des § 313 Satz 1 BGB. Der Zweck der Formvorschrift, den Grundstückseigentümer auf die Wichtigkeit des Geschäftes, das zur Grundstücksübertragungspflicht führt, hinzuweisen und ihm die Möglichkeit rechtskundiger Belehrung und Beratung nahezulegen, trifft in gleicher Weise sowohl auf den die Übertragungspflicht unmittelbar begründenden Vertrag als auch auf die Aufhebungsvereinbarung zu, die nur den Rechtsgrund für den Verbleib des Grundstücks im Vermögen des Käufers beseitigt und die Übertragungspflicht nach § 812 BGB auslöst. Es ist zudem kein sachlicher Grund ersichtlich, das Erfordernis der notariellen Beurkundung davon abhängig zu machen, ob die Vertragspartner die Rückübertragungsverpflichtung in den Aufhebungsvertrag aufnehmen oder davon mit Rücksicht auf die nach Aufhebung ohnehin bestehende gesetzliche Verpflichtung Abstand nehmen. In beiden Fällen besteht daher die Pflicht zur notariellen Beurkundung des Aufhebungsvertrages (vgl. hierzu auch Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 313 Rdnr. 65).
b) Andererseits kann auch nicht fraglich sein, daß ein Kaufvertrag über ein Grundstück, nach dessen Abschluß weder eine Auflassung erklärt noch eine Auflassungsvormerkung in das Grundbuch eingetragen worden ist, formfrei aufgehoben werden kann. Die Aufhebung begründet in Bezug auf das verkaufte Grundstück nämlich keine irgendwie geartete unmittelbare oder mittelbare Rückübertragungs- oder Erwerbsverpflichtung. c) Zwischen den oben aufgezeigten beiden Fallgruppen sind Abschnitte im Vollzug eines, Grundstückskaufvertrages denkbar, nach deren Erreichen die Frage, nach der Formbedürftigkeit eines Aufhebungsvertrages unterschiedlich beantwortet werden muß:
(1) Ist nach einem Grundstückskaufvertrag die Auflassung gemäß § 1925 BGB erklärt, ohne daß eine Auflassungsvormerkung eingetragen oder ein Eigentumsumschreibungsantrag gestellt ist, so ist das Grundstückseigentum seinem wesentlichen Umfang, nach noch im Vermögen des Veräußerers. Zwar ist dieser nach § 873 Abs. 2 BGB im Verhältnis zum Käufer an die dingliche Einigung gebunden; diese Bindung bewirkt jedoch keine Verfügungsbeschränkung. Der Verkäufer kann das Grundstück nach wie vor anderweitig veräußern und belasten. Gleiches gilt auch dann, wenn der Veräußerer zugunsten des Auflassungsempfängers, einen Eintragungsantrag gestellt hat, den er aber jederzeit wieder zurücknehmen kann (vgl. BGHZ 45, 186, 190). Steht das Grundstückseigentum aber noch zur freien Verfügung des Veräußerers, so wird durch eine in diesem Stadium des Vollzuges des Kaufvertrages vereinbarte Vertragsaufhebung keine Verpflichtung des Käufers begründet, auf die Sinn und Zweck des § 313 Satz 1 BGB zutreffen würden. Die Vertragsaufhebung kann folglich formfrei erfolgen.
(2) Ein Beurkundungszwang besteht jedoch dann, wenn der Auflassungsempfänger in Bezug auf das Grundstück bereits ein Anwartschaftsrecht erlangt hat. Ein – heute allgemein anerkanntes – Anwartschaftsrecht liegt vor, wenn von dem mehraktigen Entstehungstatbestand eines Rechtes schon so viele Erfordernisse erfüllt sind, daß von einer gesicherten Rechtsposition des Erwerbers gesprochen werden kann, die der andere an der Entstehung des Rechtes Beteiligte nicht mehr einseitig zu zerstören vermag (Senatsurteile BGHZ 45, 186, 188, 189; 49, 197, 201). Ein derartiges Anwartschaftsrecht des Auflassungsempfängers ist zu bejahen, wenn er selbst den Antrag auf Eintragung als Eigentümer gestellt hat; denn nach § 17 GBO muß das Grundbuchamt diesen Antrag vor zeitlich nachfolgenden Eintragungsanträgen erledigen, so daß der Erwerber vor anderweitigen Verfügungen des Veräußerers geschützt ist (vgl. BGZ 49, 197, 200, 201). Eine einseitige Zerstörung der Rechtsposition des Auflassungsempfängers durch den Veräußerer ist aber auch dann nicht mehr möglich, wenn zugunsten des Auflassungsempfängers eine Vormerkung im Grundbuch eingetragen ist, die nach den §§ 883 Abs. 2, 888 BGB Schutz vor einer anderweitigen Verfügung des Veräußerers gewährt (vgl. BGHZ 45, 186, 190).
Das Anwartschaftsrecht ist ein den Volleigentum wesensähnliches Recht (BGHZ 45, 186, 192), eine selbständig verkehrsfähige Vorstufe des Grundstückseigentums, deren Erstarkung zum Vollrecht vom Veräußerer nicht mehr verhindert werden kann. Die Wesensähnlichkeit mit dem Grundstückseigentum führt dazu, daß das Anwartschaftsrecht nicht durch Abtretung nach §§ 398, 413 BGB sondern durch Auflassung nach § 925 BGB übertragen, wird (BGHZ 49, 1057, 202).
