Rn 28
Nach § 120 Abs. 1 Satz 2 können Betriebsvereinbarungen auch dann mit einer Frist von drei Monaten gekündigt werden, wenn eine längere Frist vereinbart ist.
4.1.1 Höchstkündigungsfrist
Rn 29
Dem Wortlaut nach handelt es sich bei § 120 Abs. 1 Satz 2 somit um eine Höchstkündigungsfrist, durch die etwaige zwischen den Betriebspartnern vereinbarte längere Kündigungsfristen auf die in § 77 Abs. 5 BetrVG vorgesehene Regelkündigungsfrist verkürzt werden. Haben die Betriebspartner eine kürzere Kündigungsfrist vereinbart, ist hingegen die kürzere Frist maßgeblich. Eine Kündigung gemäß § 120 Abs. 1 Satz 2 ist auch dann noch möglich, wenn die Betriebsvereinbarung schon vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Arbeitgeber oder vor oder nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch den Betriebsrat mit einer längeren Kündigungsfrist gekündigt worden ist (sog. Nachkündigungsrecht).
4.1.2 Gesetzliches Kündigungsrecht bei Unkündbarkeit oder Kündigungserschwernis
Rn 30
Die Kündigung einer Betriebsvereinbarung bedarf regelmäßig keiner sachlichen Rechtfertigung und unterliegt keiner inhaltlichen Kontrolle. Dies gilt unabhängig vom Regelungsgegenstand der Betriebsvereinbarung. Insofern können auch Betriebsvereinbarungen über eine betriebliche Altersversorgung gekündigt werden.
Rn 31
Trotz der von § 113 Satz 1 abweichenden Formulierung des Normtextes können massebelastende Betriebsvereinbarungen auch dann ordentlich gekündigt werden, wenn das Recht zur ordentlichen Kündigung in der Betriebsvereinbarung ganz oder teilweise ausgeschlossen oder die Betriebsvereinbarung nur für einen vorübergehenden Zeitraum befristet vereinbart worden ist. Gleiches gilt, wenn eine Kündigung der Betriebsvereinbarung lediglich unter bestimmten, in der Betriebsvereinbarung näher konkretisierten Voraussetzungen möglich sein soll. Auch in diesem Fall ist eine Kündigung der Betriebsvereinbarung analog § 120 Abs. 1 Satz 2 zulässig. Die entsprechende Anwendung des § 120 Abs. 1 Satz 2 auf an sich unkündbare Betriebsvereinbarungen ist mit Blick auf den Zweck der Regelung, über das gesetzliche Maß hinausgehende Bindungen an Betriebsvereinbarungen zu verhindern, gerechtfertigt. Mit dieser Lesart enthält § 120 Abs. 1 Satz 2 nicht nur eine Höchstkündigungsfrist, sondern auch – vergleichbar § 113 Satz 1 – ein eigenständiges gesetzliches Kündigungsrecht.
4.1.3 Teilkündigung
Rn 32
Soweit eine Betriebsvereinbarung neben belastenden Regelungen i.S.d. § 120 Abs. 1 auch Normen enthält, an deren Beibehaltung der Insolvenzverwalter interessiert ist, kommt grundsätzlich auch eine Teilkündigung in Betracht. Voraussetzung hierfür ist, dass der gekündigte Teil einen selbstständigen Regelungskomplex betrifft, der ebenso in einer eigenständigen Betriebsvereinbarung geregelt werden könnte.
4.1.4 Kündigungsberechtigter
Rn 33
Kündigungsberechtigt i.S.d. § 120 Abs. 1 Satz 2 sind sowohl der Insolvenzverwalter als auch – auf der Grundlage eines ordnungsgemäßen Beschlusses (§ 33 BetrVG) – der Betriebsrat. Im Fall der Eigenverwaltung tritt der Insolvenzschuldner an die Stelle des Insolvenzverwalters (§ 279 Satz 1).
4.1.5 Form/Begründung der Kündigung
Rn 34
Die Kündigung von Betriebsvereinbarungen ist formlos möglich. Daran ändert die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nichts. Aus Dokumentationsgründen empfiehlt sich allerdings eine schriftliche Erklärung der Kündigung. Ist Eigenverwaltung angeordnet, muss der Sachwalter der Kündigung gemäß § 279 Satz 3 zustimmen. Andernfalls ist die Kündigung – ohne die Möglichkeit der Genehmigung – unwirksam. Da die Kündigung einer Betriebsvereinbarung regelmäßig weder einer sachlichen Rechtfertigung bedarf noch einer gerichtlichen Inhaltskontrolle unterliegt, muss ein Grund für die Kündigung nicht benannt werden.