Rn 18
Sozialpläne, die gemäß § 112 Abs. 1 Satz 3 BetrVG die Wirkung einer Betriebsvereinbarung haben, werden vom Anwendungsbereich des § 120 nicht erfasst, wenn sie vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens, aber nicht früher als drei Monate vor dem Eröffnungsantrag aufgestellt worden sind. Ein Recht zur vorzeitigen Kündigung ist in diesem Fall nicht erforderlich, da sich beide Betriebsparteien gemäß § 124 Abs. 1 von dem Sozialplan ohne weitere Begründung durch Widerruf lösen können. § 124 ist insoweit lex specialis. Auch eine Beratungsobliegenheit nach § 120 Abs. 1 Satz 1 ist nicht notwendig. Denn das Ziel der Beratung, die Herabsetzung der massebelastenden Leistungen, kann durch den Widerruf schneller erreicht werden.
Rn 19
Demgegenüber unterfallen Sozialpläne dann dem Regelungsbereich des § 120, wenn sie früher als drei Monate vor dem Insolvenzeröffnungsantrag vereinbart wurden und sich noch massebelastend auswirken. Letzteres ist insbesondere dann der Fall, wenn die vom Sozialplan erfassten Arbeitsverhältnisse im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung noch nicht rechtswirksam beendet sind und die nach dem Sozialplan vorgesehenen Leistungen daher durch den Insolvenzverwalter im Rang von § 55 Abs. 1 Nr. 2 bedient werden müssen.
Rn 20
Sozialpläne, die der Insolvenzverwalter nach Verfahrenseröffnung selbst vereinbart hat, können nicht nach § 120 herabgesetzt oder beendet werden. Hier verbleibt es bei den Vorgaben des § 123. Dies gilt auch dann, wenn ein vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossener Sozialplan gemäß § 124 widerrufen wird.
Rn 21
Auf einen vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens abgeschlossenen Interessenausgleich findet § 120 keine Anwendung. Denn da ein Interessenausgleich grundsätzlich keine normative Wirkung für die Arbeitsverhältnisse der Arbeitnehmer entfaltet, enthält er regelmäßig keine die Insolvenzmasse belastenden Leistungen. Ein Bedürfnis für eine Verhandlungsobliegenheit (§ 120 Abs. 1 Satz 1) bzw. eine Befugnis zur vorzeitigen Kündigung (§ 120 Abs. 1 Satz 2) besteht daher nicht.
Etwas anderes gilt lediglich dann, wenn der Interessenausgleich nicht nur Regelungen über die Durchführung der Betriebsänderung, sondern auch Folgeregelungen enthält, die ihrer Art nach Geltung für die Arbeitsverhältnisse beanspruchen und den Arbeitnehmern unmittelbar Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber einräumen (z.B. Anspruch auf Fortbildungs- und Qualifizierungsmaßnahmen). In diesem Fall ist § 120 – sofern der Interessenausgleich nicht ohnehin als Betriebsvereinbarung vereinbart wurde – zumindest auf den die Insolvenzmasse belastenden Teil des Interessenausgleichs anwendbar.