Das dem Volleigentum somit weitgehend angenäherte Anwartschaftsrecht führt in der Regel zu einem Wechsel in der Rechtszuständigkeit in Bezug auf das Grundstück. Bei dieser Rechtslage ist es geboten, nicht nur die Übertragung des Anwartschaftsrechts der für das Volleigentum geltenden Form des § 925 BGB, sondern – wie beim Vollrecht – schon, die Verpflichtung zur Übertragung dem Formerfordernis des § 313 Satz 1 BGB zu unterstellen. Der Normzweck der letztgenannten Vorschrift, nämlich den Veräußerer und den Erwerber eines Grundstücks vor übereilten Verträgen zu bewahren und ihnen reifliche Überlegungsfreiheit sowie sachkundige und unparteiische Beratung durch den Notar zu gewähren (Warn- und Schutzfunktion), trifft mit der weiteren Beweis- und Gewährsfunktion (vgl. Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 313 Rdnr. 3 m. w. N.) voll auf die Verpflichtung zur Übertragung des Anwartschaftsrechtes zu. Mit ihr wird praktisch, über die Verpflichtung zur Übertragung des Volleigentums entschieden. Der Vertrag über die Verpflichtung zur Veräußerung oder zum Erwerb eines Grundstücksanwartschaftsrechts bedarf daher in entsprechender Anwendung des § 313 Satz BGB der notariellen Beurkundung.
Aus der Gleichbehandlung des Anwartschaftsrechtes mit dem Eigentum folgt, daß auch für die Formbedürftigkeit einer Aufhebungsvereinbarung zu einem Grundstückskaufvertrag die gleichen Regeln wie beim bereits übertragenen Vollrecht gelten. Der Inhaber des Anwartschaftsrechts wird durch den Aufhebungsvertrag gezwungen, seine gesicherte Rechtsposition in Bezug auf das Grundstück zugunsten des Verkäufers wieder aufzugeben. Er muß daher wie ein Grundstückseigentümer vor übereilten Verträgen, durch die er seine Anwartschaft auf ein Grundstück verliert, geschützt werden. Die Aufhebungsvereinbarung ist daher unter entsprechender Anwendung des § 313 Satz 1 BGB formbedürftig (so wie hier: MünchKomm-Kanzleiter, § 313 Rdnr. 16 und 49; Staudinger/Wufka, BGB 12. Aufl. § 313 Rdnr. 19 und 66; Palandt/Heinrichs, BGB 40. Aufl. 313 Anm. 9; Ertl, DNotZ 1976, 73; 1977, 84; a. A.: BGB-RGRK 12. Aufl. § 313 Rdnr. 83).
Würde man die zum Verlust des Anwartschaftsrechts führende Aufhebungsvereinbarung nicht dem Formzwang unterstellen, so hinge die Anwendung des § 313 Satz 1 BGB z.B. davon ab, ob bei erklärter Auflassung das Grundbuchamt im Zeitpunkt der Aufhebungsvereinbarung einem gestellten Umschreibungsantrag bereits entsprochen hat oder nicht. Im ersten Fall wäre das Eigentum bereits auf den Käufer übergegangen, im zweiten Fall würde zum Eigentumsübergang nur noch die vom Willen der Vertragspartner unabhängige Erledigung des Umschreibungsantrages fehlen. Ob aber einem Eintragungsantrag bereits entsprochen ist oder nicht, braucht den Parteien im Zeitpunkt des Abschlusses der Aufhebungsvereinbarung nicht einmal bekannt zu sein. Der Formzwang hinge also davon ab, wie schnell oder langsam das Grundbuchamt einen Eintragungsantrag erledigt. Für ein derartiges, den Parteien eine sichere Beurteilung eines Formerfordernisses verwehrendes Ergebnis wäre aber eine sachliche, mit Sinn und Zweck des § 313 Satz 1 BGB zu vereinbarende Rechtfertigung nicht zu finden.
d) Die Aufhebungsvereinbarung vom 6. Juni 1974 bedurfte daher in Übereinstimmung mit der Auffassung des Berufungsgerichts der notariellen Beurkundung. Ohne Beachtung dieser Form ist sie nach §§ 313, 125 BGB nichtig.
Rechtsfehlerfrei hat das Berufungsgericht auch ein treuwidriges Verhalten des Beklagten (§ 242 BGB) im Zusammenhang mit der Formnichtigkeit verneint. Auch die Revision hat nicht auf Umstände hinzuweisen vermocht, nach denen die Berufung auf die Formnichtigkeit zu einem schlechthin untragbaren Ergebnis führen würde.
Nicht zu beanstanden ist endlich auch, daß das Berufungsgericht eine Verwirkung des Anspruchs des Beklagten auf Erfüllung des Kaufvertrags abgelehnt hat. Die Mitteilung des vermeintlich wirksamen Aufhebungsvertrages an das Grundbuchamt durch den Beklagten läßt nicht den Schluß zu, der Vertragspartner werde sich auf eine Unwirksamkeit der Vereinbarung nicht berufen. Daß der Beklagte der Eintragung der Klägerin als Eigentümerin, nicht widersprochen hat, ist ebenfalls für eine Verwirkung, ohne Bedeutung. Einmal entspricht die Eintragung der Klägerin als Eigentümerin des Grundstücks der wirklichen Rechtslage vor Vollzug des Kaufvertrages, zum anderen war der Beklagte durch die Auflassungsvormerkung gegen eine ihm nachteilige Verfügung der Klägerin geschützt.
Die Revision der Klägerin mußte daher mit der Kostenfolge aus § 97 Abs. 1 ZPO zurückgewiesen werden.
Fundstellen
Haufe-Index 609398 |
BGHZ, 395 |
NJW 1982, 1639 |
DNotZ 1982, 619 |
JZ 1982, 600 |